Posthumous Essays and Fragments
1879-1924
GA 46
From Notebook 249, undated, circa 1897
Automated Translation
38. On Comprehension
For Goethe, it is not important that the petal or carpel of a perfect plant was once a real leaf in an imperfect plant form; rather, it is important to find the idea of the plant. It is only from this idea that it is possible to understand that the individual moments of a more complicated form can also form a simple form as such. We do not understand how the composite is formed from the simple, but rather we always understand the simple through the composite. We understand the whole world through its most composite product, through man. What does it mean to understand? We experience processes. The highest experiences are those that we experience in ourselves. In analogy to this, we think other processes. It is quite ridiculous to want to explain what is perceptible to the ordinary eye through the microscopic. When we observe the act of procreation under the microscope, we basically have no more before us than what we see in ordinary life. A new organic form develops from a male and a female. By using the microscope, we expand the range of our perceptions, but not the sum of our concepts and ideas. And it is these that ultimately matter. Everything else can be seen as an enrichment of our experience.
38. Über das Begreifen
Bei Goethe kommt es nicht darauf an, dass das Blütenoder Fruchtblatt einer vollkommenen Pflanze einmal ein wirkliches Blatt bei einer unvollkommenen Pflanzenform war; sondern darauf, die Idee der Pflanze zu finden. Erst aus dieser Idee heraus ist es verständlich, dass die einzelnen Momente einer komplizierteren Form auch als solche eine einfache Form bilden können. Wir begreifen wie das Zusammengesetzte aus dem Einfachen, sondern stets das Einfache durch das Zusammengesetzte. Die ganze Welt begreifen wir durch ihr zusammengesetztestes Produkt, durch den Menschen. Was heißt begreifen? Wir erleben Vorgänge. Die höchsten Erlebnisse sind die, die wir an uns selbst erleben. In Analogie damit denken wir andere Vorgänge. Es ist ganz lächerlich, das für das gewöhnliche Sehen wahrnehmbare durch das Mikroskopische erklären zu wollen. Wenn wir den Zeugungsakt unter dem Mikroskop beobachten, so haben wir im Grunde nicht mehr vor uns, als was wir im gewöhnlichen Leben sehen. Aus einem Männlichen und einem Weiblichen entwickelt sich eine neue organische Form. Wir erweitern durch das Mikroskopieren das Gebiet unserer Wahrnehmungen, nicht aber die Summe unserer Begriffe und Ideen. Und auf diese kommt es dann doch an. Alles Übrige ist als Bereicherung unserer Erfahrung anzusehen.