Die Rätsel der Philosophie
GA 18
Die radikalen Weltanschauungen
[ 1 ] Im Beginne der vierziger Jahre führt ein Mann kräftige Schläge gegen die Weltanschauung Hegels, der sich vorher gründlich und intim in sie eingelebt hatte. Es ist Ludwig Feuerbach (1804-1872). Die Kriegserklärung gegen die Weltanschauung, aus der er herausgewachsen war, ist in radikaler Form gegeben in seinen Schriften «Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie» (1842) und in den «Grundsätzen der Philosophie der Zukunft» (1843). Die weitere Ausführung seiner Gedanken können wir in seinen anderen Schriften verfolgen «Das Wesen des Christentums» (1841), «Das Wesen der Religion» (1845) und in der «Theogonie» (1857). In dem Wirken Ludwig Feuerbachs wiederholte sich auf dem Gebiete der Geisteswissenschaft ein Vorgang, der sich fast ein Jahrhundert früher auf dem naturwissenschaftlichen Gebiet (1759) durch das Auftreten Caspar Friedrich Wolffs vollzogen hatte. Die Tat Wolffs bedeutet eine Reform der Idee der Entwickelung auf dem Felde der Wissenschaft von den Lebewesen. Wie die Entwickelung vor Wolff verstanden wurde, das ist am deutlichsten aus den Ansichten des Mannes zu ersehen, welcher der Umwandlung dieser Vorstellung den heftigsten Widerspruch entgegengesetzt hat: Albrecht von Hallers. Dieser Mann, in dem die Physiologen mit Recht einen der bedeutendsten Geister ihrer Wissenschaft verehren, konnte sich die Entwickelung eines lebendigen Wesens nicht anders vorstellen als so, daß der Keim bereits alle Teile, die während des Lebensverlaufes auftreten, im kleinen, aber vollkommen vorgebildet enthalte. Die Entwickelung soll also Auswickelung eines schon Dagewesenen sein, das zuerst wegen seiner Kleinheit oder aus anderen deren Gründen für die Wahrnehmung verborgen war. Wird diese Anschauung konsequent festgehalten, so entsteht im Laufe der Entwickelung nichts Neues, sondern es wird ein Verborgenes, Eingeschachteltes fortlaufend an das Licht des Tages gebracht. Haller hat diese Ansicht ganz schroff vertreten. In der Urmutter Eva war im kleinen, verborgen, schon das ganze Menschengeschlecht vorhanden. Diese Menschenkeime sind nur im Laufe der Weltgeschichte ausgewickelt worden. Man sehe, wie der Philosoph Leibniz (1646-1716) die gleiche Vorstellung ausspricht: «So sollte ich meinen, daß die Seelen, welche eines Tages menschliche Seelen sein werden, im Samen, wie jene von anderen Spezies, dagewesen sind, daß sie in den Voreltern bis auf Adam, also seit dem Anfang der Dinge, immer in der Form organisierter Dinge existiert haben.» Nun hat Wolff in seiner 1759 erschienen «Theoria generationis» dieser Idee der Entwickelung eine andere gegenübergestellt, die von der Annahme ausgeht, daß Glieder, die im Verlaufe des Lebens eines Organismus auftreten, vorher in keiner Weise vorhanden waren, sondern in dem Zeitpunkte, in dem sie wahrnehmbar werden, auch als wirkliche Neubildungen erst entstehen. Wolff zeigte, daß in dem Ei nichts von der Form des ausgebildeten Organismus vorhanden ist, sondern daß dessen Entwickelung eine Kette von Neubildungen ist. Diese Ansicht macht erst die Vorstellung eines wirklichen Werdens möglich. Denn sie erklärt, daß etwas entsteht, was noch nicht dagewesen ist, also im wahren Sinne «wird».
[ 2 ] Hallers Ansicht leugnet das Werden, da sie nur ein fortlaufendes Sichtbarwerden eines schon Dagewesenen zugibt. Dieser Naturforscher setzte daher der Idee Wolffs den Machtspruch entgegen: «Es gibt kein Werden». (Nulla est epigenesis!) Damit hat er in der Tat bewirkt, daß Wolffs Anschauung jahrzehntelang gänzlich unberücksichtigt geblieben ist. Goethe schiebt den Widerstand, der seinen Bemühungen um die Erklärung der Lebewesen entgegengebracht worden ist, der Eirischachtelungslehre in die Schuhe. Er hat sich bestrebt, die Gestaltungen innerhalb der organischen Natur aus ihrem Werden, ganz im Sinne einer wahrhaften Entwickelungsansicht zu verstehen, wonach das an einem Lebewesen zum Vorschein Kommende nicht schon verborgen dagewesen ist, sondern wirklich erst entsteht,wenn es erscheint. Er schreibt 1817, daß dieser Versuch, der seiner 1790 verfaßten Schrift über die Metamorphose der Pflanzen zugrunde lag, eine «kalte, fast unfreundliche Begegnung zu erfahren hatte. Solcher Widerwille jedoch war ganz natürlich: die Einschachtelungslehre, der Begriff von Präformation, von sukzessiver Entwickelung des von Adams Zeiten her schon Vorhandenen hatten sich selbst der besten Köpfe im allgemeinen bemächtigt.» Auch in Hegels Weltanschauung konnte man noch einen Rest der alten Einschachtelungslehre sehen. Der reine Gedanke, der im Menschengeiste erscheint: er sollte in allen Erscheinungen eingeschachtelt liegen, bevor er in dem Menschen zum wahrnehmbaren Dasein gelangt. Vor die Natur und den individuellen Geist setzt Hegel diesen reinen Gedanken, der gleichsam sein soll die «Darstellung Gottes, wie er in seinem ewigen Wesen vor der Erschaffung» der Welt war. Die Entwickelung der Welt stellt sich somit als eine Auswickelung des reinen Gedankens dar. So stellte sich Feuerbach zu Hegel. Der Protest Ludwig Feuerbachs gegen die Weltanschauung Hegels beruht darauf, daß er ein Vorhandensein des Geistes vor seinem wirklichen Auftreten in dem Menschen ebensowenig sowenig anerkennen konnte, wie Wolff zuzugeben imstande war, daß die Teile des lebendigen Organismus schon im Ei vorgebildet seien. Wie dieser in den Organen des Lebewesens Neubildungensah, so Feuerbach in dem individuellen Geiste des Menschen. Dieser ist in keiner Weise vor seinem wahrnehmbaren Dasein vorhanden; er entstehterst in dem Zeitpunkte, in dem er wirklich auftritt. Es ist also für Feuerbach unberechtigt, von einem Allgeist, von einem Wesen zu sprechen, in dem der einzelne Geist seinen Ursprung habe. Es ist kein vernünftiges Sein vor seinem tatsächlichen Auftreten in der Welt vorhanden, das sich den Stoff, die wahrnehmbare Welt so gestaltet, daß zuletzt im Menschen sein Abbild zur Erscheinung kommt, sondern vor der Entstehung des Menschengeistes sind nur vernunftlose Stoffe und Kräfte vorhanden, die aus sich heraus ein Nervensystem gestalten, das sich im Gehirn konzentriert; und in diesem entsteht als vollkommene Neubildungetwas noch nicht Dagewesenes: die menschliche, vernunftbegabte Seele. Für eine solche Weltanschauung gibt es keine Möglichkeit, die Vorgänge und Dinge von einem geistigen Urwesen abzuleiten Denn ein Geistwesen ist eine Neubildung infolge der Organisation des Gehirns. Und wenn der Mensch Geistiges in die Außenwelt versetzt, so stellt er sich völlig willkürlich vor, daß ein Wesen, wie es seinen eigenen Handlungen zugrunde liegt, außer ihm vorhanden sei und die Welt regiere. Jegliches geistige Urwesen muß der Mensch aus seiner Phantasie heraus erst erschaffen; die Dinge und Vorgänge der Welt geben keine Veranlassung, ein solches anzunehmen. Nicht das geistige Urwesen, in dem die Dinge eingeschachtelt liegen, hat den Menschen nach seinem Ebenbilde geschaffen, sondern der Mensch hat sich nach seinem eigenen Wesen das Phantasiebild eines solchen Urwesens geformt. Das ist Feuerbachs Überzeugung. «Das Wissen des Menschen von Gott ist das Wissen des Menschen von sich, von seinem eigenen Wesen. Nur die Einheit des Wesens und Bewußtseins ist Wahrheit. Wo das Bewußtsein Gottes, da ist auch das Wesen Gottes also im Menschen.» Der Mensch fühlte sich nicht stark genug, sich ganz auf sich selbst zu stützen; deshalb schuf er sich , nach dem eigenen Bilde ein unendliches Wesen, das er verehrt und anbetet. Die Hegelsche Weltanschauung hat zwar alle anderen Eigenschaften aus dem Urwesen entfernt; sie hat aber für dasselbe noch die Vernünftigkeit beibehalten. Feuerbach entfernt auch diese; und damit hat er das Urwesen selbst beseitigt. Er setzt an die Stelle der Gottesweisheit völlig die Weltweisheit. Als einen notwendigen Wendepunkt in der Weltanschauungsentwickelung bezeichnet Feuerbach das «offene Bekenntnis und Eingeständnis, daß das Bewußtsein Gottes nichts anderes ist als das Bewußtsein» der Menschheit, daß der Mensch kein «anderes Wesen als absolutes, als göttliches Wesen denken, ahnen, vorstellen, fühlen, glauben, wollen, lieben und verehren kann als das menschliche Wesen». Es gibt eine Anschauung von der Natur und eine solche von dem Menschengeiste, aber keine von dem Wesen Gottes. Nichts ist wirklich als das Tatsächliche. «Das Wirkliche in seiner Wirklichkeit oder als Wirkliches ist das Wirkliche als Objekt des Sinns, ist das Sinnliche. Wahrheit, Wirklichkeit, Sinnlichkeit sind identisch. Nur ein sinnliches Wesen ist ein wahres, ein wirkliches Wesen. Nur durch die Sinne wird ein Gegenstand im wahren Sinne gegeben nicht durch das Denken für sich selbst. Das mit dem Denken gegebene oder identische Objekt ist nur Gedanke.» Das heißt denn doch nichts anderes als das Denken tritt im menschlichen Organismus als Neubildung auf, und man ist nicht berechtigt, sich vorzustellen, daß der Gedanke vor seinem Auftreten schon in irgendeiner Form in der Welt eingeschachtelt verborgen gelegen hat. Man soll nicht die Beschaffenheit des tatsächlich Vorhandenen dadurch erklären wollen, daß man es aus einem schon Dagewesenen ableitet. Wahr und göttlich ist nur das Tatsächliche, was «unmittelbar sich selbst gewiß ist, unmittelbar für sich spricht und einnimmt, unmittelbar die Bejahung, daß es ist, nach sich zieht das schlechthin Entschiedene, schlechthin Unzweifelhafte, das Sonnenklare. Aber sonnenklar ist nur das Sinnliche; nur wo die Sinnlichkeit anfängt, hört aller Zweifel und Streit auf. Das Geheimnis des unmittelbaren Wissens ist die Sinnlichkeit.» Feuerbachs Bekenntnis gipfelt in den Worten: «Die Philosophie zur Sache der Menschheit zu machen, das war mein erstes Bestreben. Aber wer einmal diesen Weg einschlägt, kommt notwendig zuletzt dahin, den Menschen zur Sache der Philosophie zu machen.» «Die neue Philosophie macht den Menschen mit Einschluß der Natur, als der Basis des Menschen, zum alleinigen, universalen und höchsten Gegenstand der Philosophie die Anthropologie also, mit Einschluß der Physiologie zur Universalwissenschaft.» Feuerbach fordert, daß die Vernunft nicht als Ausgangspunkt an die Spitze der Weltanschauung gestellt werde, wie dies Hegel tut, sondern daß sie als Entwickelungsprodukt, als Neubildung betrachtet werde an dem menschlichen Organismus, an dem sie tatsächlich auftritt. Und ihm ist jede Abtrennung des Geistigen von dem Leiblichen zuwider, weil es nicht anders verstanden werden kann, denn als Entwickelungsergebnis des Leiblichen. «Wenn der Psychologe sagt: ‚Ich unterscheide mich von meinem Leibe', so ist damit ebensoviel gesagt, als wenn der Philosoph in der Logik oder in der Metaphysik der Sitten sagt: ,Ich abstrahiere von der menschlichen Natur.' Ist es möglich, daß du von deinem Wesen abstrahierst? Abstrahierst du denn nicht als Mensch? Denkst du ohne Kopf? Die Gedanken sind abgeschiedene Seelen. Gut; aber ist nicht auch die abgeschiedene Seele noch ein treues Bild des weiland leibhaftigen Menschen? Andern sich nicht selbst die allgemeinsten metaphysischen Begriffe von Sein und Wesen, so wie sich das wirkliche Sein und Wesen des Menschen ändert? Was heißt also: Ich abstrahiere von der menschlichen Natur? Nichts weiter, als ich abstrahiere vom Menschen, wie er Gegenstand meines Bewußtseins und Denkens ist, aber nimmermehr vom Menschen, der hinter meinem Bewußtsein liegt, das heißt von meiner Natur, an die nolens volens unauflöslich meine Abstraktion gebunden ist. So abstrahierst du denn auch als Psycholog in Gedanken von deinem Leibe, aber gleichwohl bist du im Wesen aufs innigste mit ihm verbunden, das heißt, du denkst dich unterschieden von ihm, aber du bist deswegen noch lange nicht von ihm wirklich unterschieden. ... Hat nicht auch Lichtenberg recht, wenn er behauptet: man sollte eigentlich nicht sagen, ich denke, sondern es denkt. Wenn also gleich das: Ich denke, sich vom Leibe unterscheidet, folgt daraus, daß auch das: Es denkt, das Unwillkürliche in unserem Denken, die Wurzel und Basis des: Ich denke, vom Leibe unterschieden ist? Woher kommt es denn, daß wir nicht zu jeder Zeit denken können, daß uns nicht die Gedanken nach Belieben zu Gebote stehen, daß wir oft mitten in einer geistigen Arbeit trotz der angestrengtesten Willensbestrebungen nicht von der Stelle kommen, bis irgendeine äußere Veranlassung, oft nur eine Witterungsveränderung, die Gedanken wieder flott macht? Daher, daß auch die Denktätigkeit eine organische Tätigkeit ist. Warum müssen wir oft jahrelang Gedanken mit uns herumtragen, ehe sie uns klar und deutlich werden? Darum, weil auch die Gedanken einer organischen Entwickelung unterworfen sind, auch die Gedanken reifen und zeitigen müssen, so gut als die Früchte auf dem Felde und die Kinder im Mutterleibe.»
[ 3 ] Feuerbach weist auf Georg Christoph Lichtenberg hin, den im Jahre 1799 verstorbenen Denker, der mit mancher seiner Ideen als ein Vorläufer der Weltanschauung betrachtet werden muß, die in Geistern wie Feuerbach einen Ausdruck gefunden hat und der mit seinen anregenden Vorstellungen wohl nur deshalb nicht so befruchtend für das neunzehnte Jahrhundert geworden ist, weil die alles überschattenden mächtigen Gedankengebäude Fichtes, Schellings, Hegels die Gedankenentwickelung so in Anspruch genommen haben, daß aphoristische Ideenblitze, wenn sie auch so erhellend waren wie die Lichtenbergs, übersehen werden konnten. Man braucht nur an einzelne Aussprüche des bedeutenden Mannes zu erinnern, um zu zeigen, wie in der von Feuerbach eingeleiteten Gedankenbewegung sein Geist wieder auflebte. «Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, das heißt vermutlich, der Mensch schuf Gott nach dem seinigen.» «Unsere Welt wird noch so fein werden, daß es so lächerlich sein wird, einen Gott zu glauben als heutzutage Gespenster.» «Ist denn wohl unser Begriff von Gott etwas anderes als personifizierte Unbegreiflichkeit?» «Die Vorstellung, die wir uns von einer Seele machen, hat viel Ähnlichkeit mit der von einem Magneten in der Erde. Es ist bloß Bild. Es ist ein dem Menschen angeborenes Erfindungsmittel, sich alles unter dieser Form zu denken.» «Anstatt daß sich die Welt in uns spiegelt, sollten wir vielmehr sagen, unsere Vernunft spiegelt sich in der Welt. Wir können nichts anderes, wir müssen Ordnung und weise Regierung in der Welt erkennen, dies folgt aus der Einrichtung unserer Denkkraft. Es ist aber noch keine Folge, daß etwas, was wir notwendig denken müssen, auch wirklich so ist ... also daraus läßt sich kein Gott erweisen.» «Wir werden uns gewisser Vorstellungen bewußt, die nicht von uns abhängen; andere, glauben wir wenigstens, hängen von uns ab; wo ist die Grenze? Wir kennen nur allein die Existenz unserer Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken. Es denkt, sollte man sagen, so wie man sagt: es blitzt.» Hätte Lichtenberg bei solchen Gedankenansätzen die Fähigkeit gehabt, eine in sich harmonische Weltanschauung auszubilden: er hätte nicht in dem Grade unberücksichtigt bleiben können, in dem dies geschehen ist. Zur Bildung einer Weltanschauung gehört nicht nur Überlegenheit des Geistes, die er besaß, sondern auch das Vermögen, Ideen im Zusammenhange allseitig auszugestalten und plastisch zu runden. Dies Vermögen ging ihm ab. Seine Überlegenheit spricht sich in einem vortrefflichen Urteile über das Verhältnis Kants zu seinen Zeitgenossen aus: «Ich glaube, daß, so wie die Anhänger des Herrn Kant ihren Gegnern immer vorwerfen, sie verständen ihn nicht, so auch manche glauben, Herr Kant habe recht, weil sie ihn verstehen. Seine Vorstellungsart ist neu und weicht von der gewöhnlichen sehr ab; und wenn man nun auf einmal Einsicht in dieselbe erlangt, so ist man auch sehr geneigt, sie für wahr zu halten, zumal da er so viele eifrige Anhänger hat. Man sollte aber dabei immer bedenken, daß dieses Verstehen noch kein Grund ist, es selbst für wahr zu halten. Ich glaube, daß die meisten über der Freude, ein sehr abstraktes und dunkel gefaßtes System zu verstehen, zugleich geglaubt haben, es sei demonstriert.» Wie geistesverwandt sich Ludwig Feuerbach mit Lichtenberg fühlen mußte, das zeigt sich besonders, wenn man vergleicht, auf welche Gesichtspunkte sich beide Denker stellten, wenn sie das Verhältnis ihrer Weltanschauung zum praktischen Leben in Betracht zogen. Die Vorlesungen, die Feuerbach vor einer Anzahl von Studenten im Winter 1848 über das «Wesen der Religion» hielt, schloß er mit den Worten: «Ich wünsche nur, daß ich die mir gestellte, in einer der ersten Stunden ausgesprochene Aufgabe nicht verfehlt habe, die Aufgabe nämlich, Sie aus Gottesfreunden zu Menschenfreunden, aus Gläubigen zu Denkern, aus Betern zu Arbeitern, aus Kandidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus Christen, welche ihrem eigenen Bekenntnis und Geständnis zufolge ,halb Tier, halb Engel' sind, zu Menschen, zu ganzen Menschen zu machen.» Wer, wie Feuerbach das getan hat, alle Weltanschauung auf die Grundlage der Natur- und Menschenerkenntnis stellt, der muß auch auf dem Gebiete der Moral alle Aufgaben, alle Pflichten ablehnen, die aus einem anderen Gebiet stammen als aus den natürlichen Anlagen des Menschen, oder die ein anderes Ziel haben als ein solches, das sich ganz auf die wahrnehmbare Welt bezieht. «Mein Recht ist mein gesetzlich anerkannter Glückseligkeitstrieb; meine Pflicht der mich zur Anerkennung zwingende Glückseligkeitstrieb anderer.» Nicht im Ausblick auf ein Jenseits wird mir Aufschluß, was ich tun soll, sondern aus der Betrachtung des Diesseits. Soviel Kraft ich darauf verwende, irgendwelche Aufgaben zu erfüllen, die sich auf das Jenseits beziehen, so viel entziehe ich von meinen Fähigkeiten dem Diesseits, für das ich einzig bestimmt bin. «Konzentration auf das Diesseits» ist es daher, was Ludwig Feuerbach verlangt. Wir können in Lichtenbergs Schriften ähnliche Worte lesen. Aber gerade diese sind zugleich mit Bestandteilen vermischt, die zeigen, wie wenig es einem Denker, der nicht das Vermögen hat, seine Ideen in sich harmonisch auszubilden, gelingt, eine Idee bis in ihre äußersten Konsequenzen zu verfolgen. Lichtenberg fordert schon die Konzentration auf das Diesseits, aber er durchsetzt diese Forderung noch immer mit Vorstellungen, die auf ein Jenseits zielen. «Ich glaube, sehr viele Menschen vergessen über ihre Erziehung für den Himmel, die für die Erde. Ich sollte denken, der Mensch handelte am weisesten, wenn er erstere ganz an ihren Ort gestellt sein ließe. Denn wenn wir von einem weisen Wesen an diese Stelle gesetzt worden sind, woran kein Zweifel ist, so laßt uns das Beste in dieser Station tun,und uns nicht durch Offenbarungen blenden. Was der Mensch zu seiner Glückseligkeit zu wissen nötig hat, das weiß er gewiß ohne alle andere Offenbarung als die, die er seinem Wesen nach besitzt.» Vergleiche, wie der zwischen Lichtenberg und Feuerbach, sind für die Geschichte der Weltanschauungsentwickelung bedeutsam. Sie zeigen den Fortgang der Geister am anschaulichsten, weil man aus ihnen erkennt, was der Zeitabstand, der zwischen ihnen liegt, an diesem Fortgang bewirkt hat. Feuerbach ist durch Hegels Weltanschauung durchgegangen; er hat aus ihr die Kraft gezogen, seine entgegengesetzte Ansicht allsein auszubilden. Er wurde nicht mehr gestört durch die Kantsche Frage: ob wir denn wirklich auch ein Recht haben, der Welt, die wir wahrnehmen, auch Wirklichkeit zuzuschreiben oder ob diese Welt nur in unserer Vorstellung existierte? Wer das letztere behauptet, der kann in die jenseits der Vorstellungen liegende wahre Welt alle möglichen Triebkräfte für den Menschen verlegen. Er kann neben der natürlichen eine übernatürliche Weltordnung gelten lassen, wie dies Kant getan hat. Wer aber im Sinne Feuerbachs das Wahrnehmbare für das Wirkliche erklärt, der muß alle übernatürliche Weltordnung ablehnen. Für ihn gibt es keinen irgendwo aus dem Jenseits stammenden kategorischen Imperativ; für ihn sind nur Pflichten vorhanden, die sich aus den natürlichen Trieben und Zielen des Menschen ergeben.
[ 4 ] Um eine zur Hegelschen in solchem Gegensatz stehende Weltanschauung auszubilden, wie dies Feuerbach getan hat, dazu gehörte allerdings auch eine Persönlichkeit, die von der Hegels so verschieden war wie die seinige. Hegel fühlte sich wohlmitten im Getriebe des ihm gegenwärtigen Lebens. Das unmittelbare Treiben der Welt mit seinem philosophischem Geiste zu beherrschen, war ihm eine schöne Aufgabe. Ms er von seiner Lehrtätigkeit in Heidelberg enthoben sein wollte, um nach Preußen überzugehen, da ließ er in seinem Abschiedsgesuch deutlich durchblicken, daß ihn die Aussicht lockte, einmal einen Tätigkeitskreis zu finden, der ihn nicht auf das bloße Lehren beschränke, sondern ihm das Eingreifen in die Praxis möglich mache. «Es müsse für ihn vornehmlich die Aussicht von größter Wichtigkeit sein, zu mehrer Gelegenheit bei weiter vorrückendem alter von der prekären Funktion, Philosophie an einer Universität zu dozieren, zu einer anderen Tätigkeitkeit überzugehen und gebraucht zu werden.» Wer eine solche Denkergesinnung hat, der muß in Frieden leben mit der Gestalt des praktischen Lebens, die dieses zu seiner Zeit angenommen hat. Er muß die Ideen, von denen es durchtränkt ist, vernünftig finden. Nur daraus kann er die Begeisterung schöpfen, an ihrem Ausbau mitzuwirken. Feuerbach war dem Leben seiner Zeit nicht freundlich gesinnt. Ihm war die Stille eines abgeschiedenen Ortes lieber als das Getriebe des in seiner Zeit «modernen» Lebens. Er spricht sich darüber deutlich aus: «Überhaupt werde ich mich nie mit dem Städteleben versöhnen. Von Zeit zu Zeit in die Stadt zu ziehen, um zu lehren, das halte ich, nach den Eindrücken, die ich bereits hier hervorgebracht habe, für gut, ja für meine Pflicht; aber dann muß ich wieder zurück in die ländliche Einsamkeit, um hier im Schoße der Natur zu studieren und auszuruhen. Meine nächste Aufgabe ist, meine Vorlesungen, wie meine Zuhörer wünschen oder die Papiere Vaters zum Druck vorzubereiten.» Von seiner Einsamkeit aus glaubte Feuerbach am besten beurteilen zu können, was an der Gestalt, die das wirkliche Leben angenommen hat, nicht natürlich, sondern nur durch die menschliche Illusion in dasselbe hineingetragen worden ist. Die Reinigung des Lebens von den Illusionen, das betrachtete er als seine Aufgabe. Dazu mußte er dem Leben in diesen Illusionen so fern als möglich stehen. Er suchte nach dem wahren Leben; das konnte er in der Form, die das Leben durch die Zeitkultur angenommen hatte, nicht finden. Wie ehrlich er es mit der «Konzentration auf das Diesseits» meinte, das zeigt ein Ausspruch, den er über die Märzrevolution getan hat. Sie schien ihm unfruchtbar, weil in den Vorstellungen, die ihr zugrunde lagen, noch der alte Jenseitsglaube fortlebte: «Die Märzrevolution war noch ein, wenn auch illegitimes Kind des christlichen Glaubens. Die Konstitutionellen glaubten, daß der Herr nur zu sprechen brauche: es sei Freiheit! es sei Recht! so ist auch schon Recht und Freiheit; und die Republikaner glaubten, daß man eine Republik nur zu wollenbrauche, um sie auch schon ins Leben zu rufen; glaubten also an die Schöpfung einer Republik aus Nichts. Jene versetzten die christlichen Weltwunder, diese die christlichen Tatwunder auf das Gebiet der Politik.» Nur eine Persönlichkeit, die die Harmonie des Lebens, deren der Mensch bedarf, in sich selbst zu tragen vermeint, kann bei dem tiefen Unfrieden, in dem Feuerbach mit ,der Wirklichkeit lebte, zugleich die Hymnen auf die Wirklichkeit sprechen, die er gesprochen hat. Dieses hören wir aus Worten wie diese: «In Ermangelung einer Aussicht ins Jenseits kann ich im Diesseits, im Jammertal der deutschen, ja europäischen Politik überhaupt, nur daß durch mich bei Leben und Verstand erhalten, daß ich die Gegenwart zu einem Gegenstande aristophanischen Gelächters mache.» Nur eine solche Persönlichkeit konnte aber auch alle die Kraft, die andere von einer äußeren Macht ableiten, im Menschen selbst suchen.
[ 5 ] Die Geburt des Gedankens hatte in der griechischen Weltanschauung bewirkt, daß der Mensch sich nicht mehr so verwachsen mit der Welt fühlen konnte, wie ihm das beim alten Bildvorstellen möglich war. Es war dies die erste Stufe in dem Bilden eines Abgrundes zwischen Mensch und Welt. Eine weitere Stufe war gegeben mit der Entwickelung der neueren naturwissenschaftlichen Denkungsart. Diese Entwickelung riß die Natur und die Menschenseele völlig auseinander. Es mußte auf der einen Seite entstehen ein Bild der Natur, in welchem der Mensch, seinem geistig-seelischen Wesen nach, nicht zu finden ist; und auf der anderen Seite eine Idee von der Menschenseele, welche zu der Natur keine Brücke fand. In der Natur fand man gesetzmäßige Notwendigkeit. Innerhalb dieser hatte keinen Platz, was in der Menschenseele sich findet: Impuls der Freiheit, der Sinn für ein Leben, das in einer geistigen Welt wurzelt und mit dem Sinnes dasein nicht erschöpft ist. Geister wie Kant fanden nur einen Ausweg, indem sie beide Welten völlig schieden: in der einen Naturwissen, in der anderen Glauben fanden. Goethe, Schiller, Fichte, Schelling, Hegel dachten die Idee der selbstbewußten Seele so umfassend, daß diese in einer höheren Geistnatur zu wurzeln schien, die über Natur und Menschenseele steht. Mit Feuerbach tritt ein Geist auf, welcher durch das Bild der Welt, welches die neue naturwissenschaftliche Vorstellungsart geben kann, sich genötigt glaubt, der Menschenseele alles absprechen zu müssen, was dem Naturbild widerspricht. Er macht die Menschenseele zu einem Gliede der Natur. Er kann dies nur, weil er alles aus dieser Menschenseele erst herausdenkt, was ihn stört, sie als ein Glied der Natur anzuerkennen. Fichte, Schelling, Hegel nahmen die selbstbewußte Seele als das, was sie ist; Feuerbach macht sie zu dem, was er für sein Weltbild braucht. Mit ihm tritt eine Vorstellungsart auf, welche sich überwältigt fühlt von dem Bilde der Natur. Sie kann mit den beiden Teilen des modernen Weltbildes, dem Naturbilde und dem Seelenbilde, nicht fertig werden; deshalb geht sie an dem einen, dem Seelenbilde, ganz vorbei. Wolffs Idee von der Neubildung führt dem Naturbilde fruchtbare Impulse zu; Feuerbach verwendet diese Impulse für eine Geistwissenschaft, die nur dadurch bestehen kann, daß sie sich auf den Geist gar nicht einläßt. Er begründet eine Weltanschauungsströmung, welche dem mächtigsten Impuls des modernen Seelenlebens, dem lebendigen Selbstbewußtsein, ratlos gegenübersteht. In dieser Weltanschauungsströmung zeigt sich dieser Impuls in der Art, daß er nicht nur als unbegreiflich genommen wird, sondern daß man sich, weil er unbegreiflich scheint, über seine wahre Gestalt hinwegsetzt und ihn zu etwas macht - einem Naturfaktor, das er vor einer unbefangenen Beobachtung nicht ist.
[ 6 ] «Gott war mein erster Gedanke, die Vernunft mein zweiter, der Mensch mein dritter und letzter Gedanke.» So schildert Feuerbach den Weg, den er gegangen war vom Gläubigen zum Anhänger der Hegelschen und dann zu seiner eigenen Weltanschauung. Dasselbe hätte der Denker von sich sagen können, der im Jahre 1834 eines der wirksamsten Bücher des Jahrhunderts geliefert hat, das «Leben Jesu». Es war David Friedrich Strauß (1808 bis 1874). Feuerbach ging von einer Untersuchung der menschlichen Seele aus und fand, daß sie das Bestreben hat, ihr eigenes Wesen in die Welt hinaus zu versetzen und als göttliches Urwesen zu verehren. Er versuchte eine psychologische Erklärung dafür, wie der Gottesbegriff entsteht. Den Anschauungen von Strauß lag ein ähnliches Ziel zugrunde, er ging aber nicht wie Feuerbach den Weg des Psychologen, sondern den des Geschichtsforschers. Und er stellte nicht den Gottesbegriff im allgemeinen, in dem umfassenden Sinn, in dem das Feuerbach getan hat, in den Mittelpunkt seines Nachsinnens, sondern den christlichen Begriff des Gottmenschen Jesu. Er wollte zeigen, wie die Menschheit zu dieser Vorstellung im Verlaufe der Geschichte gelangt ist. Daß im menschlichen Geiste sich das göttliche Urwesen offenbart, war die Überzeugung der Hegelschen Weltanschauung. Diese hatte auch Strauß aufgenommen. Aber nicht in einem einzelnen Menschen kann sich, nach seiner Meinung, die göttliche Idee in ihrer ganzen Vollkommenheit verwirklichen. Der individuelle Einzelmensch ist immer nur ein unvollkommener Abdruck des göttlichen Geistes. Was dem einen Menschen zur Vollkommenheit fehlt, das hat der andere. Wenn man das ganze Menschengeschlecht ansieht, so wird man in ihm, auf unzählige Individuen verteilt, alle Vollkommenheiten finden, die der Göttlichkeit eigen sind. Das Menschengeschlecht im ganzen ist somit der fleischgewordene Gott, der Gottmensch. Dies ist, nach Strauß' Meinung, der Jesusbegriff des Denkers. Von diesem Gesichtspunkt aus tritt Strauß an die Kritik des christlichen Begriffes vom Gottmenschen heran. Was dem Gedanken nach auf das ganze Menschengeschlecht verteilt ist, legt das Christentum ,einer Persönlichkeit bei, die einmal im Verlauf der Geschichte wirklich existiert haben soll. «In einem Individuum, einem Gottmenschen, gedacht, widersprechen sich die Eigenschaften und Funktionen, welche die Kirchenlehre Christo zuschreibt: in der Idee der menschlichen Gattung stimmen sie zusammen. Gestützt auf sorgfältige Untersuchungen über die historischen Grundlagen der Evangelien, sucht Strauß nachzuweisen, daß die Vorstellungen des Christentums Ergebnisse der religiösen Phantasie sind. Diese habe die religiöse Wahrheit, daß die menschliche Gattung der Gottmensch sei, zwar dunkel geahnt, aber nicht in klare Begriffe gefaßt, sondern in einer dichterischen Gestalt, in einem Mythus zum Ausdrucke gebracht. Die Geschichte des Gottessohnes wird so für Strauß zum Mythus, in dem die Idee der Menschheit dichterisch gestaltet wurde, lange bevor sie von den Denkern in der Form des reinen Gedankens erkannt wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus gewinnt alles Wunderbare der christlichen Geschichte eine Erklärung, ohne daß man gezwungen ist, zu der vorher oft angenommenen trivialen Auffassung zu greifen, in den Wundern absichtliche Täuschungen oder Betrügereien zu sehen, zu denen der Religionsstifter entweder selbst gegriffen haben soll, um mit seiner Lehre einen möglichst großen Eindruck zu machen, oder welche die Apostel zu diesem Zwecke ersonnen haben sollen. Auch eine andere Ansicht, welche in den Wundern allerlei natürliche Vorgänge sehen wollte, war beseitigt. Die Wunder stellten sich dar als dichterisches Gewand für wirkliche Wahrheiten. Wie die Menschheit von ihren endlichen Interessen, dem Leben des Alltags, sich erhebt zu ihren unendlichen, zur Erkenntnis der göttlichen Wahrheit und Vernünftigkeit: das stellt der Mythus in dem Bilde des sterbenden und auferstehenden Heilandes dar. Das Endliche stirbt, um als Unendliches wieder zu erstehen.
[ 7 ] Im Mythus der alten Völker ist der Niederschlag des Bildervorstellens der Urzeit zu sehen, aus dem sich das Gedankenerleben herausentwickelt hat. Ein Gefühl von dieser Tatsache lebt im neunzehnten Jahrhundert bei einer Persönlichkeit wie Strauß auf. Er will sich über den Fortgang und die Bedeutung des Gedankenlebens orientieren, indem er sich in den Zusammenhang der Weltanschauung mit dem mythischen Denken in der geschichtlichen Zeit vertieft. Er will Wissen, wie die mythenbildende Vorstellungsart noch in die neuere Weltanschauung hereinwirkt. Und zugleich will er das menschliche Selbstbewußtsein in einer Wesenheit verankern, die außerhalb der einzelnen Persönlichkeit liegt, indem er die ganze Menschheit als eine Verkörperung des Gottwesens sich vorstellt. Dadurch gewinnt er für die einzelne Menschenseele eine Stütze in der All-Menschenseele, welche ihre Entfaltung in dem Verlauf des geschichtlichen Werdens findet.
[ 8 ] Noch radikaler geht Strauß zu Werke in seinem 1840 bis 1841 erschienenen Buche «Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwickelung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft.» Hier handelt es sich ihm um Auflösung der christlichen Dogmen aus ihrer dichterischen Gestalt in die Gedankenwahrheiten, die ihnen zugrunde liegen. Er betont jetzt die Unverträglichkeit des modernen Bewußtseins mit demjenigen, das sich an die alten bildlich-mythischen Darstellungen der Wahrheit hält. «Also lasse der Glaubende den Wissenden, wie dieser jenen, ruhig seine Straße ziehen; wir lassen ihnen ihren Glauben, so lassen sie uns unsere Philosophie; und wenn es den Überfrommen gelingen sollte, uns aus ihrer Kirche auszuschließen, so werden wir dies für Gewinn achten. Falsche Vermittelungsversuche sind jetzt genug gemacht; nur die Scheidung der Gegensätze kann weiterführen.» Eine ungeheure Aufregung der Gemüter hatten Strauß' Anschauungen hervorgebracht. Bitter wurde es empfunden, daß die moderne Weltanschauung sich nicht mehr begnügte, die religiösen Grundvorstellungen im allgemeinen zu treffen, sondern daß sie durch eine mit allen wissenschaftlichen Mitteln ausgerüstete Geschichtsforschung die «Inkonsequenz» beseitigen wollte, von der einst Lichtenherg gesagt hatte, sie bestehe darin, daß «sich die menschliche Natur sogar unter das Joch eines Buches geschmiegt habe. Man kann sich» fährt er fort «nichts Entsetzlicheres denken, und dieses Beispiel allein zeigt, was für ein hilfloses Geschöpf der Mensch in concreto, ich meine in diese zweibeinige Phiole aus Erde, Wasser und Salz eingeschlossen, ist. Wäre es möglich, daß die Vernunft sich je einen despotischen Thron erbaute, so müßte ein Mann, der im Ernst das kopernikanische System durch die Autorität eines Buches widerlegen wollte, gehenkt werden. Daß in einem Buche steht, es sei von Gott, ist noch kein Beweis, daß es von Gott sei; daß aber unsere Vernunft von Gott sei, ist gewiß, man mag nun das Wort Gott nehmen, wie man will. Die Vernunft straft da, wo sie herrscht, bloß mit den natürlichen Folgen des Vergehens oder mit Belehrung, wenn belehren strafen genannt werden kann.» Strauß wurde seiner Stelle als Repetent am Tübinger Stift infolge des «Lebens Jesu» enthoben; und als er dann eine Professur der Theologie an der Universität Zürich antrat, kam das Landvolk mit Dreschflegeln herbei, um den Auflöser des Mythus unmöglich zu machen und seine Pensionierung zu erzwingen.
[ 9 ] Weit über das Ziel hinaus, das sich Strauß setzte, ging ein anderer Denker in seiner Kritik der alten Weltanschauung vom Standpunkte der neuen aus: Bruno Bauer. Die Ansicht, die Feuerbach vertritt, daß das Wesen des Menschen auch dessen höchstes Wesen sei und jedes andere höhere nur eine Illusion, die er nach seinem Ebenbild geschaffen und selbst über sich gesetzt hat, treffen wir auch bei Bruno Bauer, aber in grotesker Form. Er schildert, wie das menschliche Ich dazu kam, sich ein illusorisches Gegenbild zu schaffen, in Ausdrücken, denen man ansieht, daß sie nicht aus dem Bedürfnis eines liebevollen Begreifens des religiösen Bewußtseins, wie bei Strauß, sondern aus Freude an der Zerstörung hervorgingen. Er sagt, dem «alles verschlingenden Ich graute vor sich selbst; es wagte sich nicht als alles und als die allgemeinste Macht zu fassen, das heißt, es blieb noch der religiöse Geist und vollendete seine Entfremdung, indem es seine allgemeine Macht als eine fremde sich selbst gegenüberstellte und dieser Macht gegenüber in Furcht und Zittern für seine Erhaltung und Seligkeit arbeitete». Bruno Bauer ist eine Persönlichkeit, die darauf ausgeht, ihr temperamentvolles Denken an allem Vorhandenen kritisch zu erproben. Daß das Denken berufen sei, zum Wesen der Dinge vorzudringen, hat er, als seine Überzeugung, aus Hegels Weltanschauung übernommen. Aber er ist nicht, gleich Hegel, dazu veranlagt, das Denken sich in einem Ergebnis, in einem Gedankengebäude ausleben zu lassen. Sein Denken ist kein hervorbringendes, sondern ein kritisches. Durch einen bestimmten Gedanken, durch eine positive Idee hätte er sich beschränkt gefühlt. Er will die kritische Kraft des Denkens nicht dadurch festlegen, daß er von einem Gedanken als von einem bestimmten Gesichtspunkt ausgeht, wie Hegel das getan hat. «Die Kritik ist einerseits die letzte Tat einer bestimmten Philosophie, welche sich darin von einer positiven Bestimmtheit, die ihre wahre Allgemeinheit noch beschränkt, befreien muß, und darum andererseits die Voraussetzung, ohne welche sie sich nicht zur letzten Allgemeinheit des Selbstbewußtseins erheben kann.» Dies ist das Glaubensbekenntnis der «Kritik der Weltanschauung», zu dem sich Bruno Bauer bekannte. Die «Kritik» glaubt nicht an Gedanken, Ideen, sondern nur an das Denken. «Der Mensch ist nun erst gefunden», triumphiert Bauer. Denn der Mensch ist nun durch nichts mehr gebunden als durch sein Denken. Menschlich ist nicht, sich an irgend etwas Außermenschliches hinzugeben, sondern alles im Schmelztiegel des Denkens zu bearbeiten. Nicht Ebenbild eines anderen Wesens soll der Mensch sein, sondern vor allen Dingen «Mensch», und das kann er nur dadurch, daß er sich durch sein Denken dazu macht. Der denkende Mensch ist der wahre Mensch. Nicht irgend etwas Äußeres, nicht Religion, Recht, Staat, Gesetz usw. kann den Menschen zum Menschen machen, sondern allein sein Denken. In Bauer tritt die Ohnmacht des Denkens auf, die an das Selbstbewußtsein heranreichen will aber nicht kann.
[ 10 ] Was Feuerbach als des Menschen höchstes Wesen erklärt hat, wovon Bruno Bauer behauptet hat, daß es durch die Kritik als Weltanschauung erst gefunden sei: «den Menschen», ihn sich völlig unbefangen und voraussetzungslos anzusehen, ist die Aufgabe, die sich Max Stirner (1806-1856) in seinem 1845 erschienenen Buche «Der Einzige und sein Eigentum» gestellt hat. Stirner findet: «Mit der Kraft der Verzweiflunggreift Feuerbach nach dem gesamten Inhalt des Christentums, nicht, um ihn wegzuwerfen, nein, um ihn an sich zu reißen, um ihn, den langersehnten, immer ferngebliebenen, mit einer letzten Anstrengung aus seinem Himmel zu ziehen und auf ewig bei sich zu behalten. Ist dies nicht ein Griff der letzten Verzweiflung, ein Griff auf Leben und Tod, und ist es nicht zugleich die christliche Sehnsucht und Begierde nach dem Jenseits? Der Heros will nicht in das Jenseits eingehen, sondern das Jenseits an sich heranziehen und zwingen, daß es zum Diesseits werde! Und schreit seitdem nicht alle Welt, mit mehr oder weniger Bewußtsein, aufs ,Diesseits' komme es an, und der Himmel müsse auf die Erde kommen und hier schon erlebt werden?» Stirner stellt der Ansicht Feuerbachs einen heftigen Widerspruch gegenüber: «Das höchste Wesen ist allerdings das Wesen' des Menschen, aber eben weil es sein Wesenund nicht er selbst ist, so bleibt es sich ganz gleich, ob wir esaußer ihm sehen und als ,Gott' anschauen, oder in ihm finden und ,Wesen des Menschen' oder ,der Mensch' nennen. Ich bin weder Gott noch der Mensch, weder das höchste Wesen noch meinWesen, und darum ist's in der Hauptsache einerlei, ob ichdas Wesen in miroder außer mirdenke. Ja, wir denken auch wirklich immer das höchste Wesen in beiderlei Jenseitigkeit, in der innerlichen und äußerlichen, zugleich, denn der ,Geist Gottes' ist nach christlicher Anschauung auch ,Unser Geist' und ,wohnet in uns'. Er wohnt im Himmel und wohnt in uns; wir armen Dinger sind eben nur seine ,Wohnung', und wenn Feuerbach noch die himmlische Wohnung desselben zerstört und ihn nötigt, mit Sack und Pack zu uns zu ziehen, so werden wir, sein irdisches Logis, sehr überfüllt werden.» Solange das einzelne menschliche Ich noch irgendeine Kraft setzt, von der es sich abhängig fühlt, sieht es sich selbst nicht von seinem eigenen Gesichtspunkte, sondern von demjenigen dieser fremden Macht aus. Es besitzt sich nicht selbst, es wird von dieser Macht besessen. Der Religiöse sagt: Es gibt ein göttliches Urwesen, und dessen Abbild ist der Mensch. Er ist von dem göttlichen Urbilde besessen. Der Hegelianer sagt: Es gibt eine allgemeine Weltvernunft, und diese verwirklicht sich in der Welt, um im menschlichen Ich zu ihrem Gipfel zu gelangen. Das Ich ist also von der Weltvernunft besessen. Feuerbach sagt, es gibt ein Wesen des Menschen, und jeder einzelne ist ein individuelles Abbild dieses Wesens. Jeder einzelne ist also von dem «Wesen der Menschheit» besessen. Denn wirklich vorhanden ist nur der einzelne Mensch, nicht der «Gattungsbegriff der Menschheit», den Feuerbach an die Stelle' des göttlichen Wesens setzt. Wenn also der einzelne Mensch die «Gattung Mensch» über sich setzt, so gibt er sich genau so an eine Illusion verloren, wie wenn er sich von einem persönlichen Gotte abhängig fühlt. Für Feuerbach werden daher die Gebote, die der Christ als von Gott eingesetzt glaubt und deshalb für verbindlich hält, zu Geboten, die bestehen, weil sie der allgemeinen Idee der Menschheit entsprechen. Der Mensch beurteilt sich sittlich so, daß er sich fragt: Entsprechen meine Handlungen als einzelner dem, was dem Wesen des Allgemem-Menschlichen angemessen ist? Denn Feuerbach sagt: «Ist das Wesen des Menschen das höchste Wesen des Menschen, so muß auch praktisch das höchste und erste Gesetz die Liebe des Menschen zum Menschen sein. Homo homini deus est. Die Ethik ist an und für sich eine göttliche Macht. Die moralischen Verhältnisse, sind durch sich wahrhaft religiöse Verhältnisse. Das Leben ist überhaupt in seinen wesentlichen substantiellen Verhältnissen durchaus göttlicher Natur. Alles Richtige, Wahre, Gute hat überall seinen Heiligungsgrund in sich selbst, in seinen Eigenschaften. Heilig ist und sei die Freundschaft, heilig das Eigentum, heilig die Ehe, heilig das Wohl jedes Menschen, aber heilig an und für sich selbst.» Es gibt also allgemeinmenschliche Mächte; die Ethik ist eine solche. Sie ist heilig an und für sich selbst; ihr hat sich das Individuum zu fügen. Dieses Individuum soll nicht wollen, was es von sich aus will, sondern was im Sinne der heiligen Ethik liegt. Es ist von der Ethik besessen. Stirner charakterisiert diese Ansicht: «Für den Gott des einzelnen ist nun der Gott aller, nämlich ,der Mensch' erhöht worden: ,es ist ja unser aller Höchstes, Mensch zu sein'. Da aber niemand ganz das werden kann, was die Idee ,Mensch' besagt, so bleibt der Mensch dem Einzelnen ein erhabenes Jenseits, ein unerreichtes höchstes Wesen, ein Gott.» Ein solch höchstes Wesen ist aber auch das Denken, das die Kritik als Weltanschauung zum Gott gemacht hat. Stirner kann daher auch vor ihm nicht haltmachen. «Der Kritiker fürchtet sich, ,dogmatisch' zu werden oder Dogmen aufzustellen. Natürlich, er würde dadurch ja zum Gegensatz des Kritikers, zum Dogmatiker, er würde, wie er als Kritiker gut ist, nun böse. ... ,Nur kein Dogma!' das ist sein Dogma. Denn es bleibt der Kritiker mit dem Dogmatiker auf ein und demselben Boden, dem der Gedanken. Gleich dem letzteren geht er stets von einem Gedanken aus, aber darin weicht er ab, daß er's nicht aufgibt, den prinzipiellen Gedanken im Denkprozessezu erhalten, ihn also nicht stabil werden läßt. Er macht nur den Denkprozeß gegen die Denkgläubigkeit, den Fortschritt im Denken gegen den Stillstand in demselben geltend. Vor der Kritik ist kein Gedanke sicher, da sie das Denken oder der denkende Geist selber ist ... Ich bin kein Gegner der Kritik, das heißt, ich bin kein Dogmatiker, und fühle mich von dem Zahne des Kritikers, womit er den Dogmatiker zerfleischt, nicht getroffen. Wäre ich ein ,Dogmatiker', so stellte ich ein Dogma, das heißt, einen Gedanken, eine Idee, ein Prinzip obenan, und vollendete dies als ,Systematiker', indem ich's zu einem System, das heißt, zu einem Gedankenbau ausspönne. Wäre ich umgekehrt ein Kritiker, nämlich ein Gegner des Dogmatikers, so führte ich den Kampf des freien Denkens gegen den knechtenden Gedanken, verteidigte das Denken gegen das Gedachte. Ich bin aber weder der Champion eines Gedankens, noch der des Denkens ...» Auch jeder Gedanke ist von dem individuellen Ich eines einzelnen erzeigt, und wäre er auch der Gedanke der eigenen Wesenheit. Und wenn der Mensch sein eigenes Ich zu erkennen glaubt, es irgendwie seiner Wesenheit nach beschreiben will, so macht er es schon von dieser Wesenheit abhängig. Ich mag ersinnen, was ich will: sobald ich mich begrifflich bestimme, definiere, mache ich mich zu einem Sklaven dessen, was mir der Begriff, die Definition liefert. Hegel machte das Ich zur Erscheinung der Vernunft, das heißt, er machte es von dieser abhängig. Aber alle solche Abhängigkeiten können dem Ich gegenüber nicht gelten; denn sie sind ja alle aus ihm selbst entnommen. Sie beruhen also darauf, daß das Ich sich täuscht. Es ist in Wahrheit nicht abhängig. Denn alles, wovon es abhängig sein soll, muß es erst selbst erzeugen. Es muß etwas aus sich nehmen, um es als «Spuk» über sich zu setzen. «Mensch, es spukt in deinem Kopfe; du hast einen Sparren zuviel! Du bildest dir große Dinge ein und malst dir eine ganze Götterwelt aus, die für dich da sei, ein Geisterreich, zu welchem du berufen seist, ein Ideal, das dir winkt. Du hast eine fixe Idee!» In Wahrheit kann kein Denken an das heranrücken, was als Ich in mir lebt. Ich kann mit meinem Denken an alles kommen, nur vor meinem Ich muß ich haltmachen. Das kann ich nicht denken, das kann ich nur erleben. Ich bin nicht Wille; ich bin nicht Idee, ebensowenig, wie ich Ebenbild einer Gottheit bin. Alle anderen Dinge mache ich mir durch mein Denken begreiflich. Das Ich lebe ich. Ich brauche mich nicht weiter zu definieren, zu beschreiben; denn ich erlebe mich in jedem Augenblicke. Zu beschreiben brauche ich mir nur, was ich nicht unmittelbar erlebe, was außer mir ist. Es ist widersinnig, daß ich mich selbst, da ich mich immer als Ding habe, auch noch als Gedanken, als Idee erfassen will. Wenn ich einen Stein vor mir habe, so suche ich mir durch mein Denken zu erklären, was dieser Stein ist. Was ich selbst bin, brauche ich mir nicht erst zu erklären; denn ich lebe es ja. Stirner antwortet auf einen Angriff gegen sein Buch: «Der Einzige ist ein Wort, und bei einem Worte müßte man sich doch etwas denkenkönnen, ein Wort müßte doch einen Gedankeninhalt haben. Aber der Einzige ist ein gedankenlosesWort, es hat keinen Gedankeninhalt. Was ist dann aber sein Inhalt, wenn der Gedanke es nicht ist? Einer, der nicht zum zweiten Male da sein, folglich auch nicht ausgedrücktwerden kann; denn könnte er ausgedrückt, wirklich und ganz ausgedrückt werden, so wäre er zum zweiten Male da, wäre im ,Ausdruck' da. Weil der Inhalt des Einzigen kein Gedankeninhalt ist, darum ist er auch undenkbar und unsagbar, weil aber unsagbar, darum ist er, diese vollständige Phrase, zugleich keine Phrase. Erst dann, wenn nichts von dir ausgesagt und du nur genanntwirst, wirst du anerkannt als du. Solange etwas von dir ausgesagt wird, wirst du nur als dieses Etwas (Mensch, Geist, Christ und so fort) anerkannt. Der Einzige sagt aber nichts aus, weil er nur Name ist, nur dies sagt, daß du du,und nichts anderes als du bist, daß du ein einziges ,Du' und du selber bist. Hierdurch bist du prädikatlos, damit aber zugleich bestimmungslos, beruflos, gesetzlos und so weiter.» (Vergleiche Stirners Kleine Schriften, herausgegeben von J. H. Mackay, S. 116). Stirner hat bereits 1842 in einem Aufsatz der «Rheinischen Zeitung» über das «unwahre Prinzip unserer Erziehung oder der Humanismus und Realismus» (vergleiche Kleine Schriften S. 5 ff.) sich darüber ausgesprochen, daß für ihn das Denken, das Wissen nicht bis zu dem Kern der Persönlichkeit vordringen kann. Er betrachtet es daher als ein unwahres Erziehungsprinzip, wenn nicht dieser Kern der Persönlichkeit zum Mittelpunkt gemacht wird, sondern in einseitiger Weise das Wissen. «Ein Wissen, welches sich nicht so läutert und konzentriert, daß es zum Wollen fortreißt' oder mit anderen Worten, welches mich nur als ein Haben und Besitz beschwert, statt ganz und gar mit mir zusammen gegangen zu sein, so daß das frei bewegliche Ich, von keiner nachschleppenden Habe beirrt, frischen Sinnes die Welt durchzieht, ein Wissen also, das nicht persönlich geworden, gibt eine erbärmliche Vorbereitung fürs Leben ab... Ist es der Drang unserer Zeit, nachdem die Denkfreiheiterrungen, diese bis zur Vollendung zu verfolgen, durch welche sie in die Willensfreiheit umschlägt, um die letztere als das Prinzip einer neuen Epoche zu verwirklichen, so kann auch das letzte Ziel der Erziehung nicht mehr das Wissen sein, sondern das aus dem Wissen geborene Wollen, und der sprechende Ausdruck dessen, was sie zu erstreben hat, ist: der persönliche oder freie Mensch. ... Wie in gewissen anderen Sphären, so läßt man auch in der pädagogischen die Freiheit nicht zum Durchbruch, die Kraft der Oppositionnicht zu Worte kommen: man will Unterwürfigkeit. Nur ein formelles und materielles Abrichten wird bezweckt, und nur Gelehrte gehen aus den Menagerien der Humanisten, nur ,brauchbare Bürger' aus denen der Realisten hervor, die doch beide nichts als unterwürfige Menschen sind ... Das Wissen muß sterben, um als Wille wieder aufzuerstehen und als freie Person sich täglich neu zu schaffen. » In der Person des einzelnen kann nur der Quell dessen liegen, was er tut. Die sittlichen Pflichten können nicht Gebote sein, die dem Menschen von irgendwoher gegeben werden, sondern Ziele, die er sich selbst vorsetzt. Es ist eine Täuschung, wenn der Mensch glaubt, er tue etwas deshalb, weil er ein Gebot einer allgemeinen heiligen Ethik befolgt. Er tut es, weil das Leben seines Ich ihn dazu antreibt. Ich liebe meinen Nächsten nicht deshalb, weil ich ein heiliges Gebot der Nächstenliebe befolge, sondern weil mich mein Ich zum Nächsten hinzieht. Ich soll ihn nicht lieben; ich will ihn lieben. Was die Menschen gewollt haben, das haben sie als Gebote über sich gesetzt. In diesem Punkte ist Stirner am leichtesten mißzuverstehen. Er leugnet nicht das moralische Handeln. Er leugnet bloß das moralische Gebot. Wie der Mensch handelt, wenn er sich nur richtig versteht, das wird von selbst eine moralische Weltordnung ergeben. Moralische Vorschriften sind für Stirner ein Spuk, eine fixe Idee. Sie setzen etwas fest, wozu der Mensch von selbst kommt, wenn er sich seiner Natur ganz überläßt. Die abstrakten Denker wenden da natürlich ein: Gibt es nicht Verbrecher? Dürfen diese danach handeln, was ihnen ihre Natur vorzeichnet? Diese abstrakten Denker sehen das allgemeine Chaos voraus, wenn den Menschen nicht Moralvorschriften heilig sind. Ihnen könnte Stirner antworten: Gibt es in der Natur nicht auch Krankheiten? Sind diese nicht ebenso nach ewigen, ehernen Gesetzen hervorgebracht wie alles Gesunde? Aber kann man deshalb nicht doch das Kranke von dem Gesunden unterscheiden? So wenig es je einem vernünftigen Menschen einfallen wird, das Kranke zum Gesunden zu rechnen, weil es ebenso wie jenes durch Naturgesetze hervorgebracht ist, so wenig möchte Stirner das Unmoralische zum Moralischen zählen, weil es ebenso wie dieses entsteht, wenn der einzelne sich selbst überlassen ist. Was aber Stirner von den abstrakten Denkern unterscheidet, das ist seine Überzeugung, daß im Menschenleben, wenn die emzelnen sich selbst überlassen sind, das Moralische ebenso das Herrschende sein werde, wie in der Natur es das Gesunde ist. Er glaubt an den sittlichen Adel der Menschennatur, an die freie Entwickelung der Moralität aus den Individuen heraus; die abstrakten Denker scheinen ihm nicht an diesen Adel zu glauben; deshalb meint er, sie erniedrigen die Natur des Individuums zur Sklavin allgemeiner Gebote, den Zuchtmitteln des menschlichen Handelns. Sie müssen viel Böses und Ruchloses auf dem Grunde ihrer Seele haben, diese «moralischen Menschen», meint Stirner, weil sie durchaus nach moralischen Vorschriften verlangen; sie müßten recht liebelos sein, weil sie sich die Liebe, die doch als freier Trieb in ihnen entstehen sollte, durch ein Gebot anbefehlen lassen wollen. Wenn vor zwanzig Jahren in einer ernsten Schrift noch tadelnd gesagt werden konnte: «Max Stirners Schrift ,Der Einzige und sein Eigentum' zertrümmerte Geist und Menschheit, Recht und Staat, Wahrheit und Tugend als Götzenbilder der Gedankenknechtschaft und bekennt frei: ,Mir geht nichts über mich'! » (Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte, 5. Teil, 5. 424), so ist das nur ein Beweis dafür, wie leicht durch die radikale Ausdrucksweise Stirner mißverstanden werden kann, dem das menschliche Individuum als etwas so Hehres, Erhabenes, Einziges und Freies vor Augen stand, daß nicht einmal der Hochflug der Gedankenwelt imstande sein soll, es zu erreichen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war Max Stirner so gut wie vergessen. Den Bemühungen John Henry Mackays ist es zu danken, daß wir heute von ihm ein Lebens- und Charakterbild haben. Er hat in seinem Buche «Max Stirner, sein Leben und sein Werk» (Berlin 1898) alles verarbeitet, was jahrelanges Suchen als Stoff für die Charakteristik des nach seiner Auffassung «kühnsten und konsequentesten Denkers» geliefert hat.
[ 11 ] Stirner steht wie andere Denker der neueren Zeit der Tatsache des zu erfassenden selbstbewußten Ich gegenüber. Andere suchen die Mittel, dieses Ich zu begreifen. Dies Begreifen stößt auf Schwierigkeiten, weil zwischen Naturbild und Bild des Geisteslebens eine weite Kluft sich gebildet hat. Stirner läßt das alles unberücksichtigt. Er stellt sich vor die Tatsache des selbstbewußten Ich hin und gebraucht alles, was er zum Ausdrucke bringen kann, allein dazu, auf diese Tatsache hinzuweisen. Er will so von dem Ich sprechen, daß ein jeder auf dieses Ich selbst hinsieht, und niemand sich dieses Hinsehen dadurch erspare, daß gesagt wird: das Ich ist dieses oder jenes. Nicht auf eine Idee, einen Gedanken des Ich will Stirner Weisen, sondern auf das lebende Ich selbst, das die Persönlichkeit in sich findet.
[ 12 ] Stirners Vorstellungsart, als der entgegengesetzte Pol derjenigen Goethes, Schillers, Fichtes, Schellings, Hegels, ist eine Erscheinung, die mit einer gewissen Notwendigkeit in der neueren Weltanschauüngsentwickelung auftreten mußte. Grell trat vor seinen Geist die Tatsache des selbstbewußten Ich hin. Ihm kam jede Gedankenschöpfung so vor wie einem Denker, der die Welt nur in Gedanken erfassen will, die mythische Bilderwelt vorkommen kann. Vor dieser Tatsache verschwand ihm aller übrige Weltinhalt, insofern dieser einen Zusammenhang mit dem selbstbewußten Ich zeigt. Ganz isoliert stellte er das selbstbewußte Ich hin.
[ 13 ] Daß es Schwierigkeiten geben könne, das Ich so hinzustellen, empfindet Stirner nicht. Die folgenden Jahrzehnte konnten keine Beziehung zu dieser isolierten Stellung des Ich gewinnen. Denn diese Jahrzehnte sind vor allem damit beschäftigt, das Bild der Natur unter dem Einflusse der naturwissenschaftlichen Denkweise zu gewinnen. Nachdem Stirner die eine Seite des neueren Bewußtseins hingestellt hat, die Tatsache des selbstbewußten Ich, lenkt das Zeitalter zunächst die Blicke ab von diesem Ich und wendet sie dahin, wo dies «Ich» nicht zu finden ist, auf das Bild der Natur.
[ 14 ] Die erste Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hat ihre Weltanschauungen aus dem Idealismus geboren. Wenn eine Brücke zur Naturwissenschaft gezogen wird, wie bei Schelling, Lorenz Oken (1779-1851), Henrik Steffens (1773 bis 1845), so geschieht es vom Gesichtspunkte der idealistischen Weltanschauung aus und im Interesse derselben. Die Zeit ist so wenig reif, naturwissenschaftliche Gedanken für die Weltanschauung fruchtbar zu machen, daß Jean Lamarcks geniale Anschauung von der Entwickelung der vollkommensten Organismen aus den einfachen, die 1809 ans Licht trat, völlig unberücksichtigt geblieben ist, und daß, als Geoffroy de St. Hilaire den Gedanken einer allgemeinen natürlichen Verwandtschaft aller Organismenformen 1830 im Kampf gegen Cuvier vertrat, Goethes Genius dazu gehörte, die Tragweite dieser Idee einzusehen. Die zahlreichen naturwissenschaftlichen Ergebnisse, die auch die erste Jahrhunderthälfte gebracht hat, wurden für die Weltanschauungsentwickelung erst zu neuen Weltenrätseln, namentlich, nachdem Charles Darwin für die Erkenntnis der Lebewelt im Jahre 1859 der Naturauffassung selbst neue Aussichten eröffnet hatte.
The radical worldviews
[ 1 ] At the beginning of the 1940s, a man who had previously familiarized himself thoroughly and intimately with Hegel's worldview struck a powerful blow against it. It was Ludwig Feuerbach (1804-1872). The declaration of war against the worldview from which he had grown out of is given in radical form in his writings "Preliminary Theses on the Reform of Philosophy" (1842) and in the "Principles of the Philosophy of the Future" (1843). We can follow the further development of his thoughts in his other writings "Das Wesen des Christentums" (1841), "Das Wesen der Religion" (1845) and in the "Theogonie" (1857). In Ludwig Feuerbach's work, a process was repeated in the field of spiritual science that had taken place almost a century earlier in the field of natural science (1759) with the appearance of Caspar Friedrich Wolff. Wolff's act signifies a reform of the idea of development in the field of the science of living beings. How development was understood before Wolff can be seen most clearly from the views of the man who opposed the transformation of this idea most vehemently: Albrecht von Haller. This man, in whom physiologists rightly venerate one of the most important spirits of their science, could not conceive of the development of a living being in any other way than that the germ already contains all the parts that appear during the course of life, in a small but completely pre-formed state. Development is thus supposed to be the unfolding of something that already existed, which was initially hidden from perception because of its small size or for other reasons. If this view is consistently adhered to, then nothing new arises in the course of development, but something hidden, nested, is continually brought into the light of day. Haller held this view quite harshly. In the primordial mother Eve, the whole human race was already present in a small, hidden form. These human germs were only developed in the course of world history. See how the philosopher Leibniz (1646-1716) expresses the same idea: "Thus I should think that the souls, which will one day be human souls, have existed in the seed, like those of other species, that they have always existed in the form of organized things in the foreparents up to Adam, that is, since the beginning of things." In his "Theoria generationis", published in 1759, Wolff contrasted this idea of development with another, which is based on the assumption that limbs that appear in the course of an organism's life were not previously present in any way, but only arise as real new formations at the point in time at which they become perceptible. Wolff showed that nothing of the form of the formed organism is present in the egg, but that its development is a chain of new formations. This view makes the idea of a real becoming possible. For it explains that something comes into being that has not yet existed, i.e. "becomes" in the true sense.
[ 2 ] Haller's view denies becoming, as it only admits a continuous becoming visible of something that has already existed. This natural scientist therefore countered Wolff's idea with the powerful statement: "There is no becoming". (Nulla est epigenesis!) In doing so, he did indeed ensure that Wolff's view was completely ignored for decades. Goethe blames the resistance to his efforts to explain living beings on the theory of epigenesis. He endeavored to understand the formations within organic nature from their becoming, entirely in the sense of a true developmental view, according to which that which comes to light in a living being is not already hidden, but really only emerges when it appears. He wrote in 1817 that this attempt, which formed the basis of his 1790 essay on the metamorphosis of plants, met with a "cold, almost unfriendly encounter. Such aversion, however, was quite natural: the doctrine of nesting, the concept of preformation, of successive development of what had already existed since Adam's time, had generally taken hold of even the best minds." Even in Hegel's world view, one could still see a remnant of the old nesting doctrine. The pure thought that appears in the human spirit: it should lie nested in all phenomena before it comes to perceptible existence in the human being. Hegel places this pure thought before nature and the individual spirit, which should be, as it were, the "representation of God as he was in his eternal being before the creation" of the world. The development of the world thus presents itself as an unfolding of pure thought. This was Feuerbach's attitude towards Hegel. Ludwig Feuerbach's protest against Hegel's world view is based on the fact that he could no more recognize the existence of the spirit before its actual appearance in man than Wolff was able to admit that the parts of the living organism were already pre-formed in the egg. Just as Wolff saw new formations in the organs of the living being, so Feuerbach saw them in the individual spirit of man. This is in no way present before its perceptible existence; it emerges only at the point in time when it actually appears. It is therefore unjustified for Feuerbach to speak of an all-spirit, of a being in which the individual spirit has its origin. There is no rational being before its actual appearance in the world that shapes the material, the perceptible world, in such a way that its image finally appears in man, but before the emergence of the human spirit there are only unreasoning substances and forces that shape a nervous system out of themselves, which concentrates in the brain; and in this, as a perfect new formation, something that has not yet existed arises: the human, rational soul. For such a world view there is no possibility of deriving the processes and things from a spiritual primordial being because a spiritual being is a new formation as a result of the organization of the brain. And when the human being transfers spiritual things into the outside world, he imagines completely arbitrarily that a being, as it underlies his own actions, exists outside of him and rules the world. Man must first create any spiritual primordial being out of his imagination; the things and processes of the world give no reason to assume such a being. It is not the spiritual primal being in which things are nested that has created man in its image, but man has formed the fantasy image of such a primal being according to his own nature. This is Feuerbach's conviction. "Man's knowledge of God is man's knowledge of himself, of his own being. Only the unity of being and consciousness is truth. Where there is the consciousness of God, there is also the essence of God thus in man." Man did not feel strong enough to rely entirely on himself; therefore he created an infinite being in his own image, which he worships and adores. The Hegelian world view has indeed removed all other qualities from the primordial being; but it has retained reasonableness for it. Feuerbach also removes this; and in doing so he has eliminated the primordial being itself. He completely replaces the wisdom of God with the wisdom of the world. Feuerbach describes the "open confession and admission that the consciousness of God is nothing other than the consciousness" of mankind, that man cannot "think, suspect, imagine, feel, believe, want, love and worship any other being as an absolute, as a divine being than the human being", as a necessary turning point in the development of the world view. There is a view of nature and a view of the human spirit, but none of the essence of God. Nothing is real but the actual. "The real in its reality or as the real is the real as the object of sense, is the sensuous. Truth, reality, sensuality are identical. Only a sensual being is a true, a real being. Only through the senses is an object given in the true sense, not through thinking for itself. The object given or identical with thought is only thought." This means nothing other than that thought appears in the human organism as a new formation, and one is not entitled to imagine that thought was already hidden in some form in the world before its appearance. One should not try to explain the nature of what actually exists by deducing it from something that already existed. Only that which is factual is true and divine which "is immediately certain of itself, speaks directly for itself and takes it in, immediately entails the affirmation that it is, the absolutely definite, the absolutely indubitable, the sun-clear. But only the sensual is sun-clear; only where sensuality begins does all doubt and dispute cease. The secret of immediate knowledge is sensuality." Feuerbach's confession culminates in the words: "To make philosophy the cause of humanity, that was my first endeavor. But whoever embarks on this path will necessarily end up making man the subject of philosophy." "The new philosophy makes man, including nature as the basis of man, the sole, universal and highest subject of philosophy - anthropology, including physiology, the universal science." Feuerbach demands that reason should not be placed as the starting point at the head of the world view, as Hegel does, but that it should be regarded as a product of development, as a new formation in the human organism in which it actually appears. And he is opposed to any separation of the spiritual from the physical, because it cannot be understood in any other way than as the result of the development of the physical. "When the psychologist says: 'I distinguish myself from my body', he is saying as much as when the philosopher says in logic or in the metaphysics of morals: 'I abstract from human nature'. Is it possible for you to abstract from your nature? Do you not abstract as a human being? Do you think without a head? Thoughts are isolated souls. Good; but is not the separated soul still a faithful image of the once incarnate man? Do not even the most general metaphysical concepts of being and essence change, just as the real being and essence of man changes? So what does that mean? I abstract from human nature? Nothing more than I abstract from man as he is the object of my consciousness and thought, but never again from the man who lies behind my consciousness, that is, from my nature, to which, nolens volens, my abstraction is indissolubly bound. Thus, as a psychologist, you also abstract from your body in thought, but nevertheless you are intimately connected with it in essence, that is, you think yourself distinct from it, but you are by no means really distinct from it. ... Is not Lichtenberg also right when he claims: one should not actually say, I think, but it thinks. So if I think is different from the body, it follows that It thinks, the involuntary in our thinking, is also the root and basis of I think: I think, is distinct from the body? Where does it come from that we cannot think at all times, that thoughts are not at our disposal at will, that we often in the midst of mental work, despite the most strenuous efforts of the will, do not move from the spot until some external cause, often only a change in the weather, makes the thoughts afloat again? Therefore, the activity of thinking is also an organic activity. Why do we often have to carry thoughts around with us for years before they become clear and distinct? Because thoughts, too, are subject to organic development, thoughts, too, must ripen and mature, as well as the fruits of the field and the children in the womb."
[ 3 ] Feuerbach refers to Georg Christoph Lichtenberg, the thinker who died in 1799 and who, with some of his ideas, must be regarded as a forerunner of the world view that found expression in minds like Feuerbach and who, with his stimulating ideas, probably only did not become so stimulating for the nineteenth century, because the powerful thought structures of Fichte, Schelling and Hegel, which overshadowed everything, so absorbed the development of thought that aphoristic flashes of ideas, even if they were as illuminating as Lichtenberg's, could be overlooked. One need only recall individual sayings of this important man to show how his spirit was revived in the movement of thought initiated by Feuerbach. "God created man in his own image, which presumably means that man created God in his own image." "Our world will become so fine that it will be as ridiculous to believe in a God as ghosts are today." "Is our concept of God anything other than personified incomprehensibility?" "The idea we have of a soul is very similar to that of a magnet in the earth. It is merely an image. It is an innate human invention to think of everything under this form." "Instead of the world being reflected in us, we should rather say that our reason is reflected in the world. We can do nothing else; we must recognize order and wise government in the world; this follows from the arrangement of our reasoning power. But it is not yet a consequence that something which we must necessarily think is really so ... therefore no God can be proved from it." "We become conscious of certain ideas that do not depend on us; others, at least we believe, depend on us; where is the limit? We only know the existence of our sensations, ideas and thoughts. It thinks, one should say, just as one says: it flashes." If Lichtenberg had had the ability to form an intrinsically harmonious view of the world with such thought approaches: he could not have remained unconsidered to the degree to which this happened. The formation of a world view requires not only superiority of mind, which he possessed, but also the ability to form ideas in context and to round them out vividly. He lacked this ability. His superiority is expressed in an excellent judgment on Kant's relationship with his contemporaries: "I believe that, just as the followers of Mr. Kant always accuse their opponents of not understanding him, so also some believe that Mr. Kant is right because they understand him. His way of thinking is new and very different from the usual one; and when one suddenly gains insight into it, one is also very inclined to believe it to be true, especially since he has so many zealous followers. But one should always bear in mind that this understanding is no reason to believe it to be true. I believe that most people, in the joy of understanding a very abstract and obscure system, have at the same time believed that it has been demonstrated." Just how kindred spirits Ludwig Feuerbach must have felt with Lichtenberg is particularly evident when one compares the points of view on which both thinkers stood when they considered the relationship of their world view to practical life. Feuerbach concluded the lectures he gave to a number of students in the winter of 1848 on the "Essence of Religion" with the words: "I only wish that I have not failed in the task set me, which was expressed in one of the first lessons, namely, the task of turning you from friends of God into friends of man, from believers into thinkers, from prayers into workers, from candidates of the hereafter into students of this world, from Christians, who according to their own confession and admission are 'half animal, half angel', into men, into whole men. " Whoever, as Feuerbach did, places all worldview on the basis of the knowledge of nature and man, must also reject all tasks, all duties in the field of morality that originate from a field other than the natural dispositions of man, or that have a goal other than one that relates entirely to the perceptible world. "My right is my legally recognized instinct of happiness; my duty is the instinct of happiness of others that compels me to recognize it." It is not the prospect of a hereafter that tells me what I should do, but the contemplation of this world. As much strength as I use to fulfill any tasks that relate to the hereafter, so much of my abilities I withdraw from this world, for which I am only destined. "Concentration on the this world" is therefore what Ludwig Feuerbach calls for. We can read similar words in Lichtenberg's writings. But precisely these are at the same time mixed with elements that show how little a thinker who does not have the ability to form his ideas harmoniously within himself succeeds in pursuing an idea to its utmost consequences. Lichtenberg already demands concentration on the here and now, but he still intersperses this demand with ideas that aim at a hereafter. "I think very many people forget about their education for heaven, that for earth. I should think man would act most wisely if he let the former be entirely placed in its place, for if we have been placed in that place by a wise Being, of which there is no doubt, let us do the best we can in this station, and not blind ourselves by revelations. What man needs to know for his happiness, he certainly knows without any other revelation than that which he possesses according to his nature." Comparisons such as the one between Lichtenberg and Feuerbach are significant for the history of the development of worldviews. They show the progress of the spirits most vividly, because one recognizes from them what the time gap that lies between them has done to this progress. Feuerbach went through Hegel's world view; he drew from it the strength to develop his opposing view of everything. He was no longer disturbed by Kant's question: do we really have a right to ascribe reality to the world we perceive or does this world only exist in our imagination? Whoever claims the latter can transfer all possible driving forces for human beings to the true world that lies beyond our imagination. He can accept a supernatural world order alongside the natural one, as Kant did. But anyone who, in Feuerbach's sense, declares the perceptible to be the real must reject all supernatural world order. For him, there is no categorical imperative originating from somewhere beyond; for him, there are only duties that arise from the natural drives and goals of man.
[ 4 ] In order to form a world view that was as opposed to Hegel's as Feuerbach did, however, a personality was needed that was as different from Hegel's as his own. Hegel felt well in the midst of the hustle and bustle of his present life. Mastering the immediate hustle and bustle of the world with his philosophical spirit was a beautiful task for him. When he wanted to be relieved of his teaching duties in Heidelberg in order to move to Prussia, he made it clear in his resignation letter that he was attracted by the prospect of finding a sphere of activity that would not limit him to mere teaching, but would enable him to intervene in practice. "For him, the prospect of switching from the precarious function of teaching philosophy at a university to another activity and being needed at a later age must be of the greatest importance." He who has such a thinking mind must live in peace with the form that practical life has taken in his time. He must find the ideas with which it is imbued reasonable. Only from this can he draw the enthusiasm to participate in its development. Feuerbach was not friendly to the life of his time. He preferred the silence of a secluded place to the hustle and bustle of "modern" life in his time. He speaks clearly about this: "I will never reconcile myself with city life. After the impressions I have already gained here, I consider it a good thing, indeed my duty, to go to the city from time to time to teach; but then I must return to rural solitude to study and rest in the bosom of nature. My next task is to prepare my lectures, as my listeners wish, or to prepare father's papers for printing." From his solitude, Feuerbach believed he could best judge what was not natural about the form that real life had taken, but had only been brought into it by human illusion. He regarded the purification of life from illusions as his task. To do this, he had to be as far away as possible from life in these illusions. He was looking for true life; he could not find it in the form that life had taken through the culture of the times. A statement he made about the March Revolution shows how sincere he was about "concentrating on this world". It seemed unfruitful to him because the old belief in the hereafter still lived on in the ideas on which it was based: "The March Revolution was still a child of the Christian faith, albeit an illegitimate one. The constitutionalists believed that the Lord only needed to say: Let there be liberty! let there be justice! so there is already justice and liberty; and the republicans believed that one only needed to want a republic in order to call it into being; thus they believed in the creation of a republic out of nothing. The former transferred the Christian wonders of the world, the latter the Christian wonders of action to the field of politics." Only a personality who believes to carry within himself the harmony of life, which man needs, can speak the hymns to reality that he spoke, despite the deep discord in which Feuerbach lived with reality. We can hear this in words such as these: "In the absence of any prospect of the hereafter, I can only keep myself alive and sane in this world, in the vale of tears of German, indeed European politics in general, by turning the present into an object of Aristophanic laughter." But only such a personality could seek all the power that others derive from an external force in man himself.
[ 5 ] The birth of thought in the Greek view of the world meant that man could no longer feel so integrated with the world as he could with the old pictorial imagination. This was the first stage in the formation of an abyss between man and the world. A further stage was given with the development of the newer scientific way of thinking. This development tore nature and the human soul completely apart. On the one hand an image of nature had to arise in which man, according to his spiritual-soul nature, could not be found; and on the other hand an idea of the human soul which found no bridge to nature. Lawful necessity was found in nature. Within it there was no place for what is found in the human soul: The impulse of freedom, the sense of a life that is rooted in a spiritual world and is not exhausted by the existence of sense. Spirits like Kant only found a way out by completely separating the two worlds: in the one they found knowledge of nature, in the other faith. Goethe, Schiller, Fichte, Schelling, Hegel thought the idea of the self-conscious soul so comprehensively that it seemed to be rooted in a higher spiritual nature that stands above nature and the human soul. With Feuerbach, a spirit appears which, through the image of the world that the new scientific conception can give, believes itself compelled to deny the human soul everything that contradicts the image of nature. He turns the human soul into a member of nature. He can only do this because he first thinks everything out of this human soul that disturbs him from recognizing it as a member of nature. Fichte, Schelling and Hegel took the self-conscious soul for what it is; Feuerbach makes it into what he needs for his view of the world. With him emerges a mode of conception that feels overwhelmed by the image of nature. It cannot come to terms with the two parts of the modern world view, the image of nature and the image of the soul; that is why it completely bypasses the one, the image of the soul. Wolff's idea of new formation provides the image of nature with fruitful impulses; Feuerbach uses these impulses for a spiritual science that can only exist by not engaging with the spirit at all. He establishes a worldview current that is helpless in the face of the most powerful impulse of modern soul life, living self-consciousness. In this worldview current, this impulse manifests itself in such a way that it is not only taken as incomprehensible, but that because it seems incomprehensible, its true form is ignored and it is made into something - a natural factor that it is not before unbiased observation.
[ 6 ] "God was my first thought, reason my second, man my third and last thought." This is how Feuerbach describes the path he took from believer to follower of Hegel and then to his own world view. The thinker who, in 1834, delivered one of the most effective books of the century, the "Life of Jesus", could have said the same of himself. It was David Friedrich Strauß (1808 to 1874). Feuerbach began by examining the human soul and found that it had the desire to project its own being into the world and to worship it as a divine primordial being. He attempted a psychological explanation of how the concept of God arises. Strauss' views were based on a similar goal, but he did not follow the path of the psychologist like Feuerbach, but that of the historian. And he did not place the concept of God in general, in the comprehensive sense that Feuerbach did, at the center of his reflections, but rather the Christian concept of the God-man Jesus. He wanted to show how humanity has arrived at this concept in the course of history. It was the conviction of Hegel's world view that the divine primal being is revealed in the human spirit. Strauss had also adopted this. But in his opinion, the divine idea cannot be realized in its entire perfection in a single human being. The individual human being is always only an imperfect reflection of the divine spirit. What one person lacks for perfection, another has. If you look at the entire human race, you will find all the perfections inherent in divinity distributed among countless individuals. The human race as a whole is thus God incarnate, the God-man. According to Strauss, this is the thinker's concept of Jesus. Strauß approaches the criticism of the Christian concept of the God-man from this point of view. Christianity ascribes to a personality that is supposed to have really existed once in the course of history what is thought to be distributed among the entire human race. "Conceived in an individual, a God-man, the characteristics and functions that church doctrine ascribes to Christ contradict each other: in the idea of the human species they coincide. Based on careful studies of the historical foundations of the Gospels, Strauss seeks to prove that the ideas of Christianity are the results of religious imagination. The religious truth that the human species is the God-man was indeed darkly suspected, but was not expressed in clear terms, but in a poetic form, in a myth. The story of the Son of God thus becomes a myth for Strauss, in which the idea of humanity was formed poetically long before it was recognized by thinkers in the form of pure thought. From this point of view, everything miraculous in Christian history gains an explanation, without one being forced to resort to the trivial view often previously adopted of seeing in the miracles deliberate deceptions or frauds, which the founder of the religion is either supposed to have resorted to himself in order to make as great an impression as possible with his teaching, or which the apostles are supposed to have devised for this purpose. Another view, which wanted to see all kinds of natural processes in the miracles, was also eliminated. The miracles presented themselves as poetic garments for real truths. How humanity rises from its finite interests, the life of everyday life, to its infinite interests, to the realization of divine truth and reason: this is what the myth depicts in the image of the dying and rising Saviour. The finite dies in order to rise again as the infinite.
[ 7 ] In the myths of the ancient peoples we can see the precipitation of the pictorial imagination of primeval times, from which the experience of thought has developed. In the nineteenth century, a feeling of this fact came to life in a personality like Strauss. He wanted to find out about the progress and significance of the life of thought by immersing himself in the connection between the world view and mythical thinking in historical times. He wants to know how the myth-forming mode of imagination still influences the newer world view. And at the same time he wants to anchor human self-consciousness in an entity that lies outside the individual personality by imagining the whole of humanity as an embodiment of the God-being. In this way, he gains a support for the individual human soul in the all-human soul, which finds its unfolding in the course of historical becoming.
[ 8 ] Strauß is even more radical in his book "Die christliche Glaubenslehre in ihrer geschichtlichen Entwickelung und im Kampfe mit der modernen Wissenschaft", published between 1840 and 1841. Here he deals with the dissolution of Christian dogmas from their poetic form into the truths of thought on which they are based. He now emphasizes the incompatibility of modern consciousness with that which adheres to the old figurative-mythical representations of truth. "So let the believer let the knower, like the latter, go his way quietly; we leave them their faith, so they leave us our philosophy; and if the super-pious should succeed in excluding us from their church, we shall regard this as a gain. False attempts at mediation have now been made enough; only the separation of opposites can lead further." Strauss' views had caused a tremendous stir. It was bitterly felt that the modern view of the world was no longer content to meet the basic religious ideas in general, but that it wanted to eliminate the "inconsistency", of which Lichtenherg had once said that it consisted in the fact that "human nature has even nestled under the yoke of a book. Nothing more horrible can be imagined," he continues, "and this example alone shows what a helpless creature man is in concreto, I mean enclosed in this two-legged vial of earth, water and salt. If it were possible for reason ever to build itself a despotic throne, a man who seriously wanted to refute the Copernican system by the authority of a book would have to be hanged. The fact that a book says it is from God is no proof that it is from God; but that our reason is from God is certain, one may take the word God as one pleases. Reason, where it reigns, punishes merely with the natural consequences of the offense or with instruction, if instruction can be called punishment." Strauß was dismissed from his position as a repetent at the Tübingen monastery as a result of the "Life of Jesus"; and when he then took up a professorship of theology at the University of Zurich, the country folk came with flails to make the dissolution of the myth impossible and force his retirement.
[ 9 ] Another thinker went far beyond the goal that Strauß set himself in his critique of the old world view from the standpoint of the new: Bruno Bauer. The view held by Feuerbach that the essence of man is also his highest essence and that every other higher being is only an illusion that he has created in his own image and placed above himself is also found in Bruno Bauer, but in a grotesque form. He describes how the human ego came to create an illusory counter-image for itself, in expressions that show that they did not arise from the need for a loving understanding of religious consciousness, as in Strauss, but from the joy of destruction. He says that the "all-devouring ego dreaded itself; it did not dare to grasp itself as everything and as the most general power, that is, it still remained the religious spirit and completed its alienation by confronting its general power as a foreign one and working towards this power in fear and trembling for its preservation and bliss". Bruno Bauer is a personality who sets out to critically test his spirited thinking on everything that exists. His conviction that thinking is called upon to penetrate to the essence of things was taken from Hegel's world view. But, like Hegel, he is not predisposed to allow thinking to live itself out in a result, in an edifice of thought. His thinking is not productive, but critical. He would have felt limited by a certain thought, by a positive idea. He does not want to define the critical power of thought by starting from a thought as a certain point of view, as Hegel did. "Criticism is, on the one hand, the last act of a particular philosophy, which in it must free itself from a positive definiteness that still limits its true generality, and therefore, on the other hand, the precondition without which it cannot rise to the ultimate generality of self-consciousness." This is the creed of the "Critique of Worldview" to which Bruno Bauer professed. The "critique" does not believe in thoughts, ideas, but only in thinking. "Man has only just been found", Bauer triumphs. For man is now bound by nothing more than his thinking. What is human is not to surrender to anything extra-human, but to process everything in the crucible of thought. Man should not be the image of another being, but above all "man", and he can only do this by making himself so through his thinking. The thinking human being is the true human being. Not anything external, not religion, justice, state, law, etc. can make man a man, but only his thinking. In Bauer, the powerlessness of thinking appears, which wants to reach self-consciousness but cannot.
[ 10 ] What Feuerbach declared to be man's highest essence, which Bruno Bauer claimed had only been found through criticism as a worldview: "man", to look at him completely impartially and without presuppositions, is the task that Max Stirner (1806-1856) set himself in his book "Der Einzige und sein Eigentum" (The Only One and His Property), published in 1845. Stirner finds: "With the power of despair Feuerbach reaches for the entire content of Christianity, not to throw it away, no, to seize it, to pull it, the long-awaited one that has always remained far away, out of his heaven with a final effort and to keep it with him forever. Is this not a grasp of ultimate despair, a grasp of life and death, and is it not at the same time the Christian longing and desire for the hereafter? The hero does not want to enter the hereafter, but to draw the hereafter to himself and force it to become this world! And has not the whole world been crying out ever since, with more or less awareness, that it is the 'hereafter' that matters, and that heaven must come to earth and be experienced here already?" Stirner contrasts Feuerbach's view with a fierce contradiction: "The highest essence is indeed the 'essence' of man, but precisely because it is his essence and not he himself, it remains quite the same whether we see it outside of him and regard it as 'God', or find it in him and call it 'the essence of man' or 'man'. I am neither God nor man, neither the highest being nor my being, and therefore it is in the main no matter whether I think the being in me or outside me. Yes, we also really always think the highest being in both otherworldliness, in the inner and outer, at the same time, because the 'spirit of God' is according to Christian view also 'our spirit' and 'dwells in us'. He dwells in heaven and dwells in us; we poor things are only his 'dwelling place', and if Feuerbach destroys his heavenly dwelling place and forces him to move to us with sackcloth and pack, we, his earthly lodgings, will become very crowded." As long as the individual human ego still places any power on which it feels dependent, it sees itself not from its own point of view, but from that of this foreign power. It does not possess itself, it is possessed by this power. The religious says: There is a divine primal being, and its image is man. He is possessed by the divine primal image. The Hegelian says: There is a general world reason, and this realizes itself in the world in order to reach its summit in the human ego. The ego is thus possessed by world reason. Feuerbach says that there is an essence of man, and each individual is an individual image of this essence. Each individual is therefore possessed by the "essence of humanity". For only the individual human being actually exists, not the "generic concept of humanity", which Feuerbach puts in the place of the divine essence. So if the individual human being places the "genus human being" above himself, he loses himself to an illusion just as much as if he feels dependent on a personal God. For Feuerbach, therefore, the commandments that the Christian believes to be instituted by God and therefore considers binding become commandments that exist because they correspond to the general idea of humanity. Man judges himself morally in such a way that he asks himself: Do my actions as an individual correspond to what is appropriate to the essence of the universal human? For Feuerbach says: "If the essence of man is the highest essence of man, then in practice the highest and first law must also be man's love for man. Homo homini deus est. Ethics is in and of itself a divine power. Moral conditions are in themselves truly religious conditions. Life in general is of a divine nature in its essential substantial relationships. Everything that is right, true and good has its reason for sanctification everywhere in itself, in its qualities. Sacred is and shall be friendship, sacred property, sacred marriage, sacred the well-being of every human being, but sacred in and for itself." So there are universal human powers; ethics is one of them. It is sacred in and of itself; the individual must submit to it. This individual should not want what he wants of his own accord, but what is in the spirit of sacred ethics. It is possessed by ethics. Stirner characterizes this view: "For the God of the individual, the God of all, namely 'man', has now been elevated: 'it is after all the highest of all of us to be man'. But since no one can fully become what the idea of 'man' implies, man remains for the individual a sublime beyond, an unattained supreme being, a god." However, such a supreme being is also the thinking that has made critique as a worldview into a god. Stirner therefore cannot stop at it either. "The critic is afraid of becoming 'dogmatic' or setting up dogmas. Of course, this would make him the antithesis of the critic, a dogmatist; he would become evil, just as he is good as a critic. 'Just no dogma' is his dogma. For the critic remains on one and the same ground with the dogmatist, that of thought. Like the latter, he always proceeds from a thought, but he differs in that he does not give up preserving the principle thought in the thought process, thus does not allow it to become stable. He only asserts the thinking process against the belief in thinking, the progress in thinking against the standstill in it. No thought is safe from criticism, since it is thinking or the thinking mind itself ... I am not an opponent of criticism, that is to say, I am not a dogmatist, and I do not feel that I have been struck by the critic's tooth with which he tears the dogmatist to pieces. If I were a 'dogmatist', I would place a dogma, that is, a thought, an idea, a principle at the top, and complete it as a 'systematist' by spinning it out into a system, that is, into a structure of thought. Conversely, if I were a critic, namely an opponent of the dogmatist, I would be fighting the battle of free thought against subjugating thought, defending thought against thought. But I am neither the champion of a thought, nor the champion of thought ..." Every thought is also generated by the individual ego of an individual, even if it is the thought of one's own being. And if a person believes he recognizes his own ego, wants to describe it somehow according to its essence, he already makes it dependent on this essence. I may think up what I want: as soon as I conceptualize, define myself, I make myself a slave to what the concept, the definition provides me with. Hegel made the ego an appearance of reason, that is, he made it dependent on it. But all such dependencies cannot apply to the ego; for they are all taken from it itself. They are therefore based on the fact that the ego is deceiving itself. In truth it is not dependent. For everything on which it is supposed to be dependent must first be produced by itself. It must take something from itself in order to place it above itself as a "haunting". "Man, your head is haunted; you have one rafter too many! You are imagining great things and painting a whole world of gods for yourself, a realm of spirits to which you are called, an ideal that beckons to you. You have a fixed idea!" In truth, no thinking can come close to what lives in me as an ego. I can reach everything with my thinking, but I have to stop at my ego. I cannot think that, I can only experience it. I am not will; I am not an idea, just as little as I am the image of a deity. I make all other things comprehensible to me through my thinking. I live the I. I do not need to define or describe myself any further, for I experience myself in every moment. I only need to describe to myself what I do not experience directly, what is outside of me. It is absurd that I should want to grasp myself as a thought, as an idea, since I always have myself as a thing. If I have a stone in front of me, I try to explain to myself through my thinking what this stone is. I don't need to explain to myself what I am, because I am living it. Stirner responds to an attack on his book: "The only one is a word, and with a word one should be able to think something, a word should have a thought content. But the only one is a thoughtless word, it has no thought content. But then what is its content if the thought is not? One that cannot be there a second time, consequently also cannot be expressed; for if it could be expressed, really and completely expressed, it would be there a second time, would be there in 'expression'. Because the content of the unique is not a content of thought, therefore it is also unthinkable and unspeakable, but because it is unspeakable, therefore it, this complete phrase, is at the same time not a phrase. Only then, when nothing is said about you and you are only named, are you recognized as you. As long as something is said about you, you are only recognized as this something (human, spirit, Christian and so on). But the only one says nothing, because it is only a name, only this says that you are you, and nothing other than you, that you are a single 'you' and yourself. In this way you are predicate-less, but at the same time you are undetermined, professionless, lawless and so on." (Compare Stirner's Kleine Schriften, edited by J. H. Mackay, p. 116). As early as 1842, in an essay in the "Rheinische Zeitung" on the "untrue principle of our education or humanism and realism" (see Kleine Schriften, p. 5 ff.), Stirner stated that for him thinking and knowledge cannot penetrate to the core of the personality. He therefore regards it as an untrue educational principle if this core of the personality is not made the focus, but rather knowledge in a one-sided manner. "A knowledge which does not purify and concentrate itself in such a way that it carries away to the will' or, in other words, which only weighs me down as a possession, instead of having gone completely together with me, so that the freely moving ego, not distracted by any trailing possessions, wanders through the world with a fresh mind, a knowledge that has not become personal, is a pitiful preparation for life... If it is the urge of our time, after the freedom of thought has been achieved, to pursue it to perfection, through which it turns into freedom of will, in order to realize the latter as the principle of a new epoch, then the ultimate goal of education can no longer be knowledge, but the will born of knowledge, and the eloquent expression of what it has to strive for is: the personal or free man ... As in certain other spheres, freedom is not allowed to break through in the pedagogical sphere, the power of opposition is not given a voice: submissiveness is desired. Only a formal and material training is intended, and only scholars emerge from the menageries of the humanists, only 'useful citizens' from those of the realists, both of whom are nothing but submissive people ... Knowledge must die in order to rise again as will and to create itself anew every day as a free person. " In the person of the individual can only lie the source of what he does. Moral duties cannot be commandments given to man from somewhere, but goals that he sets for himself. It is a deception if a person believes that he is doing something because he is following a commandment of a general sacred ethic. He does it because the life of his ego drives him to do so. I do not love my neighbor because I follow a holy commandment to love my neighbor, but because my ego draws me to my neighbor. I should not love him; I will love him. What men have willed, they have set as commandments upon themselves. On this point Stirner is the easiest to misunderstand. He does not deny moral action. He merely denies the moral precept. How man acts, if he only understands himself correctly, will automatically result in a moral world order. For Stirner, moral rules are a spook, a fixed idea. They establish something that man comes to of his own accord when he leaves himself completely to his nature. The abstract thinkers naturally object: Aren't there criminals? Are they allowed to act according to what their nature dictates? These abstract thinkers foresee general chaos if people do not hold moral rules sacred. Stirner could answer them: Are there not also diseases in nature? Are they not produced according to eternal, iron laws just like everything healthy? But is it not therefore possible to distinguish the sick from the healthy? As little as it will ever occur to a reasonable person to count the sick as healthy, because it is produced by natural laws just like the healthy, Stirner would just as little like to count the immoral as moral, because it arises just like the healthy when the individual is left to his own devices. What distinguishes Stirner from the abstract thinkers, however, is his conviction that in human life, when individuals are left to their own devices, the moral will be as dominant as the healthy is in nature. He believes in the moral nobility of human nature, in the free development of morality out of the individual; the abstract thinkers do not seem to him to believe in this nobility; therefore he thinks they degrade the nature of the individual to the slave of general commandments, the means of discipline of human action. These "moral men" must have much evil and nefariousness at the bottom of their souls, says Stirner, because they absolutely demand moral rules; they must be quite loveless, because they want to have love, which should arise in them as a free instinct, commanded by a commandment. Twenty years ago, in a serious essay, it could still be said reprovingly: "Max Stirner's essay 'Der Einzige und sein Eigentum' ('The One and Only and His Property') shatters spirit and humanity, law and state, truth and virtue as idols of thought bondage and freely confesses: 'Nothing is above me'! ' (Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte, 5th part, 5. 424), this is only proof of how easily Stirner can be misunderstood by the radical form of expression, for whom the human individual stood before his eyes as something so noble, sublime, unique and free that not even the high flight of thought should be able to reach it. In the second half of the century, Max Stirner was as good as forgotten. It is thanks to the efforts of John Henry Mackay that we now have a picture of his life and character. In his book "Max Stirner, sein Leben und sein Werk" (Berlin 1898), he has processed everything that years of research have provided as material for the characterization of what he considered to be the "boldest and most consistent thinker".
[ 11 ] Stirner, like other thinkers of more recent times, is faced with the fact of the self-conscious ego to be grasped. Others seek the means to grasp this ego. This comprehension encounters difficulties because a wide gulf has formed between the image of nature and the image of spiritual life. Stirner ignores all this. He places himself before the fact of the self-conscious ego and uses everything he can express solely to point to this fact. He wants to speak of the ego in such a way that everyone looks at this ego itself, and no one spares himself this looking by saying that the ego is this or that. Stirner does not want to point to an idea, a thought of the I, but to the living I itself, which the personality finds within itself.
[ 12 ] Stirner's mode of conception, as the opposite pole to that of Goethe, Schiller, Fichte, Schelling, Hegel, is a phenomenon that had to appear with a certain necessity in the more recent development of worldviews. The fact of the self-conscious ego came glaringly before his mind. Every creation of thought appeared to him as the mythical world of images can appear to a thinker who only wants to grasp the world in thought. Before this fact, all other world content disappeared for him, insofar as this shows a connection with the self-conscious ego. He placed the self-conscious ego in complete isolation.
[ 13 ] Stirner did not feel that there could be difficulties in presenting the ego in this way. The following decades could not gain any relationship to this isolated position of the ego. For these decades are primarily concerned with gaining an image of nature under the influence of the scientific way of thinking. After Stirner has presented one side of the newer consciousness, the fact of the self-conscious ego, the age initially diverts attention away from this ego and turns it to where this "ego" is not to be found, to the image of nature.
[ 14 ] The first half of the nineteenth century gave birth to its worldviews from idealism. When a bridge is drawn to natural science, as with Schelling, Lorenz Oken (1779-1851), Henrik Steffens (1773 to 1845), it is done from the point of view of the idealistic world view and in the interest of the same. The time is so little ripe for making scientific ideas fruitful for the world view that Jean Lamarck's ingenious view of the development of the most perfect organisms from the simplest, which came to light in 1809, has remained completely unconsidered, and that when Geoffroy de St. Hilaire advocated the idea of a general natural relationship of all forms of organisms in 1830 in the fight against Cuvier, Goethe's genius was needed to recognize the scope of this idea. The numerous scientific results that the first half of the century also brought only became new world puzzles for the development of world views, especially after Charles Darwin opened up new prospects for the understanding of the living world in 1859.