Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46
Note 4872, undated, c. 1915-1917
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75. The Significance of Materialism
Today, one often hears it said that the materialism of the second half of the nineteenth century has been overcome by newer schools of thought. They point out how many thinkers are again assuming an independent principle of life, whereas in the high tide of materialism belief prevailed that all life is only a complicated formation of those forces that work in inanimate nature. And similar things are cited to show that human thinking is turning to spiritual contemplation.
Such thoughts are often put forward precisely by those who describe the anthroposophical view as unacceptable. They cloak their aversion to it in the assertion that the justified movement towards the spiritual can be achieved without the turn that is sought through anthroposophy. What is the need for this, it is said, since materialism is only the legacy of a certain naturalistic radicalism, which is wreaking havoc among lay people, while it has been overcome for scientifically minded people.
It must be asserted in response to this claim that it is precisely this claim that fails to recognize the contemporary historical significance of materialism. And it is entirely possible for an anthroposophical consideration to appreciate this. It sees in materialism the one-sided transformation of a school of thought that is justified in its own field into a worldview. But it must admit the fruitfulness of the materialistic interpretation of certain phenomena based on its insights. And it does justice to an independent understanding of the spiritual by [...]
75. Bedeutung des Materialismus
Man hört heute oft sagen, der Materialismus der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts sei von neueren Gedankenrichtungen überwunden. Man weist darauf hin, wie manche Denker wieder ein selbstständiges Prinzip des Lebens annehmen, während in der Hochflut des Materialismus der Glaube herrschte, alles Leben sei nur eine komplizierte Gestaltung derjenigen Kräfte, die in der leblosen Natur wirken. Und Ähnliches mehr wird angeführt, um zu zeigen, dass sich die menschliche Vorstellungsart einer geistgemäßen Betrachtung zuwendet.
Solche Gedanken werden oft gerade von denen vorgebracht, welche die anthroposophische Anschauung als unannehmbar bezeichnen. Sie hüllen ihre Abneigung gegen diese in die Behauptung, dass die berechtigte Hinbewegung zum Geistigen auch ohne diejenige Wendung erreicht werden könne, welche durch die Anthroposophie angestrebt wird. Was bedarf es dieser, wird gesagt, da doch der Materialismus nur noch [die] Erbschaft eines gewissen naturalistischen Radikalismus ist, die bei Laien ihr Unwesen treibt, während er für wissenschaftlich Denkende überwunden ist.
Es muss dieser Behauptung gegenüber geltend gemacht werden, dass gerade durch sie die zeitgeschichtliche Bedeutung des Materialismus verkannt wird. Und diese zu würdigen, wird einer anthroposophischen Betrachtung durchaus möglich. Diese sieht in dem Materialismus die einseitige Umbildung einer auf ihrem eigenen Gebiete berechtigten Gedankenrichtung zu einer Weltanschauung. Aber sie muss aus ihren Einsichten heraus das Fruchtbare der materialistischen Ausdeutung gewisser Erscheinungen zugeben. Und sie wird einer selbstständigen Erkenntnis des Geistigen dadurch gerecht, dass sie [bricht ab]