Donate books to help fund our work. Learn more→

The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46

Note 6873-6875, undated, around 1893

Automated Translation

30. General Discouragement in the Field of Philosophy

General discouragement in the field of philosophy – cowardice of thought – Volkelt as an example -—. It was he who, in the introduction to his “Traumphantasie” (1875), sharply criticized the only apparent resignation, but in truth half-heartedness and discouragement of thought, which no longer wants to boldly tackle the central problems of existence. (1884), Basel inaugural address: On the Possibility of Metaphysics. The expression of this despondency is the emergence of the many epistemologies - Lotze's saying about sharpening knives - but the knives have remained blunt - epistemology has not grasped the actual fundamental philosophical task - Lasalle's saying: “Philosophy can be nothing but the consciousness that the empirical sciences attain of themselves.”

All our philosophical science is under the spell of Kantianism. Since Otto Liebmann (1865) proclaimed the motto “back to Kant”, it has not been abandoned by research. Our most important natural scientists are subject to it.

All higher thinking of our nation is based on the fundamental tone of Kant's world view. We believe that with Kantianism we have now overcome dogmatism; in truth, we have exchanged nothing but a bad dogma, an article of faith: the belief in Kant's infallibility. Before Kant, there were dualists, monists, and pluralists. There was a limit to science, but not a limit to knowledge. It was Kant who first drew limits to our knowledge. Kant established a dualism, a two-worlds theory, which has forever blocked our access to the foundations of existence. Kant exchanged the certainty and security of our knowledge for its absoluteness.

He examines our cognitive faculty in order to gain an understanding of its capabilities. He finds two roots: sensuality and reason. Our mental organization creates our experience with the material of sensations. Therefore, cognition is limited to the latter. Skimming over experience is impossible because of the nature of the cognitive faculty. The In-Itself is forever unknowable. Theoretical reason only as a regulative. Surrogate practical reason. Ethics of the categorical imperative. Should. Kantianism perfect dualism. Two worlds: the world of the self and the world of experience. Two principles of knowledge: knowledge and belief. The subjectivism that this entails has not been abandoned.

As long as the trick of looking around the corner, i.e. 'without imagining, is not invented, Kant's proud self-modesty will have it that of the being, its that can be recognized, but never its what.

This dogma is the rock on which every opposing opinion is dashed. Otto Liebmann calls the sentence a sacrosanct principle. Hartmann's transcendental realism is based on it. Necessary consequences, e.g. spiritism. Du Bois-Reymond's view. Ignorabism. Subjectivism in modern science a consequence of Kantianism.

But how did the world of ideas come to be indicated? The split into subject and object is a product of our organization. Not a manifold is given to us, but we split the one into a manifold. Not unity is an illusion, but multiplicity. The task of science must therefore be: to overcome the multiplicity in the mind that is caused by our organization and to reshape it into unity. An element of science is only justified if it is split off from the whole of reality somewhere. Science is therefore only ever an association of the elements of reality that have been split up by our organization. The nature of the association must arise from the nature of the elements themselves. Immanent theories. They are contrasted with the transcendent theories. Atomism and metaphysical theories. The hypothesis is justified only insofar as it presupposes things that are relatively inaccessible to us only because of their remoteness in space and time. Metaphysical hypotheses are a non-starter. What matters is not that the consequences of a hypothesis are confirmed, but that the content of a hypothesis can be proven as a fact if the empirical possibility were present. Extension of this principle to inorganic and organic natural sciences. Haeckel's monism is therefore correct in principle. If we understand ourselves correctly, the world does not lead us out of itself. It must be explainable from within itself. There is only one world of experience, but it contains all the elements for its explanation and comprehensibility. There is nothing inexplicable in nature. The things that are supposed to be inexplicable to us must first be invented. Nothing truly real is incomprehensible; only the fantastic entities that humanity has created as reality and beyond that, are incomprehensible. We always remain only before the self-created barriers of knowledge.

30. Allgemeine Entmutigung auf philosophischem Gebiet

Allgemeine Entmutigung auf philosophischem Gebiete — Feigheit des Denkens — Volkelt als Beispiel -—. Er war es, der es in der Einleitung zu seiner «Traumphantasie» (1875) in scharfen Worten die nur scheinbare Resignation, in Wahrheit aber Halbheit und Mutlosigkeit des Denkens [be]handelte, das nicht mehr kühn auf die zentralen Probleme des Daseins losgehen will. (1884), Basler Antrittsrede: Über die Möglichkeit der Metaphysik. Der Ausdruck dieser Mutlosigkeit ist das Entstehen der vielen Erkenntnistheorien - Lotzes Ausspruch vom Messerwetzen - Die Messer sind aber stumpf geblieben — Die Erkenntnistheorie hat die eigentlich philosophische Grundaufgabe nicht begriffen - Lasalles Ausspruch: «Die Philosophie kann nichts sein als das Bewusstsein, welches die empirischen Wissenschaften über sich selbst erlangen.»

Alle unsere philosophische Wissenschaft steht unter dem Banne des Kantianismus. Seit Otto Liebmann (1865) die Devise aussprach: «zu Kant zurück» ist dieser von der Forschung nicht wieder gewichen. Unsere bedeutendsten Naturforscher stehen unter demselben.

Alles höhere Denken unserer Nation trägt den Grundton Kant’scher Weltanschauung. Wir meinen mit dem Kantianismus nun den Dogmatismus überwunden zu haben; in Wahrheit haben wir nichts eingetauscht als ein schlimmes Dogma, einen Glaubensartikel: den Glauben an Kants Unfehlbarkeit. Vor Kant gab es Dualisten, Monisten und Pluralisten. Es bestand eine Grenze der Wissenschaft, nicht aber eine eigentliche Grenze des Erkennens. Unserer Erkenntnis wurden Grenzen erst durch Kant gezogen. Kant begründet einen Dualismus, eine Zweiweltentheorie, die uns den Zugang zu den Grundfesten des Daseins auf immer verlegt. Kant tauschte die Gewissheit und Sicherheit unserer Erkenntnis für deren Absolutheit ein.

Er untersucht unser Erkenntnisvermögen, um eine Vorstellung von dessen Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Er findet zwei Wurzeln: Sinnlichkeit und Verstand. Unsere geistige Organisation schafft mit dem Materiale der Empfindungen unsere Erfahrung. Auf Letztere ist daher das Erkennen eingeschränkt. Ein Überfliegen der Erfahrung ist wegen der Natur des Erkenntnisvermögens unmöglich. Das An-Sich für immer unerkennbar. Theoretische Vernunft nur als Regulativ. Surrogat die praktische Vernunft. Ethik des kategorischen Imperativs. Sollen. Kantianismus vollendeter Dualismus. Zwei Welten: AnSich und Erfahrungswelt. Zwei Erkenntnisprinzipien: Wissen und Glauben. Der damit begründete Subjektivismus ist nicht wieder aufgegeben worden.

Solange das Kunststück, um die Ecke zu schauen, d.h. ‚ohne Vorstellung vorzustellen, nicht erfunden ist, wird es bei der stolzen Selbstbescheidenheit Kants sein Bewenden haben, dass vom Seienden dessen Dass, niemals aber dessen Was erkennbar ist.

Dieses Dogma ist der Fels, an dem jede entgegengesetzte Meinung zerschellt. Otto Liebmann nennt den Satz ein sakrosanktes Prinzip. Hartmanns transzendentaler Realismus ist darauf gegründet. Notwendige Folgen z.B. Spiritismus. Du Bois-Reymond’sche Ansicht. Ignorabismus. Der Subjektivismus in der modernen Naturwissenschaft eine Folge des Kantianismus.

Wie ist aber der Welt der Vorstellungscharakter indiziert worden? Die Spaltung in Subjekt und Objekt ist ein Produkt unserer Organisation. Nicht ein Mannigfaltiges, vieles ist uns gegeben, sondern wir spalten das Eine in eine Mannigfaltigkeit. Nicht die Einheit ist Schein, sondern die Vielheit. Aufgabe der Wissenschaft muss es daher sein: die durch unsere Organisation bedingte Vielheit im Geiste zu überwinden und wieder zur Einheit zu gestalten. Ein Element der Wissenschaft hat nur dann Berechtigung, wenn es irgendwo von der Gesamtwirklichkeit abgespalten ist. Die Wissenschaft ist daher immer nur eine Vereinigung der von unserer Organisation zerteilten Wirklichkeitselemente. Die Art der Vereinigung muss sich aus der Natur der Elemente selbst ergeben. Immanente Theorien. Ihnen stehen gegenüber die transzendenten Theorien. Atomismus und metaphysische Theorien. Die Hypothese ist nur insoweit berechtigt, als sie Dinge voraussetzt, die nur wegen ihrer Entlegenheit im Raume und in der Zeit uns relativ unzugänglich sind. Metaphysische Hypothesen sind ein Unding. Nicht darauf kommt es an, dass die Konsequenzen einer Hypothese sich bestätigen, sondern darauf, dass der Inhalt einer Hypothese als Tatbestand sich nachweisen ließe, wenn die empirische Möglichkeit vorhanden wäre. Ausdehnung dieses Grundsatzes auf anorganische und organische Naturwissenschaften. Haeckels Monismus deshalb im Prinzipe richtig. Verstehen wir uns nur selbst richtig, so führt uns die Welt nirgends aus sich heraus. Sie muss aus sich selbst erklärbar sein. Es gibt nur eine, und zwar eine Erfahrungswelt, diese enthält aber alle Elemente zu ihrer Erklärung und Begreiflichkeit. Im Wesen gibt es nichts Unerklärliches. Die Dinge, die uns unerklärlich sein sollen, müssen wir erst erdichten. Nichts wahrhaft Wirkliches ist unbegreiflich; nur die phantastischen Wesenheiten, die die Menschheit zur Wirklichkeit und über diese hinaus sich selbst geschaffen hat, sind unbegreiflich. Wir bleiben immer nur vor den selbst geschaffenen Schranken der Erkenntnis stehen.