Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46
Notes 6873-6875, undated, c. 1890-1891.
Automated Translation
22. Credo. The Individual and the Universe
The world of ideas is the source and principle of all being. It is characterized by infinite harmony and blissful peace. That which it does not illuminate with its light would be a dead, inanimate being that has no part in the life of the universe. Only that which derives its existence from the /dee is of any significance in the creation of the universe. The idea is the spirit that is clear in itself, sufficient in and of itself. The individual must have the spirit within it, otherwise it falls away like a withered leaf from that tree, and was there in vain.
But man feels and recognizes himself as an individual when he awakens to his full consciousness. In doing so, however, he has implanted the longing for the idea. This longing drives him to overcome the particular and to revive the spirit within him, to be in accordance with the spirit. Everything that is selfish, that makes him this particular, individual being, man must suspend in himself, strip away in himself, for this is what obscures the light of the spirit. What arises out of sensuality, out of instinct, desire, passion, is what only this egoistic individual wills. Therefore, man must mortify this selfish volition in himself; instead of what he wills as an individual, he must will what the spirit, the idea in him wills. Let the particular drift on its way and follow the voice of the idea in you, for it alone is the Divine! What one wills as an individual is a point of no value on the circumference of the whole world, a point that vanishes in the stream of time; what one wills “in spirit” is at the center, for the central light of the universe is kindled in us; such an act is not subject to time. If one acts as an individual, then one excludes himself from the closed chain of world activity, one separates himself. If one acts “in the spirit,” then one lives in the general world activity. The killing of all selfhood is the basis for the higher life. For he who kills selfhood lives an eternal existence. We are immortal to the extent that we allow selfhood to die in us. What is mortal in us is selfhood. This is the true meaning of the saying: “He who does not die before he dies, perishes when he dies.” That is, he who does not let selfhood cease in him during the time of his life, has no part in the general life, which is immortal, has never been there, has had no true being.
There are four spheres of human activity in which man gives himself fully to the spirit, killing all self-life: knowledge, art, religion and loving devotion to a spiritual personality. He who does not live in at least one of these four spheres does not live at all. Knowledge is devotion to the universe in thought, art in contemplation, religion in the mind, love with the sum of all spiritual powers in something that appears to us as a being of the world that is worthy of our appreciation. Knowledge is the most spiritual, love the most beautiful form of selfless devotion. For love is a true heavenly light in the life of the everyday. Devout, truly spiritual love ennobles our being down to its innermost fiber; it elevates everything that lives in us. This pure devout love transforms the entire life of the soul into another that is akin to the world spirit. To love in this highest sense means to carry the breath of divine life where usually only the most detestable selfishness and heedless passion can be found. One must know something of the sacredness of love, only then can one speak of being pious.
When a person has lived through one of the four spheres, out of particularity, into the divine life of the idea, then he has achieved the goal for which the germ of striving lies in his breast: his union with the spirit; and this is his true destiny. But he who lives in the spirit lives freely. For he has freed himself from everything that is subordinate. Nothing conquers him except what he gladly suffers constraint from, for he has recognized it as the highest.
Let truth become life; lose yourself in order to find yourself in the spirit of the world!
22. Credo. Der Einzelne und das All
Die Ideenwelt ist der Urquell und das Prinzip alles Seins. In ihr ist unendliche Harmonie und selige Ruhe. Das Sein, das sie mit ihrem Lichte nicht beleuchtete, wäre ein totes, wesenloses, das keinen Teil hat an dem Leben des Weltganzen. Nur was sein Dasein von der /dee herleitet, das bedeutet etwas am Schöpfungsbaume des Universums. Die Idee ist der in sich klare, in sich selbst und mit sich selbst sich genügende Geist. Das Einzelne muss den Geist in sich haben, sonst fällt es ab, wie ein dürres Blatt von jenem Baume, und war umsonst da.
Der Mensch aber fühlt und erkennt als Einzelnes sich, wenn er zu seinem vollen Bewusstsein erwacht. Dabei aber hat er die Sehnsucht nach der Idee eingepflanzt. Diese Sehnsucht treibt ihn an, die Einzelheit zu überwinden und den Geist in sich aufleben zu lassen, dem Geiste gemäß zu sein. Alles, was selbstisch ist, was ihn zu diesem bestimmten, einzelnen Wesen macht, das muss der Mensch in sich aufheben, bei sich abstreifen, denn dieses ist es, was das Licht des Geistes verdunkelt. Was aus der Sinnlichkeit, aus Trieb, Begierde, Leidenschaft hervorgeht, das will nur dieses egoistische Individuum. Daher muss der Mensch dieses selbstische Wollen in sich abtöten, er muss stattdessen, was er als Einzelner will, das wollen, was der Geist, die Idee in ihm will. Lasse die Einzelheit dahinfahren und folge der Stimme der Idee in Dir, denn sie nur ist das Göttliche! Was man als Einzelner will, das ist am Umfange des Weltganzen ein wertloser, im Strom der Zeit verschwindender Punkt; was man «im Geiste» will, das ist im Zentrum, denn es lebt in uns das Zentrallicht des Universums auf; eine solche Tat unterliegt nicht der Zeit. Handelt man als Einzelner, dann schließt man sich aus der geschlossenen Kette des Weltwirkens aus, man sondert sich ab. Handelt man «im Geiste», dann lebt man sich hinein in das allgemeine Weltwirken. Ertötung aller Selbstheit, das ist die Grundlage für das höhere Leben. Denn wer die Selbstheit abtötet, der lebt ein ewiges Sein. Wir sind in dem Maße unsterblich, in welchem Maße wir in uns die Selbstheit ersterben lassen. Das an uns Sterbliche ist die Selbstheit. Dies ist der wahre Sinn des Ausspruches: «Wer nicht stirbt, bevor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt.» Das heißt, wer nicht die Selbstheit in sich aufhören lässt während der Zeit seines Lebens, der hat keinen Teil an dem allgemeinen Leben, das unsterblich ist, der ist nie dagewesen, hat kein wahrhaftes Sein gehabt.
Es gibt 4 Sphären menschlicher Tätigkeit, in denen der Mensch sich voll hingibt an den Geist mit Ertötung alles Eigenlebens: die Erkenntnis, die Kunst, die Religion und die liebevolle Hingabe an eine Persönlichkeit im Geiste. Wer nicht wenigstens in einer dieser vier Sphären lebt, lebt überhaupt nicht. Erkenntnis ist Hingabe an das Universum in Gedanken, Kunst in der Anschauung, Religion im Gemüte, Liebe mit der Summe aller Geisteskräfte an etwas, was uns als ein für uns schätzenswertes Wesen des Weltganzen erscheint. Erkenntnis ist die geistigste, Liebe die schönste Form selbstloser Hingabe. Denn Liebe ist ein wahrhaftes Himmelslicht in dem Leben der Alltäglichkeit. Fromme, wahrhaft geistige Liebe veredelt unser Sein bis in seine innerste Faser, sie erhöht alles, was in uns lebt. Diese reine fromme Liebe verwandelt das ganze Seelenleben in ein anderes, das zum Weltgeiste Verwandtschaft hat. In diesem höchsten Sinne lieben, heißt, den Hauch des Gotteslebens dahin tragen, wo zumeist nur der verabscheuungswürdigste Egoismus und die achtungslose Leidenschaft zu finden ist. Man muss etwas wissen von der Heiligkeit der Liebe, dann erst kann man von Frommsein sprechen.
Hat der Mensch sich durch eine der vier Sphären hindurch, aus der Einzelheit heraus, in das göttliche Leben der Idee eingelebt, dann hat er das erreicht, wozu der Strebenskeim in seiner Brust liegt: seine Vereinigung mit dem Geiste; und dies ist seine wahre Bestimmung. Wer aber im Geiste lebt, lebt frei. Denn er hat sich alles Untergeordneten entwunden. Nichts bezwingt ihn, als wovon er gerne den Zwang erleidet, denn er hat es als das Höchste erkannt.
Lasse die Wahrheit zum Leben werden; verliere Dich selbst, um Dich im Weltgeiste wiederzufinden!