Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46
Note 7479, undated, around 1890
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21. Goethe's way of Thinking in the Theory of Colors
This experience forms the basis of Goethe's theory of colors. He is reproached for not deriving it from even higher conditions that are no longer tangible. Helmholtz remarks – and Kalischer refers to this – that the poet is “daunted by the step into the realm of concepts, which must be taken if we are to ascend to the causes of natural phenomena”. But where should this realm of concepts lie, which Goethe was so afraid of? Far removed from Goethe's objective way of thinking were conceptual schemas, such as the generally assumed atomic world, which Goethe assumed. He operated with concepts no less than other scientific researchers. Are they not concepts that compose the general proposition about the archetypal phenomenon? But it did not occur to him to invent an arbitrary content for these concepts, but he sought the same in intuition and in physical things in the outer experience. Where these contents are simple and indecomposable, as in the case of the archetypal phenomenon, it is the physicist's duty to stop; any further questioning about the “why” is unjustified here, not because the answer lies beyond the limits of our knowledge, but simply because the question is nonsense. Anyone who still asks here could say with every further answer: Why is this so, only that all these questions are thoughtless. Goethe therefore has the right to stop here and not to theorize further about the archetypal phenomenon. The archetypal phenomenon, like the mathematical axiom, is neither capable nor in need of proof. But [just as in mathematics – and Goethe himself uses this simile – everything else follows logically from the found and immediately recognized axioms, so he now develops the whole color theory from the archetypal phenomenon. All further appearances arise simply from a complication of the simplest fact, from the addition of ever more circumstances. With the addition of each new circumstance, he also sees the phenomenon becoming more complex. But [as if] one were adding to the fundamental [text breaks off]
21. Goethes Denkweise in der Farbenlehre
Diese Erfahrung bildet die Grundlage der Goethe’schen Farbenlehre. Dass er diese nicht aus noch höheren Bedingungen, die nicht mehr anschaulich sind, ableitete wird ihm zum Vorwurfe gemacht. Helmholtz bemerkt - und Kalischer beruft sich darauf -, dass den Dichter «der Schritt in das Reich der Begriffe, welcher notwendig gemacht werden muss, wenn wir zu den Ursachen der Naturerscheinungen aufsteigen wollen, zurückschreckt». - Wo soll aber dieses Begriffsreich liegen, vor dem Goethe solche Scheu trug? Es lag Goethes objektiver Denkweise ferne Begriffsschemen, wie etwa die allgemein angenommene Atomenwelt, vorauszusetzen. Er operierte nicht weniger mit Begriffen als andre wissenschaftliche Forscher. Sind es etwa nicht Begriffe, welche den allgemeinen Satz über das Urphänomen zusammensetzen? Aber es fiel ihm nicht ein, für diese Begriffe einen willkürlichen Inhalt zu erfinden, sondern er suchte denselben in der Anschauung und in physikalischen Dingen in der äußeren Erfahrung. Wo nun diese Inhalte einfach, unzerlegbar sind wie beim Urphänomen, da ist es Pflicht des Physikers, stehen zu bleiben, jedes weitere Fragen nach dem «Warum» ist hier ungerechtfertigt, nicht weil die Antwort jenseits der Grenze unserer Erkenntnis liegt, sondern einfach weil die Frage ein Unsinn ist. Wer hier noch fragt, der könnte bei jeder weiteren Antwort wieder sagen: Warum ist nun dies so, nur dass alle diese Fragen gedankenlos sind. Goethe hat also ein Recht, hier stehen zu bleiben und über das Urphänomen nicht weiter zu theoretisieren. Das Urphänomen ist wie das mathematische Axiom weder eines Beweises fähig noch bedürftig. Aber [so, wie] in der Mathematik - und dieses Gleichnis gebraucht Goethe selbst - nun alles andre gesetzmäßig aus den gefundenen und unmittelbar als richtig erkannten Axiomen hervorgeht, so entwickelt er nun auch die ganze Farbentheorie aus dem Urphänomen. Alle weiteren Erscheinungen entstehen einfach durch eine Komplizierung der einfachsten Tatsache, durch Hinzutreten immer weiterer Umstände. Mit dem Hinzutreten eines jeden neuen Umstandes sieht er auch das Phänomen zusammengesetzter werden. Aber [so, wie], wenn man die Grund- [Text bricht ab]