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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Mein Lebensgang
GA 28

Chapter XIII

[ 1 ] Gerade in dieser Zeit war mein äußeres Leben ein durchaus geselliges. Mit den alten Freunden kam ich viel zusammen. So wenig ich die Möglichkeit hatte, von den Dingen zu sprechen, die ich hier andeutete, so intensiv waren aber doch die geistigen und seelischen Bande, die mich an die Freunde knüpften. Ich muß oft zurückdenken an die zum Teil endlosen Gespräche, die damals in einem bekannten Kaffeehause am Michaelerplatz in Wien geführt wurden. Ich mußte es besonders in der Zeit, in der nach dem Weltkriege das alte Österreich zersplitterte. Denn die Bedingungen dieser Zersplitterung waren damals durchaus schon vorhanden. Aber keiner wollte es sich gestehen. Ein jeder hatte Heilmittel-Gedanken, je nach seinen besonderen nationalen oder kulturellen Neigungen. Und wenn Ideale, die in aufgehenden Strömungen leben, erhebend sind, so sind es solche, die aus dem Niedergange erwachsen und die ihn abhalten möchten, in ihrer Tragik nicht minder. Solche tragischen Ideale wirkten damals in den Gemütern der besten Wiener und Österreicher.

[ 2 ] Ich erregte oft Mißstimmung bei diesen Idealisten, wenn ich eine Überzeugung äußerte, die sich mir durch meine Hingabe an die Goethe-Zeit aufgedrängt hatte. Ich sagte, in dieser Zeit war ein Höhepunkt der abendländischen Kulturentwickelung erreicht. Nachher wurde er nicht festgehalten. Das naturwissenschaftliche Zeitalter mit seinen Folgen für das Menschen- und Volksleben bedeutet einen Niedergang. Zu einem weiteren Fortschritte bedürfe es eines ganz neuen Einschlages von der geistigen Seite her. Es läßt sich in den Bahnen, die bisher im Geistigen eingeschlagen worden sind, nicht fortgehen, ohne zurückzukommen. Goethe ist eine Höhe, aber auf derselben nicht ein Anfang, sondern ein Ende. Er zieht die Folgen aus einer Entwickelung, die bis zu ihm geht, in ihm ihre vollste Ausgestaltung findet, die aber nicht weiter fortgesetzt werden kann, ohne zu viel ursprünglicheren Quellen des geistigen Erlebens zu gehen, als sie in dieser Entwickelung enthalten sind. - In dieser Stimmung schrieb ich an dem letzten Teile meiner Goethe-Darstellungen.

[ 3 ] In dieser Stimmung lernte ich Nietzsches Schriften zuerst kennen. «Jenseits von Gut und Böse» war das erste Buch, das ich von ihm las. Ich war auch von dieser Betrachtungsart zugleich gefesselt und wieder zurückgestoßen. Ich konnte schwer mit Nietzsche zurecht kommen. Ich liebte seinen Stil, ich liebte seine Kühnheit; ich liebte aber durchaus die Art nicht, wie Nietzsche über die tiefsten Probleme sprach, ohne im geistigen Erleben mit der Seele bewußt in sie unterzutauchen. Nur kam mir wieder vor, wie wenn er viele Dinge sagte, die mir selbst im geistigen Erleben unermeßlich nahe standen. Und so fühlte ich mich seinem Kämpfen nahe und empfand, ich müsse einen Ausdruck für dieses Nahestehen finden. Wie einer der tragischsten Menschen der damaligen Gegenwart erschien mir Nietzsche. Und diese Tragik, glaubte ich, müsse sich der tiefer angelegten Menschenseele aus dem Charakter der geistigen Verfassung des naturwissenschaftlichen Zeitalters ergeben. Mit solchen Empfindungen verlebte ich meine letzten Wiener Jahre.

[ 4 ] Vor dem Ende meines ersten Lebensabschnittes konnte ich auch noch Budapest und Siebenbürgen besuchen. Der früher erwähnte, aus Siebenbürgen stammende Freund, der all die Jahre her mit seltener Treue mir verbunden geblieben war, hatte mich mit mehreren seiner in Wien weilenden Landesgenossen bekannt gemacht. Und so hatte ich denn außer dem andern sehr ausgebreiteten geselligen Verkehr auch einen solchen mit Siebenbürgern. Unter diesen waren Herr und Frau Breitenstein, die mir damals befreundet wurden und die es in herzlichster Weise geblieben sind. Sie haben seit langem eine führende Stellung in der Wiener Anthroposophischen Gesellschaft. Der menschliche Zusammenhang mit Siebenbürgern führte mich zu einer Reise nach Budapest. Die Hauptstadt Ungarns, mit ihrem von dem Wiens so ganz verschiedenen Charakter, machte mir einen tiefen Eindruck. Man gelangt ja von Wien aus auf einer Reise dahin, die ganz in anmutvollster Natur, temperamentvollstem Menschentum und musikalischer Regsamkeit erglänzt. Man hat da, wenn man zum Fenster des Eisenbahnzuges hinaussieht, den Eindruck, daß die Natur selbst in einer besonderen Art poetisch wird, und daß die Menschen, gar nicht viel achtend der ihnen gewohnten poetischen Natur, sich in derselben nach einer oft tiefinnerlichen Herzensmusik herumtummeln. Und betritt man Budapest, so spricht eine Welt, die von den Angehörigen der anderen europäischen Volkstümer zwar mit dem höchsten Anteil angeschaut, die aber nie völlig verstanden werden kann. Ein dunkler Untergrund, über dem ein in Farben spielendes Licht glänzt. Mir erschien dieses Wesen wie in Eins für den Blick zusammengedrängt, als ich vor dem Franz Deak-Monument stand. In diesem Kopfe des Schöpfers jenes Ungarns, das vom Jahre 1867 bis 1918 bestand, lebte ein derb-stolzer Wille, der herzhaft zugreift, der sich ohne Schlauheit, aber mit elementarischer Rücksichtslosigkeit durchsetzt. Ich fühlte, wie subjektiv wahr für jeden echten Ungarn der von mir oft gehörte Wahlspruch ist: «Außer Ungarn gibt es kein Leben; und wenn es eines gibt, so ist es kein solches.»

[ 5 ] Als Kind hatte ich an Ungarns westlicher Grenze gesehen, wie Deutsche diesen derb-stolzen Willen zu fühlen hatten; jetzt lernte ich in Ungarns Mitte kennen, wie dieser Wille den magyarischen Menschen in eine menschliche Abgeschlossenheit bringt, die mit einer gewissen Naivität sich in einen ihr selbstverständlichen Glanz kleidet, der viel daran liegt, sich den verborgenen Augen der Natur, nicht aber den offenen des Menschen zu zeigen.

[ 6 ] Ein halbes Jahr nach diesem Besuche veranlaßten die Siebenbürger Freunde, daß ich in Hermannstadt einen Vortrag halten konnte. Es war Weihnachtszeit. Ich fuhr über die weiten Flächen, in deren Mitte Arad liegt. Lenaus sehnsuchtgetragene Poesien klangen in mein Herz herein, als meine Augen über diese Flächen sahen, an denen alles Weite ist, die dem hinschweifenden Blick keine Grenze setzt. Ich mußte in einem Grenznest zwischen Ungarn und Siebenbürgen übernachten. Ich saß in einer Gaststube die halbe Nacht. Außer mir war nur noch ein Tisch mit Kartenspielern. Da waren alle Nationalitäten beisammen, die in Ungarn und Siebenbürgen damals gefunden werden konnten. Menschen spielten da mit einer Leidenschaftlichkeit, die in Zeiten von einer halben Stunde sich immer überschlug, so daß sie wie in Seelenwolken sich auslebte, die sich über den Tisch erhoben, sich wie Dämonen bekämpften und die Menschen vollständig verschlangen. Welche Verschiedenheit im Leidenschaftlich-Sein offenbarte sich da bei diesen verschiedenen Nationen!

[ 7 ] Am Weihnachtstage kam ich nach Hermannstadt. Ich wurde in das Siebenbürger Sachsentum eingeführt. Das lebte da innerhalb des Rumänischen und Magyarischen. Ein edles Volkstum, das im Untergange, den es nicht sehen möchte, sich wacker bewahren möchte. Ein Deutschtum, das wie eine Erinnerung an sein Leben vor Jahrhunderten in den Osten verschlagen, seiner Quelle die Treue bewahren möchte, das aber in dieser Seelenverfassung einen Zug von Weltfremdheit hat, die eine anerzogene Freudigkeit überall im Leben offenbart. Ich verlebte schöne Tage unter den deutschen Geistlichen der evangelischen Kirche, unter den Lehrern der deutschen Schulen, unter andern deutschen Siebenbürgern. Mir wurde das Herz warm unter diesen Menschen, die in der Sorge um ihr Volkstum und in dessen Pflege eine Kultur des Herzens entwickelten, die auch vor allem zum Herzen sprach.

[ 8 ] Es lebte in meiner Seele diese Wärme, als ich mit den alten und neugewonnenen Freunden in dicke Pelze gehüllt durch eisige Kälte und knisternden Schnee eine Schlittenfahrt südwärts nach den Karpaten (den transsylvanischen Alpen) machte. Eine schwarze, waldige Bergwand, wenn man sich von der Ferne hinbewegt; eine wild zerklüftete, oft schauerlich stimmende Berglandschaft, wenn man da ist.

[ 9 ] Den Mittelpunkt in all dem, was ich da erlebte, bildete mein langjähriger Freund. Er dachte immer neue Dinge aus, durch die ich das Siebenbürger Sachsentum genau kennen lernen sollte. Er verbrachte auch jetzt noch immer einige Zeit in Wien, einige in Hermannstadt. Er hatte damals ein Wochenblatt in Hermannstadt für die Pflege des Siebenbürger Sachsentums begründet. Ein Unternehmen, das ganz aus Idealismus und aus keinem Milligramm Praxis bestand, an dem aber doch fast alle Träger des Sachsentums mitarbeiteten. Es ging nach wenigen Wochen wieder ein.

[ 10 ] Solche Erlebnisse wie diese Reisen wurden mir vom Schicksal zugetragen; und ich konnte mir durch sie den Blick für die Außenwelt anerziehen, der mir nicht leicht geworden ist, während ich in dem geistigen Element mit einer gewissen Selbstverständlichkeit lebte.

[ 11 ] In wehmütigen Erinnerungen machte ich die Reise zurück nach Wien. Da kam mir bald ein Buch in die Hand, von dessen «Geistesreichtum» damals die weitesten Kreise sprachen: «Rembrandt als Erzieher». In Gesprächen über dieses Buch, die damals überall sich entwickelten, wo man hinkam, konnte man von einem Aufkommen eines ganz neuen Geistes hören. Ich mußte gerade an dieser Erscheinung wahrnehmen, wie einsam ich mit meiner Seelenverfassung in dem damaligen Geistesleben stand.

[ 12 ] Ich empfand von einem Buche, das von aller Welt auf das höchste gepriesen wurde, so: es kam mir vor, als wenn jemand sich durch einige Monate jeden Abend in einem besseren Gasthause an einen Tisch gesetzt und zugehört hätte, was die «hervorragenderen» Persönlichkeiten an den Stammtischen an «geistvollen» Aussprüchen machten, und dann dies in aphoristischer Form aufgezeichnet hätte. Nach dieser fortlaufenden «Vorarbeit» könnte er die Zettel mit den Aussprüchen in ein Gefäß geworfen, kräftig durcheinander geschüttelt und dann wieder herausgenommen haben. Nach der Herausnahme hätte er dann das eine an das andere gefügt und so ein Buch entstehen lassen. Natürlich ist diese Kritik übertrieben. Aber mich drängte eben meine Lebensauffassung zu solcher Ablehnung dessen, was der damalige «Geist der Zeit» als eine Höchstleistung pries. Ich empfand «Rembrandt als Erzieher» als ein Buch, das sich ganz auf der Oberfläche sich geistreich geberdender Gedanken hielt und das in keinem Satze mit den wahren Tiefen einer menschlichen Seele zusammenhing. Ich fühlte es schmerzlich, daß meine Zeitgenossen gerade ein solches Buch für den Ausfluß einer tiefen Persönlichkeit hielten, während ich meinen mußte, daß mit solchem Gedankenplätschern in seichten Geist-Gewässern alles Tief-Menschliche aus den Seelen herausgetrieben wird.

[ 13 ] Als ich vierzehn Jahre alt war, mußte ich damit begin. nen, Privatunterricht zu geben; fünfzehn Jahre lang, bis zum Beginne meines zweiten in Weimar verbrachten Lebensabschnirtes, hielt mich das Schicksal in dieser Betätigung fest Die Entfaltung der Seelen vieler Menschen im kindlichen und Jugendalter verband sich da mit meiner eigenen Entwickelung. Ich habe dabei beobachten können, wie verschieden das Hineinwachsen in das Leben beim männlichen und weiblichen Geschlechte ist. Denn neben der Erteilung von Unterricht an Knaben und junge Männer fiel mir auch der an eine Anzahl junger Mädchen zu. Ja, eine Zeitlang wurde auch die Mutter des Knaben, dessen Erziehung wegen seines pathologischen Zustandes ich übernommen hatte, meine Schülerin in der Geometrie; zu einer andern Zeit trug ich dieser Frau und deren Schwester Ästhetik vor.

[ 14 ] In der Familie dieses Knaben habe ich durch mehrere Jahre eine Art von Heim gefunden, von dem aus ich bei anderen Familien der Erzieher- und Unterrichtstätigkeit oblag. Durch das freundschaftlich nahe Verhältnis zu der Mutter dieses Knaben kam es so, daß ich Freuden und Leiden dieser Familie völlig mitmachte. Mir stand in dieser Frau eine eigenartig schöne Menschenseele gegenüber. Ganz hingegeben war sie der Sorge um die Schicksalsentwickelung ihrer vier Knaben. Man konnte an ihr geradezu den großen Stil der Mutterliebe studieren. In Erziehungsfragen mit ihr zusammen arbeiten, bildete einen schönen Lebensinhalt. Für den musikalischen Teil des Künstlerischen hatte sie Anlage und Begeisterung. Die Musikübungen mit ihren Knaben besorgte sie, solange diese klein waren, zum Teile selbst. Mit mir unterhielt sie sich über die mannigfaltigsten Lebensprobleme verständnisvoll und mit dem tiefsten Interesse auf alles eingehend. Meinen wissenschaftlichen und sonstigen Arbeiten brachte sie die größte Aufmerksamkeit entgegen. Es war eine Zeit, wo ich das tiefste Bedürfnis hatte, alles, was mir nahe ging, mit ihr zu besprechen. Wenn ich von meinen geistigen Erlebnissen sprach, da hörte sie in einer eigentümlichen Art zu. Ihrem Verstande waren die Dinge zwar sympathisch, aber er behielt einen leisen Zug von Zurückhaltung; ihre Seele aber nahm alles auf. Sie behielt dabei dem Menschenwesen gegenüber eine gewisse naturalistische Anschauung. Die moralische Seelenverfassung dachte sie ganz in Zusammenhang mit der gesunden oder kranken Körperkonstitution. Ich möchte sagen, sie dachte instinktiv über den Menschen medizinisch, wobei dieses eben einen naturalistischen Einschlag hatte. Sich in dieser Richtung mit ihr zu unterhalten, war im höchsten Maße anregend. Dabei stand sie allem äußeren Leben wie eine Frau gegenüber, die das ihr Zufallende mit dem stärksten Pflichtgefühle besorgte, aber das meiste doch innerlich nicht als zu ihrer Sphäre gehörig betrachtete. Sie sah ihr Schicksal in vieler Beziehung als etwas Belastendes an. Aber sie forderte auch nichts vom Leben; sie nahm dieses hin, wie es sich gestaltete, sofern es nicht ihre Söhne betraf. Diesen gegenüber erlebte sie alles mit den stärksten Emotionen ihrer Seele.

[ 15 ] All dieses, das Seelenleben einer Frau, deren schönste Hingabe an ihre Söhne, das Leben der Familie innerhalb eines weiten Verwandten- und Bekanntenkreises lebte ich mit. Aber dabei ging es nicht ohne Schwierigkeit ab. Die Familie war eine jüdische. Sie war in den Anschauungen völlig frei von jeder konfessionellen und Rassenbeschränktheit. Aber es war bei dem Hausherrn, dem ich sehr zugetan war, eine gewisse Empfindlichkeit vorhanden gegen alle Äußerungen, die von einem Nicht-Juden über Juden getan wurden. Der damals aufflammende Antisemitismus harte das bewirkt.

[ 16 ] Nun nahm ich damals an den Kämpfen lebhaften Anteil, welche die Deutschen in Österreich um ihre nationale Existenz führten. Ich wurde dazu geführt, mich auch mit der geschichtlichen und sozialen Stellung des Judentums zu beschäftigen. Besonders intensiv wurde diese Beschäftigung, als Hamerlings «Homunculus» erschienen war. Dieser eminent deutsche Dichter wurde wegen dieses Werkes von einem großen Teil der Journalistik als Antisemit hingestellt, ja auch von den deutschnationalen Antisemiten als einer der ihrigen in Anspruch genommen. Mich berührte das alles wenig; aber ich schrieb einen Aufsatz über den «Homunculus», in dem ich mich, wie ich glaubte, ganz objektiv über die Stellung des Judentums aussprach. Der Mann, in dessen Hause ich lebte, mit dem ich befreundet war, nahm dies als eine besondere Art des Antisemitismus auf. Nicht im geringsten haben seine freundschaftlichen Gefühle für mich darunter gelitten, wohl aber wurde er von einem tiefen Schmerze befallen. Als er den Aufsatz gelesen hatte, stand er mir gegenüber, ganz von innerstem Leid durchwühlt, und sagte mir: ‹Was Sie da über die Juden schreiben, kann gar nicht in einem freundlichen Sinne gedeutet werden; aber das ist es nicht, was mich erfüllt, sondern daß Sie bei dem nahen Verhältnis zu uns und unseren Freunden die Erfahrungen, die Sie veranlassen, so zu schreiben, nur an uns gemacht haben können.» Der Mann irrte; denn ich harte ganz aus der geistig-historischen Überschau heraus geurteilt; nichts Persönliches war in mein Urteil eingeflossen. Er konnte das nicht so sehen. Er machte, auf meine Erklärungen hin, die Bemerkung: «Nein, der Mann, der meine Kinder erzieht, ist, nach diesem Aufsatze, kein ‹Judenfreund›.» Davon war er nicht abzubringen. Er dachte keinen Augenblick daran, daß sich an meinem Verhältnis zu der Familie etwas ändern solle. Das sah er als eine Notwendigkeit an. Ich konnte noch weniger die Sache zum Anlaß einer Änderung nehmen. Denn ich betrachtete die Erziehung seines Sohnes als eine Aufgabe, die mir vom Schicksal zugefallen war. Aber wir konnten beide nicht anders als denken, daß sich in dieses Verhältnis ein tragischer Einschlag gemischt hatte.

[ 17 ] Es kam zu alledem dazu, daß viele meiner Freunde aus den damaligen nationalen Kämpfen heraus in ihrer Auffassung des Judentums eine antisemitische Nuance angenommen hatten. Die sahen meine Stellung in einem jüdischen Hause nicht mit Sympathie an; und der Herr dieses Hauses fand in meinem freundschaftlichen Umgange mit solchen Persönlichkeiten nur eine Bestätigung der Eindrücke, die er von meinem Aufsatze empfangen hatte.

[ 18 ] Dem Familienzusammenhang, in dem ich so darinnen stand, gehörte der Komponist des «Goldenen Kreuzes», Ignaz Brüll, an. Eine feinsinnige Persönlichkeit, die ich außerordentlich lieb hatte. Ignaz Brüll hatte etwas Weltfremdes, in sich Versunkenes. Seine Interessen waren nicht ausschließlich musikalisch; sie waren vielen Seiten des geistigen Lebens zugewandt. Er konnte diese Interessen nur als ein «Glückskind» des Schicksals ausleben, auf dem Hintergrunde eines Familienzusammenhanges, der ihn von den Sorgen der Alltäglichkeit gar nicht berühren ließ, der sein Schaffen aus einem gewissen Wohlstande herauswachsen ließ. Und so wuchs er nicht in das Leben, sondern nur in die Musik hinein. Wie wertvoll oder nicht wertvoll sein musikalisches Schaffen war, davon braucht hier nicht die Rede zu sein. Aber es war im schönsten Sinne reizvoll, dem Manne auf der Straße zu begegnen, und ihn aus seiner Welt von Tönen erwachen zu sehen, wenn man ihn anredete. Er hatte auch gewöhnlich die Westenknöpfe nicht in die rechten Knopflöcher eingeknöpft. Sein Auge sprach in milder Sinnigkeit, sein Gang war nicht fest, aber ausdrucksvoll. Man konnte mit ihm über vieles sprechen; er harte dafür ein zartes Verstehen; aber man sah, wie der Inhalt des Gespräches sogleich bei ihm in das Reich des Musikalischen hineinschlüpfte.

[ 19 ] In der Familie, in der ich so lebte, lernte ich auch den ausgezeichneten Arzt kennen, Dr. Breuer, der mit Dr. Freud zusammen bei der Geburt der Psychoanalyse stand. Er hatte aber nur im Anfange diese Anschauungsart mitgemacht, und war wohl mit deren späterer Ausbildung durch Freud nicht einverstanden. Dr. Breuer war für mich eine anziehende Persönlichkeit. Die Art, wie er im ärztlichen Berufe drinnen stand, bewunderte ich. Dabei war er auch in andern Gebieten ein vielseitig interessierter Geist. Er sprach über Shakespeare so, daß man die stärkste Anregung davon empfing. Es war auch interessant, ihn mit seiner durch und durch medizinischen Denkungsart über Ibsen oder gar über Tolstois «Kreuzersonate» sprechen zu hören. Wenn er mit meiner hier geschilderten Freundin, der Mutter der von mir zu erziehenden Kinder, über solche Dinge sprach, war ich oft mit dem stärksten Interesse dabei. Die Psychoanalyse war damals noch nicht geboren; aber die Probleme, die nach dieser Richtung hinzielten, waren schon da. Die hypnotischen Erscheinungen hatten dem medizinischen Denken eine besondere Färbung gegeben. Meine Freundin war mit Dr. Breuer von Jugend an befreundet. Vor mir steht da eine Tatsache, die mir viel zu denken gegeben hat. Diese Frau dachte in einer gewissen Richtung noch medizinischer als der so bedeutende Arzt. Es handelte sich einmal um einen Morphinisten. Dr. Breuer behandelte ihn. Die Frau sagte mir einmal das Folgende: «Denken Sie sich, was Breuer getan hat. Er hat sich von dem Morphinisten auf Ehrenwort versprechen lassen, daß er kein Morphium mehr nehmen werde. Er glaubte damit etwas zu erreichen; und er war entrüstet, als der Patient sein Wort nicht hielt. Er sagte sogar: wie kann ich jemand behandeln, der sein Wort nicht hält. Sollte man glauben - so sagte sie -, daß ein so ausgezeichneter Arzt so naiv sein könne. Wie kann man etwas ‹in der Natur› so tief Begründetes durch ein Versprechen heilen wollen?» - Die Frau braucht doch nicht ganz recht gehabt zu haben; des Arztes Ansichten über Suggestionstherapie können da zu seinem Heilungsversuche mitgewirkt haben; aber man wird nicht in Abrede stellen können, daß der Ausspruch meiner Freundin von der außerordentlichen Energie spricht, mit der sie in merkwürdiger Art aus dem Geiste heraus sprach, der in der Wiener medizinischen Schule lebte gerade zu der Zeit, in der diese Schule blühte.

[ 20 ] Diese Frau war in ihrer Art bedeutend; und sie steht als bedeutende Erscheinung in meinem Leben darinnen. Sie ist nun schon lange tot; unter die Dinge, die mir den Fortgang von Wien schwer machten, gehört auch dies, daß ich mich von ihr trennen mußte.

[ 21 ] Wenn ich auf den Inhalt meines ersten Lebensabschnittes rückschauend hinblicke, so drängt sich mir, indem ich ihn wie von außen zu charakterisieren versuche, die Empfindung auf: das Schicksal hatte mich so geführt, daß ich mich in meinem dreißigsten Lebensjahre von keinem äußeren «Berufe» umklammert sah. Ich trat auch in das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar nicht für eine Lebensstellung ein, sondern als ein freier Mitarbeiter an der Goethe-Ausgabe, die im Auftrage der Großherzogin Sophie von dem Archiv herausgegeben wurde. In dem Bericht, den der Direktor des Archivs im zwölften Bande des Goethe-Jahrbuchs abdrucken ließ, steht: «Den ständigen Arbeitern hat sich seit dem Herbst 1890 Rudolf Steiner aus Wien zugesellt. Ihm ist (mit Ausnahme der osteologischen Partie) das gesamte Gebiet der ‹Morphologie› zugeteilt, fünf oder voraussichtlich sechs Bände der ‹zweiten Abteilung›, denen aus dem handschriftlichen Nachlaß ein hochwichtiges Material zufließt.»

Chapter XIII

[ 1 ] During this time in particular, my external life was a very sociable one. I got together with my old friends a lot. As little as I had the opportunity to speak of the things I have alluded to here, the spiritual and emotional ties that bound me to my friends were intense. I often have to think back to the sometimes endless conversations that took place in a well-known coffee house on Michaelerplatz in Vienna. I had to, especially at the time when the old Austria was splintering after the World War. Because the conditions for this fragmentation were already in place at the time. But nobody wanted to admit it. Everyone had ideas about remedies, depending on their particular national or cultural inclinations. And if ideals that live in rising currents are uplifting, then those that grow out of the decline and want to hold it back are no less tragic. Such tragic ideals were at work in the minds of the best Viennese and Austrians at the time.

[ 2 ] I often aroused displeasure among these idealists when I expressed a conviction that had been forced upon me by my devotion to Goethe's time. I said that a high point in the development of Western culture was reached at that time. It was not held afterwards. The age of natural science with its consequences for human and national life meant a decline. Further progress would require a completely new approach from the spiritual side. It is not possible to continue on the paths that have hitherto been taken in the spiritual realm without coming back. Goethe is a height, but not a beginning, but an end. He draws the consequences from a development that goes as far as him, finds its fullest form in him, but which cannot be continued without going to much more original sources of spiritual experience than are contained in this development. - It was in this mood that I wrote the last part of my portrayal of Goethe.

[ 3 ] I first became acquainted with Nietzsche's writings in this mood. "Beyond Good and Evil" was the first book I read by him. I was simultaneously captivated and repulsed by this way of looking at things. I found it difficult to come to terms with Nietzsche. I loved his style, I loved his boldness; but I did not at all love the way Nietzsche spoke about the deepest problems without consciously immersing himself in them in the spiritual experience of the soul. But it seemed to me again as if he were saying many things that were immeasurably close to my own spiritual experience. And so I felt close to his struggles and felt I had to find an expression for this closeness. Nietzsche seemed to me to be one of the most tragic people of that time. And this tragedy, I believed, must result from the character of the spiritual constitution of the scientific age in the deeper human soul. I spent my last years in Vienna with such feelings.

[ 4 ] Before the end of my first phase of life, I was also able to visit Budapest and Transylvania. The aforementioned friend from Transylvania, who had remained loyal to me all those years, had introduced me to several of his fellow countrymen who were staying in Vienna. And so, in addition to the other very extensive social intercourse, I also had such intercourse with Transylvanians. Among them were Mr. and Mrs. Breitenstein, who became friends with me at the time and have remained so in the most cordial way. They have long held a leading position in the Vienna Anthroposophical Society. The human connection with Transylvanians led me on a trip to Budapest. The capital of Hungary, with its character so very different from that of Vienna, made a deep impression on me. You get there from Vienna on a journey that is completely resplendent in the most charming nature, the most spirited humanity and musical liveliness. When you look out of the window of the train, you get the impression that nature itself becomes poetic in a special way, and that the people, not paying much attention to the poetic nature they are used to, romp around in it according to an often deeply intimate music of the heart. And when you enter Budapest, you hear a world that the members of the other European nations look upon with the greatest interest, but which can never be fully understood. A dark background over which a light shines in a play of colors. To me, this being appeared as if compressed into one for the gaze as I stood before the Franz Deak monument. In this head of the creator of the Hungary that existed from 1867 to 1918 lived a coarse, proud will that grasps heartily, that asserts itself without cunning, but with elemental ruthlessness. I felt how subjectively true for every true Hungarian is the motto I have often heard: "There is no life outside Hungary; and if there is, it is not like this."

[ 5 ] As a child, on Hungary's western border, I had seen how Germans had to feel this rough and proud will; now, in the middle of Hungary, I got to know how this will brings Magyar people into a human seclusion, which, with a certain naivety, cloaks itself in a self-evident splendour that is very keen to show itself to the hidden eyes of nature, but not to the open eyes of man.

[ 6 ] Six months after this visit, the Transylvanian friends arranged for me to give a lecture in Sibiu. It was Christmas time. I drove across the wide open spaces in the middle of which lies Arad. Lenau's longing poetry resounded in my heart as my eyes looked across these expanses, where everything is vast and there is no limit to the wandering gaze. I had to spend the night in a border town between Hungary and Transylvania. I sat in an inn half the night. Apart from me, there was only one table with card players. All the nationalities that could be found in Hungary and Transylvania at that time were there. People were playing there with a passion that always overflowed in half an hour, so that it was like clouds of souls rising above the table, fighting each other like demons and completely devouring the people. What a difference in passionate being was revealed in these different nations!

[ 7 ] I arrived in Sibiu on Christmas Day. I was introduced to the Transylvanian Saxons. It lived there within Romanian and Magyar. A noble nation that wants to preserve itself bravely in the downfall it does not want to see. A Germanness that, like a memory of its life centuries ago in the East, wants to remain faithful to its source, but which in this state of mind has a trait of unworldliness that reveals an acquired joyfulness everywhere in life. I spent wonderful days among the German clergy of the Protestant church, among the teachers of the German schools, among other German Transylvanians. My heart was warmed by these people who, in caring for and nurturing their nationality, developed a culture of the heart, which above all spoke to the heart.

[ 8 ] This warmth lived in my soul when I went on a sleigh ride southwards to the Carpathians (the Transylvanian Alps) with old and new friends, wrapped in thick furs, through the icy cold and crackling snow. A black, wooded mountain face when you approach from afar; a wildly rugged, often eerie mountain landscape when you are there.

[ 9 ] The focal point of everything I experienced there was my friend of many years. He was always thinking up new things to help me get to know Transylvanian Saxon life. He still spent some time in Vienna and some in Sibiu. At that time, he had founded a weekly newspaper in Sibiu for the cultivation of Transylvanian Saxonism. An enterprise that consisted entirely of idealism and not a milligram of practice, but in which almost all of the bearers of Saxonism collaborated. It collapsed again after a few weeks.

[ 10 ] Experiences such as these journeys were brought to me by fate; and through them I was able to train myself to see the outside world, which did not come easily to me, while I lived in the spiritual element with a certain matter-of-factness.

[ 11 ] I made the journey back to Vienna with wistful memories. I soon came across a book whose "intellectual wealth" was talked about in the widest circles at the time: "Rembrandt as an educator". In conversations about this book, which at that time developed wherever one went, one could hear of the emergence of a completely new spirit. It was precisely this phenomenon that made me realize how alone I was with my state of mind in the intellectual life of the time.

[ 12 ] I felt this way about a book that was highly praised by the whole world: it seemed to me as if someone had sat down at a table in a better inn every evening for several months and listened to what the "more outstanding" personalities at the regulars' tables had to say in "spiritual" terms, and then recorded this in aphoristic form. After this continuous "preliminary work", he could have thrown the pieces of paper with the sayings into a container, shaken them up vigorously and then taken them out again. After taking them out, he would then have added one to the other, thus creating a book. Of course, this criticism is exaggerated. But my view of life urged me to reject what the "spirit of the time" at the time praised as a supreme achievement. I found "Rembrandt as Educator" to be a book that remained entirely on the surface of witty thoughts and that did not relate in any sentence to the true depths of the human soul. I felt it painfully that my contemporaries considered just such a book to be the outflow of a deep personality, while I had to think that with such ripples of thought in shallow spiritual waters everything deeply human is driven out of souls.

[ 13 ] When I was fourteen years old, I had to start giving private lessons; for fifteen years, until the beginning of the second period of my life spent in Weimar, fate kept me in this activity The unfolding of the souls of many people in childhood and adolescence combined with my own development. I was able to observe how differently the male and female sex grow into life. In addition to teaching boys and young men, I was also responsible for teaching a number of young girls. Indeed, for a time, the mother of the boy whose education I had taken over because of his pathological condition became my pupil in geometry; at another time, I taught this woman and her sister aesthetics.

[ 14 ] In the family of this boy I found a kind of home for several years, from which I was responsible for teaching and educating other families. Because of my close and friendly relationship with the boy's mother, I was able to fully share in the joys and sorrows of this family. In this woman I was confronted with a peculiarly beautiful human soul. She was completely devoted to caring for the development of her four boys. You could almost study the great style of motherly love in her. Working with her in matters of education was a wonderful part of her life. She had an aptitude and enthusiasm for the musical side of art. As long as her boys were small, she did some of the musical exercises herself. She talked to me about the most varied problems of life with understanding and the deepest interest in everything. She paid the greatest attention to my scientific and other work. It was a time when I had the deepest need to discuss everything that concerned me with her. When I spoke of my spiritual experiences, she listened in a peculiar way. Her mind was sympathetic to things, but it retained a quiet reserve; her soul, however, absorbed everything. She retained a certain naturalistic view of human nature. She thought of the moral constitution of the soul entirely in connection with the healthy or sick constitution of the body. I would like to say that she instinctively thought about people in medical terms, although this had a naturalistic touch. Talking to her along these lines was extremely stimulating. At the same time she faced all external life like a woman who dealt with what happened to her with the strongest sense of duty, but who did not regard most things as belonging to her inner sphere. In many respects she regarded her fate as something burdensome. But she didn't demand anything from life either; she accepted it as it turned out, as long as it didn't concern her sons. She experienced everything with the strongest emotions of her soul towards them.

[ 15 ] I experienced all of this, the life of a woman's soul, her beautiful devotion to her sons, the life of the family within a wide circle of relatives and acquaintances. But it was not without its difficulties. The family was Jewish. It was completely free of any denominational or racial restrictions. But the master of the house, to whom I was very attached, had a certain sensitivity towards all statements made by a non-Jew about Jews. The anti-Semitism that was flaring up at the time had a harsh effect.

[ 16 ] Now I was taking a lively interest in the battles that the Germans in Austria were waging for their national existence. I was also led to concern myself with the historical and social position of Judaism. This preoccupation became particularly intense when Hamerling's "Homunculus" was published. This eminently German poet was portrayed as an anti-Semite by a large part of journalism because of this work, and was even claimed by the German national anti-Semites as one of their own. None of this affected me much, but I wrote an essay on the "Homunculus" in which I spoke, as I believed, quite objectively about the position of Judaism. The man in whose house I lived, with whom I was friends, took this as a special kind of anti-Semitism. It didn't affect his friendly feelings for me in the slightest, but it did cause him deep pain. When he had read the essay, he stood opposite me, completely overwhelmed by deep sorrow, and said to me: 'What you are writing about the Jews cannot be interpreted in a friendly sense at all; but that is not what fills me, but that you, with your close relationship to us and our friends, can only have had the experiences that cause you to write like that about us." The man was mistaken, for I had judged entirely from an intellectual and historical perspective; nothing personal had entered into my judgment. He couldn't see it that way. In response to my explanations, he said: "No, the man who is bringing up my children is not, according to this essay, a 'friend of the Jews'." He could not be dissuaded. He didn't think for a moment that anything should change in my relationship with the family. He saw that as a necessity. I was even less able to take the matter as an opportunity for change. For I regarded the upbringing of his son as a task that had fallen to me by fate. But we both couldn't help but think that there was a tragic element to this relationship.

[ 17 ] In addition to all this, many of my friends had adopted an anti-Semitic nuance in their view of Judaism as a result of the national struggles of the time. They did not look upon my position in a Jewish house with sympathy; and the master of that house found in my friendly intercourse with such personalities only a confirmation of the impressions he had received from my essay.

[ 18 ] The composer of the "Goldenes Kreuz", Ignaz Brüll, belonged to the family circle in which I was so involved. A subtle personality whom I was extremely fond of. Ignaz Brüll had something unworldly and introverted about him. His interests were not exclusively musical; they were devoted to many aspects of intellectual life. He was only able to live out these interests as a "lucky child" of fate, on the background of a family relationship that did not let him be touched by the worries of everyday life, that allowed his work to grow out of a certain prosperity. And so he did not grow into life, but only into music. How valuable or not valuable his musical work was need not be discussed here. But it was delightful to meet the man on the street and to see him awaken from his world of sounds when you spoke to him. He did not usually have his vest buttons buttoned in the right buttonholes. His eyes spoke with mild sensuality, his gait was not firm, but expressive. You could talk to him about many things; he had a delicate understanding of them, but you could see how the content of the conversation immediately slipped into the realm of the musical with him.

[ 19 ] In the family in which I lived like this, I also got to know the excellent physician, Dr. Breuer, who stood together with Dr. Freud at the birth of psychoanalysis. However, he had only participated in this way of looking at things in the beginning and probably did not agree with its later development by Freud. Dr. Breuer was an attractive personality for me. I admired the way he was involved in the medical profession. He was also a man of many interests in other areas. He spoke about Shakespeare in such a way that one received the strongest stimulation from it. It was also interesting to hear him talk about Ibsen or even Tolstoy's "Sonata of the Cross" with his thoroughly medical way of thinking. When he talked about such things with my friend described here, the mother of the children I was raising, I was often most interested. Psychoanalysis had not yet been born at that time, but the problems that pointed in that direction were already there. The hypnotic phenomena had given a special coloration to medical thinking. My friend had been friends with Dr. Breuer since her youth. There is a fact that has given me a lot to think about. This woman thought in a certain direction even more medically than the eminent doctor. She was once a morphinist. Dr. Breuer treated him. The woman once said the following to me: "Think of what Breuer did. He had the morphinist promise him on his word of honor that he would no longer take morphine. He thought he would achieve something by doing so; and he was indignant when the patient did not keep his word. He even said: how can I treat someone who doesn't keep his word? Should one believe - she said - that such an excellent doctor could be so naive? How can one want to cure something so deeply rooted 'in nature' with a promise?" - The woman need not have been quite right; the doctor's views on suggestion therapy may have contributed to his attempt at healing; but one cannot deny that my friend's statement speaks of the extraordinary energy with which she spoke in a strange way out of the spirit that lived in the Viennese medical school at the very time when this school was flourishing.

[ 20 ] This woman was important in her way; and she stands as an important figure in my life. She has now been dead for a long time; among the things that made it difficult for me to leave Vienna was the fact that I had to part from her.

[ 21 ] When I look back on the content of the first period of my life, the following feeling comes to me as I try to characterize it from the outside: fate had led me in such a way that I did not see myself embraced by any external "profession" in my thirtieth year. Nor did I join the Goethe and Schiller Archive in Weimar for a life position, but as a freelance contributor to the Goethe edition published by the Archive on behalf of Grand Duchess Sophie. The report, which the director of the archive had printed in the twelfth volume of the Goethe Yearbook, states: "Rudolf Steiner from Vienna has joined the permanent staff since the fall of 1890. He has been assigned (with the exception of the osteology section) the entire field of 'Morphology', five or probably six volumes of the 'second section', to which highly important material is flowing from the manuscript estate."