Donate books to help fund our work. Learn more→

The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst
GA 27

XVIII. Heil-Eurhythmie

[ 1 ] Innerhalb des Gebietes unserer Therapie spielt noch eine besondere Rolle die sogenannte «Heil-Eurhythmie».

[ 2 ] Sie ist herausgebildet aus der Anthroposophie durch Dr. Rudolf Steiner, zunächst als eine neue Kunst.

[ 3 ] Sie ist in ihrer Wesenheit als eurhythmische Kunst von Dr. Steiner oft geschildert worden und hat auch als Kunst schon eine weite Verbreitung gefunden.

[ 4 ] Sie stellt sich auf die Bühne hin in dem bewegten Menschen; ist aber keine Tanzkunst. Das zeigt sich schon darinnen, daß am Menschen vorzüglich die Arme und Hände in Bewegung sind. Menschengruppen in Bewegungen erheben das Ganze zu einem in sich künstlerisch wirkenden Bühnenbild.

[ 5 ] Alle Bewegungen beruhen auf der inneren Wesenheit der Menschen-Organisation. Aus dieser fließt in den ersten Jahren des menschlichen Lebens die Sprache. So wie sich nun der Laut in der Sprache der Konstitution des Menschen entringt, so können bei einer wirklichen Erkenntnis dieser Konstitution Bewegungen aus dem Menschen und aus den Menschengruppen herausgeholt werden, die eine wirkliche sichtbare Sprache oder ein sichtbarer Gesang sind. Dabei ist in den Bewegungen so wenig etwas Willkürliches wie in der Sprache selbst. Wie in einem Worte nicht ein 0 intoniert werden kann, wo ein 1 hingehört, so kann auch in dem Eurhythmischen für ein I oder ein Cis nur eine eindeutige bewegte Gebärde erscheinen. Es ist damit die Eurhythmie eine wirkliche Offenbarung der Menschennatur, die nicht unbewußt wie die Sprache oder der Gesang aus ihr sich entwickelt, die aber durch wirkliche Menschen-Erkenntnis bewußt entwickelt werden kann.

[ 6] Bei der Darstellung hat man auf der Bühne den bewegten Menschen oder Menschengruppen. Die Dichtung, die nun in die sichtbare Sprache umgesetzt wird, wird gleichzeitig rezitiert. Man hört den Inhalt der Dichtung und schaut ihn zugleich mit dem Auge. Oder es wird ein Musikalisches dargeboten, das in den bewegten Gebärden wieder erscheint als sichtbarer Gesang.

[ 7 ] Es ist in der Eurhythmie eine bewegte Plastik gegeben, die das Gebiet des Künstlerischen wesentlich erweitert.

[ 8 ] Es kann nun, was da in künstlerischer Art gefunden worden ist, nach zwei anderen Seiten hin ausgebildet werden. Eine dieser Seiten ist die pädagogische. In der Waldorfschule in Stuttgart, die von Emil Molt begründet worden ist, und die unter der Leitung von Rudolf Steiner steht, wird pädagogische Eurhythmie neben der Gymnastik durch alle Klassen hindurch getrieben. Es kommt dabei in Betracht, daß bei der gewöhnlichen Gymnastik nur die Dynamik und Statik des physischen Körpers entwickelt wird. Bei der Eurhythmie strömt sich der ganze Mensch, nach Körper, Seele und Geist in Bewegung aus. Das fühlt der heranwachsende Mensch, und er erlebt diese eurhythmischen Übungen mit ganz derselben Natürlichkeit als eine Äußerung der menschlichen Natur, wie er in jüngeren Jahren das Sprechenlernen erlebt.

[ 9 ] Die andere Seite ist die therapeutische. Werden die Bewegungs-Gebärden der Kunst- und pädagogischen Eurhythmie modifiziert, so daß sie aus der kranken Wesenheit des Menschen so fließen, wie die anderen aus der gesunden, so entsteht die Heil-Eurhythmie. Bewegungen, die so ausgeführt werden, wirken auf die erkrankten Organe zurück. Man sieht, wie hier äußerlich Ausgeführtes sich gesundend in die Organe hinein fortsetzt, wenn einer Organerkrankung die bewegte Gebärde genau angepaßt ist. Weil diese Art, durch Bewegungen in dem Menschen zu wirken, auf Körper, Seele und Geist geht, wirkt sie in intensiverer Art in das Innere des kranken Menschen hinein, als alle andere Bewegungs-Therapie.

[ 10 ] Dafür kann Heil-Eurhythmie aber auch nie eine Laien-sache werden, und darf nicht als eine solche betrachtet, oder behandelt werden.

[ 11 ] Der Heil-Eurhythmist, der gut geschult in der Erkenntnis der menschlichen Organisation sein muß, kann nur im Zusammenhange mit dem Arzte handeln. Alles Herumdilettieren kann nur zu Übeln führen.

[ 12 ] Nur auf Grundlage einer sachgemäßen Diagnose kann die heileurhythmische Handlung ausgeführt werden. Es sind auch die praktischen Erfolge der Heil-Eurhythmie solche, daß man sie durchaus als ein segensreiches Glied unserer hier dargestellten therapeutischen Denkweise ansprechen kann.

XVIII. Healing eurhythmia

[ 1 ] Within the field of our therapy, the so-called "healing eurhythmy" also plays a special role.

[ 2 ] It emerged from anthroposophy through Dr. Rudolf Steiner, initially as a new art.

[ 3 ] It has often been described in its essence as a eurhythmic art by Dr. Steiner and has already found wide distribution as an art.

[ 4 ] It places itself on the stage in the moving human being, but is not an art of dance. This is already evident from the fact that the arms and hands of the human being are primarily in motion. Groups of people in motion elevate the whole to an artistic stage setting in itself.

[ 5 ] All movements are based on the inner essence of the human organization. Language flows from this in the first years of human life. Just as the sound in language emerges from the constitution of the human being, so movements can be extracted from the human being and from the human groups when this constitution is truly recognized, which are a real visible language or a visible song. There is as little that is arbitrary in the movements as in the language itself. Just as a 0 cannot be intoned in a word where a 1 belongs, so in the eurhythmic only a clear moving gesture can appear for an I or a C#. Eurhythmy is thus a real revelation of human nature, which does not develop unconsciously from it like language or singing, but which can be consciously developed through real human cognition.

[ 6] In the performance one has the moving human being or groups of human beings on the stage. The poetry, which is now translated into visible language, is recited at the same time. You hear the content of the poetry and see it with your eyes at the same time. Or a musical performance is offered, which reappears in the moving gestures as visible singing.

[ 7 ] There is a moving sculpture in eurhythmy that considerably expands the field of the artistic.

[ 8 ] What has been found there in an artistic way can now be developed in two other directions. One of these sides is pedagogical. In the Waldorf School in Stuttgart, which was founded by Emil Molt and is under the direction of Rudolf Steiner, pedagogical eurhythmics is practiced alongside gymnastics in all classes. It should be noted that in ordinary gymnastics only the dynamics and statics of the physical body are developed. In eurhythmics, the whole person, body, soul and spirit, flows out in movement. The growing person feels this and experiences these eurhythmic exercises with the same naturalness as an expression of human nature as he experiences learning to speak at a younger age.

[ 9 ] The other side is therapeutic. If the movement gestures of artistic and pedagogical eurhythmy are modified so that they flow from the sick being of the human being in the same way as the others flow from the healthy being, healing eurhythmy is created. Movements carried out in this way have an effect on the diseased organs. You can see how what is performed externally is continued in a healing way into the organs when the moving gesture is precisely adapted to an organ disease. Because this way of working on the human being through movement affects body, soul and spirit, it has a more intensive effect on the inside of the sick person than any other movement therapy.

[ 10 ] However, healing eurhythmy can never become a layman's matter and must not be regarded or treated as such.

[ 11 ] The curative eurhythmist, who must be well trained in the knowledge of the human organization, can only act in conjunction with the physician. All dabbling around can only lead to evil.

[ 12 ] Healing rhythms can only be carried out on the basis of a proper diagnosis. The practical successes of healing eurhythmy are such that it can certainly be considered a beneficial element of our therapeutic approach described here.