Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46
Manuscript, undated, c. 1890
Automated Translation
20. On the Highest Form of Knowledge
I was never able to describe the sum of ideas through which I sought to get closer to the universe and its creatures with one of the common expressions such as idealism, realism, Spinozism, pantheism, theism, etc., because I could not admit that the overfull inner life of nature could be measured by one-sided definitions. I did not want to see nature harnessed to abstractions, but to wait and listen until it spoke to me and revealed its secret to me in the form that was appropriate to it.
In the highest form of knowledge, all predetermined methods must give way because nature does not want to be determined by the way in which it reaches us. In any case, however, in that higher listening, space and time cease to play a role; these two lead man astray the longest. For even if we succeed in detaching from the other sensory properties of things and penetrating deeper into their essence, space and time still seem inseparable from things. But anyone who has not made this separation can never come to higher insights. For it is only through ideas that space and time acquire a true meaning. The idea allows everything extended to grow out of its spiritual womb; without idea, a perception of space is impossible. But it is inadmissible to think of the idea itself as temporal/spatial; the idea is a non-spatial and non-temporal, and therefore eternal, reality. So I can very well call my view of things idealism, because I am always trying to grasp the ideas that are only accessible to intuitive, time- and spaceless vision. When I grasp the idea, I feel as if I had immersed myself in the world spirit. A higher life in the world speaks to me. But it does not speak to everyone in this way; those who have not ceased to perceive only with the outer senses and to process only this perceptual material with the mind cannot hear that voice of nature. There is a higher sensuality to which we must first educate ourselves. There is a personality that first comes into being in us and suddenly shows us everything in a new light. We then cease to live in a particular place and at any given time. We live the higher infinite being. But we also cease to be an individual because we are one with the universal spirit. Thus, by working our way up to the highest level of individuality, we transcend it and perceive as with the senses of the world soul. Of course, we do not achieve this through abstract studies or logical rules, but only through constant inner perfection. “Know thyself” is a saying that I have always distrusted. I do not want to know myself, at least not as a finished product; because every dead point in my soul blocks the way for me to open the gates of the universe. As long as I merely recognize myself, I am not willing to approach the higher state of being. I must recreate myself to become perfect; to recognize is to live within nature: we must co-create spiritually if we want to recognize in the higher sense. The metamorphosis is intended to be an example of this. Those who cling to the externals of life and are atomistically minded cannot understand it. In the higher sense, there is nothing in nature that is separate; the divine spark of the infinite lives in everything, and for those who have not seen a thing in its light, it does not exist. You can apply all your efforts to something; if you have not awakened within yourself the gift of listening to that word, through which our intuition suddenly opens up to the inner essence and everything becomes bright, then all knowledge is dead. People believe that they recognize what they only understand; they believe that they understand what they only know.
20. Zur höchsten Form des Erkennens
Ich vermochte niemals die Summe von Vorstellungen, durch welche ich dem Universum und seinen Geschöpfen näher zu kommen suchte, mit einem der gebräuchlichen Ausdrücke wie Idealismus, Realismus, Spinozismus, Pantheismus, Theismus etc. zu bezeichnen, denn ich konnte nicht zugeben, dass das übervolle innere Leben der Natur durch einseitige Begriffsbestimmungen sich ausmessen lasse. Ich wollte die Natur nicht in Abstraktionen eingespannt wissen, sondern lauschend warten und hinhorchen, bis sie zu mir spricht und mir ihr Geheimnis kundtut in der Form, die ihr gemäß ist.
Bei der höchsten Form des Erkennens muss alle vorausbestimmte Methode weichen, weil sich die Natur nicht bestimmen lassen will, auf welchem Wege sie zu uns dringt. Jedenfalls aber hören bei jenem höheren Hinhorchen Raum u. Zeit auf, eine Rolle zu spielen, diese beiden führen den Menschen am längsten irre. Denn wenn es uns auch gelingt, von den andern sinnenfälligen Eigenschaften der Dinge abzuschen und tiefer in ihr Wesen zu dringen, so scheinen uns doch Raum u. Zeit von den Dingen nicht trennbar. Wer diese Trennung aber nicht vollzogen hat, kann nie zu höheren Einsichten kommen. Denn es sind doch nur die Ideen, durch die Raum und Zeit erst eine wahre Bestimmung erhalten. Die Idee lässt alles Ausgedehnte aus ihrem geistigen Schosse erwachsen; ohne Idee ist eine Raumeswahrnehmung unmöglich. Es ist aber unstatthaft, die Idee selbst als zeitlich/räumlich zu denken; die Idee ist ein unräumliches und unzeitliches, folglich ewiges Reale. So kann ich meine Ansicht von den Dingen sehr wohl Idealismus nennen, denn ich gehe überall darauf aus, die Ideen, die nur dem intuitiven zeit-raumlosen Schauen zugänglich sind, zu erfassen. Wo mir die Idee aufgeht, da fühle ich, wie wenn ich in dem Weltgeiste untergetaucht wäre. Ein höheres Leben in der Welt redet zu mir. Aber nicht zu jedem redet sie so; wer nicht aufgehört hat, nur mit den äußeren Sinnen wahrzunehmen und nur dies Wahrnehmungsmaterial mit dem Verstande zu verarbeiten, der kann jene Stimme der Natur nicht vernehmen. Es gibt eine höhere Sinnlichkeit, zu der wir uns erst erziehen müssen. Es gibt eine Persönlichkeit, die erst in uns wird und die uns plötzlich alles in neuem Lichte zeigt. Wir hören dann auf, an einem bestimmten Orte und zu irgendeiner Zeit zu leben. Wir leben das höhere unendliche Sein. Wir hören aber auch auf, ein Individuum zu sein, weil wir eins mit dem Allgeiste sind. So kommt es, dass wir durch Hinaufarbeiten zur höchsten Stufe der Individualität diese selbst überwinden und wie mit den Sinnen der Weltseele wahrnehmen. Dazu kommen wir freilich nicht durch abstrakte Studien oder logische Regeln, sondern allein durch stetige innere Vervollkommnung. «Erkenne dich selbst» ist ein Ausspruch, dem ich immer misstraut habe. Ich will mich nicht erkennen, wenigstens nicht als ein abgeschlossenes fertiges Produkt; weil mir jeder tote Punkt meiner Seele den Weg verlegt, um die Pforten des Universums zu eröffnen. Solange ich mich bloß erkenne, bin ich nicht gewillt, mich werdend dem höheren Seinszustande zu nähern. Ich muss mich umschaffen, um vollkommen zu werden; erkennen heißt im Innern der Natur leben: Wir müssen geistig mitschaffen, wenn wir im höhern Sinn erkennen wollen. Die Metamorphose soll ein Beispiel davon sein. Wer an den Äußerlichkeiten des Lebens haftet und atomistisch gesinnt ist, kann jene nicht verstehen. Es ist im höheren Sinne in der Natur kein Einzelnes, in allem lebt der göttliche Funke des Unendlichen, und wer ein Ding nicht in seinem Lichte geschaut hat, für den ist es nicht da. Man kann allen Fleiß auf etwas wenden; wenn man in sich nicht die Gabe erweckt hat, auf jenes Wort zu horchen, wodurch unserer Intuition plötzlich das innere Wesen aufgeht und alles hell wird, ist alles totes Wissen. Die Menschen glauben das zu erkennen, was sie nur verstehen; sie glauben das zu verstehen, was sie nur wissen.