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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46

Notes 6921 and 6922, undated, c. 1923

Automated Translation

125. On Artistic Representation as the Visualization of the Spiritual

The Goetheanum was felt to be a physical sign of the formation that the three main interests of humanity strive for in the depths of the human soul. These main interests are the religious-moral, the artistic and the cognitive.

What one feels in this direction can be brought to consciousness by asserting the shaping of these three greatest ideals for three main epochs of humanity's historical development.

In the distant past of pre-Christian human life, the religious, artistic and cognitive aspects proceeded from the instinctive consciousness, which perceived the spiritual and soul-like in the same way as the sensual and physical. When raised to a spiritual level, this consciousness still finds its manifestation in the ancient Indian, ancient Persian, and also the Egyptian and Chaldean spiritual life.

To see this point correctly, it is not enough to follow the historical documents with the intellect; it is necessary to live and empathize with the souls of the people who lived in the successive ages.

When looking at older human soul conditions, one speaks of animism and the like. It is thought that the human souls of older times dreamt spiritual-soul things into the inanimate nature through fantasy. That is just such a rationalized view. One simply adheres to what the present soul must see in nature according to its constitution. One does not consider that the human soul has changed and saw differently in older times than it does today. It did not fantasize by assuming that spiritual-soul forces are present in and outside of nature, but rather it saw these spiritual-soul forces.

But spiritual-religious experience was just as much a matter of course for an older humanity as the experience of the natural is for today's people. They lived with their gods (spirits) as they lived with physical people. But one also saw oneself as a human being transported to Earth, so that one perceived the human body as the covering of a spiritual and soul core that actually belonged to the supersensible worlds. One saw in the supersensible one's spiritual home, from which one had been sent for some time into the sensual-physical existence.

And in the artistic representations, however primitive they may have been for a present-day view, one saw the visualization of the spiritual by people who were particularly imbued with the seeing consciousness of the supersensible. Such men placed the pictures of their vision before others, so that these might be able to penetrate from their presentiment of the spiritual to a more living experience. Much can, of course, be objected to such a view. One can point to primitive artistic forms that certainly arose from different perceptions than those used by other people to visualize the spiritual. But an unprejudiced study of history can show that in such artistic activities, side currents of human development can be seen, while the main currents lie in such primitive representations, one of which has led to Indian visual art and Vedic poetry.

125. Über künstlerische Darstellung als Verbildlichung des Geistigen

Das Goetheanum war empfunden als ein körperhaftes Zeichen für die Gestaltung, welche die drei Haupt-Interessen der Menschheit in den Tiefen der Menschenseelen gegenwärtig anstreben. Diese Hauptinteressen sind das religiös-moralische, das Künstlerische und das Erkenntnisinteresse.

Was man in dieser Richtung empfindet: Man kann es sich zum Bewusstsein bringen, wenn man für drei Haupt-Epochen der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit die Gestaltung dieser drei größten Ideale behauptet.

In einer fernen Vergangenheit des vorchristlichen Menschheitslebens gingen Religiöses, Künstlerisches und Erkenntnismäßiges von dem instinktiven Bewusstsein aus, das Geistig-Seelisches in gleicher Art als ein Wirkliches empfand wie Sinnlich-Physisches. Auf eine seelische Höhe gehoben, findet dieses Bewusstsein seine Offenbarung noch in dem altindischen, dem altpersischen, auch dem ägyptischen und chaldäischen Geistesleben.

Um in diesem Punkte das Rechte zu sehen, genügt nicht ein verstandesmäßiges Verfolgen der geschichtlichen Dokumente; es ist dazu ein Einleben und Einfühlen in die Seelen der Menschen notwendig, die in den aufeinanderfolgenden Zeitaltern gelebt haben.

Man spricht, wenn man auf ältere menschliche Seelenverfassungen blickt, von Animismus und dergleichen. Man meint, es sei von den Menschenseelen älterer Zeiten in die unbeseelte Natur Seelisch-Geistiges durch die Phantasie hineingeträumt worden. Das ist eben eine solch verstandesmäßige Auffassung. Man hält sich da einfach an das, was die gegenwärtige Seele in der Natur, nach ihrer Verfassung sehen muss. Man beachtet nicht, dass die Menschenseele sich gewandelt hat und in älteren Zeiten anders gesehen hat als heute. Sie hat nicht fantasiert, indem sie das Geistig-Seelische in und außer dem Natürlichen angenommen hat, sondern sie hat dieses Geistig-Seelische geschaut.

Damit aber war das geistig-religiöse Erleben für eine ältere Menschheit eine ebensolche Selbstverständlichkeit wie für den heutigen Menschen das Erleben des Natürlichen eine ist. Man lebte mit seinen Göttern (Geistern), wie man mit leibhaftigen Menschen lebte. Man sah sich aber auch als Mensch auf die Erde versetzt, sodass man das Menschlich-Leibliche als Umhüllung eines geistig-seelischen Kernes empfand, der eigentlich übersinnlichen Welten angehörte. Man sah in dem Übersinnlichen seine geistige Heimat, aus der man für einige Zeit in das sinnlich-physische Dasein gesandt worden ist.

Und in den künstlerischen Darstellungen, so primitiv sie für eine gegenwärtige Anschauung gewesen sein mögen, sah man Verbildlichung des Geistigen durch Menschen, welche von dem schauenden Bewusstsein des Übersinnlichen besonders durchdrungen waren. Solche Menschen stellten für andere die Bilder ihres Schauens hin, damit diese andern sich von ihrer Ahnung des Geistigen zu einem lebendigeren Erleben hindurchringen können. Es kann natürlich gegen eine solche Ansicht viel eingewendet werden. Man kann auf die primitiven künstlerischen Gebilde hinweisen, die lang gewiss aus anderen Empfindungen entsprungen sind als aus der, andern Menschen das Geistige zu verbildlichen. Allein eine unbefangene Geschichtsbetrachtung kann zeigen, dass in solchen künstlerischen Betätigungen Seitenströmungen der Menschheitsentwicklung zu sehen sind, während die Hauptströmungen in solchen primitiven Darstellungen liegen, von denen eine zur indischen Bildekunst und zur Vedendichtung geführt hat.