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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Die Rätsel der Philosophie
GA 18

Das Zeitalter Kants und Goethes

[ 1 ] Zu zwei geistigen Instanzen blickt am Ende des achtzehnten Jahrhunderts derjenige auf, der nach Klarheit über die großen Fragen der Welt- und Lebensanschauung rang, zu Kant und Goethe. Einer, der am gewaltigsten nach solcher Klarheit rang, ist Johann Gottlieb Fichte. Als er Kants «Kritik der praktischen Vernunft» kennengelernt hatte, schrieb er: «Ich lebe in einer neuen Welt ... Dinge, von denen ich glaubte, sie könnten mir nie bewiesen werden, zum Beispiel der Begriff der absoluten Freiheit, der Pflicht usw., sind mir bewiesen, und ich fühle mich darum nur um so froher. Es ist unbegreiflich, welche Achtung für die Menschheit, welche Kraft uns dieses System gibt! ... Welch ein Segen für ein Zeitalter, in welchem die Moral von ihren Grundfesten aus zerstört und der Begriff Pflicht in allen Wörterbüchern durchstrichen war.» Und als er auf Grundlage der Kantschen die eigene Anschauung in seiner «Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre» aufgebaut hatte, da sandte er das Buch an Goethe mit den Worten: «Ich betrachte Sie, und habe Sie immer betrachtet, als den Repräsentanten der reinsten Geistigkeit des Gefühls auf der gegenwärtig errungenen Stufe der Humanität. An Sie wendet mit Recht sich die Philosophie. Ihr Gefühl ist derselben Probierstein.» In einem ähnlichen Verhältnis zu beiden Geistern stand Schiller. Über Kant schreibt er am 28. Oktober 1794: «Es erschreckt mich gar nicht, zu denken, daß das Gesetz der Veränderung, vor welchem kein menschliches und kein göttliches Werk Gnade findet, auch die Form dieser (der Kantschen) Philosophie so wie jede andere zerstören wird; aber die Fundamente derselben werden dies Schicksal nicht zu fürchten haben, denn so alt das Menschengeschlecht ist, und so lange es eine Vernunft gibt, hat man sie stillschweigend anerkannt, und im ganzen danach gehandelt.» Goethes Anschauung schildert Schiller am 23. August 1794 in einem Briefe an diesen: «Lange schon habe ich, obgleich aus ziemlicher Ferne, dem Gang Ihres Geistes zugesehen, und den Weg, den Sie sich vorgezeichnet haben, mit immer erneuter Bewunderung bemerkt. Sie suchen das Notwendige in der Natur, aber Sie suchen es auf dem schwersten Wege, vor welchem jede schwächere Kraft sich wohl hüten wird. Sie nehmen die ganze Natur zusammen, um über das Einzelne Licht zu bekommen; in der Allheit ihrer Erscheinungsarten suchen Sie den Erklärungsgrund für das Individuum auf. Wären Sie als ein Grieche, ja nur als ein Italiener geboren worden, und hätte schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisierende Kunst Sie umgeben, so wäre Ihr Weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig gemacht worden. Schon in die erste Anschauung der Dinge hätten Sie dann die Form des Notwendigen aufgenommen, und mit Ihren ersten Erfahrungen hätte sich der große Stil in Ihnen entwickelt. Nun, da Sie als ein Deutscher geboren sind, da Ihr griechischer Geist in diese nordische Schöpfung geworfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl, als entweder selbst zum nordischen Künstler zu werden, oder Ihrer Imagination das, was ihr die Wirklichkeit vorenthielt, durch Nachhilfe der Denkkraft zu ersetzen, und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege ein Griechenland zu gebären.»

[ 2 ] Kant und Goethe können, von der Gegenwart aus gesehen, als Geister betrachtet werden, in denen die Weltanschauungsentwickelung der neueren Zeit sich wie in einem wichtigen Momente ihres Werdeprozesses dadurch enthüllt, daß von diesen Geistern die RätseIfragen des Daseins intensiv empfunden werden, die sich vorher mehr in den Untergründen des Seelenlebens vorbereiten.

[ 3 ] Um die Wirkung des ersteren auf sein Zeitalter zu veranschaulichen, seien noch die Aussprüche zweier Männer über ihn angeführt, die auf der vollen Bildungshöhe ihrer Zeit standen. Jean Paul schrieb im Jahre 1788 an einen Freund: «Kaufen Sie sich um Himmels willen zwei Bücher, Kants Grundlegung zu einer Metaphysik der Sitten und Kants Kritik der praktischen Vernunft. Kant ist kein Licht der Welt, sondern ein ganzes strahlendes Sonnensystem auf einmal.» Und Wilhelm von Humboldt sagt: «Kant unternahm und vollbrachte das größte Werk, das vielleicht je die philosophierende Vernunft einem einzelnen Manne zu danken hat... Dreierlei bleibt, wenn man den Ruhm, den Kant seiner Nation, den Nutzen, den er dem spekulativen Denken verliehen hat, bestimmen will, unverkennbar gewiß: Einiges, was er zertrümmert hat, wird sich nie wieder erheben, einiges, was er begründet hat, wird nie wieder untergehen, und was das Wichtigste ist, so hat er eine Reform gestiftet, wie die gesamte Geschichte des menschlichen Denkens keine ähnliche aufweist.»

[ 4 ] Man sieht, in Kants Tat sahen seine Zeitgenossen eine erschütternde Wirkung innerhalb der Weltanschauungsentwickelung. Er selbst aber hielt sie für diese Entwickelung so wichtig, daß er ihre Bedeutung derjenigen gleichsetzte, die Kopernikus' Entdeckung der Planetenbewegung für die Naturerkenntnis hatte.

[ 5 ] Manche Erscheinungen der Weltanschauungsentwickelung in den vorangegangenen Zeiten wirken in Kants Denken weiter und bilden sich in diesem zu Rätselfragen um, welchen Charakter seiner Weltanschauung bestimmen. Wer in den für diese Anschauung bedeutsamsten Schriften Kants die charakteristischen Eigentümlichkeiten empfindet, dem zeigt sich als eine derselben sogleich eine besondere Schätzung, welche Kant der mathematischen Denkungsart angedeihen läßt. Was so erkannt wird wie das mathematische Denken erkennt, das trägt in sich die Gewißheit seiner Wahrheit, das empfindet Kant. Daß der Mensch Mathematik haben kann, beweist, daß er Wahrheit haben kann. Was man auch alles bezweifeln mag, die Wahrheit der Mathematik kann man nicht bezweifeln.

[ 6 ] Mit dieser Schätzung der Mathematik tritt in Kants Seele diejenige Gesinnung der neueren Weltanschauungsentwickelung auf, die den Vorstellungskreisen Spinozas die Prägung gegeben hat. Spinoza will seine Gedankenreihen so aufbauen, daß sie sich wie die Glieder der mathematischen Wissenschaft streng auseinander entwickeln. Nichts anderes als das nach mathematischer Art Gedachte gibt die feste Grundlage, auf der sich im Sinne Spinozas das im Geiste der neueren Zeit sich fühlende Menschen-Ich sicher weiß. So dachte auch schon Descartes, von dem Spinoza viele Anregungen empfangen hat. Er mußte sich aus dem Zweifel heraus eine Weltanschauungsstütze holen. In dem bloßen Empfangen eines Gedankens in der Seele konnte Descartes eine solche Stütze nicht sehen. Diese griechische Art, sich zu der Gedankenwelt zu stellen, ist dem Menschen der neueren Zeit nicht mehr möglich. Es muß sich in der selbstbewußten Seele etwas finden, das den Gedanken stützt. Für Descartes und wieder für Spinoza ist es die Erfüllung der Forderung, daß sich die Seele zum Gedanken verhalten müsse, wie sie sich in der mathematischen Vorstellungsart verhält. Indem sich Descartes aus dem Zweifel heraus sein «Ich denke, also bin ich» und was damit zusammenhängt, ergab, fühlte er sich in alledem sicher, weil es ihm dieselbe Klarheit zu haben schien, welche der Mathematik innewohnt. Dieselbe Gesinnung hat Spinoza dazu geführt, ein Weltbild sich auszugestalten, in dem alles, wie die mathematischen Gesetze, mit strenger Notwendigkeit wirkt. Die eine göttliche Substanz, welche sich mit mathematischer Gesetzmäßigkeit in alle Weltenwesen ausgießt, läßt das menschliche Ich nur gelten, wenn dieses sich in ihr völlig verliert, wenn es sein Selbstbewußtsein in ihrem Weltbewußtsein aufgehen läßt. Diese mathematische Gesinnung, die aus der Sehnsucht des «Ich» entspringt nach einer Sicherheit, die es für sich braucht, führt dieses «Ich» zu einem Weltbild, in dem es durch das Streben nach seiner Sicherheit sich selbst, sein selbständiges Bestehen in einem geistigen Weltengrunde, seine Freiheit und seine Hoffnung auf ein selbständiges ewiges Dasein verloren hat.

[ 7 ] In der entgegengesetzten Richtung bewegte sich das Denken Leibniz'. Für ihn ist die Menschenseele die selbständige, streng in sich abgeschlossene Monade. Aber diese Monade erlebt nur, was in ihr ist; die Weltenordnung, die sich «wie von außen» darbietet, ist nur ein Scheinbild. Hinter demselben liegt die wahre Welt, die nur aus Monaden besteht, und deren Ordnung die nicht in der Beobachtung sich darbietende vorherbestimmte (prästabilierte) Harmonie ist. Diese Weltanschauung läßt der menschlichen Seele die Selbständigkeit, das selbständige Bestehen im Weltall, die Freiheit und die Hoffnung auf eine ewige Bedeutung in der Weltentwickelung; aber sie kann, wenn sie sich selbst treu bleibt, im Grunde nicht anders, als behaupten, daß alles von ihr Erkannte nur sie selbst ist, daß sie aus dem selbstbewußten Ich nicht herauskommen kann, und daß ihr das Weltall in seiner Wahrheit von außen nicht offenbar werden kann.

[ 8 ] Für Descartes und für Leibniz waren die auf religiösem Wege erlangten Überzeugungen noch so stark wirksam, daß beide sie aus anderen Motiven in ihr Weltbild herübernahmen, als ihnen die Stützen dieses Weltbildes selbst gaben. Bei Descartes schlich sich in das Weltbild die Anschauung von der geistigen Welt ein, die er auf religiösem Wege erlangt hatte, sie durchdrang für ihn unbewußt die starre mathematische Notwendigkeit seiner Weltordnung, und so empfand er nicht, daß ihm sein Weltbild im Grunde das «Ich» auslöschte. Ebenso wirkten bei Leibniz die religiösen Impulse, und deshalb entging ihm, daß er in seinem Weltbilde keine Möglichkeit hatte, etwas anderes als allein den eigenen Seeleninhalt zu finden. Er glaubte doch, die außer dem «Ich» befindliche geistige Welt annehmen zu können. Spinoza zog durch einen großen Zug in seiner Persönlichkeit die Konsequenz aus seinem Weltbilde. Um die Sicherheit für dieses Weltbild zu haben, welche das Selbstbewußtsein verlangte, resignierte er auf die Selbständigkeit dieses Selbstbewußtseins und fand die Seligkeit darin, sich als Glied der einen göttlichen Substanz zu fühlen. Auf Kant blickend, muß man die Frage aufwerfen: Wie mußte er empfinden gegenüber den Weltanschauungsrichtungen, die sich in Descartes, Spinoza und Leibniz ihre hervorragenden Vertreter geschaffen hatten? Denn alle die Seelenimpulse, welche in diesen dreien gewirkt hatten, wirkten in ihm. Und sie wirkten in seiner Seele aufeinander und bewirkten die ihm sich aufdrängenden Weltenund Menschheitsrätsel. Ein Blick auf das Geistesleben des Kantschen Zeitalters gibt die Richtung nach der Art, wie Kant über diese Rätsel empfunden hat. In einem bedeutsamen Symptom erscheint dieses Geistesleben in Lessings (1729-1781) Stellung zu den Weltanschauungsfragen. Lessing faßt sein Glaubensbekenntnis in die Worte zusammen: «Die Ausbildung geoffenbarter Wahrheiten in Vernunftwahrheiten ist schlechterdings notwendig, wenn dem menschlichen Geschlechte damit geholfen werden soll.» Man hat das achtzehnte Jahrhundert das der Aufklärung genannt. Die Geister Deutschlands verstanden die Aufklärung im Sinne des Lessingschen Ausspruches. Kant hat die Aufklärung erklärt als den «Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit» und als ihren Wahlspruch bezeichnet: «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.» Nun waren selbst so hervorragende Denker wie Lessing zunächst durch die Aufklärung nicht weiter gekommen als bis zu einer verstandesmäßigen Umformung der aus dem Zustande «selbstverschuldeter Unmündigkeit» überlieferten Glaubenslehren. Sie sind nicht zu einer reinen Vernunftansicht vorgedrungen wie Spinoza. Auf solche Geister mußte die Lehre des Spinoza, als sie in Deutschland bekannt wurde, einen tiefen Eindruck machen. Spinoza hatte es wirklich unternommen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, war aber dabei zu ganz anderen Erkenntnissen gekommen als die deutschen Aufklärer. Sein Einfluß mußte um so bedeutsamer sein, als seine nach mathematischer Art festgebauten Schlußfolgerungen eine viel größere überzeugende Kraft hatten als die Weltanschauungsrichtung Leibniz', welche auf die Geister jenes Zeitalters in der Art wirkte, wie sie durch Wolff «fortgebildet» worden war. Wie diese durch Wolffs Vorstellungen hindurch wirkende Gedankenrichtung auf tiefere Gemüter wirkte, davon erhalten wir eine Vorstellung aus Goethes «Dichtung und Wahrheit». Er erzählt von dem Eindruck, den Professor Winklers im Geiste Wolffs gehaltene Vorlesungen in Leipzig auf ihn gemacht haben: «Meine Kollegia besuchte ich anfangs emsig und treulich; die Philosophie wollte mich jedoch keineswegs aufklären. In der Logik kam es mir wunderlich vor, daß ich diejenigen Geistesoperationen, die ich von Jugend auf mit der größten Bequemlichkeit verrichtete, so auseinanderzerren, vereinzeln und gleichsam zerstören sollte, um den rechten Gebrauch derselben einzusehen. Von dem Dinge, von der Welt, von Gott glaubte ich ungefähr so viel zu wissen als der Lehrer selbst, und es schien mir an mehr als einer Stelle gewaltig zu hapern.» Von seiner Beschäftigung mit Spinozas Schriften erzählt uns dagegen der Dichter: «Ich ergab mich dieser Lektüre und glaubte, indem ich mich selbst schaute, die Welt niemals so deutlich erblickt zu haben.» Aber nur wenige vermochten sich der Denkungsart Spinozas so unbefangen hinzugeben wie Goethe. Bei den meisten mußte sie einen tiefen Zwiespalt in die Weltauffassung bringen. Für sie ist Goethes Freund Fr. H. Jacobi ein Repräsentant. Er glaubte, zugeben zu müssen, daß die sich selbst überlassene Vernunft nicht zu den Glaubenslehren, sondern zu der Ansicht führe, zu der Spinoza gekommen ist, daß die Welt von ewigen, notwendigen Gesetzen beherrscht wird. So stand Jacobi vor einer bedeutsamen Entscheidung: entweder mußte er seiner Vernunft vertrauen und die Glaubenslehren fallen lassen, oder er mußte, um die letzteren zu behalten, der Vernunft selbst die Möglichkeit absprechen, zu den höchsten Einsichten zu kommen. Er wählte das letztere. Er behauptete, daß der Mensch in seinem innersten Gemüte eine unmittelbare Gewißheit habe, einen sicheren Glauben, vermöge dessen er die Wahrheit der Vorstellung eines persönlichen Gottes, der Freiheit des Willens und der Unsterblichkeit fühle, so daß diese Überzeugung ganz unabhängig sei von den auf logische Folgerungen gestützten Erkenntnissen der Vernunft, die sich gar nicht auf diese Dinge beziehen, sondern nur auf die äußeren Naturvorgänge. Auf diese Weise hat Jacobi das vernünftige Wissen abgesetzt, um für einen die Bedürfnisse des Herzens befriedigenden Glauben Platz zu bekommen. Goethe, der von dieser Entthronung des Wissens wenig erbaut war, schreibt an den Freund: «Gott hat Dich mit der Metaphysik gestraft und Dir einen Pfahl ins Fleisch gesetzt, mich mit der Physik gesegnet. Ich halte mich an die Gottesverehrung des Atheisten (Spinoza) und überlasse euch alles, was ihr Religion heißt und heißen mögt. Du hältst aufs Glauben an Gott; ich aufs Schauen.» Die Aufklärung hat zuletzt die Geister vor die Wahl gestellt, entweder die geoffenbarten Wahrheiten durch die Vernunftwahrheiten im spinozistischen Sinne zu ersetzen, oder dem vernunftgemäßen Wissen selbst den Krieg zu erklären.

[ 9 ] Und vor dieser Wahl stand auch Kant. Wie er sich zu ihr stellte und über sie entschied, das geht aus der klaren Ausführung im Vorworte zur zweiten Auflage seiner «Kritik der reinen Vernunft» hervor: «Gesetzt nun, die Moral setze notwendig Freiheit (im strengsten Sinne) als Eigenschaft unseres Willens voraus, indem sie praktische in unserer Vernunft liegende Grundsätze ... anführt, die ohne Voraussetzung der Freiheit schlechterdings unmöglich wären, die spekulative Vernunft aber hätte bewiesen, daß diese sich gar nicht denken lasse, so muß notwendig jene Voraussetzung, nämlich die moralische, derjenigen weichen, deren Gegenteil einen offenbaren Widerspruch enthält, folglich Freiheit und mit ihr Sittlichkeit ... dem Naturmechanismus den Platz einräumen. So aber, da ich zur Moral nichts weiter brauche, als daß Freiheit sich nur nicht selbst widerspreche und sich also doch wenigstens denken lasse, ohne nötig zu haben, sie weiter einzusehen, daß sie also dem Naturmechanismus ebenderselben Handlung (in anderer Beziehung genommen) gar kein Hindernis in den Weg lege; so behauptet die Lehre der Sittlichkeit ihren Platz, ... welches aber nicht stattgefunden hätte, wenn nicht Kritik uns zuvor von unserer unvermeidlichen Unwissenheit in Ansehung der Dinge an sich selbst belehrt, und alles, was wir theoretisch erkennen können, auf bloße Erscheinungen eingeschränkt hätte. Eben diese Erörterung des positiven Nutzens kritischer Grundsätze der reinen Vernunft läßt sich in Ansehung des Begriffs von Gott und der einfachen Natur unserer Seele zeigen, die ich aber der Kürze halber vorbeigehe. Ich kann also Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zum Behuf des notwendigen praktischen Gebrauchs meiner Vernunft nicht einmal annehmen, wenn ich nicht der spekulativen Vernunft zugleich ihre Anmaßung überschwenglicher Einsichten benehme... Ich mußte also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen ...» Man sieht, Kant steht gegenüber Wissen und Glauben auf einem ähnlichen Boden wie Jacobi.

[ 10 ] Der Weg, auf dem Kant zu seinen Ergebnissen gekommen ist, war durch die Gedankenwelt Humes gegangen. Bei diesem fand er die Ansicht, daß die Dinge und Vorgänge der Welt der menschlichen Seele gar keine gedanklichen Zusammenhänge offenbaren, daß der menschliche Verstand sich nur gewohnheitsmäßig solche Zusammenhänge vorstelle, wenn er die Weltdinge und Weltvorgänge in Raum und Zeit nebeneinander und nacheinander wahrnehme. Daß der menschliche Verstand das, was ihm Erkenntnis scheint, nicht aus der Welt erhalte: diese Meinung Humes machte auf Kant Eindruck. Es ergab sich für ihn der Gedanke als eine Möglichkeit: die Erkenntnisse des menschlichen Verstandes kommen nicht aus der Weltwirklicheit.

[ 11 ] Durch die Ausführungen Humes ist Kant aus dem Schlummer erweckt worden, in den ihn, nach seinem eigenen Bekenntnis, die Wolffsche Ideenrichtung versetzt hatte. Wie kann die Vernunft Urteile über Gott, Freiheit und Unsterblichkeit fällen, wenn ihre Aussagen über die einfachsten Begebenheiten auf solch unsicheren Grundlagen ruhen? Der Ansturm, den nun Kant gegen das vernünftige Wissen unternehmen mußte, war ein viel weitergehender als derjenige Jacobis. Dieser hatte dem Wissen wenigstens die Möglichkeit lassen können, die Natur in ihrem notwendigen Zusammenhange zu begreifen. Nun hat Kant auf dem Gebiete der Naturerkenntnis eine wichtige Tat mit seiner 1755 erschienenen «Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels» vollbracht. Er glaubte gezeigt zu haben, daß man sich unser ganzes Planetensystem aus einem Gasball entstanden denken könne, der sich um seine Achse bewegt. Durch streng notwendige mathematische und physikalische Kräfte haben sich innerhalb dieses Baues Sonne und Planeten verdichtet und die Bewegungen angenommen, die sie in Gemäßheit der Lehren Kopernikus' und Keplers haben. Kant glaubte also die Fruchtbarkeit der spinozistischen Denkart, nach welcher alles mit strenger mathematischer Notwendigkeit sich abspielt, durch eine eigene große Entdeckung auf einem speziellen Gebiete erwiesen. Er war von dieser Fruchtbarkeit so überzeugt, daß er in dem genannten Werke zu dem Ausrufe sich versteigt: «Gebt mir Materie, und ich will euch eine Welt daraus bauen.» Und die unbedingte Gewißheit der mathematischen Wahrheiten stand für ihn so fest, daß er in seinen «Anfangsgründen der Naturwissenschaft» die Behauptung aufstellt, eine eigentliche Wissenschaft sei nur eine solche, in welcher die Anwendung der Mathematik möglich ist. Hätte Hume recht, so könnte von einer Gewißheit der mathematischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse nicht die Rede sein. Denn dann wären diese Erkenntnisse nichts als Denkgewohnheiten, die sich der Mensch angeeignet hat, weil er den Weltenlauf in ihrem Sinne sich hat abspielen sehen. Aber es bestünde nicht die geringste Sicherheit darüber, daß diese Denkgewohnheiten mit dem gesetzmäßigen Zusammenhang der Dinge etwas zu tun haben. Hume zieht aus seinen Voraussetzungen die Folgerung: «Die Erscheinungen wechseln fortwährend in der Welt, und eines folgt dem anderen in ununterbrochener Folge; aber die Gesetze und die Kräfte, welche das Weltall bewegen, sind uns völlig verborgen und zeigen sich in keiner wahrnehmbaren Eigenschaft der Körper ...» Rückt man also die Weltanschauung Spinozas in die Beleuchtung der Humeschen Ansicht, so muß man sagen: Nach dem wahrgenommenen Verlauf der Weltvorgänge hat sich der Mensch gewöhnt, sie in einem notwendigen, gesetzmäßigen Zusammenhange zu denken; er darf aber nicht behaupten, daß dieser Zusammenhang mehr ist als eine bloße Denkgewohnheit. Träfe das zu, dann wäre es nur eine Täuschung der menschlichen Vernunft, daß sie über das Wesen der Welt durch sich selbst irgendwelchen Aufschluß gewinnen könne. Und Hume könnte nicht widersprochen werden, wenn er von jeder Weltanschauung, die aus der reinen Vernunft gewonnen ist, sagt: «Werft sie ins Feuer, denn sie ist nichts als Trug und Blendwerk.»

[ 12 ] Diese Folgerung Humes konnte Kant unmöglich zu der seinigen machen. Denn für ihn stand die Gewißheit der naturwissenschaftlichen und mathematischen Erkenntnisse, wie wir gesehen haben, unbedingt fest. Er wollte sich diese Gewißheit nicht antasten lassen, konnte sich aber dennoch der Einsicht nicht entziehen, daß Hume recht hatte, wenn er sagte: Alle Erkenntnisse über die wirklichen Dinge gewinnen wir nur, indem wir diese beobachten und auf Grund der Beobachtung uns Gedanken über ihren Zusammenhang bilden. Liegt in den Dingen ein gesetzmäßiger Zusammenhang, dann müssen wir ihn auch aus den Dingen herausholen. Was wir aber aus den Dingen herausholen, davon wissen wir nicht mehr, als daß es bis jetzt so gewesen ist; wir wissen aber nicht, ob ein solcher Zusammenhang wirklich so mit dem Wesen der Dinge verwachsen ist, daß er sich nicht in jedem Zeitpunkt ändern kann. Wenn wir uns heute auf Grund unserer Beobachtungen eine Weltanschauung bilden, so können morgen Erscheinungen eintreten, die uns zu einer ganz anderen zwingen. Holten wir alle unsere Erkenntnisse aus den Dingen, so gäbe es keine Gewißheit. Aber es gibt eine Gewißheit, sagt Kant. Die Mathematik und die Naturwissenschaft beweisen es. Die Ansicht, daß die Welt dem menschlichen Verstande seine Erkenntnisse nicht gibt, wollte Kant von Hume annehmen; die Folgerung, daß diese Erkenntnisse nicht Gewißheit und Wahrheit enthalten, wollte er nicht ziehen. So stand Kant vor der ihn erschütternden Frage: Wie ist es möglich, daß der Mensch wahre und gewisse Erkenntnisse habe und trotzdem von der Wirklichkeit der Welt an sich nichts wissen könne? Und Kant fand eine Antwort, welche die Wahrheit und Gewißheit menschlicher Erkenntnisse dadurch rettete, daß sie die menschliche Einsicht in die Weltengründe opferte. Von einer Welt, die außer uns ausgebreitet liegt und die wir nur durch Beobachtung auf uns einwirken lassen, könnte unsere Vernunft niemals behaupten, daß etwas in ihr gewiß sei. Folglich kann unsere Welt nur eine solche sein, die wir selbst aufbauen: eine Welt, die innerhalb unseres Geistes liegt. Was außer mir vorgeht, während ein Stein fällt und die Erde aushöhlt, weiß ich nicht. Das Gesetz dieses ganzen Vorganges spielt sich in mir ab. Und es kann sich in mir nur so abspielen, wie es ihm die Gesetze meines eigenen geistigen Organismus vorschreiben. Die Einrichtung meines Geistes fordert, daß jede Wirkung eine Ursache habe, und daß zweimal zwei vier sei. Und gemäß dieser Einrichtung baut sich der Geist eine Welt auf. Möge nun die außer uns liegende Welt wie immer gebaut sein, moge sie sogar heute in keinem Zuge der gestrigen gleichen: uns kann das nicht berühren; denn unser Geist schafft sich eine eigene Welt nach seinen Gesetzen. Solange der menschliche Geist derselbe ist, wird er bei Erzeugung seiner Welt auch in gleicher Weise verfahren. Mathematik und Naturwissenschaft enthalten nicht Gesetze der Außenwelt, sondern solche unseres geistigen Organismus. Deshalb brauchen wir nur diesen zu erforschen, wenn wir das unbedingt Wahre kennen lernen wollen. «Der Verstand schöpft seine Gesetze nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor.» In diesem Satze faßt Kant seine Überzeugung zusammen. Der Geist erzeugt aber seine Innenwelt nicht ohne Anstoß oder Eindruck von außen. Wenn ich eine rote Farbe empfinde, so ist das «Rot» allerdings ein Zustand, ein Vorgang in mir; aber ich muß eine Veranlassung haben, daß ich «rot» empfinde. Es gibt also «Dinge an sich». Wir wissen jedoch von ihnen nichts, als daß es sie gibt. Alles, was wir beobachten, sind Erscheinungen in uns. Kant hat also, um die Gewißheit der mathematischen und naturwissenschaftlichen Wahrheiten zu retten, die ganze Beobachtungs welt in den menschlichen Geist hineingenommen. Damit hat er aber auch allerdings dem Erkenntnisvermögen unübersteigliche Grenzen gesetzt. Denn alles, was wir erkennen können, bezieht sich nicht auf Dinge außer uns, sondern auf Vorgänge in uns, auf Erscheinungen, wie er sich ausdrückt. Nun können aber die Gegenstände der höchsten Vernunftsfragen: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, niemals in die Erscheinung treten. Wir sehen Erscheinungen in uns; ob diese außer uns von einem göttlichen Wesen herrühren, können wir nicht wissen. Wir können unsere eigenen Seelenzustände wahrnehmen. Aber auch diese sind nur Erscheinungen. Ob hinter ihnen eine freie unsterbliche Seele waltet, bleibt unserer Erkenntnis verborgen. Über diese «Dinge an sich» sagt unsere Erkenntnis gar nichts aus. Sie bestimmt nichts darüber, ob die Ideen von ihnen wahr oder falsch sind. Wenn wir nun von einer anderen Seite her über diese Dinge etwas vernehmen, so liegt nichts im Wege, ihre Existenz anzunehmen. Nur wissen können wir nichts über sie. Es gibt nun einen Zugang zu diesen höchsten Wahrheiten. Und das ist die Stimme der Pflicht, die in uns laut und deutlich spricht: Du sollstdies und das tun. Dieser «kategorische Imperativ» legt uns eine Verbindlichkeit auf, der wir uns nicht entziehen körnen. Aber wie waren wir imstande, einer solchen Verbindlichkeit nachzukommen, wenn wir nicht einen freien Willen hätten? Wir können die Beschaffenheit unserer Seele zwar nicht erkennen, aber wir müssen glauben, daß sie frei sei, damit sie ihrer inneren Stimme der Pflicht nachkommen könne. Wir haben somit über die Freiheit keine Erkenntnisgewißheit wie über die Gegenstände der Mathematik und der Naturwissenschaft; aber wir haben dafür eine moralische Gewißheit. Die Befolgung des kategorischen Imperativs führt zur Tugend. Durch die Tugend allein kann der Mensch seine Bestimmung erreichen. Er wird der Glückseligkeit würdig. Er muß also die Glückseligkeit auch erreichen können. Denn sonst wäre seine Tugend ohne Sinn und Bedeutung. Damit aber sich an die Tugend die Glückseligkeit knüpfe, muß ein Wesen da sein, das diese Glückseligkeit zur Folge der Tugend macht. Das kann nur ein intelligentes, den höchsten Wert der Dinge bestimmendes Wesen, Gott, sein, Durch das Vorhandensein der Tugend wird uns deren Wirkung, die Glückseligkeit, verbürgt und durch diese wieder das Dasein Gottes. Und weil ein sinnliches Wesen, wie es der Mensch ist, die vollendete Glückseligkeit nicht in dieser unvollkommenen Welt erreichen kann, so muß sein Dasein über dies Sinnendasein hinausreichen, das heißt die Seele muß unsterblich sein. Worüber wir also nichts wissen können: das zaubert Kant aus dem moralischen Glauben an die Stimme der Pflicht hervor. Die Hochachtung vor dem Pflichtgefühl war das, was ihm eine wirkliche Welt wieder aufrichtete, als unter Humes' Einfluß die Beobachtungswelt zur bloßen Innenwelt herabsank. In schönen Worten kommt in seiner «Kritik der praktischen Vernunft» diese Hochachtung zum Ausdruck: «Pflicht! du erhabener, großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unterwerfung verlangst», der du «ein Gesetz aufstelIst ... vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich im Geheimen ihm entgegenwirken ...»  Daß die höchsten Wahrheiten keine Erkenntniswahrheiten, sondern moralische Wahrheiten seien, das hielt Kant für seine Entdeckung. Auf Einsichten in eine übersinnliche Welt muß der Mensch verzichten; aus seiner moralischen Natur entspringt ihm Ersatz für die Erkenntnis. Kein Wunder, daß Kant in der unbedingten, rückhaltlosen Hingabe an die Pflicht die höchste Forderung an den Menschen sieht. Eröffnete diesem die Pflicht nicht einen Ausblick aus der Sinnenwelt hinaus: er wäre sein ganzes Leben hindurch in diese eingeschlossen. Was also auch die Sinnenwelt verlangt: es muß zurücktreten hinter den Anforderungen der Pflicht. Und die Sinnenwelt kann aus sich selbst heraus nicht mit der Pflicht übereinstimmen. Sie will das Angenehme, die Lust. Ihnen muß die Pflicht entgegentreten, damit der Mensch seine Bestimmung erfülle. Was der Mensch aus Lust vollbringt, ist nicht tugendhaft; nur was er in der selbstlosen Hingabe an die Pflicht vollführt. Unterwerfe deine Begierden der Pflicht: das ist die strenge Aufgabe der Kantschen Sittenlehre. Wolle nichts, was dich in deiner Selbstsucht befriedigt, sondern handle so, daß die Grundsätze deines Handelns die aller Menschen werden können. In der Hingabe an das Sittengesetz erreicht der Mensch seine Vollkommenheit. Der Glaube, daß dieses Sittengesetz in erhabener Höhe über allem anderen Weltgeschehen schwebe und durch ein göttliches Wesen in der Welt verwirklicht werde, das ist nach Kants Meinung wahre Religion. Sie entspringt aus der Moral. Der Mensch soll nicht gut sein, weil er an einen Gott glaubt, der das Gute will; er soll gut einzig und allein aus Pflichtgefühl sein; aber er soll an Gott glauben, weil Pflicht ohne Gott sinnlos ist. Das ist «Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft»; so nennt Kant sein Buch über religiöse Weltanschauung.

[ 13 ] Seit dem Aufbühen der Naturwissenschaften hat der Weg, den diese genommen haben, bei vielen Menschen das Gefühl hervorgerufen, aus dem Bilde, das sich das Denken von der Natur gestaltet, müsse alles entfernt werden, was nicht den Charakter strenger Notwendigkeit trägt. Auch Kant hatte dieses Gefühl. Er hatte in seiner «Naturgeschichte des Himmels» sogar für ein bestimmtes Naturgebiet ein solches Bild entworfen, das diesem Gefühl entspricht. In einem solchem Bilde hat keinen Platz die Vorstellung des selbstbewußten Ich, welche sich der Mensch des achtzehnten Jahrhunderts machen mußte. Der platonische, auch der aristotelische Gedanke konnte als die Offenbarung sowohl der Natur, wie diese im Zeitalter seiner Wirksamkeit genommen werden mußte, wie auch der menschlichen Seele angesehen werden. Im Gedankenleben trafen sich da Natur und Seele. Von dem Bilde der Natur, wie es die Forschung der neuen Zeit zu fordern scheint, führt nichts zu der Vorstellung der selbstbewußten Seele. Kant hatte die Empfindung: es biete sich ihm in dem Naturbilde nichts dar, worauf er die Gewißheit des Selbstbewußtseins begründen könne. Diese Gewißheit mußte geschaffen werden. Denn die neuere Zeit hatte dem Menschen das selbstbewußte Ich als Tatsache hingestellt. Es mußte die Möglichkeit geschaffen werden, diese Tatsache anzuerkennen. Aber alles, was der Verstand als Wissen anerkennen kann, verschlingt das Naturbild. So fühlt sich Kant gedrängt, für das selbstbewußte Ich und auch für die damit zusammenhängende Geisteswelt etwas zu schaffen, was kein Wissen ist und doch Gewißheit gibt.

[ 14 ] Die selbstlose Hingabe an die Stimme des Geistes hat Kant zur Grundlage der Moral gemacht. Auf dem Gebiete des tugendhaften Handelns verträgt sich eine solche Hingabe nicht mit derjenigen an die Sinnenwelt. Es gibt aber ein Feld, auf dem das Sinnliche so erhöht ist, daß es wie ein unmittelbarer Ausdruck des Geistigen erscheint. Dies ist das Gebiet des Schönen und der Kunst. Im alltäglichen Leben verlangen wir das Sinnliche, weil es unser Begehren, unser selbstsüchtiges Interesse erregt. Wir tragen Verlangen nach dem, was uns Lust macht. Wir können aber auch ein selbstloses Interesse an einem Gegenstande haben. Wir können bewundernd vor ihm stehen, voll von seliger Lust, und diese Lust kann ganz unabhängig von dem Besitz der Sache sein. Ob ich ein schönes Haus, an dem ich vorübergehe, auch besitzen möchte, das hat mit dem selbstlosen Interesse an seiner Schönheit nichts zu tun. Wenn ich alles Begehren aus meinem Gefühle ausscheide, so bleibt noch etwas zurück, eine Lust, die sich rein an das schöne Kunstwerk knüpft. Eine solche Lust ist eine ästhetische. Das Schöne unterscheidet sich von dem Angenehmen und dem Guten. Das Angenehme erregt mein Interesse, weil es meine Begierde erweckt; das Gute interessiert mich, weil es durch mich verwirklicht werden soll. Dem Schönen stehe ich ohne irgendein solches Interesse, das mit meiner Person zusammenhängt, gegenüber. Wodurch kann das Schöne mein selbstloses Wohlgefallen an sich ziehen? Mir kann ein Ding nur gefallen, wenn es seine Bestimmung erfüllt, wenn es so beschaffen ist, daß es einem Zweck dient. Ich muß also an dem Schönen einen Zweck wahrnehmen. Die Zweckmäßigkeit gefällt; die Zweckwidrigkeit mißfällt. Da ich aber an der Wirklichkeit des schönen Gegenstandes kein Interesse habe, sondern die bloße Anschauung desselben mich befriedigt, so braucht das Schöne auch nicht wirklich einem Zwecke zu dienen. Der Zweck ist mir gleichgültig, nur die Zweckmäßigkeit verlange ich. Deshalb nennt Kant «schön» dasjenige, woran wir Zweckmäßigkeit wahrnehmen, ohne daß wir dabei an einen bestimmten Zweck denken.

[ 15 ] Es ist nicht nur eine Erklärung, es ist auch eine Rechtfertigung der Kunst, die Kant damit gegeben hat. Man sieht das am besten, wenn man sich vergegenwärtigt, wie er sich mit seinem Gefühle zu seiner Weltanschauung s:ellte. Er drückt das in tiefen, schönen Worten aus: «Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht ... : der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir... Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfes, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten, (einem bloßen Punkt im Weltall), wieder zurückgeben muß, nachdem es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite erhebt dagegen meinen Wert als einer Intelligenz unendlich durch meine (selbstbewußte und freie) Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens so viel sich aus der zweckmäßigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht auf die Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen läßt.» Der Künstler pflanzt nun diese zweckmäßige Bestimmung, die in Wirklichkeit nur im moralischen Weltreiche waltet, der Sinnenwelt ein. Dadurch steht das Kunstwerk zwischen dem Gebiet der Beobachtungswelt, in der die ewigen ehernen Gesetze der Notwendigkeit herrschen, die der menschliche Geist erst selbst in sie hineingelegt hat, und dem Reiche der freien Sinnlichkeit, in der PfIichtgebote als Ausfluß einer weisen göttlichen Weltordnung Richtung und Ziel angeben. Zwischen beide Reiche hinein tritt der Künstler mit seinen Werken. Er entnimmt dem Reich des Wirklichen seinen Stoff; aber er prägt diesen Stoff zugleich so um, daß er der Träger einer zweckmäßigen Harmonie ist, wie sie im Reiche der Freiheit angetroffen wird. Der menschliche Geist fühlt sich also unbefriedigt an dem Reiche der äußeren Wirklichkeit, die Kant mit dem gestirnten Himmel und den zahllosen Weltendingen meint, und dem der moralischen Gesetzmäßigkeit. Er schafft sich deshalb ein schönes Reich des Scheines, das starre Naturnotwendigkeit mit freier Zweckmäßigkeit verbindet. Nun findet man das Schöne nicht nur in menschlichen Kunstwerken, sondern auch in der Natur. Es gibt ein Naturschönes neben dem Kunstschönen. Dieses Naturschöne ist ohne menschliches Zutun da. Es scheint also, als wenn in der Wirklichkeit doch nicht bloß die starre gesetzmäßige Notwendigkeit, sondern eine freie weise Tätigkeit zu beobachten wäre. Das Schöne zwingt aber zu einer solchen Anschauung doch nicht. Denn es bietet ja die Zweckmäßigkeit, ohne daß man an einen wirklichen Zweck zu denken hätte. Und es bietet nicht bloß Zweckmäßig-Schönes, sondern auch Zweckmäßig-Häßliches. Man kann also annehmen, daß unter der Fülle der Naturerscheinungen, die nach notwendigen Gesetzen zusammenhängen, wie durch Zufall auch solche sind, in denen der menschliche Geist eine Analogie mit seinen eigenen Kunstwerken wahrnimmt. Da an einen wirklichen Zweck nicht gedacht zu werden braucht, so genügt eine solche gleichsam zufällig vorhandene Zweckmäßigkeit für die ästhetische Naturbetrachtung.

[ 16 ] Anders wird die Sache, wenn wir Wesen in der Natur antreffen, die den Zweck nicht bloß zufällig, sondern wirklich in sich tragen. Und auch solche gibt es nach Kants Meinung. Es sind die organischen Wesen. Zu ihrer Erklärung reichen die notwendigen, gesetzmäßigen Zusammenhänge, in denen sich Spinozas Weltanschauung erschöpft und die Kant als diejenigen des menschlichen Geistes ansieht, nicht aus. Denn ein «Organismus ist ein Naturprodukt, in welchem alles Zweck und wechselseitig auch Mittel, Ursache und wechselseitig auch Wirkung ist». Der Organismus kann also nicht so wie die unorganische Natur durch bloß notwendig wirkende eherne Gesetze erklärt werden. Deshalb meint Kant, der in seiner «Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels» selbst den Versuch unternommen hat, die «Verfassung und den mechanischen Ursprung des ganzen WeItgebäudes nach Newtonschen Grundsätzen abzuhandeln», daß ein gleicher Versuch für die organischen Wesen mißlingen müsse. In seiner «Kritik der Urteilskraft» behauptet er: «Es ist nämlich ganz gewiß, daß wir die organisierten Wesen und deren innere Möglichkeit nach bloß mechanischen Prinzipien der Natur nicht einmal zureichend kennen lernen, viel weniger uns erklären können; und zwar so gewiß, daß man dreist sagen kann, es ist für den Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen, oder zu hoffen, daß noch etwa dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde; sondern man muß diese Einsicht dem Menschen schlechthin absprechen.» Mit der Kantschen Ansicht, daß der menschliche Geist die Gesetze, die er in der Natur vorfindet, selbst erst in sie hineinlege, läßt sich auch eine andere Meinung über ein zweckmäßig gestaltetes Wesen nicht vereinigen. Denn der Zweck deutet auf denjenigen hin, der ihn in die Wesen gelegt hat, auf den intelligenten Welturheber. Könnte der menschliche Geist ein zweckmäßiges Wesen ebenso erklären wie ein bloß naturnotwendiges, dann müßte er auch die Zweckgesetze aus sich heraus in die Dinge hineinlegen. Er müßte also den Dingen nicht bloß Gesetze geben, die für sie gelten, insoweit sie Erscheinungen seiner Innenwelt sind; er müßte ihnen auch ihre eigene, von ihm gänzlich unabhängige Bestimmung vorschreiben können. Er müßte also nicht nur ein erkennender, sondern ein schaffender Geist sein; seine Vernunft müßte, wie die göttliche, die Dinge schaffen.

[ 17 ] Wer die Struktur der Kantschen Weltauffassung, wie sie hier skizziert worden ist, sich vergegenwärtigt, wird die starke Wirkung derselben auf die Zeitgenossen und auch auf die Nachwelt begreiflich finden. Denn sie tastet keine der Vorstellungen, die sich im Laufe der abendländischen Kulturentwickelung dem menschlichen Gemüte eingeprägt haben, an. Sie läßt dem religiösen Geiste Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Sie befriedigt das Erkenntnisbedürfnis, indem sie ihm ein Gebiet abgrenzt, innerhalb dessen sie unbedingt gewisse Wahrheiten anerkennt. Ja, sie läßt sogar die Meinung gelten, daß die menschliche Vernunft ein Recht habe, sich zur Erklärung lebendiger Wesen nicht bloß der ewigen, ehernen Naturgesetze, sondern des Zweckbegriffs zu bedienen, der auf eine absichtliche Ordnung im Weltwesen deutet.

[ 18 ] Aber um welchen Preis hat Kant alles dieses erreicht! Er hat die ganze Natur in den menschlichen Geist hineinversetzt, und ihre Gesetze zu solchen dieses Geistes selbst gemacht. Er hat die höhere Weltordnung ganz aus der Natur verwiesen und sie auf eine rein moralische Grundlage gestellt. Er hat zwischen das unorganische und das organische Reich eine scharfe Grenzlinie gesetzt, und jenes nach rein mechanischen, streng notwendigen Gesetzen, dieses nach zweckvollen Ideen erklärt. Endlich hat er das Reich des Schönen und der Kunst völlig aus seinem Zusammenhange mit der übrigen Wirklichkeit herausgerissen. Denn die Zweckmäßigkeit, die im Schönen beobachtet wird, hat mit wirklichen Zwecken nichts zu tun. Wie ein schöner Gegenstand in den Weltzusammenhang hineinkommt, das ist gleichgültig; es genügt, daß er in uns die Vorstellung des Zweckmäßigen errege und dadurch unser Wohlgefallen hervorrufe.

[ 19 ] Kant vertritt nicht nur die Anschauung, daß des Menschen Wissen insofern möglich sei, als die Gesetzmäßigkeit dieses Wissens aus der selbstbewußten Seele selbst stamme, und daß die Gewißheit über diese Seele aus einer anderen Quelle als aus dem Naturwissen komme: er deutet auch darauf hin, daß das menschliche Wissen vor der Natur da haltmachen müsse, wo wie im lebendigen Organismus der Gedanke in den Naturwesen selbst zu walten scheint. Kant spricht damit aus, daß er sich Gedanken nicht denken könne, welche als wirkend in den Wesen der Natur selbst vorgestellt werden. Die Anerkennung solcher Gedanken setzt voraus, daß die Menschenseele nicht bloß denkt, sondern denkend miterlebtdas Leben der Natur. Fände jemand, daß man Gedanken nicht bloß als Wahrnehmung empfangen könne, wie es bei den platonischen und aristotelischen Ideen der Fall ist, sondern daß man Gedanken erleben könne, indem man in die Wesen der Natur untertaucht, dann wäre wieder ein Element gefunden, welches sowohl in das Bild der Natur wie in die Vorstellung des selbstbewußten Ich aufgenommen werden könnte. Das selbstbewußte Ich für sich findet in dem Naturbilde der neueren Zeit keinen Platz. Erfüllt sich das selbstbewußte Ich nicht nur so mit dem Gedanken, daß es weiß: ich habe diesen gebildet, sondern so, daß es an ihm ein Leben erkennt, von dem es wissen kann: es vermag sich auch außer mir zu verwirklichen, dann kann es sich sagen: Ich trage etwas in mir, was ich auch außer mir finden kann. Die neuere Weltanschauungsentwicklung drängt also zu dem Schritt: in dem selbstbewußten Ich den Gedanken zu finden, der als lebendig empfunden wird. Diesen Schritt hat Kant nicht gemacht: Goethe hat ihn gemacht.


[ 20 ] Den Gegensatz zur Kantschen Auffassung der Welt bildete in allen wesentlichen Dingen die Goethesche. Ungefähr um dieselbe Zeit, als Kant seine «Kritik der reinen Vernunft» erscheinen ließ, legte Goethe sein Glaubensbekenntnis in dem Hymnus in Prosa «Die Natur» nieder, in dem er den Menschen ganz in die Natur hineinstellte und sie, die unabhängig von ihm waltende, zu ihrer eigenen und seiner Gesetzgeberin zugleich machte. Kant nahm die ganze Natur in den menschlichen Geist herein, Goethe sah alles Menschliche als ein Glied dieser Natur an; er fügte den menschlichen Geist der natürlichen Weltordnung ein. «Natur! Wir sind von ihr umgeben und umschlungen unvermögend, aus ihr herauszutreten, und unvermögend, tiefer in sie hineinzukommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen. ... Die Menschen sind alle in ihr, und sie in allen. ... Auch das Unnatürlichste ist Natur, auch die plumpeste Philisterei hat etwas von ihrem Genie. ... Man gehorcht ihren Gesetzen, auch wenn man ihnen widerstrebt; man wirkt mit ihr, auch wenn man gegen sie wirken will. ... Sie ist alles. Sie belohnt sich selbst und bestraft sich selbst, erfreut und quält sich selbst. ... Sie hat mich hereingestellt, sie wird mich auch herausführen. Ich vertraue mich ihr. Sie mag mit mir schalten; sie wird ihr Werk nicht hassen. Ich sprach nicht von ihr; nein, was wahr ist und was falsch ist, alles hat sie gesprochen. Alles ist ihre Schuld, alles ist ihr Verdienst.» Das ist der Gegenpol der Kantschen Weltanschauung. Bei Kant ist die Natur ganz im menschlichen Geiste; bei Goethe ist der menschliche Geist ganz in der Natur, weil die Natur selbst Geist ist. Es ist demnach nur zu verständlich, wenn Goethe in dem Aufsatze «Einwirkung der neueren Philosophie» erzählt: «Kants Kritik der reinen Vernunft ... lag völlig außerhalb meines Kreises. Ich wohnte jedoch manchem Gespräch darüber bei, und mit einiger Aufmerksamkeit konnte ich bemerken, daß die alte Hauptfrage sich erneuere, wie viel unser Selbst und wie viel die Außenwelt zu unserem geistigen Dasein beitrage? Ich hatte beide niemals gesondert, und wenn ich nach meiner Weise über Gegenstände philosophierte, so tat ich es mit unbewußter Naivität und glaubte wirklich, ich sähe meine Meinungen vor Augen.» In dieser Auffassung der Stellung Goethes zu Kant braucht uns auch nicht zu beirren, daß der erstere manches günstige Urteil über den Königsberger Philosophen abgegeben hat. Denn ihm selbst wäre dieser Gegensatz nur dann ganz klar geworden, wenn er sich auf ein genaues Studium Kants eingelassen hätte. Das hat er aber nicht. In dem obengenannten Aufsatz sagt er: «Der Eingang war es, der mir gefiel; ins Labyrinth selbst konnte ich mich nicht wagen; bald hinderte mich die Dichtungsgabe, bald der Menschenverstand, und ich fühlte mich nirgends gebessert.» Scharf aber hat er doch einmal den Gegensatz ausgesprochen in einer Aufzeichnung, die erst durch die Weimarische Goethe-Ausgabe aus dem Nachlaß veröffentlicht worden ist (Weimarische Ausgabe, 2. Abteilung, Band XI, 5. 377). Der Grundirrtum Kants, meint Goethe, bestünde darin, daß dieser «das subjektive Erkenntnisvermögen selbst als Objekt betrachtet und den Punkt, wo subjektiv und objektiv zusammentreffen, zwar scharf, aber nicht ganz richtig sondert». Goethe ist eben der Ansicht, daß in dem subjektiven menschlichen Erkenntnisvermögen nicht bloß der Geist als solcher sich ausspricht, sondern daß die geistige Natur es selbst ist, die sich in dem Menschen ein Organ geschaffen hat, durch das sie ihre Geheimnisse offenbar werden läßt. Es spricht gar nicht der Mensch über die Natur; sondern die Natur spricht im Menschen über sich selbst. Das ist Goethes Überzeugung. So konnte Goethe sagen: Sobald der Streit über die Weltansicht Kants «zur Sprache kam, mochte ich mich gern auf diejenige Seite stellen, welche dem Menschen am meisten Ehre macht, und gab allen Freunden vollkommen Beifall, die mit Kant behaupteten, wenngleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung angehe, so entspringe sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung». Denn Goethe glaubte, daß die ewigen Gesetze, nach denen die Natur verfährt, im menschlichen Geiste offenbar werden; aber für ihn waren sie deshalb doch nicht die subjektiven Gesetze dieses Geistes, sondern die objektiven der Naturordnung selbst. Deshalb konnte er auch Schiller nicht beistimmen, als dieser unter Kants Einfluß eine schroffe Scheidewand zwischen dem Reiche der Naturnotwendigkeit und dem der Freiheit aufrichtete. Er spricht sich darüber aus in dem Aufsatz «Erste Bekanntschaft mit Schiller»: «Die Kantsche Philosophie, welche das Subjekt so hoch erhebt, indem sie es einzuengen scheint, hatte er mit Freuden in sich aufgenommen; sie entwickelte das Außerordentliche, was die Natur in sein Wesen gelegt, und er, im höchsten Gefühl der Freiheit und Selbstbestimmung, war undankbar gegen die große Mutter, die ihn gewiß nicht stiefmütterlich behandelte. Anstatt sie als selbständig, lebendig, vom Tiefsten bis zum Höchsten gesetzlich hervorbringend zu betrachten, nahm er sie von der Seite einiger empirischen menschlichen Natürlichkeiten.» Und in dem Aufsatz «Einwirkung der neueren Philosophie» deutet er den Gegensatz zu Schiller mit den Worten an: «Er predigte das Evangelium der Freiheit, ich wollte die Rechte der Natur nicht verkürzt wissen.» In Schiller steckte eben etwas von Kantscher Vorstellungsart; für Goethe ist es aber richtig, was er im Hinblick auf Gespräche sagt, die er mit Kantianern geführt hat: «Sie hörten mich wohl, konnten mir aber nichts erwidern, noch irgend förderlich sein. Mehr als einmal begegnete es mir, daß einer oder der andere mit lächelnder Verwunderung zugestand: es sei freilich ein Analogon Kantscher Vorstellungsart, aber ein seltsames.»

[ 21 ] In der Kunst und dem Schönen sah Goethe nicht ein aus dem wirklichen Zusammenhange herausgerissenes Reich, sondern eine höhere Stufe der natürlichen Gesetzmäßigkeit. Beim Anblicke von künstlerischen Schöpfungen, die ihn besonders interessieren, schreibt er während seiner italienische Reise die Worte nieder: «Die hohen Kunstwerke sind zugleich als die höchsten Naturwerke von Menschen nach wahren und natürlichen Gesetzen hervorgebracht worden. Alles Willkürliche, Eingebildete fällt zusammen; da ist Notwendigkeit, da ist Gott.» Wenn der Künstler im Sinne der Griechen verfährt, nämlich «nach den Gesetzen, nach welchen die Natur selbst verfährt», dann liegt in seinen Werken das Göttliche, das in der Natur selbst zu finden ist. Für Goethe ist die Kunst «eine Manifestation geheimer Naturgesetze»; was der Künstler schafft, sind Naturwerke auf einer höheren Stufe der Vollkommenheit. Kunst ist Fortsetzung und menschlicher Abschluß der Natur, denn «indem der Mensch auf den Gipfel der Natur gestellt ist, so sieht er sich wieder als eine ganze Natur an, die in sich abermals einen Gipfel hervorzubringen hat. Dazu steigert er sich, indem er sich mit allen Vollkommenheiten und Tugenden durchdringt, Wahl, Ordnung, Harmonie und Bedeutung aufruft und sich endlich bis zur Produktion des Kunstwerks erhebt». Alles ist Natur, vom unorganischen Stein bis zu den höchsten Kunstwerken des Menschen, und alles in dieser Natur ist von den gleichen «ewigen, notwendigen, dergestalt göttlichen Gesetzen» beherrscht, daß «die Gottheit selbst daran nichts ändern könnte». (Dichtung und Wahrheit, 16. Buch.)

[ 22 ] Als Goethe im Jahre 1811 Jacobis Buch «Von den göttlichen Dingen» las, machte es ihn «nicht wohl». «Wie konnte mir das Buch eines so herzlich geliebten Freundes willkommen sein, worin ich die These durchgeführt sehen sollte: die Natur verberge Gott! Mußte bei meiner reinen, tiefen, angeborenen und geübten Anschauungsweise, die mich Gott in der Natur die Natur in Gott zu sehen unverbrüchlich gelehrt hatte, so daß diese Vorstellungsart den Grund meiner ganzen Existenz machte, mußte nicht ein so seltsamer, einseitig beschränkter Ausspruch mich dem Geiste nach von dem edelsten Manne, dessen Herz ich verehrend liebte, für ewig entfernen? Doch ich hing meinem schmerzlichen Verdrusse nicht nach, ich rettete mich vielmehr zu meinem alten Asyl und fand in Spinozas Ethik auf mehrere Wochen meine tägliche Unterhaltung, und da sich indes meine Bildung gesteigert hatte, ward ich im schon Bekannten gar manches, was sich neu und anders hervortat, auch ganz eigen frisch auf mich einwirkte, zu meiner Verwunderung gewahr.»

[ 23 ] Das Reich der Notwendigkeit im Sinne Spinozas ist für Kant ein Reich innerer menschlicher Gesetzmäßigkeit; für Goethe ist es das Universum selbst, und der Mensch mit all seinem Denken, Fühlen, Wollen und Tun ist ein Glied innerhalb dieser Kette von Notwendigkeiten. Innerhalb dieses Reiches gibt es nur eine Gesetzmäßigkeit, von welcher die natürliche und die moralische Gesetzmäßigkeit die zwei Seiten ihres Wesens sind.

«Es leuchtet die Sonne
über Böse und Gute; und dem Verbrecher
glänzen, wie dem Besten,
der Mond und die Sterne.»

[ 24 ] Aus einer Wurzel, aus den ewigen Triebkräften der Natur läßt Goethe alles entspringen: die unorganischen, die organischen Wesenheiten, den Menschen mit allen Ergebnissen seines Geistes: seiner Erkenntnis, seiner Sittlichkeit, seiner Kunst.

Was wär ein Gott, der nur von außen stieße,
Im Kreis das All am Finger laufen ließe!
Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in sich, sich in Natur zu hegen,
So daß, was in ihm lebt und webt und ist,
Nie seine Kraft, nie seinen Geist vermißt.

[ 25 ] In solche Worte faßt Goethe sein Bekenntnis zusammen. Gegen Haller, der das Wort gesprochen hat: «Ins Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist», wendet sich Goethe mit den schärfsten Worten:

«Ins Innere der Natur
O, du Philister! -
«Dringt kein erschaff'ner Geist.»
Mich und Geschwister
Mögt ihr an solches Wort Nur nicht erinnern;
Wir denken: Ort für Ort Sind wir im Innern.
«Glückselig, wem sie nur Die äuß're Schale weist»,
Das hör ich sechzig Jahre wiederholen,
Und fluche drauf, aber verstohlen;
Sage mir tausend tausendmale:
Alles gibt sie reichlich und gern;
Natur hat weder Kern
Noch Schale,
Alles ist sie mit einem Male;
Dich prüfe du nur allermeist,
Ob du Kern oder Schale seist.

[ 26 ] Im Sinne dieser seiner Weltanschauung konnte Goethe auch den Unterschied zwischen anorganischer und organischer Natur nicht anerkennen, den Kant in seiner «Kritik der Urteilskraft» festgestellt hatte. Sein Streben ging dahin, die belebten Organismen in dem Sinne nach Gesetzen zu erklären, wie auch die leblose Natur erklärt wird. Der tonangebende Botaniker der damaligen Zeit, Linne', sagt über die mannigfaltigen Arten in der Pflanzenwelt, es gebe solcher Arten so viele, als «verschiedene Formen im Prinzip geschaffen worden sind». Wer eine solche Meinung hat, der kann sich nur bemühen, die Eigenschaften der einzelnen Formen zu studieren und diese sorgfältig voneinander zu unterscheiden. Goethe konnte sich mit einer solchen Naturbetrachtung nicht einverstanden erklären. «Das, was er (Liné) mit Gewalt auseinanderzuhalten suchte, mußte, nach dem innersten Bedürfnis meines Wesens, zur Vereinigung anstreben.» Er suchte dasjenige auf, was allen Pflanzenarten gemeinsam ist. Auf seiner Reise in Italien wird ihm dieses gemeinsame Urbild in allen Pflanzenformen immer klarer: «Die vielen Pflanzen, die ich sonst nur in Kübeln und Töpfen, ja die größte Zeit des Jahres nur hinter Glasfenstern zu sehen gewohnt war stehen hier froh und frisch unter freiem Himmel, und indem sie ihre Bestimmung vollkommen erfüllen, werden sie uns deutlicher. Im Angesicht so vielerlei neuen und erneuten Gebildes fiel mir die alte Grille wieder ein, ob ich nicht unter dieser Schar die Urpflanze entdecken könnte. Eine solche muß es denn doch geben: woran würde ich sonst erkennen, daß dieses oder jenes Gebilde eine Pflanze sei, wenn sie nicht alle nach einem Muster gebildet wären?» Ein anderes Mal drückt er sich über diese Urpflanze aus: Sie «wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt, um welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen, das heißt, die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten, und nicht etwa malerisch oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben.» Wie Kant in seiner «Naturgeschichte und Theorie des Himmels» ausruft: «Gebt mir Materie; ich will euch eine Welt daraus bauen», weil er den gesetzmäßigen Zusammenhang dieser Welt einsieht, so sagt hier Goethe: mit Hilfe der Urpflanze könne man existenzfähige Pflanzen ins Unendliche erfinden, weil man das Gesetz der Entstehung und des Werdens derselben innehat. Was Kant nur von der unorganischen Natur gelten lassen wollte, daß man ihre Erscheinungen nach notwendigen Gesetzen begreifen kann, das dehnte Goethe auch auf die Welt der Organismen aus. Er fügt in dem Briefe, in dem er Herder seine Entdeckung der Urpflanze mitteilt, hinzu: «Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige Lebendige anwenden lassen.» Und Goethe hat es auch angewendet. Seine emsigen Studien über die Tierwelt brachten ihn 1795 dazu, «ungescheut behaupten zu dürfen, daß alle vollkommenen organischen Naturen, worunter wir Fische, Amphibien, Vögel, Säugetiere und an der Spitze der letzteren den Menschen sehen, alle nach einem Urbilde geformt seien, das nur in seinen beständigen Teilen mehr oder weniger hin und her neigt und sich noch täglich durch Fortpflanzung ausund umbildet». Goethe steht also auch in der Naturauffassung im vollsten Gegensatz zu Kant. Dieser nannte es ein gewagtes «Abenteuer der Vernunft», wenn diese es unternehmen wollte, das Lebendige seiner Entstehung nach zu erklären. Er hält das menschliche Erkenntnisvermögen zu einer solchen Erklärung für ungeeignet. «Es liegt der Vernunft unendlich viel daran, den Mechanismus der Natur in ihren Erzeugungen nicht fallen zu lassen und in der Erklärung derselben nicht vorbeizugehen; weil ohne diesen keine Einsicht in die Natur der Dinge erlangt werden kann. Wenn man uns gleich einräumt: daß ein höchster Architekt die Formen der Natur, so wie sie von jeher da sind, unmittelbar geschaffen, oder die, so sich in ihrem Laufe kontinuierlich nach eben demselben Muster bilden, prädeterminiert habe, so ist doch dadurch unsere Erkenntnis der Natur nicht im mindesten gefördert; weil wir jenes Wesens Handlungsart und die Ideen desselben, welche die Prinzipien der Möglichkeit der Naturwesen enthalten sollen, gar nicht kennen, und von demselben als von oben herab die Natur nicht erklären können.» Auf solche Kantsche Ausführungen erwidert Goethe: «Wenn wir ja im Sittlichen, durch Glauben an Gott, Tugend und Unsterblichkeit uns in eine obere Region erheben und an das erste Wesen annähern sollen, so dürfte es wohl im Intellektuellen derselbe Fall sein, daß wir uns durch das Anschauen einer immer schaffenden Natur zur geistigen Teilnahme an ihren Produktionen würdig machten. Hatte ich doch erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern, das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt, mutig zu bestehen.»

[ 27 ] Goethe hatte in der «Urpflanze» eine Idee erfaßt, «mit der man ... Pflanzen ins Unendliche erfinden» kann, die «konsequent sein müssen, das heißt, die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten, und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Schemen sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben». Damit ist er auf dem Wege, in dem selbstbewußten Ich nicht nur die wahrnehmbare, die gedachte, sondern die lebendige Idee zu finden. Das selbstbewußte Ich erlebt in sich ein Reich, das sich selbst sowohl als auch der Außenwelt angehörig erweist, weil seine Gebilde sich als Abbilder der schöpferischen Mächte bezeugen. Damit ist für das selbstbewußte Ich dasjenige gefunden, was es als wirkliches Wesen erscheinen läßt. Goethe hat eine Vorstellung entwickelt, durch welche das selbstbewußte Ich sich belebt erfühlen kann, weil es sich mit den schaffenden Naturwesenheiten eins fühlt. Die neueren Weltanschauungen suchten das Rätsel des selbstbewußten Ich zu bewältigen; Goethe versetzt in dieses Ich die lebendige ldee; und mit dieser in ihm waltenden Lebenskraft erweist sich dieses Ich selbst als lebensvolle Wirklichkeit. Die griechische Idee ist mit dem Bilde verwandt; sie wird betrachtet wie das Bild. Die Idee der neueren Zeit muß mit dem Leben, dem Lebewesen selbst verwandt sein; sie wird erlebt. Und Goethe wußte davon, daß es ein solches Erleben der Idee gibt. Er vernahm im selbstbewußten Ich den Hauch der lebendigen Idee.

[ 28 ] Von der «Kritik der Urteilskraft» Kants sagt Goethe, daß er ihr «eine höchst frohe Lebensepoche schuldig» sei. «Die großen Hauptgedanken des Werks waren meinem bisherigen Schaffen, Tun und Denken ganz analog. Das innere Leben der Kunst so wie der Natur, ihr beiderseitiges Wirken von innen heraus, war in dem Buche deutlich ausgesprochen.» Auch dieser Ausspruch Goethes kann über seinen Gegensatz zu Kant nicht hinwegtäuschen. Denn in dem Aufsatz, dem er entnommen ist, heißt es zugleich: «Leidenschaftlich angeregt, ging ich auf meinen Wegen nur desto rascher fort, weil ich selbst nicht wußte, wohin sie führten, und für das, was und wie ich mir's zugeeignet hatte, bei den Kantianern wenig Anklang fand. Denn ich sprach aus, was in mir aufgeregt war, nicht aber, was ich gelesen hatte.»

[ 29 ] Eine streng einheitliche Weltanschauung ist Goethe eigen; er will einen Gesichtspunkt gewinnen, von dem aus das ganze Universum seine Gesetzmäßigkeit offenbart, «vom Ziegelstein, der dem Dach entstürzt, bis zum leuchtenden Geistesblitz, der dir aufgeht und den du mitteilst» Denn «alle Wirkungen, von welcher Art sie seien, die wir in der Erfahrung bemerken, hängen auf die stetigste Weise zusammen, gehen ineinander über». «Ein Ziegelstein löst sich vom Dache los: wir nennen dies im gemeinen Sinne zufällig; er trifft die Schultern eines Vorübergehenden, doch wohl mechanisch; allein nicht ganz mechanisch, er folgt den Gesetzen der Schwere, und so wirkt er physisch. Die zerrissenen Lebensgefäße geben sogleich ihre Funktion auf; im Augenblick wirken die Säfte chemisch, die elementaren Eigenschaften treten hervor. Allein das gestörte organische Leben widersetzt sich ebenso schnell und sucht sich herzustellen; indessen ist das menschliche Ganze mehr oder weniger bewußtlos und psychisch zerrüttet. Die sich wiedererkennende Person fühlt sich ethisch im tiefsten verletzt; sie beklagt ihre gestörte Tätigkeit, von welcher Art sie auch sei, aber ungern ergäbe der Mensch sich in Geduld. Religiös hingegen wird ihm leicht, diesen Fall einer höheren Schickung zuzuschreiben, ihn als Bewahrung vor größerem Übel, als Einleitung zu höherem Guten anzusehen. Dies reicht hin für den Leidenden; aber der Genesende erhebt sich genial, vertraut Gott und sich selbst und fühlt sich gerettet, ergreift auch wohl das Zufällige, wendet's zu seinem Vorteil, um einen ewig frischen Lebenskreis zu beginnen.» So erläutert Goethe an dem Beispiel eines fallenden Ziegelsteins den Zusammenhang aller Arten von Naturwirkungen. Eine Erklärung in seinem Sinne wäre es, wenn man auch ihren streng gesetzmäßigen Zusammenhang aus einer Wurzel herleiten könnte.

[ 30 ] Wie zwei geistige Antipoden stehen Kant und Goethe an der bedeutsamsten Stelle der neueren Weltanschauungsentwickelung. Und grundverschieden war die Art, wie sich diejenigen zu ihnen stellten, die sich für höchste Fragen interessierten. Kant hat seine Weltanschauung mit allen Mitteln einer strengen Schulphilosophie aufgebaut; Goethe hat naiv, sich seiner gesunden Natur überlassend, philosophiert. Deshalb glaubte Fichte, wie oben erwähnt, sich an Goethe nur «als den Repräsentanten der reinsten Geistigkeit des GefühIs auf der gegenwärtig errungenen Stufe der Humanität» wenden zu können, während er von Kant der Ansicht ist, daß «kein menschlicher Verstand weiter als bis zu der Grenze vordringen könne, an der Kant, besonders in seiner Kritik der Urteilskraft, gestanden». Wer in die in naivem Gewande gegebene Weltanschauung Goethes eindringt, wird in ihr allerdings eine sichere Grundlage finden, die auf klare Ideen gebracht werden kann. Goethe selbst brachte sich diese Grundlage aber nicht zum Bewußtsein. Deshalb findet seine Vorstellungsart nur allmählich Eingang in die Entwickelung der Weltanschauung; und im Eingang des Jahrhunderts ist es zunächst Kant, mit dem sich die Geister auseinanderzusetzen versuchten.

[ 31 ] So groß aber auch die Wirkung war, die von Kant ausging: es konnte den Zeitgenossen nicht verborgen bleiben, daß ein tieferes Erkenntnisbedürfnis durch ihn doch nicht befriedigt werden kann. Ein solches Erklärungsbedürfnis dringt auf eine einheitliche Weltansicht, wie das bei Goethe der Fall war. Bei Kant stehen die einzelnen Gebiete des Daseins unvermittelt nebeneinander. Aus diesem Grunde konnte es sich Fichte, trotz seiner unbedingten Verehrung Kants, nicht verbergen, daß «Kant die Wahrheit bloß angedeutet, aber weder dargestellt noch bewiesen» habe. «Dieser wunderbare einzige Mann hat entweder ein Divinationsvermögen der Wahrheit, ohne sich ihrer Gründe selbst bewußt zu sein, oder er hat sein Zeitalter nicht hoch genug geschätzt, um sie ihm mitzuteilen, oder er hat sich gescheut, bei seinem Leben die übermenschliche Verehrung an sich zu reißen, die ihm über kurz oder lang noch zuteil werden müßte. Noch hat keiner ihn verstanden, keiner wird es, der nicht auf seinem eigenen Wege zu Kants Resultaten kommen wird, und dann wird die Welt erst staunen.» «Aber ich glaube ebenso sicher zu wissen, daß Kant sich ein solches System gedacht habe; daß alles, was er wirklich vorträgt, Bruchstücke und Resultate dieses Systems sind, und daß seine Behauptungen nur unter dieser Voraussetzung Sinn und Zusammenhang haben.» Denn wäre das nicht der Fall, so wolle Fichte «die Kritik der reinen Vernunft eher für das Werk des sonderbarsten Zufalls halten, als für das eines Kopfes».

[ 32 ] Auch andere haben das Unbefriedigende der Kantschen Gedankenkreise eingesehen. Lichtenberg, einer der geistvollsten und zugleich unabhängigsten Köpfe aus der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, der Kant schätzte, konnte sich doch nicht versagen, gewichtige Einwände gegen dessen Weltanschauung zu machen. Er sagt einerseits: «Was heißt mit Kantschem Geist denken? Ich glaube, es heißt die Verhältnisse unseres Wesens, es sei nun was es wolle, gegen die Dinge, die wir außer uns nennen, ausfindig machen; das heißt die Verhältnisse des Subjektiven gegen das Objektive bestimmen. Dieses ist freilich immer der Zweck aller gründlichen Naturforscher gewesen, allein die Frage ist, ob sie es je so wahrhaft philosophisch angefangen haben, als Herr Kant. Man hat das, was doch schon subjektiv ist und sein muß, für objektiv gehalten.» Anderseits bemerkt Lichtenberg aber: «Sollte es denn so ganz ausgemacht sein, daß unsere Vernunft von dem Übersinnlichen gar nichts wissen könne? Sollte nicht der Mensch seine Ideen von Gott ebenso zweckmäßig weben können wie die Spinne ihr Netz zum Fliegenfang? Oder mit anderen Worten: Sollte es nicht Wesen geben, die uns wegen unserer Ideen von Gott und Unsterblichkeit ebenso bewundern, wie wir die Spinne und den Seidenwurm?» Aber man konnte einen noch viel gewichtigeren Einwand machen. Wenn es richtig ist, daß sich die Gesetze der menschlichen Vernunft nur auf die innere Welt des Geistes beziehen, wie kommen wir dazu, überhaupt von Dingen außer uns zu sprechen? Wir müßten uns dann doch völlig in unsere Innenwelt einspinnen. Einen solchen Einwand machte Gottlob Ernst Schulze in seiner 1792 anonym erschienen Schrift «Aenesidemus». Er behauptet darin, daß alle unsere Erkenntnisse bloße Vorstellungen seien, und daß wir über unsere Vorstellungswelt in keiner Weise hinausgehen können. Damit waren im Grunde auch Kants moralische Wahrheiten widerlegt. Denn läßt sich nicht einmal die Möglichkeit denken, über die Innenwelt hinauszugehen, so kann uns in eine unmöglich zu denkende Welt auch keine moralische Stimme leiten. So entwickelte sich aus Kants Ansicht zunächst ein neuer Zweifel an aller Wahrheit, der Kritizismus wurde zum Skeptizismus. Einer der konsequentesten Anhänger des Skeptizismus ist Salomon Maimon, der seit 1790 verschiedene Schriften verfaßte, die unter dem Einfluß Kants und Schulzes standen, und in denen er mit aller Entschiedenheit dafür eintrat, daß von dem Dasein äußerer Gegenstände, wegen der ganzen Einrichtung unseres Erkenntnisvermögens, gar nicht gesprochen werden dürfe. Ein anderer Schüler Kants, Jacob Sigismund Beck, ging sogar so weit, zu behaupten, Kant habe in Wahrheit selbst keine Dinge außer uns angenommen, und es beruhe nur auf einem Mißverständnis, wenn man ihm eine solche Vorstellung zuschreibe.

[ 33 ] Eines ist gewiß: Kant bot seinen Zeitgenossen unzählige Angriffspunkte zu Auslegungen und zum Widerspruche dar. Gerade durch seine Unklarheiten und Widersprüche wurde er -der Vater der klassischen deutschen Weltanschauungen Fichtes, Schellings, Schopenhauers, Hegels, Herbarts und Schleiermachers. Seine Unklarheiten wurden für sie zu neuen Fragen. So sehr er sich bemüht hatte, das Wissen einzuschränken, um für den Glauben Platz zu erhalten: der menschliche Geist kann sich im wahrsten Sinne des Wortes doch nur durch das Wissen, durch die Erkenntnis befriedigt erklären. So kam es denn, daß Kants Nachfolger die Erkenntnis wieder in ihre vollen Rechte einsetzen wollten; daß sie mit ihr die höchsten geistigen Bedürfnisse des Menschen erledigen wollten. Zum Fortsetzer Kants in dieser Richtung war Johann Gottlieb Fichte wie geschaffen, er, der da sagte: «Die Liebe der Wissenschaft und ganz besonders der Spekulation, wenn sie den Menschen einmal ergriffen hat, nimmt ihn so ein, daß er keinen anderen Wunsch übrig behält als den, sich in Ruhe mit ihr zu beschäftigen.» Einen Enthusiasten der Weltanschauung darf man Fichte nennen. Er muß durch diesen seinen Enthusiasmus bezaubernd auf seine Zeitgenossen und seine Schüler gewirkt haben. Hören wir, was einer der letzteren, Forberg, über ihn sagt: «Sein öffentlicher Vortrag rauscht daher wie ein Gewitter, das sich seines Feuers in einzelnen Schlägen entladet; ... er erhebt die Seele.» Er will nicht bloß gute, sondern große Menschen machen. Sein «Auge ist strafend, sein Gang trotzig, ... er will durch seine Philosophie den Geist des Zeitalters leiten. Seine Phantasie ist nicht blühend, aber energisch und mächtig; seine Bilder sind nicht reizend, aber kühn und groß. Er dringt in die innersten Tiefen des Gegenstandes und schaltet im Reiche der Begriffe mit einer Unbefangenheit, welche verrät, daß er in diesem unsichtbaren Lande nicht bloß wohnt, sondern herrscht.» Das hervorstechendste Merkmal in Fichte Persönlichkeit ist der große, ernste Stil in seiner Lebensauffassung. Die höchsten Maßstäbe legt er an alles. Er schildert z.B. den Beruf des Schriftstellers: «Die Idee muß selber reden, nicht der Schriftsteller. Alle Willkür des letzteren, seine ganze Individualität, seine ihm eigene Art und Kunst muß erstorben sein in seinem Vortrage, damit allein die Art und Kunst seiner Idee lebe, das höchste Leben, welches sie in dieser Sprache und in diesem Zeitalter gewinnen kann. So wie er frei ist von der Verpflichtung des mündlichen Lehrers, sich der Empfänglichkeit anderer zu fügen, so hat er auch nicht dessen Entschuldigung für sich. Er hat keinen gesetzten Leser im Auge, sondern er konstruiert seinen Leser und gibt ihm das Gesetz, wie es sein müsse.«Das Werk des Schriftstellers aber ist in sich selber ein Werk für die Ewigkeit. Mögen künftige Zeitalter einen höheren Schwung nehmen in der Wissenschaft, die er in seinem Werke niedergelegt hat; er hat nicht nur die Wissenschaft, er hat den ganz bestimmten und vollendeten Charakter eines Zeitalters in Beziehung auf die Wissenschaft in seinem Werke niedergelegt, und dieser behält sein Interesse, solange es Menschen auf der Welt geben wird. Unabhängig von der Wandelbarkeit, spricht sein Buchstabe in allen Zeitaltern an alle Menschen, welche diesen Buchstaben zu beleben vermögen, und begeistert, erhebt, veredelt bis an das Ende der Tage.» So spricht ein Mann, der sich seines Berufes als geistiger Lenker seines Zeitalters bewußt ist, dem es voller Ernst war, wenn er in der Vorrede seiner «Wissenschaftslehre» sagte: An meiner Person liegt nichts, alles aber an der Wahrheit, denn «ich bin ein Priester der Wahrheit». Von einem Manne, der so im Reiche der «Wahrheit» lebte, verstehen wir es, daß er andere nicht bloß zum Verstehen anleiten, sondern zwingen wollte. Er durfte einer seiner Schriften den Titel geben «Sonnenklarer Bericht an das größere Publikum über das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie. Ein Versuch, die Leser zum Verstehen zu zwingen.» Eine Persönlichkeit, welche der Wirklichkeit und deren Tatsachen nicht zu bedürfen glaubt, um den Lebensweg zu gehen, sondern die das Auge unverwandt auf die Ideenwelt richtet, ist Fichte. Gering denkt er von denjenigen, die eine solche ideale Richtung des Geistes nicht verstehen. «Indes man in demjenigen Umkreise, den die gewöhnliche Erfahrung um uns gezogen, allgemeiner selbst denkt und richtiger urteilt, als vielleicht je, sind die mehrsten völlig irre und geblendet, sobald sie auch nur eine Spanne über denselben hinausgehen sollen. Wenn es unmöglich ist, in diesen den einmal ausgelöschten Funken des höheren Genius wieder anzufachen, muß man sie ruhig in jenem Kreise bleiben, und insofern sie in demselben nützlich und unentbehrlich sind, ihnen ihren Wert in und für denselben ungeschmälert lassen. Aber wenn sie darum nun selbst verlangen, alles zu sich herabzuziehen, wozu sie sich nicht erheben können, wenn sie zum Beispiel fordern, daß alles Gedruckte sich als ein Kochbuch, oder als ein Rechenbuch, oder als ein Dienstreglement solle gebrauchen lassen, und alles verschreien, was sich nicht so brauchen läßt, so haben sie selbst um ein Großes unrecht. Daß Ideale in der wirklichen Welt sich nicht darstellen lassen, wissen wir anderen vielleicht so gut als sie, vielleicht besser. Wir behaupten nur, daß nach ihnen die Wirklichkeit beurteilt, und von denen, die dazu Kraft in sich fühlen, modifiziert werden müsse. Gesetzt, sie könnten auch davon sich nicht überzeugen, so verlieren sie dabei, nachdem sie einmal sind, was sie sind, sehr wenig; und die Menschheit verliert nichts dabei. Es wird dadurch bloß das klar, daß nur auf sie nicht im Plane der Veredlung der Menschheit gerechnet ist. Diese wird ihren Weg ohne Zweifel fortsetzen; über jene wolle die gütige Natur walten und ihnen zu rechter Zeit Regen und Sonnenschein, zuträgliche Nahrung und ungestörten Umlauf der Säfte, und dabei kluge Gedanken verleihen!» Diese Worte setzte er dem Druck der Vorlesungen voraus, in denen er den Jenenser Studenten die «Bestimmung des Gelehrten» auseinandersetzte. Aus einer großen seelischen Energie heraus, die Sicherheit für die Erkenntnis der Welt und für das Leben gibt, sind Anschauungen wie die Fichtes erwachsen. Rücksichtslose Worte hatte dieser für alle, die in sich nicht die Kraft zu solcher Sicherheit verspürten. Als der Philosoph Reinhold äußerte, daß die innere Stimme des Menschen doch auch irren könne, erwiderte ihm Fichte: «Sie sagen, der Philosoph solle denken, daß er als Individuum irren könne, daß er als solcher von anderen lernen könne und müsse. Wissen Sie, welche Stimmung Sie da beschreiben: die eines Menschen, der in seinem ganzen Leben noch nie von etwas überzeugt war.»

[ 34 ] Dieser kraftvollen Persönlichkeit, deren Blick ganz nach innen gerichtet war, widerstrebte es, das Höchste, was der Mensch erreichen kann, eine Weltanschauung, anderswo als auch im Innern zu suchen. «Alle Kultur soll sein Übung aller Kräfte auf den einen Zweck der völligen Freiheit, das heißt der völligen Unabhängigkeit von allem, was nicht wir selbst, unser reines Selbst (Vernunft, Sittengesetz) ist, denn nur dies ist unser. ...» So urteilt Fichte in den 1793 erschienenen «Beiträgen zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution». Und die wertvollste Kraft im Menschen, die Erkenntniskraft, sollte nicht auf diesen einen Zweck des völligen Unabhängigseins von allem, was nicht wir selbst sind, gerichtet sein? Könnten wir denn überhaupt je zu einem völligen Unabhängigsein kommen, wenn wir in der Weltanschauung von irgendwelchem Wesen abhängig wären? Wenn es durch ein solches außer uns gelegenes Wesen ausgemacht wäre, was die Natur, was unsere Seele, welches unsere Pflichten sind, und wir dann hinterher von einer solchen fertigen Tatsache aus uns ein Wissen verschafften? Sind wir unabhängig, dann müssen wir es auch in bezug auf die Erkenntnis der Wahrheit sein. Wenn wir etwas empfangen, das ohne unser Zutun entstanden ist, dann sind wir von diesem abhängig. Die höchste Wahrheit können wir also nicht empfangen. Wir müssen sie schaffen; sie muß durch uns entstehen. Fichte kann somit an die Spitze der Weltanschauung nur etwas stellen, was durch uns erst sein Dasein erlangt. Wenn wir von irgendeinem Dinge der Außenwelt sagen: Es ist, so tun wir dies deshalb, weil wir es wahrnehmen. Wir wissen, daß wir einem anderen Wesen das Dasein zuerkennen. Was dieses andere Ding ist, das hängt nicht von uns ab. Seine Beschaffenheit können wir nur erkennen, wenn wir unser Wahrnehmungsvermögen darauf richten. Wir würden niemals wissen, was «rot», «warm», «kalt» ist, wenn wir es nicht durch die Wahrnehmung wüßten. Wir können zu diesen Beschaffenheiten der Dinge nichts hinzutun, nichts von ihnen wegnehmen. Wir sagen «Sie sind».Was sie sind: das sagen sieuns. Ganz anders ist es mit unserem eigenen Dasein. Zu sich selbst sagt der Mensch nicht: «Es ist», sondern: «Ich bin». Damit hat er aber nicht bloß gesagt: daß er ist, sondern auch: was er ist, nämlich ein «Ich». Nur ein anderes Wesen könnte von mir sagen: «Es ist». Ja, es müßte so sagen. Denn selbst, wenn dieses andere Wesen mich geschaffen hätte, könnte es von meinem Dasein nicht sagen: Ich bin. Der Ausspruch: «Ich bin» verliert allen Sinn, wenn ihn das Wesen, das von seinem Dasein spricht, nicht selbst tut. Es gibt somit nichts in der Welt, was mich mit «ich» ansprechen kann als allein mich selbst. Diese Anerkennung meiner als eines «Ich» muß demnach meine ureigenste Tat sein. Kein Wesen außer mir kann darauf Einfluß haben.

[ 35 ] Hier fand Fichte etwas, wo er sich ganz unabhängig sah von jeglicher fremden Wesenheit. Ein Gott könnte mich schaffen; aber er müßte es mir überlassen, mich als ein «Ich» anzuerkennen. Mein Ichbewußtsein gebe ich mir selbst. In ihm habe ich also nicht ein Wissen, ein Erkennen, das ich empfangen habe, sondern ein solches, das ich selbst gemacht habe. So hat sich Fichte einen festen Punkt für die Weltanschauung geschaffen, etwas, wo Gewißheit ist. Wie steht es nun aber mit dem Dasein anderer Wesen? Ich lege ihnen ein Dasein bei. Aber ich habe dazu nicht ein gleiches Recht, wie bei mir selbst. Sie müssen zu Teilen meines «Ich» werden, wenn ich ihnen mit gleichem Rechte ein Dasein beilegen soll. Und das werden sie, indem ich sie wahrnehme. Denn sobald das der Fall ist, sind sie für mich da.Ich kann nur sagen: Mein Selbst fühlt «rot», mein Selbst empfindet «warm». Und so wahr ich mir selbst ein Dasein beilege, so wahr kann ich dies auch meinem Fühlen und meinem Empfinden beilegen. Wenn ich mich also selbst recht verstehe, so kann ich nur sagen: Ich bin und ich lege selbst auch einer Außenwelt ein Dasein bei.

[ 36 ] Auf diese Weise verlor für Fichte die Welt außer dem «Ich» ihr selbständiges Dasein; sie hat nur ein ihr vom Ich beigelegtes, ein also zu ihr hinzugedichtetes Dasein. In seinem Streben, dem eigenen Selbst die höchstmögliche Unabhängigkeit zu geben, hat Fichte der Außenwelt jede Selbständigkeit genommen. Wo nun eine solche selbständige Außenwelt nicht vorhanden gedacht wird, da ist es auch begreiflich, daß das Interesse an dem Wissen, an der Erkenntnis dieser Außenwelt aufhört. Damit ist das Interesse an dem eigentlichen Wissen überhaupt erloschen. Denn das Ich erfährt durch ein solches Wissen im Grunde nichts, als was es selbst hervorbringt. In allem Wissen hält das menschliche Ich gleichsam nur Monologe mit sich selbst. Es geht nicht über sich selbst hinaus. Wodurch es aber dies letztere doch vollbringt: das ist die lebendige Tat. Wenn das Ich handelt, wenn es in der Welt etwas vollbringt: dann ist es nicht mehr monologisierend mit sich allein. Dann fließen seine Handlungen hinaus in die Welt. Sie erlangen ein selbständiges Dasein. Ich vollbringe etwas; und wenn ich es vollbracht habe, dann wirkt es fort, auch wenn ich mich an seiner Wirkung nicht mehr beteilige. Was ich weiß, hat ein Dasein nur durch mich; was ich tue, ist Bestandteil einer von mir unabhängigen moralischen Weltordnung. Was bedeutet aber alle Gewißheit, die wir aus dem eigenen Ich ziehen, gegenüber dieser allerhöchsten Wahrheit einer moralischen Weltordnung, die doch unabhängig von uns sein muß, wenn das Dasein einen Sinn haben soll? Alles Wissen ist doch nur etwas für das eigene Ich; diese Weltordnung muß aber sein außer dem Ich. Sie muß sein, trotzdem wir von ihr nichts wissen können. Wir müssen sie also glauben. So kommt auch Fichte über das Wissen hinaus zu einem Glauben. Wie der Traum gegenüber der Wirklichkeit, ist alles Wissen gegenüber dem Glauben. Auch das eigene Ich hat nur ein solches Traumdasein, wenn es sich selbst bloß betrachtet. Es macht sich ein Bild von sich, das nichts weiter zu sein braucht, als ein vorüberschwebendes Bild; allein das Handeln bleibt. Mit bedeutsamen Worten schildert Fichte dieses Traumdasein der Welt in seiner «Bestimmung des Menschen»: «Es gibt überall kein Dauerndes, weder außer mir, noch in mir, sondern nur einen unaufhörlichen Wechsel. Ich weiß überall von keinem Sein, und auch nicht von meinem eigenen. Es ist kein Sein. Ich selbst weiß überhaupt nicht, und bin nicht. Bilder sind: sie sind das einzige, was da ist, und sie wissen von sich, nach Weise der Bilder: Bilder, die vorüberschweben; ohne daß etwas sei, dem sie vorüberschweben, die durch Bilder von Bildern zusammenhängen, Bilder, ohne etwas in ihnen Abgebildetes, ohne Bedeutung und Zweck. Ich selbst bin eins dieser Bilder; ja, ich bin selbst dies nicht, sondern nur ein verworrenes Bild von Bildern. Alle Realität verwandelt sich in einen wunderbaren Traum, ohne ein Leben, von welchem geträumt wird, und ohne einen Geist, der da träumt; in einen Traum, der in einem Traume von sich zusammenhängt. Das Anschauen ist der Traum; das Denken die Quelle alles Seins und aller Realität, die ich mir einbilde, meines Seins, meiner Kraft, meiner Zwecke ist der Traum von jenem Traume. Wie anders erscheint Fichte die moralische Weltordnung, die Welt des Glaubens: «Mein Wille soll schlechthin durch sich selbst, ohne alles seinen Ausdruck schwächende Werkzeug, in einer ihm völlig gleichartigen Sphäre, als Vernunft auf Vernunft, als Geistiges auf Geistiges wirken; in einer Sphäre, der er jedoch das Gesetz des Lebens, der Tätigkeit, des Fortlaufens nicht gebe, sondern die es in sich selbst habe; also auf selbsttätige Vernunft. Aber selbsttätige Vernunft ist Wille. Das Gesetz der übersinnlichen Welt wäre sonach ein Wille... Jener erhabene Wille geht sonach nicht abgesondert von der übrigen Vernunftwelt seinen Weg für sich. Es ist zwischen ihm und allen endlichen vernünftigen Wesen ein geistiges Band, und er selbst ist dieses geistige Band der Vernunftwelt.... Ich verhülle vor dir mein Angesicht und lege die Hand auf den Mund. Wie du für dich selbst bist und dir selbst erscheinest, kann ich nie einsehen, so gewiß ich nie du selbst werden kann. Nach tausendmal tausend durchlebten Geisterleben werde ich dich noch ebensowenig begreifen als jetzt in dieser Hütte von Erde. Was ich begreife, wird durch mein bloßes Begreifen zum Endlichen; und dieses läßt auch durch unendliche Steigerung und Erhöhung sich nie ins Unendliche umwandeln. Du bist vom Endlichen nicht dem Grade, sondern der Art nach verschieden. Sie machen dich durch jene Steigerung nur zu einem größeren Menschen und immer zu einem größeren; nie aber zum Gotte, zum Unendlichen, der keines Maßes fähig ist.»

[ 37 ] Weil das Wissen ein Traum, die moralische Weltordnung für Fichte das einzige wahrhaft Wirkliche ist, deshalb stellt er auch das Leben, durch das sich der Mensch in den sittlichen Weltzusammenhang hineinstellt, über das bloße Erkennen, über das Betrachten der Dinge. «Nichts» sagt er «hat unbedingten Wert und Bedeutung als das Leben; alles übrige, Denken, Dichten und Wissen, hat nur Wert, insofern es auf irgendeine Weise sich auf das Lebendige bezieht, von ihm ausgeht und in dasselbe zurückzulaufen beabsichtigt.»

[ 38 ] Der ethische Grundzug in Fichtes Persönlichkeit ist es, der in seiner Weltanschauung alles ausgelöscht oder in seiner Bedeutung herabgedrückt hat, was nicht auf die moralische Bestimmung des Menschen hinausläuft. Er wollte die größten, die reinsten Forderungen für das Leben aufstellen; und dabei wollte er durch kein Erkennen, das vielleicht in diesen Zielen Widersprüche mit der natürlichen Gesetzmäßigkeit der Welt entdecken könnte, beirrt sein. Goethe hat gesagt: «Der Handelnde ist immer gewissenlos; es hat niemand Gewissen als der Betrachtende.» Damit meinte er, daß der Betrachtende alles nach seinem wahren, wirklichen Werte abschätzt und jedes Ding an seinem Platze begreift und gelten läßt. Der Handelnde hat es vor allen Dingen darauf abgesehen, seine Forderungen in Erfüllung gehen zu sehen; ob er dabei den Dingen unrecht tut oder nicht: das ist ihm gleich. Fichte war es vor allen Dingen ums Handeln zu tun; er wollte sich aber dabei von der Betrachtung nicht Gewissenlosigkeit vorwerfen lassen. Deshalb bestritt er den Wert der Betrachtung.

[ 39 ] Ins unmittelbare Leben einzugreifen war Fichtes fortwährendes Bemühen. Wo er glaubte, daß seine Worte bei anderen zur Tat werden könnten, da fühlte er sich am zufriedensten. Aus diesem Drang heraus hat er die Schriften verfaßt «Zurückforderung der Denkfreiheit von den Fürsten Europas, die sie bisher unterdrückten. Heliopolis, im letzten Jahre der alten Finsternis 1792»; «Beiträge zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution 1793. » Aus diesem Drange heraus hat er seine hinreißenden Reden gehalten «Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, dargestellt in Vorlesungen, gehalten zu Berlin im Jahre 1804-1805»; «Die Anweisung zum seligen Leben oder auch die Religionslehre, in Vorlesungen, gehalten zu Berlin im Jahre 1806» und endlich seine «Reden an die deutsche Nation 1808»).

[ 40 ] Bedingungslose Hingabe an die moralische Weltordnung, Handeln aus dem tiefsten Kern der ethischen Naturanlage des Menschen heraus: das sind die Forderungen, durch die das Leben Wert und Bedeutung erhält. Diese Ansicht zieht sich als Grundmotiv durch alle diese Reden und Schriften hindurch. In den «Grundzügen des gegenwärtigen Zeitalters» warf er diesem Zeitalter in flammenden Worten seine Selbstsucht vor. Jeder gehe nur den Weg, den ihm seine niederen Triebe vorschreiben. Aber diese Triebe führen ab von dem großen Ganzen, das die menschliche Gemeinschaft als moralische Harmonie umschließt. Ein solches Zeitalter müsse diejenigen, die in seinem Sinne leben, dem Untergange entgegenführen. Die Pflicht wollte Fichte in den menschlichen Gemütern beleben.

[ 41 ] Fichte wollte in solcher Art mit seinen Ideen gestaltend in das Leben seiner Zeit eingreifen, weil er diese Ideen kraftvoll durchlebt dachte von dem Bewußtsein, daß dem Menschen der höchste Inhalt seines Seelenlebens aus einer Welt zukommt, welche er erreicht, wenn er mit seinem «Ich» ganz allein sich auseinandersetzt, und in dieser Auseinandersetzung sich in seiner wahren Bestimmung erfühlt. Aus solchem Bewußtsein heraus prägt Fichte Worte wie dieses: «Ich selbst und mein notwendiger Zweck sind das Übersinnliche.»

[ 42 ] Sich im Übersinnlichen erleben, ist für Fichte eine Erfahrung, welche der Mensch machen kann. Macht er sie, so erlebt er in sich das «Ich». Und erst dadurch wird er zum Philosophen. «Beweisen» kann man diese Erfahrung demjenigen nicht, der sie nicht machen will. Wie wenig Fichte einen solchen «Beweis» für möglich hält, bezeugen Aussprüche wie dieser: «Zum Philosophen muß man geboren werden, dazu erzogen werden, und sich selbst dazu erziehen; aber man kann durch keine menschliche Kunst dazu gemacht werden. Darum verspricht auch diese Wissenschaft sich unter den schon gemachten Männern wenige Proselyten. ... »

[ 43 ] Es kommt Fichte darauf an, eine Seelenverfassung zu finden, durch welche das menschliche Ich sich erleben kann. Das Wissen von der Natur erscheint ihm untauglich, von dem Wesen des Ich etwas zu offenbaren. Vom fünfzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert traten Denker auf, denen die Frage sich ergab: Was kann in dem Bilde der Natur gefunden werden, um innerhalb dieses Bildes das menschliche Wesen erklärlich zu finden? Goethe empfand die Frage nicht in dieser Art. Er fühlte hinter der äußerlich offenbaren Natur eine geistige. In der Menschenseele sind ihm Erlebnisse möglich, durch welche diese Seele nicht in dem äußerlich Offenbaren allein, sondern innerhalb der schaffenden Kräfte lebt. Goethe suchte die Idee, welche die Griechen suchten, aber er suchte sie nicht als wahrnehmbare Idee, sondern in einem Miterleben der Weltvorgänge, da, wo diese nicht mehr wahrnehmbar sind. Er suchte in der Seele das Leben der Natur. Fichte suchte in der Seele selbst; aber er suchte nicht da, wo in der Seele die Natur lebt, er suchte ganz unmittelbar da, wo die Seele ihr eigenes Leben entzündet fühlt, gleichgültig, an welche sonstigen Weltvorgänge und Weltwesen sich dieses Leben anschließt. Mit Fichte ist eine Weltanschauung heraufgezogen, die ganz darinnen aufgeht, ein inneres Seelenleben zu finden, das sich zum Gedankenleben der Griechen verhält wie dieses Gedankenleben zum Bildervorstellen der Vorzeit. In Fichtes Weltanschauung wird der Gedanke zum Ich-Erlebnis, wie in den griechischen Denkern das Bild zum Gedanken wurde. Mit Fichte will die Weltanschauung das Selbstbewußtsein erleben; mit Plato und Aristoteles wollte sie das Seelenbewußtsein denken.


[ 44 ] Wie Kant das Wissen entthront hat, um für den Glauben Platz zu bekommen, so hat Fichte das Erkennen für bloße Erscheinung erklärt, um für das lebendige Handeln, für die moralische Tat freie Bahn vor sich zu haben. Ein Ähnliches hat auch Schiller versucht. Nur nahm bei ihm die Stelle, die bei Kant der Glaube, bei Fichte das Handeln beanspruchte, die Schönheit ein. Die Bedeutung Schillers für die Weltanschauungsentwickelung wird gewöhnlich unterschätzt. Wie Goethe sich darüber zu beklagen hatte, daß man ihn als Naturforscher nicht gelten lassen wollte, weil man einmal gewohnt war, ihn als Dichter zu nehmen, so müssen diejenigen, die sich in Schillers philosophische Ideen vertiefen, bedauern, daß er von denen, die sich mit Weltanschauungsgeschichten befassen, so wenig gewürdigt wird, weil ihm sein Feld im Reiche der Dichtung angewiesen ist.

[ 45 ] Als eine durchaus selbständige Denkerpersönlichkeit stellt sich Schiller seinem Anreger Kant gegenüber. Die Hoheit des moralischen Glaubens, zu der Kant den Menschen zu erheben suchte, schätzte der Dichter, der in den «Räubern» und in «Kabale und Liebe» seiner Zeit einen Spiegel ihrer Verderbtheit vorgehalten hat, wahrlich nicht gering. Aber er sagte sich: Sollte es durchaus notwendig sein, daß der Mensch nur im Kampfe gegen seine Neigung, gegen seine Begierden und Triebe sich zu der Höbe des kategorischen Imperativs emporheben kann? Kant wollte ja der sinnlichen Natur des Menschen nur den Hang zum Niederen, zum Selbstsüchtigen, zum Sinnlich-Angenehmen beilegen; und nur, wer sich emporschwingt über diese sinnliche Natur, wer sie ertötet und die rein geistige Stimme der Pflicht in sich sprechen läßt: der kann tugendhaft sein. So hat Kant den natürlichen Menschen erniedrigt, um den moralischen um so höher heben zu können. Schiller schien darin etwas des Menschen Unwürdiges zu liegen. Sollten denn die Triebe des Menschen nicht so veredelt werden können, daß sie aus sich selbst heraus das Pflichtmäßige, das Sittliche tun? Dann brauchten sie, um sittlich zu wirken, nicht unterdrückt zu werden. Schiller stellte deshalb der strengen Kantschen Pflichtforderung seine Ansicht in dem folgenden Epigramm gegenüber:

Gewissensskrupel.

Gerne dien' ich den Freunden, doch tu' ich es leider mit Neigung,
Und so wurmt es mir oft, daß ich nicht tugendhaft bin.

Entscheidung.

Da ist kein anderer Rat, du mußt suchen, sie zu verachten,
Und mit Abscheu alsdann tun, wie die Pflicht dir gebeut.

[ 46 ] Schiller suchte diese «Gewissensskrupel» auf seine Art zu lösen. Zwei Triebe walten tatsächlich im Menschen: der sinnliche Trieb und der Vernunftstrieb. Überläßt sich der Mensch dem sinnlichen Trieb, so ist er ein Spielball seiner Begierden und Leidenschaften, kurz seiner Selbstsucht. Gibt er sich ganz dem Vernunftstrieb hin, so ist er ein Sklave seiner strengen Gebote, seiner unerbittlichen Logik, seines kategorischen Imperativs. Ein Mensch, der bloß dem sinnlichen Triebe leben will, muß die Vernunft in sich zum Schweigen bringen; ein solcher, der nur der Vernunft dienen will, muß die Sinnlichkeit ertöten. Hört der erstere doch die Vernunft, so unterwirft er sich ihr nur unfreiwillig; vernimmt der letztere die Stimme seiner Begierden, so empfindet er sie als Last auf seinem Tugendwege. Die physische und die geistige Natur des Menschen scheinen also in einem verhängnisvollen Zwiespalt zu leben. Gibt es nicht einen Zustand im Menschen, in dem beide Triebe, der sinnliche und der geistige, in Harmonie stehen? Schiller beantwortet die Frage mit «Ja». Es ist der Zustand, in dem das Schöne geschaffen und genossen wird. Wer ein Kunstwerk schafft, der folgt einem freien Naturtrieb. Er tut es aus Neigung. Aber es sind keine physischen Leidenschaften, die ihn antreiben; es ist die Phantasie, der Geist. Ebenso ist es mit demjenigen, der sich dem Genusse eines Kunstwerkes hingibt. Es befriedigt seinen Geist zugleich, indem es auf seine Sinnlichkeit wirkt. Seinen Begierden kann der Mensch nachgehen, ohne die höheren Gesetze des Geistes zu beachten; seine Pflicht kann er erfüllen, ohne sich um die Sinnlichkeit zu kümmern; ein schönes Kunstwerk wirkt auf sein Wohlgefallen, ohne seine Begierde zu erwecken; und es versetzt ihn in eine geistige Welt, in der er aus Neigung verweilt. In diesem Zustande ist der Mensch wie das Kind, das bei seinen Handlungen seiner Neigung folgt und nicht frägt, ob diese den Vernunftgesetzen widerstrebt: «Durch die Schönheit wird der sinnliche Mensch ... zum Denken geleitet; durch die Schönheit wird der geistige Mensch zur Materie zurückgeführt und der Sinnenwelt wiedergegeben.» (18. Brief über die ästhetische Erziehung des Menschen.) «Die hohe Gleichmütigkeit und Freiheit des Geistes, mit Kraft und Rüstigkeit verbunden, ist die Stimmung, in der uns ein echtes Kunstwerk entlassen soll, und es gibt keinen sichereren Probierstein der wahren ästhetischen Güte. Finden wir uns nach einem Genuß dieser Art zu irgendeiner besonderen Empfindungsweise oder Handlungsweise vorzugsweise aufgelegt, zu einer anderen hingegen ungeschickt und verdrossen, so dient dies zu einem untrüglichen Beweise, daß wir keine rein ästhetische Wirkung erfahren haben, es sei nun, daß es an dem Gegenstand oder an unserer Empfindungsweise oder (wie fast immer der Fall ist) an beiden zugleich gelegen habe.» (22. Brief.) Weil der Mensch durch die Schönheit weder ein Sklave der Sinnlichkeit ist noch der Vernunft, sondern durch sie beide zusammen in seiner Seele wirken, vergleicht Schiller den Trieb zur Schönheit demjenigen des Kindes, das in seinem Spiel seinen Geist nicht Vernunftgesetzen unterwirft, sondern ihn frei seiner Neigung nach gebraucht. Deshalb nennt er diesen Trieb zur Schönheit Spieltrieb: «Mit dem Angenehmen, mit dem Guten, mit dem Vollkommenen ist es dem Menschen nur Ernst; aber mit der Schönheit spielt er. Freilich dürften wir uns hier nicht an die Spiele erinnern, die in dem wirklichen Leben im Gange sind und die sich gewöhnlich nur auf sehr materielle Gegenstände richten; aber in dem wirklichen Leben würden wir auch die Schönheit vergebens suchen, von der hier die Rede ist. Die wirklich vorhandene Schönheit ist des wirklich vorhandenen Spieltriebs wert; aber durch das Ideal der Schönheit, welches die Vernunft aufstellt, ist auch ein Ideal des Spieltriebs aufgegeben, das der Mensch in allen seinen Spielen im Auge haben soll.» (15. Brief.) In der Erfüllung dieses idealen Spieltriebs findet der Mensch die Wirklichkeit der Freiheit. Er gehorcht nun nicht mehr der Vernunft; und er folgt nicht mehr der sinnlichen Neigung. Er handelt aus Neigung so, wie wenn er aus Vernunft handelte. «Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen, und er soll nur mit der Schönheit spielen ... Denn, um es endlich... herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. » Schiller hätte auch sagen können: Im Spiel ist der Mensch frei; in der Erfüllung der Pflicht und in der Hingabe an die Sinnlichkeit ist er unfrei. Will der Mensch nun auch in seinem moralischen Handeln in voller Bedeutung des Wortes Mensch sein, das heißt, will er frei sein, so muß er zu seinen Tugenden dasselbe Verhältnis haben wie zur Schönheit. Er muß seine Neigungen zu Tugenden veredeln; und er muß sich mit seinen Tugenden so durchdringen, daß er, seiner ganzen Wesenheit nach, gar keinen anderen Trieb hat, als ihnen zu folgen. Ein Mensch, der diesen Einklang zwischen Neigung und Pflicht hergestellt hat, kann in jedem Augenblick auf die Güte seiner Handlungen wie auf etwas Selbstverständliches rechnen.

[ 47 ] Man kann von diesem Gesichtspunkte aus auch das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen betrachten. Der Mensch, der seinen sinnlichen Trieben folgt, ist selbstsüchtig. Er ginge stets nur seinem eigenen WohIsein nach, wenn nicht der Staat das Zusammensein durch Vernunftgesetze regelte. Der freie Mensch vollbringt aus eigenem Antriebe, was der Staat von dem selbstsüchtigen Menschen fordern muß. In einem Zusammensein von freien Menschen bedarf es keiner Zwangsgesetze. «Mitten in dem furchtbaren Reich der Kräfte und mitten in dem heiligen Reich der Gesetze baut der ästhetische Bildungstrieb unvermerkt an einem dritten, fröhlichen Reiche des Spiels und des Scheins, worin er dem Menschen die Fesseln aller Verhältnisse abnimmt und ihn von allem, was Zwang heißt, sowohl im Physischen wie im Moralischen entbindet.» (27. Brief.) «Dieses Reich erstreckt sich aufwärts, bis wo die Vernunft mit unbedingter Notwendigkeit herrscht und alle ,Materie aufhört; es erstreckt sich niederwärts, bis wo der Naturtrieb mit blinder Nötigung waltet.» So betrachtet Schiller ein moralisches Reich als Ideal, in dem die tugendhafte Gesinnung mit derselben Leichtigkeit und Freiheit waltet wie der Geschmack im Reiche des Schönen. Er macht das Leben im Reiche des Schönen zum Muster einer vollkommenen, den Menschen in jeder Richtung befreienden sittlichen gesellschaftlichen Ordnung. Er schließt die schöne Abhandlung, in der er dieses sein Ideal darstellt, mit der Frage, ob eine solche Ordnung irgendwo existiere, und beantwortet sie damit: «Dem Bedürfnis nach existiert (sie) in jeder feingestimmten Seele; in der Tat möchte man sie wohl nur wie die reine Kirche und die reine Republik, in einigen wenigen auserlesenen Zirkeln finden, wo nicht die geistlose Nachahmung fremder Sitten, sondern eigene schöne Natur das Betragen lenkt, wo der Mensch durch die verwickeltesten Verhältnisse mit kühner Einfalt und ruhiger Unschuld geht und weder nötig hat, fremde Freiheit zu kränken, um die seinige zu behaupten, noch seine Würde wegzuwerfen, um Anmut zu zeigen.»

[ 48 ] In dieser zur Schönheit veredelten Tugendhaftigkeit hat Schiller eine Vermittelung zwischen der Weltanschauung Kants und derjenigen Goethes gefunden. Wie groß auch der Zauber war, den Kant auf Schiller ausübte, als dieser selbst das Ideal des reinen Menschentums gegenüber der wirklich herrschenden moralischen Ordnung verteidigte: Schiller wurde, als er Goethe näher kennen lernte, ein Bewunderer von dessen Weltund Lebensbetrachtung, und sein stets nach reinster Gedankenklarheit drängender Sinn ließ ihn nicht eher Ruhe finden, bis es ihm gelungen war, diese Goethesche Weisheit auch begrifflich zu durchdringen. Die hohe Befriedigung, die Goethe aus seinen Anschauungen über Schönheit und Kunst auch für seine Lebensführung zog, führte Schiller mehr und mehr zu der Vorstellungsart des ersteren hinüber. Als er Goethe für Übersendung des «Wilhelm Meister» dankt, tut er dies mit den Worten: «Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie peinlich mir das Gefühl oft ist, von einem Produkt dieser Art in das philosophische Wesen hineinzusehen. Dort ist alles so heiter, so lebendig, so harmonisch aufgelöst und so menschlich wahr; hier alles so strenge, so rigid und abstrakt, und so höchst unnatürlich, weil alle Natur nur Synthesis und alle Philosophie Antithesis ist. Zwar darf ich mir das Zeugnis geben, in meinen Spekulationen der Natur so treu geblieben zu sein, als sich mit dem Begriff der Analysis verträgt; ja vielleicht bin ich ihr treuer geblieben als unsere Kantianer für erlaubt und für möglich hielten. Aber dennoch fühle ich nicht weniger lebhaft den unendlichen Abstand zwischen dem Leben und dem Räsonnement und kann mich nicht enthalten, in einem solchen melancholischen Augenblicke für einen Mangel in meiner Natur auszulegen, was ich in einer heiteren Stunde bloß für eine natürliche Eigenschaft der Sache ansehen muß. So viel ist indes gewiß, der Dichter ist der einzig wahre Mensch, und der beste Philosoph ist nur eine Karikatur gegen ihn.» Dieses Urteil Schillers kann sich nur auf die Kantsche Philosophie beziehen, an der Schiller seine Erfahrungen gemacht hat. Sie entfernt den Menschen in vieler Beziehung von der Natur. Sie bringt dieser keinen Glauben entgegen, sondern läßt als gültige Wahrheit nur gelten, was aus der eigenen geistigen Organisation des Menschen genommen ist. Dadurch entbehren alle ihre Urteile jener frischen, inhaltvollen Farbigkeit, die alles hat, was wir durch unmittelbare Anschauung der natürlichen Vorgänge und Dinge selbst gewinnen. Sie bewegt sich in blutleeren, grauen, kalten Abstraktionen. Sie gibt die Wärme hin, die wir aus der unmittelbaren Berührung mit den Dingen und Wesen gewinnen und tauscht dafür die Kälte ihrer abstrakten Begriffe ein. Und auch im Moralischen zeigt die Kantsche Weltanschauung dieselbe Gegensätzlichkeit gegen die Natur. Der rein vernünftige Pflichtbegriff schwebt ihr als Höchstes vor. Was der Mensch liebt, wozu er Neigung hat: alles das Unmittelbar-Natürliche im Menschenwesen muß diesem Pflichtideal untergeordnet werden. Sogar bis in die Region des Schönen hinein vertilgt Kant den Anteil, den der Mensch seinen ursprünglichen Empfindungen und Gefühlen nach haben muß. Das Schöne soll ein völlig «interesseloses»Wohlgefallen hervorrufen. Hören wir, wie hingebend, wie «interessiert» Schiller dem Werke, an dem er die höchste Stufe des Künstlerischen bewundert, gegenübersteht. Er sagt über «Wilhelm Meister»: «Ich kann das Gefühl, das mich beim Lesen dieser Schrift, und zwar im zunehmenden Grade, je weiter ich darin komme, durchdringt und besitzt, nicht besser als durch eine süße und innige Behaglichkeit, durch ein Gefühl geistiger und leiblicher Gesundheit ausdrücken, und ich wollte dafür bürgen, daß es dasselbe bei allen Lesern im Ganzen sein muß. Ich erkläre mir dieses Wohlsein von der durchgängig darin herrschenden ruhigen Klarheit, Glätte und Durchsichtigkeit, die auch nicht das geringste zurückläßt, was das Gemüt unbefriedigt und unruhig läßt, und die Bewegung desselben nicht weiter treibt als nötig ist, um ein fröhliches Leben in dem Menschen anzufachen und zu erhalten.» So spricht nicht jemand, der an das interesselose Wohlgefallen glaubt, sondern einer, der die Lust an dem Schönen einer solchen Veredelung für fähig hält, daß es keine Erniedrigung bedeutet, sich dieser Lust völlig hinzugeben. Das Interesse soll nicht erlöschen, wenn wir dem Kunstwerk gegenüberstehen; wir sollen vielmehr imstande sein, unser Interesse auch dem entgegenbringen zu können, was Ausfluß des Geistes ist. Und diese Art des Interesses für das Schöne soll der «wahre» Mensch auch den moralischen Vorstellungen gegenüber haben. In einem Briefe an Goethe schreibt Schiller: «Es ist wirklich der Bemerkung wert, daß die Schlaffheit über ästhetische Dinge immer sich mit der moralischen Schlaffheit verbunden zeigt, und daß das reine strenge Streben nach dem hohen Schönen, bei der höchsten Liberalität gegen alles, was Natur ist, den Rigorismus im Moralischen bei sich führen wird.»

[ 49 ] Die Entfremdung von der Natur empfand Schiller in der Weltanschauung, in der ganzen Zeitkultur, innerhalb derer er lebte, so stark, daß er sie zum Gegenstande einer Betrachtung in dem Aufsatze «Über naive und sentimentalische Dichtung» machte. Er vergleicht die Lebensansicht seiner Zeit mit derjenigen der Griechen und fragt sich: «Wie kommt es, daß wir, die in allem, was Natur ist, von den Alten so unendlich weit übertroffen werden, ... der Natur in einem höheren Grade huldigen, mit Innigkeit an ihr hangen und selbst die leblose Welt mit der wärmsten Empfindung umfassen können?» Und er beantwortet diese Frage: «Daher kommt es, weil die Natur bei uns aus der Menschheit verschwunden ist und wir sie nur außerhalb dieser in der unbeseelten Welt, in ihrer Wahrheit wieder antreffen. Nicht unsere größere Naturmäßigkeit, ganz im Gegenteil die Naturwidrigkeit unserer Verhältnisse, Zustände und Sitten treibt uns an, dem erwachenden Triebe nach Wahrheit und Simplizität, der, wie die moralische Anlage, aus welcher erfließet, unbestechlich und unaustilgbar in allen menschlichen Herzen liegt, in der physischen Welt eine Befriedigung zu verschaffen, die in der moralischen nicht zu hoffen ist. Deswegen ist das Gefühl, womit wir an der Natur hangen, dem Gefühle so nahe verwandt, womit wir das entflohene Alter der Kindheit und der kindlichen Unschuld beklagen. Unsere Kindheit ist die einzige unverstümmelte Natur, die wir in der kultivierten Menschheit noch antreffen, daher es kein Wunder ist, wenn uns jede Fußtapfe der Natur außer uns auf unsere Kindheit zurückführt.» Das war nun bei den Griechen ganz anders. Sie lebten ein Leben innerhalb des Natürlichen. Alles, was sie taten, kam aus ihrem natürlichen Vorstellen, Fühlen und Empfinden heraus. Sie waren innig verbunden mit der Natur. Der moderne Mensch fühlt in seinem Wesen einen Gegensatz zur Natur. Da aber der Drang nach dieser Urmutter des Daseins doch nicht ausgetilgt werden kann, so wird er sich in der modernen Seele in eine Sehnsucht nach der Natur, in ein Suchen derselben verwandeln. Der Grieche hatte Natur; der Moderne sucht Natur. «Solange der Mensch noch reine, es versteht sich nicht rohe, Natur ist, wirkt er als ungeteilte sinnliche Einheit und als ein harmonierendes Ganzes. Sinne und Vernunft, empfangendes und selbsttätiges Vermögen, haben sich in ihrem Geschäfte noch nicht getrennt, viel weniger stehen sie im Widerspruch miteinander. Seine Empfindungen sind nicht das formlose Spiel des Zufalls, seine Gedanken nicht das gehaltlose Spiel der Vorstellungskraft; aus dem Gesetz der Notwendigkeit gehen jene, aus der Wirklichkeit gehen diese hervor. Ist der Mensch in den Stand der Kultur getreten und hat die Kunst ihre Hand an ihn gelegt, so ist jene sinnliche Harmonie in ihm aufgehoben, und er kann nur noch als moralische Einheit, das heißt als nach Einheit strebend sich äußern. Die Übereinstimmung zwischen seinem Empfinden und Denken, die in dem ersten Zustande wirklich stattfand, existiert jetzt bloß idealisch; sie ist nicht mehr in ihm, sondern außer ihm, als ein Gedanke, der erst realisiert werden soll, nicht mehr als Tatsache seines Lebens.» Die Grundstimmung des griechischen Geistes war naiv, die des modernen ist sentimentalisch; die Weltanschauung des ersten durfte daher realistisch sein. Denn er hatte das Geistige von dem Natürlichen noch nicht getrennt; die Natur schloß für ihn den Geist noch mit ein. Überließ er sich der Natur, so geschah es der geisterfüllten Natur gegenüber. Anders der Moderne. Er hat den Geist von der Natur losgelöst, in das graue Reich der Abstraktion erhoben. Gäbe er sich seiner Natur hin, so täte er es der geistentblößten Natur gegenüber. Deshalb muß sein höchstes Streben dem Ideal zugewandt sein; durch das Streben nach diesem wird er Geist und Natur wieder versöhnen. In Goethes Geistesart fand nun Schiller etwas der griechischen Art Verwandtes. Goethe glaubte, seine Ideen und Gedanken mit Augen zu sehen, weil er die Wirklichkeit als ungetrennte Einheit von Geist und Natur empfand. Er hatte sich nach Schillers Meinung etwas erhalten, zu dem der sentimentalische Mensch erst wieder kommt, wenn er den Gipfel seines Strebens erreicht. Und einen solchen Gipfel erklimmt er eben in dem von Schiller beschriebenen ästhetischen Zustand, in dem Sinnlichkeit und Vernunft ihren Einklang gefunden haben.

[ 50 ] Mit dem Ausspruche, den Schiller Goethe gegenüber in seinem Briefe am 23. August 1794 tut, ist das Wesen der neueren Weltanschauungsentwickelung bedeutungsvoll gekennzeichnet: «Wären Sie als ein Grieche... geboren worden und hätte schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisierende Kunst Sie umgeben, so wäre Ihr Weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig gemacht worden. Schon in die erste Anschauung der Dinge hätten Sie dann die Form des Notwendigen aufgenommen, und mit Ihren ersten Erfahrungen hätte sich der große Stil in Ihnen entwickelt. Nun ... da Ihr griechischer Geist in diese nordische Schöpfung geworfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl, als entweder selbst zum nordischen Künstler zu werden oder Ihrer Imagination das, was ihr die Wirklichkeit vorenthält, durch Nachhilfe der Denkkraft zu ersetzen, und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege ein Griechenland zu gebären.» Schiller empfindet das offenbaren diese Sätze den Gang der Entwickelung des Seelenlebens von der griechischen Zeit bis in die seinige. Im Gedankenleben enthüllte sich für den Griechen das Seelenleben; und er konnte diese Enthüllung hinnehmen, denn der Gedanke war für ihn eine Wahrnehmung, wie Farben oder Töne es sind. Dieser Gedanke ist für den neueren Menschen verblaßt; von ihm muß im Innern der Seele erlebt werden, was schaffend die Welt durchwebt; und damit das unwahrnehmbare Gedankenleben doch Anschaulichkeit hat, muß es von der Imagination erfüllt werden. Von einer solchen Imagination, welche sich eins fühlt mit den schaffenden Mächten der Natur.

[ 51 ] Weil in dem modernen Menschen das Seelenbewußtsein sich in Selbstbewußtsein gewandelt hat, entsteht die Frage der Weltanschauung: Wie erlebt das Selbstbewußtsein sich lebendig so, daß sein Erleben in dem Schaffen der lebendigen Weltenkräfte sich darinnen weiß? Schiller hat diese Frage in seiner Art beantwortet, indem er das Leben im künstlerischen Empfinden als Ideal für sich in Anspruch' nahm. In diesem Empfinden fühlt das menschliche Selbstbewußtsein seine Verwandtschaft mit dem, was über das bloße Naturbild hinausliegt. In ihm fühlt der Mensch sich vom Geiste erfaßt, indem er als Natur und Sinnenwesen sich an die Welt hingibt. Leibniz sucht die Menschenseele als Monade zu begreifen Fichte geht nicht von einer bIoßen Idee aus, durch welche klar werden sollte, was die Menschenseele ist; er sucht ein Erleben, in dem diese Seele sich in ihrem Wesen ergreift; Schiller frägt: Gibt es ein Erleben der Menschenseele, in dem sie fühlen kann, wie sie in dem Geistig-Wirklichen wurzelt? Goethe erlebt in sich Ideen, die zugleich Naturideen für ihn darstellen. In Goethe, Fichte, Schiller ringt sich die erlebte Idee, man könnte auch sagen: das ideelle Erlebnis in die Seele herein; im Griechentum vollzog sich dies mit der wahrgenommenen Idee, der ideellen Wahrnehmung.

[ 52 ] Die Welt- und Lebensanschauung, die in Goethe auf naive Weise vorhanden war, und nach der Schiller auf allen Umwegen des Denkens strebte, hat nicht das Bedürfnis nach jener allgemein gültigen Wahrheit, die in der Mathematik ihr Ideal erblickt; sie ist befriedigt von der anderen Wahrheit, die unserem Geiste sich aus dem unmittelbaren Verkehre mit der wirklichen Welt ergibt. Die Erkenntnisse, die Goethe aus der Betrachtung der Kunstwerke in Italien schöpfte, waren gewiß nicht von jener unbedingten Sicherheit wie die Sätze der Mathematik. Dafür waren sie auch weniger abstrakt. Aber Goethe stand vor ihnen mit der Empfindung «Da ist Notwendigkeit, da ist Gott. Eine Wahrheit in dem Sinne, daß sie etwas anderes sei, als dasjenige, was sich auch in dem vollkommenen Kunstwerk offenbart, war für Goethe nicht vorhanden. Was die Kunst mit ihren technischen Mitteln: Ton, Marmor, Farbe, Rhythmus usw. verkörpert, das ist demselben Wahrheitsquell entnommen, aus dem auch der Philosoph schöpft, der allerdings nicht die unmittelbar anschaulichen Mittel der Darstellung hat, sondern dem einzig und allein der Gedanke, die Idee selbst, zur Verfügung steht. «Poesiedeutet auf die Geheimnisse der Natur und sucht sie durchs Bild zu lösen. Philosophie deutet auf die Geheimnisse der Vernunft und sucht sie durchs Wort zu lösen», sagt Goethe. Aber die Vernunft und die Natur sind ihm zuletzt eine untrennbare Einheit, denen dieselbe Wahrheit zugrunde liegt. Ein Erkenntnisstreben, das, von den Dingen losgelöst, in einer abstrakten Welt lebt, gilt ihm nicht als das Höchste. «Das Höchste wäre, zu begreifen, daß alles Faktische schon Theorie ist.» Die Bläue des Himmels offenbart uns das Grundgesetz der Farbenerscheinungen. «Man suche nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre.» Der Psychologe Heinrothbezeichnete in seiner Anthropologie das Denken, durch das Goethe zu seinen Einsichten in die naturgemäße Bildung der Pflanzen und Tiere gelangte, als «gegenständliches Denken». Er meinte damit, daß sich dieses Denken von den Gegenständen nicht sondere; daß die Gegenstände, die Anschauungen in inniger Durchdringung mit dem Denken stehen, daß Goethes Denken zugleich ein Anschauen, sein Anschauen zugleich ein Denken sei. Schiller ist ein feiner Beobachter und Schilderer dieser Geistesart geworden. Er schreibt über sie in einem Briefe an Goethe: «Ihr beobachtender Blick, der so still und rein auf den Dingen ruht, setzt Sie nie in Gefahr, auf den Abweg zu geraten, in den sowohl die Spekulation als die willkürliche und bloß sich selbst gehorchende Einbildungskraft sich so leicht verirrt. In Ihrer richtigen Intuition liegt alles und weit vollständiger, was die Analysis mühsam sucht, und nur, weil es als ein Ganzes in Ihnen liegt, ist Ihnen Ihr eigener Reichtum verborgen; denn leider wissen wir nur das, was wir scheiden. Geister Ihrer Art wissen daher selten, wie weit sie gedrungen sind, und wie wenig Ursache sie haben, von der Philosophie zu borgen, die nur von ihnen lernen kann. » Für die Goethesche und Schillersche Weltanschauung ist Wahrheit nicht bloß innerhalb der Wissenschaft vorhanden, sondern auch innerhalb der Kunst. Goethes Meinung ist diese: «Ich denke, Wissenschaft könnte man die Kenntnis des Allgemeinen nennen, das abgezogene Wissen; Kunst dagegen wäre Wissenschaft zur Tat verwendet; Wissenschaft wäre Vernunft, und Kunst ihr Mechanismus, deshalb man sie auch praktische Wissenschaft nennen könnte. Und so wäre denn endlich Wissenschaft das Theorem, Kunst das Problem.» Die Wechselwirkung des wissenschaftlichen Erkennens und des künstlerischen Gestaltens der Erkenntnis schildert Goethe: «Es ist offenbar, daß ein ... Künstler nur desto größer und entschiedener werden muß, wenn er zu seinem Talente noch ein unterrichteter Botaniker ist, wenn er von der Wurzel an den Einfluß der verschiedenen Teile auf das Gedeihen und das Wachstum der Pflanze, ihre Bestimmung und wechselseitigen Wirkungen erkennt, wenn er die sukzessive Entwickelung der Blätter, Blumen, Befruchtung, Frucht und des neuen Keimes einsieht und überdenkt. Er wird alsdann nicht bloß durch die Wahl aus den Erscheinungen seinen Geschmack zeigen, sondern er wird uns auch durch eine richtige Darstellung der Eigenschaften zugleich in Verwunderung setzen.» So waltet im künstlerischen Erzeugen die Wahrheit, denn der Kunststil ruht nach dieser Auffassung auf «den tiefsten Grundfesten der Erkenntnis, auf dem Wesen der Dinge, insofern uns erlaubt ist, es in sichtbaren und greiflichen Gestalten zu erkennen». Eine Folge dieser Ansicht über die Wahrheit und ihre Erkenntnis ist, daß man der Phantasie ihren Anteil beim Zustandekommen des Wissens zugestand und nicht bloß in dem abstrakten Verstand das einzige Erkenntnisvermögen sah. Die Vorstellungen, die Goethe seinen Betrachtungen über Pflanzenund Tierbildung zugrunde legte, waren nicht graue, abstrakte Gedanken, sondern aus der Phantasie heraus erzeugte sinnlich-übersinnliche Bilder. Nur das Beobachten mit Phantasie kann wirklich in das Wesen der Dinge führen, nicht die blutleere Abstraktion: dies ist Goethes Überzeugung. Deshalb hebt er an Galilei hervor, daß dieser beobachtete als Genie, dem «ein Fall für tausend gilt», indem «er sich aus schwingenden Kirchenlampen die Lehre des Pendels und des Falles der Körper entwickelte». Die Phantasie schafft an dem einen Falle ein inhaltvolles Bild des Wesentlichen in den Erscheinungen; der abstrahierende Verstand kann nur aus der Kombination, Vergleichung und Berechnung der Erscheinungen eine allgemeine Regel ihres Verlaufes gewinnen. Dieser Glaube Goethes an die Erkenntnisfähigkeit der Phantasie, die sich zu einem Miterleben der schaffenden Weltkräfte erhebt, ruht auf seiner ganzen Weltauffassung. Wer wie er das Naturwirken in allem sieht, der kann in dem geistigen Inhalt der menschlichen Phantasie auch nichts sehen als höhere Naturprodukte. Die Phantasiebilder sind Naturprodukte; und da sie die Natur wiedergeben, können sie nur die Wahrheit enthalten, denn sonst würde die Natur sich selbst mit diesen Abbildern belügen, die sie von sich schafft. Nur Menschen mit Phantasie können die höchste Stufe des Erkennens erreichen. Sie nennt Goethe die «Umfassenden» und «Anschauenden» im Gegensatz zu den bloß «Wißbegierigen», die auf einer niedrigeren Erkenntnisstufe stehen bleiben. «Die Wißbegierigen bedürfen eines ruhigen, uneigennützigen Blickes, einer neugierigen Unruhe, eines klaren Verstandes ...; sie verarbeiten auch nur im wissenschaftlichen Sinne dasjenige, was sie vorfinden.» «Die Anschauenden verhalten sich schon produktiv, und das Wissen, indem es sich selbst steigert, fordert, ohne es zu bemerken, das Anschauen und geht dahin über; und so sehr sich auch die Wissenden vor der Imagination kreuzigen und segnen, so müssen sie doch, ehe sie sich versehen, die produktive Einbildungskraft zu Hilfe rufen... Die Umfassenden, die man in einem stolzeren Sinne die Erschaffenden nennen könnte, verhalten sich im höchsten Sinne produktiv; indem sie nämlich von Ideen ausgehen, sprechen sie die Einheit des Ganzen schon aus, und es ist gewissermaßen nachher die Sache der Natur, sich in diese Idee zu fügen.» Wer an eine solche Erkenntnisart glaubt, dem kann es nicht beikommen, über die Eingeschränktheit der menschlichen Erkenntnis in Kantscher Weise zu sprechen. Denn das, wessen der Mensch als seine Wahrheit bedarf, das erlebt er in seinem Innern. Der Kern der Natur liegt im Innern des Menschen. Die Weltanschauung Goethes und Schillers verlangt gar nicht von der Wahrheit, daß sie eine Wiederholung der Welterscheinungen in der Vorstellung sei, daß also die letztere im wörtlichen Sinne mit etwas außer dem Menschen übereinstimme. Das, was im Menschen erscheint, ist als solches, als Ideelles, als geistiges Sein, in keiner Außenwelt vorhanden; aber es ist dasjenige, was als Gipfel alles Werdens zuletzt erscheint. Deshalb braucht für diese Weltanschauung die Wahrheit nicht allen Menschen in der gleichen Gestalt zu erscheinen. Sie kann in jedem einzelnen ein individuelles Gepräge tragen. Wer die Wahrheit in der Übereinstimmung mit einem Äußeren sucht, für den gibt es nur eine Form derselben, und er wird mit Kant nach derjenigen «Metaphysik» suchen, die allein «als Wissenschaft wird auftreten können. Wer in der Wahrheit die höchste Frucht alles Daseins sieht, dasjenige, in dem das «Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern» würde (Goethe, in seinem Aufsatz über Winkelmann), der kann mit Goethe sagen: «Kenne ich mein Verhältnis zu mir selbst und zur Außenwelt, so heiß ich's Wahrheit. Und so kann jeder seine eigene Wahrheit haben, und es ist doch immer dieselbige.» Nicht in dem, was uns die Außenwelt liefert, liegt das Wesen des Seins, sondern in dem, was der Mensch in sich erzeugt, ohne daß es schon in der Außenwelt vorhanden ist. Goethe wendet sich daher gegen diejenigen, die durch Instrumente und objektive Versuche in das sogenannte «Innere der Natur dringen wollen, denn «der Mensch an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden Sinne bedient, ist der größte und genaueste physikalische Apparat, den es geben kann, und ist eben das größte Unheil der neueren Physik, daß man die Experimente gleichsam vom Menschen abgesondert hat, und bloß in dem, was künstliche Instrumente zeigen, die Natur erkennen, ja, was sie leisten kann, dadurch beschränken und beweisen will.» Dafür «steht ja aber der Mensch so hoch, daß sich das sonst Undarstellbare in ihm darstellt. Was ist denn eine Saite und alle mechanische Teilung derselben gegen das Ohr des Musikers? Ja, man kann sagen, was sind die elementaren Erscheinungen der Natur selbst gegen den Menschen, der sie alle bändigen und modifizieren muß, um sie sich einigermaßen assimilieren zu können.»

[ 53 ] Goethe spricht seinem Weltbilde gegenüber weder von einem bloßen begrifflichen Erkennen, noch von einem Glauben, sondern von einem Schauen im Geiste. An Jacobi schreibt er: «Du hältst aufs Glauben an Gott; ich aufs Schauen.» Dieses Schauen im Geiste tritt so, wie es hier gemeint ist, in die Weltanschauungsentwickelung ein als diejenige Seelenkraft, welche einem Zeitalter entspricht, dem der Gedanke nicht mehr das ist, was er dem griechischen Denker war; dem er vielmehr als ein Erzeugnis des Selbstbewußtseins sich zu erkennen gibt; aber als ein solches, welches dadurch gewonnen wird, daß sich dieses Selbstbewußtsein innerhalb der geistig in der Natur schaffenden Mächte weiß. Goethe ist der Repräsentant einer Weltanschauungsepoche, welche sich gedrängt fühlt, vom bloßen Denken zum Schauen überzugehen. Schiller bemüht sich, diesen Übergang Kant gegenüber zu rechtfertigen.


[ 54 ] Der innige Bund, der durch Goethe, Schiller und ihre Zeitgenossen zwischen Dichtung und Weltanschauung geschlossen wurde, hat der letzteren im Anfange unseres Jahrhunderts das leblose Gepräge genommen, in das sie kommen muß, wenn sie sich allein in der Region des abstrahierenden Verstandes bewegt. Dieser Bund hat als sein Ergebnis den Glauben gezeitigt, daß es ein persönliches, ein individuelles Element in der Weltanschauung gibt. Dem Menschen ist möglich, sich sein Verhältnis zur Welt seiner Eigenart gemäß zu schaffen, und doch in die Wirklichkeit, nicht in eine bloß phantastische Schemenwelt unterzutauchen. Sein Ideal braucht nicht das Kantsche, eine ein für allemal abgeschlossene theoretische Anschauung nach dem Muster der Mathematik, zu sein. Nur aus der geistigen Atmosphäre einer solchen, die menschliche Individualität erheben den Überzeugung kann eine Vorstellung wie diejenige Jean Pauls (1763-1825) geboren werden: «Das Herz des Genies, welchem alle anderen Glanzund Hilfskräfte nur dienen, hat und gibt ein echtes Kennzeichen, nämlich neue Welt- und Lebensanschauung.» Wie könnte es das Kennzeichen des höchst entwickelten Menschen, des Genies, sein, eine neue Weltund Lebensanschauung zu schaffen, wenn es nur eine wahre, allgemein gültige Weltanschauung gäbe, wenn die Vorstellungswelt nur eine Gestalt hätte? Jean Paul ist auf seine Art ein Verteidiger der Goetheschen Ansicht, daß der Mensch im Innern die höchste Form des Daseins erlebt. Er schreibt an Jacobi: «Eigentlich glauben wir doch nicht die göttliche Freiheit, Gott, Tugend, sondern wir schauen sie wirklich als schon gegeben oder sich gebend, und dieses Schauen ist eben ein Wissen, und ein höheres, indes das Wissen des Verstandes sich bloß auf ein niederes Schauen bezieht. Man könnte die Vernunft das Bewußtsein des alleinigen Positiven nennen, denn alles Positive der Sinnlichkeit löst sich zuletzt in das der Geistigkeit auf, und der Verstand treibt sein Wesen ewig bloß mit dem Relativen, das an sich nichts ist, daher vor Gott das Mehr oder Minder und alle Vergleichsstufen wegfallen.» Das Recht, die Wahrheit im Innern zu erleben und dazu alle Seelenkräfte, nicht bloß den logischen Verstand in Bewegung setzen zu dürfen, will sich Jean Paul durch nichts rauben lassen. «Das Herz, die lebendige Wurzel des Menschen, soll mir die Transzendentalphilosophie (Jean Paul meint die an Kant sich anschließende Weltansicht) nicht aus der Brust reißen und einen reinen Trieb der Ichheit an die Stelle setzen, ich lasse mich nicht befreien von der Abhängigkeit der Liebe, um allein durch Hochmut selig zu werden.» So weist er die weltfremde moralische Ordnung Kants zurück. «Ich bleibe dabei, daß es, wie vier letzte, so vier erste Dinge gebe: Schönheit, Wahrheit, Sittlichkeit und Seligkeit, und daß die Synthese davon nicht nur notwendig, sondern auch schon gegeben sei, nur aber (und darum ist sie eben eine) in unfaßbarer geistig-organischer Einheit, ohne welche wir an diesen vier Evangelisten oder Weltteilen gar kein Verständnis und keinen Übergang finden können.» Die mit äußerster logischer Strenge verfahrende Kritik des Verstandes war in Kant und Fichte so weit gekommen, die selbständige Bedeutung des Wirklichen, Lebensvollen zu einem bloßen Schein, zu einem Traumbild herabzusetzen. Diese Anschauung war für phantasievolle Menschen, die das Leben um die Gestalten ihrer Einbildungskraft bereicherten, unerträglich. Diese Menschen empfanden die Wirklichkeit, sie war in ihrem Wahrnehmen, in ihrer Seele gegenwärtig; und sie sollten sich deren bloße Traumhaftigkeit beweisen lassen. «Die Fenster der philosophischen Auditorien sind zu hoch, als daß sie auf die Gassen des wirklichen Lebens eine Aussicht gewähren, sagt daher Jean Paul.

[ 55 ] Fichte strebte nach reinster, höchster erlebter Wahrheit. Er entsagte allem Wissen, das nicht aus dem eigenen Innern entspringt, weil nur aus diesem Gewißheit entspringen kann. Die Gegenströmung zu seiner Weltanschauung bildet die Romantik. Fichte läßt nur die Wahrheit gelten, und das Innere des Menschen nur insofern, als es die Wahrheit offenbart; die romantische Weltanschauung läßt nur das Innere gelten, und erklärt alles für wahrhaft wertvoll, was aus diesem Innern entspringt. Das Ich soll durch nichts Äußeres gefesselt sein. Alles was es schafft, hat seine Berechtigung.

[ 56 ] Man darf von der Romantik sagen, daß sie den Schillerschen Satz: «Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt» bis zu seinen äußersten Konsequenzen verfolgte. Sie will die ganze Welt zu einem Reich des Künstlerischen machen. Der vollentwickelte Mensch kennt keine andere Norm als die Gesetze, die er mit frei waltender Einbildungskraft ebenso schafft wie der Künstler diejenigen, die er seinem Werke einprägt. Er erhebt sich über alles, was ihn von außen bestimmt, und lebt ganz aus sich heraus. Die ganze Welt ist ihm nur ein Stoff für sein ästhetisches Spiel. Der Ernst des Alltagsmenschen ist nicht in der Wahrheit wurzelnd. Die erkennende Seele kann die Dinge nicht an sich ernst nehmen, denn sie sind ihr nicht an sich wertvoll. Sie ist es vielmehr selbst, die ihnen einen Wert verleiht. Die Stimmung des Geistes, der sich dieser seiner Souveränität gegenüber den Dingen bewußt ist, nennen die Romantiker die ironische. Karl Wilhelm Ferdinand Solger (1780-1819) hat von der romantischen Ironie die Erklärung gegeben: «Es muß der Geist des Künstlers alle Richtungen in einem alles überschauenden Blick zusammenfassen, und diesen über allem schwebenden, alles vernichtenden Blicknennen wir Ironie. »Friedrich Schlegel (1772-1829), einer der Stimmführer der romantischen Geistesrichtung, sagt von der ironischen Stimmung, daß sie «alles übersieht und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über einige Kunst, Tugend oder Genialität». Wer in dieser Stimmung lebt, fühlt sich durch nichts gebunden; nichts bestimmt ihm die Richtung seines Tuns. Er kann «nach Belieben philosophisch oder philologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern sich stimmen». Der ironische Geist erhebt sich über eine Wahrheit, die sich von der Logik fesseln lassen will; er erhebt sich aber auch über eine ewige, moralische Weltordnung. Denn nichts sagt ihm, was er tun soll, als allein er selbst. Was ihm gefällt, soll der Ironiker tun; denn seine Sittlichkeit kann nur eine ästhetische sein. Die Romantiker sind die Erben des Fichteschen Gedankens von der Einzigkeit des Ich. Aber sie wollten dieses Ich nicht mit Vernunftideen und mit einem moralischen Glauben erfüllen wie Fichte, sondern beriefen sich vor allem auf die freieste, durch nichts gebundene Seelenkraft, auf die Phantasie. Das Denken wurde bei ihnen völlig von dem Dichten aufgesogen. Novalis sagt: «Es ist recht übel, daß die Poesie einen besonderen Namen hat und die Dichter eine besondere Zunft ausmachen. Es ist gar nichts Besonderes. Es ist die eigentümliche Handlungsweise des menschlichen Geistes.Dichtet und trachtet nicht jeder Mensch in jeder Minute?» Das allein mit sich beschäftigte Ich kann zu der höchsten Wahrheit kommen: «Es dünkt dem Menschen, als sei er in einem Gespräch begriffen und irgendein unbekanntes geistiges Wesen veranlasse ihn auf eine wunderbare Weise zur Entwicklung der evidentesten Gedanken.» Im Grunde wollten die Romantiker nichts anderes, als was auch Goethe und Schiller zu ihrem Bekenntnis gemacht haben: eine Ansicht über den Menschen, die diesen so vollkommen, so frei wie möglich erscheinen läßt. Novalis erlebt seine Dichtungen und Betrachtungen aus einer Seelenstimmung heraus, welche sich zum Bilde der Welt verhält wie die Fichtesche. Aber Fichtes Geist wirkt in den scharfen Konturen reiner Begriffe; der Novalis' aus der Fülle eines Gemütes, welches da empfindet, wo andere denken, da in Liebe lebt, wo andere in Ideen die Wesen und Vorgänge der Welt umfassen wollen. Das Zeitalter sucht in seinen Repräsentanten die höhere Geistnatur hinter der äußeren Sinnenwelt, jene Geistnatur, in welcher die selbstbewußte Seele wurzelt, die nicht in der äußeren Sinnenwirklichkeit wurzeln kann. Novalis erfühlt, erlebt sich in der höheren Geistnatur. Was er ausspricht, fühlt er durch die ihm ursprüngliche Genialität wie die Offenbarungen dieser Geistnatur selbst. Er notiert sich:

«Einem gelang es er hob den Schleier der Göttin zu Sais—
aber was sah er? er sah Wunder der Wunder sich selbst.»

Novalis gibt sich, wie er das geistige Geheimnis hinter der Sinnenwelt fühlt und das menschliche Selbstbewußtsein als das Organ, durch welches dieses Geheimnis sagt: Das bin ich, wenn er dieses sein Fühlen so ausdrückt: «Die Geisterwelt ist uns in der Tat schon aufgeschlossen, sie ist immer offenbar. Würden wir plötzlich so elastisch, als es nötig wäre, so sähen wir uns mitten unter ihr.»

The age of Kant and Goethe

[ 1 ] At the end of the eighteenth century, those who struggled for clarity on the great questions of worldview and outlook on life looked up to two intellectual authorities, Kant and Goethe. One of those who struggled most mightily for such clarity was Johann Gottlieb Fichte. When he became acquainted with Kant's "Critique of Practical Reason", he wrote: "I live in a new world ... Things that I believed could never be proven to me, for example the concept of absolute freedom, of duty, etc., have been proven to me, and I feel all the happier for it. It is incomprehensible what respect for humanity, what strength this system gives us! ... What a blessing for an age in which morality had been destroyed from its foundations and the concept of duty had been crossed out of all dictionaries." And when he had built up his own view in his "Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre" on the basis of Kant's, he sent the book to Goethe with the words: "I regard you, and have always regarded you, as the representative of the purest spirituality of feeling at the presently attained stage of humanity. Philosophy rightly turns to you. Your feeling is the same touchstone." Schiller stood in a similar relationship to both spirits. He wrote about Kant on October 28, 1794: "It does not frighten me at all to think that the law of change, before which no human and no divine work finds grace, will also destroy the form of this (Kant's) philosophy as well as any other; but the foundations of it will not have to fear this fate, for as old as the human race is, and as long as there has been reason, it has been tacitly recognized and acted upon as a whole." Schiller described Goethe's view in a letter to him on August 23, 1794: "I have long watched the course of your mind, albeit from quite a distance, and have noted the path you have marked out for yourself with ever renewed admiration. You seek what is necessary in nature, but you seek it in the most difficult way, from which every weaker force will probably be wary. You take the whole of nature together in order to shed light on the individual; in the totality of its manifestations you seek the ground of explanation for the individual. If you had been born as a Greek, indeed only as an Italian, and had been surrounded from the cradle by an exquisite nature and an idealizing art, your path would have been infinitely shortened, perhaps made entirely superfluous. Already in your first view of things you would then have absorbed the form of the necessary, and with your first experiences the great style would have developed in you. Now, since you were born a German, since your Greek spirit was thrown into this Nordic creation, you had no choice but either to become a Nordic artist yourself, or to replace your imagination with what reality withheld from it through the help of the power of thought, and thus to give birth to a Greece from within and in a rational way."

[ 2 ] Kant and Goethe, seen from the present, can be regarded as spirits in whom the development of the worldview of modern times reveals itself, as in an important moment of its process of becoming, in that these spirits intensely perceive the riddles of existence that had previously prepared themselves more in the subsoil of the soul's life.

[ 3 ] In order to illustrate the effect of the former on his age, let us cite the statements of two men about him who were at the height of education in their time. Jean Paul wrote to a friend in 1788: "For heaven's sake, buy yourself two books, Kant's Groundwork for a Metaphysics of Morals and Kant's Critique of Practical Reason. Kant is not a light of the world, but a whole shining solar system at once." And Wilhelm von Humboldt says: "Kant undertook and accomplished the greatest work that philosophizing reason has perhaps ever owed to a single man... Three things remain unmistakably certain if one wants to determine the fame that Kant brought to his nation, the benefit that he conferred on speculative thought: some of the things he shattered will never rise again, some of the things he founded will never sink again, and most importantly, he brought about a reform unlike any other in the entire history of human thought."

[ 4 ] You can see that his contemporaries saw in Kant's deed a shattering effect within the development of the world view. However, he himself considered it so important for this development that he equated its significance with that of Copernicus' discovery of planetary motion for the knowledge of nature.

[ 5 ] Some phenomena of the development of the world view in the preceding periods continue to have an effect on Kant's thinking and are transformed in it into puzzling questions that determine the character of his world view. Whoever perceives the characteristic peculiarities in Kant's writings that are most significant for this view will immediately recognize as one of them a special appreciation that Kant accords to the mathematical way of thinking. What is recognized as mathematical thinking recognizes, carries within itself the certainty of its truth, Kant feels. That man can have mathematics proves that he can have truth. Whatever one may doubt, one cannot doubt the truth of mathematics.

[ 6 ] With this appreciation of mathematics, the attitude of the more recent development of the worldview that shaped Spinoza's imaginative circles emerges in Kant's soul. Spinoza wants to construct his series of ideas in such a way that they develop strictly apart like the links of mathematical science. Nothing other than mathematical thought provides the firm foundation on which, in Spinoza's sense, the human ego, feeling itself in the spirit of the modern age, knows itself to be secure. Descartes, from whom Spinoza received much inspiration, thought in the same way. He had to draw support for his worldview from doubt. Descartes could not see such a support in the mere reception of a thought in the soul. This Greek way of approaching the world of thought is no longer possible for modern man. Something must be found in the self-conscious soul to support the thought. For Descartes, and again for Spinoza, it is the fulfillment of the requirement that the soul must relate to thought as it relates to the mathematical mode of representation. Descartes felt secure in all of this, because it seemed to him to have the same clarity that is inherent in mathematics. This same attitude led Spinoza to form a world view in which everything, like the mathematical laws, works with strict necessity. The one divine substance, which pours itself out with mathematical regularity into all world beings, only accepts the human ego if it loses itself completely in it, if it allows its self-consciousness to be absorbed in its world-consciousness. This mathematical attitude, which arises from the longing of the "I" for a security that it needs for itself, leads this "I" to a world view in which it has lost itself, its independent existence in a spiritual world reason, its freedom and its hope for an independent eternal existence by striving for its security.

[ 7 ] Leibniz's thinking moved in the opposite direction. For him, the human soul is the independent, strictly self-contained monad. But this monad only experiences what is within it; the world order that presents itself "as if from outside" is only an illusion. Behind it lies the true world, which consists only of monads, and whose order is the predetermined (pre-stabilized) harmony that does not present itself in observation. This world view leaves the human soul its independence, its independent existence in the universe, its freedom and the hope of an eternal significance in the development of the world; but if it remains true to itself, it can basically do no other than assert that everything it recognizes is only itself, that it cannot emerge from the self-conscious ego, and that the universe in its truth cannot be revealed to it from outside.

[ 8 ] For Descartes and Leibniz, the convictions acquired by religious means were still so strongly effective that both adopted them into their world view for other reasons than those given to them by the supports of this world view itself. For Descartes, the view of the spiritual world, which he had acquired by religious means, crept into his world view; for him it unconsciously permeated the rigid mathematical necessity of his world order, and so he did not feel that his world view basically extinguished his "I". In the same way, Leibniz's religious impulses were at work, and he therefore failed to realize that he had no possibility of finding anything other than the content of his own soul in his view of the world. He did believe that he could accept the spiritual world outside the "I". Spinoza drew the consequences of his world view through a major move in his personality. In order to have the security for this world view that self-consciousness demanded, he resigned himself to the independence of this self-consciousness and found bliss in feeling himself to be a member of the one divine substance. Looking at Kant, one must raise the question: How must he have felt about the worldviews that had created their outstanding representatives in Descartes, Spinoza and Leibniz? For all the soul impulses that had worked in these three were at work in him. And they acted on each other in his soul and brought about the mysteries of the world and of humanity that imposed themselves on him. A look at the intellectual life of Kant's age gives an indication of the way Kant felt about these riddles. This intellectual life appears in a significant symptom in Lessing's (1729-1781) position on worldview issues. Lessing summarized his creed in the words: "The development of revealed truths into rational truths is absolutely necessary if the human race is to be helped by them." The eighteenth century has been called the Enlightenment. The minds of Germany understood the Enlightenment in the sense of Lessing's saying. Kant explained the Enlightenment as the "exit of man from his self-inflicted immaturity" and described it as its motto: "Have the courage to use your own intellect." Now, even such outstanding thinkers as Lessing had initially not progressed any further through the Enlightenment than an intellectual transformation of the doctrines of faith handed down from the state of "self-imposed immaturity". They did not advance to a pure rational view like Spinoza. Spinoza's teaching must have made a deep impression on such minds when it became known in Germany. Spinoza had really tried to make use of his own reason, but had come to completely different conclusions than the German Enlightenment thinkers. His influence must have been all the more significant because his mathematically based conclusions were much more convincing than Leibniz's world view, which had an effect on the minds of that age in the way it had been "developed" by Wolff. Goethe's "Dichtung und Wahrheit" (Poetry and Truth) gives us an idea of the effect of this school of thought, which worked through Wolff's ideas, on deeper minds. He tells of the impression that Professor Winkler's lectures in Leipzig, held in the spirit of Wolff, made on him: "At first I attended my collegia diligently and faithfully; philosophy, however, did not want to enlighten me at all. In logic it seemed strange to me that I should have to pull apart, separate and, as it were, destroy those mental operations which I had performed with the greatest comfort from my youth in order to understand the right use of them. I thought I knew about as much about things, about the world, about God, as the teacher himself, and it seemed to me that in more than one place there was a great lack." In contrast, the poet tells us about his occupation with Spinoza's writings: "I surrendered to this reading and believed, by looking at myself, that I had never seen the world so clearly." But only a few were able to surrender to Spinoza's way of thinking as unselfconsciously as Goethe. For most of them, it must have caused a deep conflict in their view of the world. Goethe's friend Fr. H. Jacobi is a representative of this. He believed that he had to admit that reason left to itself did not lead to the doctrines of faith, but to the view that Spinoza had arrived at, that the world is governed by eternal, necessary laws. Thus Jacobi was faced with a momentous decision: either he had to trust his reason and abandon the doctrines of faith, or, in order to retain the latter, he had to deny reason itself the possibility of arriving at the highest insights. He chose the latter. He maintained that man had an immediate certainty in his innermost mind, a sure faith, by virtue of which he felt the truth of the idea of a personal God, of the freedom of the will and of immortality, so that this conviction was quite independent of the insights of reason based on logical deductions, which do not relate to these things at all, but only to the external processes of nature. In this way, Jacobi dismissed reasonable knowledge in order to make room for a faith that satisfies the needs of the heart. Goethe, who was not very pleased by this dethroning of knowledge, wrote to his friend: "God has punished you with metaphysics and put a stake in your flesh, blessed me with physics. I adhere to the atheist's (Spinoza's) worship of God and leave to you whatever you may call religion. You hold to believing in God; I to seeing." The Enlightenment ultimately presented minds with the choice of either replacing revealed truths with the truths of reason in the Spinozist sense, or declaring war on rational knowledge itself.

[ 9 ] And Kant was also faced with this choice. How he approached it and decided on it can be seen from the clear statement in the preface to the second edition of his "Critique of Pure Reason": "Suppose now that morality necessarily presupposes freedom (in the strictest sense) as a property of our will, by citing practical principles lying in our reason ... which would be utterly impossible without the presupposition of freedom, but speculative reason had proved that this could not be conceived at all, then that presupposition, namely the moral one, must necessarily give way to that whose opposite contains an obvious contradiction, consequently freedom and with it morality ... give way to the natural mechanism. But since I need nothing more for morality than that freedom does not contradict itself and can therefore at least be thought without needing to understand it further, that it therefore places no obstacle at all in the way of the natural mechanism of the same action (taken in another respect), the doctrine of morality claims its place, . ... which, however, would not have taken place if criticism had not first instructed us of our inevitable ignorance in regard to things in themselves, and restricted all that we can theoretically recognize to mere appearances. This very discussion of the positive utility of critical principles of pure reason can be shown with regard to the concept of God and the simple nature of our soul, which I shall pass over for the sake of brevity. I cannot therefore even accept God, freedom and immortality for the sake of the necessary practical use of my reason, if I do not at the same time deprive speculative reason of its presumption of exuberant insights... I therefore had to abolish knowledge in order to make room for faith ..." As you can see, Kant stands on similar ground to Jacobi with regard to knowledge and faith.

[ 10 ] The path by which Kant arrived at his results was through the world of thought of Hume. With him he found the view that the things and processes of the world do not reveal any mental connections to the human soul, that the human mind only habitually imagines such connections when it perceives the world things and world processes in space and time side by side and one after the other. That the human mind does not receive from the world what appears to be knowledge: this opinion of Hume's made an impression on Kant. The thought arose for him as a possibility: the knowledge of the human mind does not come from the reality of the world.

[ 11 ] Through Hume's explanations, Kant was awakened from the slumber into which, according to his own confession, the Wolffian school of thought had put him. How can reason make judgments about God, freedom and immortality if its statements about the simplest facts rest on such uncertain foundations? The onslaught that Kant now had to make against rational knowledge was much more far-reaching than that of Jacobi. The latter had at least been able to leave knowledge the possibility of comprehending nature in its necessary context. Now Kant accomplished an important deed in the field of knowledge of nature with his "General Natural History and Theory of the Heavens", published in 1755. He believed that he had shown that our entire planetary system could be imagined to have arisen from a ball of gas moving around its axis. Through strictly necessary mathematical and physical forces, the sun and planets condensed within this structure and assumed the movements they have in accordance with the teachings of Copernicus and Kepler. Kant thus believed that the fruitfulness of the Spinozistic way of thinking, according to which everything takes place with strict mathematical necessity, had been proven by his own great discovery in a special field. He was so convinced of this fruitfulness that he exclaimed in the aforementioned work: "Give me matter, and I will build you a world out of it." And the unconditional certainty of mathematical truths was so firm for him that he asserted in his "The Foundations of Natural Science" that a real science is only one in which the application of mathematics is possible. If Hume were right, there could be no question of certainty in mathematical and scientific knowledge. For then these insights would be nothing but habits of thought that man has acquired because he has seen the course of the world play out in their sense. But there would not be the slightest certainty that these habits of thought have anything to do with the lawful connection of things. Hume draws the following conclusion from his premises: "Phenomena are continually changing in the world, and one follows another in uninterrupted succession; but the laws and forces which move the universe are entirely hidden from us, and do not manifest themselves in any perceptible property of bodies ..." Thus, if we place Spinoza's view of the world in the light of Hume's view, we must say: According to the perceived course of world processes, man has become accustomed to think of them in a necessary, lawful connection; but he must not claim that this connection is more than a mere habit of thought. If this were true, then it would only be a delusion of human reason that it could gain any insight into the nature of the world through itself. And Hume could not be contradicted when he says of any worldview derived from pure reason: "Cast it into the fire, for it is nothing but a delusion and a sham."

[ 12 ] It was impossible for Kant to adopt this conclusion of Hume's as his own. For him, as we have seen, the certainty of scientific and mathematical knowledge was absolutely certain. He did not want to allow this certainty to be touched, but nevertheless could not escape the realization that Hume was right when he said: "We gain all knowledge about real things only by observing them and, on the basis of observation, forming ideas about their connection. If there is a lawful connection in things, then we must also extract it from them. But what we extract from things we know no more about than that it has been so up to now; but we do not know whether such a connection is really so interwoven with the nature of things that it cannot change at any time. If we form one view of the world on the basis of our observations today, phenomena may occur tomorrow that force us to adopt a completely different one. If we drew all our knowledge from things, there would be no certainty. But there is certainty, says Kant. Mathematics and natural science prove it. Kant wanted to accept from Hume the view that the world does not give the human mind its knowledge; he did not want to draw the conclusion that this knowledge does not contain certainty and truth. Thus Kant was faced with the shattering question: How is it possible for man to have true and certain knowledge and yet know nothing of the reality of the world itself? And Kant found an answer that saved the truth and certainty of human knowledge by sacrificing human insight into the foundations of the world. Our reason could never claim that anything in a world that is spread out beyond us and that we only allow to affect us through observation is certain. Consequently, our world can only be one that we ourselves construct: a world that lies within our mind. I do not know what goes on outside me while a stone falls and hollows out the earth. The law of this whole process takes place within me. And it can only take place within me as dictated by the laws of my own spiritual organism. The constitution of my spirit demands that every effect has a cause, and that twice two is four. And according to this arrangement the spirit builds up a world. May the world outside us be built as it always has been, may it not even today resemble yesterday in any way: this cannot affect us; for our spirit creates its own world according to its own laws. As long as the human mind is the same, it will proceed in the same way when creating its world. Mathematics and natural science do not contain laws of the outside world, but those of our spiritual organism. Therefore, we only need to explore this if we want to know what is absolutely true. "The mind does not draw its laws from nature, but prescribes them to it." Kant summarizes his conviction in this sentence. However, the mind does not create its inner world without impulse or impression from outside. When I feel a red color, the "red" is indeed a state, a process within me; but I must have a cause for feeling "red". So there are "things in themselves". However, we know nothing about them except that they exist. Everything we observe are phenomena within us. In order to save the certainty of mathematical and scientific truths, Kant thus incorporated the entire world of observation into the human mind. In doing so, however, he also set insurmountable limits to the faculty of knowledge. For everything that we can recognize does not refer to things outside us, but to processes within us, to appearances, as he puts it. However, the objects of the highest questions of reason: God, freedom and immortality, can never appear. We see appearances within us; we cannot know whether they originate from a divine being outside us. We can perceive our own soul states. But these too are only appearances. Whether there is a free immortal soul behind them remains hidden from our knowledge. Our knowledge says nothing at all about these "things in themselves". It says nothing about whether the ideas about them are true or false. If we hear something about these things from another side, there is nothing to prevent us from assuming their existence. But we cannot know anything about them. There is now an access to these highest truths. And that is the voice of duty, which speaks loud and clear within us: Youshall do this and that. This "categorical imperative" imposes an obligation on us that we cannot escape. But how would we be able to fulfill such an obligation if we did not have free will? We cannot know the nature of our soul, but we must believe that it is free so that it can fulfill its inner voice of duty. We therefore have no certainty of knowledge about freedom as we do about the objects of mathematics and natural science; but we do have a moral certainty. Following the categorical imperative leads to virtue. Through virtue alone can man achieve his destiny. He becomes worthy of bliss. He must therefore also be able to achieve happiness. For otherwise his virtue would be without meaning and significance. But for bliss to be linked to virtue, there must be a being that makes this bliss a consequence of virtue. This can only be an intelligent being, God, who determines the highest value of things. Through the existence of virtue, its effect, bliss, is guaranteed to us and through this again the existence of God. And because a sensual being, such as man is, cannot attain perfect bliss in this imperfect world, his existence must extend beyond this sensual existence, that is, the soul must be immortal. So what we cannot know, Kant conjures up from the moral belief in the voice of duty. Respect for the sense of duty was what re-established a real world for him when, under Hume's influence, the world of observation sank to a mere inner world. This respect is expressed in beautiful words in his "Critique of Practical Reason": "Duty! thou sublime, great name, who dost not hold in thyself anything popular that leads to ingratiation, but dost demand submission", who dost "lay down a law ... before which all inclinations fall silent, even if they secretly work against it ..." Kant considered it his discovery that the highest truths are not cognitive truths, but moral truths. Man must forego insights into a supersensible world; his moral nature provides him with a substitute for knowledge. It is no wonder that Kant sees unconditional, unreserved devotion to duty as the highest demand on man. If duty did not offer him a view beyond the world of the senses, he would be enclosed in it for the rest of his life. Whatever the world of the senses demands, it must take a back seat to the demands of duty. And the world of the senses cannot of itself agree with duty. It wants the pleasant, the pleasure. Duty must confront them so that man can fulfill his destiny. What man accomplishes out of pleasure is not virtuous; only what he accomplishes in selfless devotion to duty is virtuous. Subdue your desires to duty: that is the strict task of Kant's moral doctrine. Want nothing that satisfies you in your selfishness, but act in such a way that the principles of your actions may become those of all men. Man achieves perfection in his devotion to the moral law. The belief that this moral law hovers in sublime heights above all other world events and is realized in the world by a divine being is, in Kant's opinion, true religion. It springs from morality. Man should not be good because he believes in a God who wills the good; he should be good solely out of a sense of duty; but he should believe in God because duty is meaningless without God. This is "religion within the limits of mere reason"; this is what Kant calls his book on religious worldview.

[ 13 ] Since the rise of the natural sciences, the path they have taken has given rise to the feeling in many people that everything that does not bear the character of strict necessity must be removed from the image that thinking forms of nature. Kant also had this feeling. In his "Natural History of the Heavens" he even sketched such a picture for a certain area of nature that corresponds to this feeling. In such a picture there is no place for the idea of the self-conscious ego which eighteenth-century man had to make for himself. Platonic and Aristotelian thought could be regarded as the revelation both of nature, as it had to be taken in the age of its activity, and of the human soul. Nature and soul met in the life of thought. From the image of nature, as the research of the new age seems to demand, nothing leads to the idea of the self-conscious soul. Kant had the feeling that the image of nature offered him nothing on which he could base the certainty of self-consciousness. This certainty had to be created. For modern times had presented the self-conscious ego to man as a fact. The possibility of recognizing this fact had to be created. But everything that the mind can recognize as knowledge devours the image of nature. Thus Kant feels compelled to create something for the self-conscious ego and also for the intellectual world associated with it that is not knowledge and yet gives certainty.

[ 14 ] Kant made selfless devotion to the voice of the spirit the foundation of morality. In the field of virtuous action, such devotion is not compatible with that to the world of the senses. There is, however, a field in which the sensual is so elevated that it appears as a direct expression of the spiritual. This is the field of beauty and art. In everyday life we desire the sensual because it arouses our desire, our selfish interest. We desire that which gives us pleasure. But we can also have a selfless interest in an object. We can stand before it in admiration, full of blissful pleasure, and this pleasure can be completely independent of the possession of the object. Whether I want to own a beautiful house that I pass by has nothing to do with a selfless interest in its beauty. If I exclude all desire from my feelings, something remains, a pleasure that is purely linked to the beautiful work of art. Such a pleasure is an aesthetic one. The beautiful differs from the pleasant and the good. The pleasant arouses my interest because it arouses my desire; the good interests me because it is to be realized through me. I face the beautiful without any such interest connected with my person. How can beauty attract my selfless pleasure? A thing can only please me if it fulfills its purpose, if it is such that it serves a purpose. I must therefore perceive a purpose in the beautiful. Purposefulness is pleasing; purposelessness is displeasing. But since I have no interest in the reality of the beautiful object, but the mere contemplation of it satisfies me, the beautiful need not really serve a purpose. I am indifferent to the purpose, I only demand expediency. This is why Kant calls "beautiful" that in which we perceive purposefulness without thinking of a specific purpose.

[ 15 ] It is not only an explanation, it is also a justification of art that Kant has thus given. The best way to see this is to visualize how he expressed his feelings about his worldview. He expresses this in profound, beautiful words: "Two things fill the mind with ever new and increasing admiration and awe ... : the starry sky above me and the moral law within me... The former sight of an innumerable multitude of worlds destroys, as it were, my importance as an animal creature that must return the matter from which it was made to the planet (a mere point in space) after it has been endowed with life force for a short time (one does not know how). The second, on the other hand, raises my value as an intelligence infinitely through my (self-conscious and free) personality, in which the moral law reveals to me a life independent of animality and even of the whole world of the senses, at least as much as can be deduced from the purposeful determination of my existence by this law, which is not restricted to the conditions and limits of this life, but goes to infinity." The artist now implants this purposeful purpose, which in reality only reigns in the moral realm of the world, into the world of the senses. Thus the work of art stands between the realm of the world of observation, in which the eternal iron laws of necessity prevail, which the human spirit itself has first laid into it, and the realm of free sensuality, in which the commandments of duty, as the outflow of a wise divine world order, give direction and purpose. The artist enters between these two realms with his works. He takes his material from the realm of the real; but at the same time he reshapes this material in such a way that it is the bearer of a purposeful harmony, as it is found in the realm of freedom. The human spirit thus feels unsatisfied with the realm of external reality, which Kant means by the starry sky and the innumerable things of the world, and that of moral lawfulness. He therefore creates for himself a beautiful realm of appearance that combines rigid natural necessity with free expediency. Now beauty is not only found in human works of art, but also in nature. There is a natural beauty alongside the artistic beauty. This natural beauty exists without human intervention. It therefore seems as if in reality not only the rigid lawful necessity, but a free wise activity could be observed. Beauty, however, does not compel such a view. For it offers expediency without one having to think of a real purpose. And it offers not only the purposeful-beautiful, but also the purposeful-ugly. One can therefore assume that among the abundance of natural phenomena, which are connected according to necessary laws, there are also, as if by chance, those in which the human mind perceives an analogy with its own works of art. Since there is no need to think of a real purpose, such a quasi-accidental purposefulness is sufficient for the aesthetic observation of nature.

[ 16 ] The matter becomes different when we encounter beings in nature that do not carry purpose merely by chance, but really within themselves. And according to Kant, there are also such beings. They are organic beings. The necessary, lawful connections, in which Spinoza's world view is exhausted and which Kant regards as those of the human mind, are not sufficient to explain them. For an "organism is a product of nature in which everything is end and reciprocally also means, cause and reciprocally also effect". Unlike inorganic nature, the organism cannot therefore be explained by merely necessary laws of nature. This is why Kant, who in his "General Natural History and Theory of the Heavens" himself attempted to "treat the constitution and mechanical origin of the whole structure of the world according to Newtonian principles", believes that the same attempt must fail for organic beings. In his "Critique of Judgment" he asserts: "For it is quite certain that we cannot even adequately learn to know, much less explain to ourselves, organized beings and their inner possibility according to merely mechanical principles of nature; so certain, indeed, that one may boldly say that it is unrighteous for man even to conceive of such a proposition, or to hope that some day a Newton might arise who will make intelligible even the production of a blade of grass according to natural laws, which no intention has ordered; but one must deny this insight to man as such. " With Kant's view that the human mind itself creates the laws it finds in nature, another opinion about a purposefully designed being cannot be reconciled. For the purpose points to the one who placed it in the beings, to the intelligent creator of the world. If the human mind could explain a purposive being in the same way as a merely natural being, then it would also have to place the laws of purpose into things out of itself. It would therefore not only have to give things laws that apply to them insofar as they are phenomena of its inner world; it would also have to be able to prescribe their own purpose, which is completely independent of it. He would therefore not only have to be a cognizing spirit, but also a creating spirit; his reason, like the divine, would have to create things.

[ 17 ] Whoever visualizes the structure of Kant's conception of the world as outlined here will understand the strong effect it had on his contemporaries and also on posterity. For it does not touch any of the ideas that have impressed themselves on the human mind in the course of Western cultural development. It leaves God, freedom and immortality to the religious spirit. It satisfies the need for knowledge by delimiting an area within which it unconditionally recognizes certain truths. Indeed, it even accepts the opinion that human reason has a right to use not only the eternal, iron laws of nature to explain living beings, but also the concept of purpose, which points to a deliberate order in the world.

[ 18 ] But at what cost did Kant achieve all this! He has placed the whole of nature into the human spirit, and made its laws into those of this spirit itself. He expelled the higher world order entirely from nature and placed it on a purely moral basis. He drew a sharp line between the inorganic and the organic realms, and explained the former according to purely mechanical, strictly necessary laws, the latter according to purposeful ideas. Finally, he tore the realm of beauty and art completely out of its connection with the rest of reality. For the purposefulness observed in beauty has nothing to do with real purposes. It does not matter how a beautiful object enters into the context of the world; it is enough that it arouses in us the idea of the purposeful and thereby evokes our pleasure.

[ 19 ] Kant not only holds the view that human knowledge is possible insofar as the lawfulness of this knowledge stems from the self-conscious soul itself, and that certainty about this soul comes from a source other than natural knowledge: he also suggests that human knowledge must stop short of nature where, as in the living organism, thought seems to reign in the natural beings themselves. Kant thus states that he cannot conceive of thoughts which are imagined as acting in the beings of nature itself. The recognition of such thoughts presupposes that the human soul does not merely think, but thinkingly experiences the life of nature. If someone found that thoughts could not be received merely as perception, as is the case with the Platonic and Aristotelian ideas, but that thoughts could be experienced by immersing oneself in the essence of nature, then an element would again be found which could be included both in the image of nature and in the idea of the self-conscious ego. The self-conscious ego for itself finds no place in the image of nature of modern times. If the self-conscious ego fills itself with the thought not only in such a way that it knows: I have formed this, but in such a way that it recognizes in it a life of which it can know: it is also capable of realizing itself outside of me, then it can say to itself: I carry something within me that I can also find outside of me. The more recent development of the world view thus urges us to take the step of finding the thought in the self-conscious ego that is perceived as alive. Kant did not take this step: Goethe did.


[ 20 ] The contrast to Kant's view of the world was formed in all essential respects by Goethe's view. Around the same time that Kant published his Critique of Pure Reason, Goethe laid down his creed in the hymn in prose "Nature", in which he placed man entirely within nature and made it, which rules independently of him, both its own and his lawgiver. Kant took the whole of nature into the human spirit, Goethe saw everything human as a member of this nature; he added the human spirit to the natural world order. "Nature! We are surrounded and embraced by it, unable to step out of it and unable to enter deeper into it. Uninvited and unwarned, she takes us into the cycle of her dance and carries us along until we are weary and fall from her arms. ... People are all in her, and she in all of them. ... Even the most unnatural is nature, even the clumsiest philistinism has something of her genius. ... One obeys her laws, even if one resists them; one works with her, even if one wants to work against her. ... It is everything. She rewards herself and punishes herself, delights and tortures herself. ... She put me in, she will also lead me out. I trust myself to her. She may switch gears with me; she will not hate her work. I did not speak of her; no, what is true and what is false, she has spoken everything. Everything is her fault, everything is her merit." This is the antithesis of Kant's world view. For Kant, nature is entirely in the human spirit; for Goethe, the human spirit is entirely in nature, because nature itself is spirit. It is therefore only too understandable when Goethe says in the essay "Influence of Recent Philosophy": "Kant's Critique of Pure Reason ... was completely outside my circle. However, I attended many a conversation about it, and with some attention I was able to notice that the old main question was renewing itself: how much does our self and how much does the outside world contribute to our spiritual existence? I had never separated the two, and when I philosophized in my own way about objects, I did so with unconscious naivety and really believed that I saw my opinions before my eyes." In this view of Goethe's position towards Kant, we need not be disturbed by the fact that the former passed many a favorable judgment on the Königsberg philosopher. For this contrast would only have become completely clear to him if he had engaged in a detailed study of Kant. But he did not. In the above-mentioned essay, he says: "It was the entrance that appealed to me; I could not venture into the labyrinth itself; sometimes the gift of poetry, sometimes common sense hindered me, and I felt nowhere bettered." However, he once expressed the contrast sharply in a note that was only published from his estate by the Weimar Goethe Edition (Weimarische Ausgabe, 2. Abteilung, Band XI, 5. 377). According to Goethe, Kant's fundamental error consisted in the fact that he "regards the subjective faculty of knowledge itself as an object and distinguishes the point where subjective and objective meet sharply, but not quite correctly". Goethe is precisely of the opinion that in the subjective human faculty of cognition it is not merely the spirit as such that expresses itself, but that it is spiritual nature itself that has created an organ in man through which it allows its secrets to be revealed. It is not man who speaks about nature, but nature speaks about itself in man. That is Goethe's conviction. Thus Goethe could say: As soon as the dispute about Kant's view of the world "came up, I was happy to take the side that did man the most honor, and gave complete approval to all friends who, with Kant, maintained that although all our knowledge begins with experience, it does not therefore all spring from experience. For Goethe believed that the eternal laws according to which nature proceeds are revealed in the human spirit; but for him they were therefore not the subjective laws of this spirit, but the objective laws of the natural order itself. This is why he could not agree with Schiller when, under Kant's influence, he erected a harsh dividing wall between the realm of natural necessity and that of freedom. He speaks of this in the essay "First Acquaintance with Schiller": "Kant's philosophy, which elevates the subject so high by seeming to constrict it, he had gladly absorbed; it developed the extraordinary that nature had placed in his being, and he, in the highest feeling of freedom and self-determination, was ungrateful to the great mother, who certainly did not treat him like a stepmother. Instead of regarding her as independent, living, producing law from the deepest to the highest, he took her from the side of some empirical human naturalities." And in the essay "Influence of Recent Philosophy", he indicates the contrast to Schiller with the words: "He preached the gospel of freedom, I did not want the rights of nature to be abridged." There was something of Kant's way of thinking in Schiller; but for Goethe it is true what he says with regard to conversations he had with Kantians: "They heard me well, but could neither answer me nor be of any help. More than once I encountered one or the other admitting with smiling astonishment that it was, of course, an analog of Kant's way of thinking, but a strange one."

[ 21 ] In art and beauty, Goethe did not see a realm torn from its real context, but a higher level of natural lawfulness. On seeing artistic creations that particularly interested him, he wrote down the following words during his trip to Italy: "The high works of art, like the highest works of nature, were produced by human beings according to true and natural laws. Everything arbitrary and imaginary collapses; there is necessity, there is God." If the artist proceeds in the sense of the Greeks, namely "according to the laws according to which nature itself proceeds", then his works contain the divine, which is to be found in nature itself. For Goethe, art is "a manifestation of the secret laws of nature"; what the artist creates are works of nature on a higher level of perfection. Art is the continuation and human conclusion of nature, for "by placing himself at the summit of nature, man sees himself again as a whole nature, which in itself must again produce a summit. To this end, he increases himself by imbuing himself with all perfections and virtues, calling upon choice, order, harmony and meaning and finally rising to the production of the work of art". Everything is nature, from the inorganic stone to the highest works of human art, and everything in this nature is governed by the same "eternal, necessary, so divine laws" that "the deity himself could not change anything". (Poetry and Truth, 16th book.)

[ 22 ] When Goethe read Jacobi's book "Von den göttlichen Dingen" in 1811, he was "not at ease". "How could I welcome the book of a friend so dear to me, in which I was to see the thesis realized that nature conceals God! With my pure, deep, innate and practiced way of seeing things, which had taught me to see God in nature, nature in God without fail, so that this way of seeing things was the basis of my entire existence, did not such a strange, one-sidedly limited statement have to distance me in spirit from the noblest man, whose heart I adoringly loved, forever? But I did not indulge in my painful chagrin; on the contrary, I rescued myself to my old asylum and found my daily entertainment for several weeks in Spinoza's Ethics, and since my education had increased, I was astonished to discover many new and different things in what I already knew, which had a fresh effect on me."

[ 23 ] For Kant, the realm of necessity in the sense of Spinoza is a realm of inner human lawfulness; for Goethe, it is the universe itself, and man with all his thinking, feeling, willing and doing is a link within this chain of necessities. Within this realm there is only one lawfulness, of which natural and moral lawfulness are the two sides of its essence.

"The sun shines
over evil and good; and the criminal
shine, like the best,
the moon and the stars."

[ 24 ] From one root, from the eternal driving forces of nature, Goethe lets everything spring forth: the inorganic, the organic beings, man with all the results of his spirit: his knowledge, his morality, his art.

What would a God be who only pushed from the outside,
To let the universe run in circles on his finger! It behoves him to move the world within,
Nature in itself, to nurture itself in nature,
So that what lives and weaves and is in him,
Never misses its power, never misses its spirit.

[ 25 ] In such words Goethe summarizes his confession. Against Haller, who spoke the words: "No created spirit penetrates into the interior of nature", Goethe turns with the sharpest words:

"Into the interior of nature
O, thou Philistine! -
"No created spirit penetrates."
Me and my brothers and sisters
May you only not remember such words;
We think: place by place we are within.
"Blessed is he to whom she only shows the outer shell,"
I have heard this repeated sixty years,
And curse it, but furtively;
Tell me a thousand thousand times:
Everything she gives abundantly and gladly;
Nature has neither core
nor shell,
Everything she is at once;
You only test yourself most of all,
Whether you are core or shell.

[ 26 ] In line with this world view, Goethe was also unable to recognize the difference between inorganic and organic nature, which Kant had established in his "Critique of Judgment". He strove to explain living organisms according to laws in the same way that inanimate nature is explained. The leading botanist of the time, Linne', said of the diverse species in the plant world that there are as many such species as "different forms have been created in principle". Anyone who holds such an opinion can only endeavor to study the characteristics of the individual forms and to distinguish them carefully from one another. Goethe could not agree with such a view of nature. "That which he (Liné) sought to keep apart by force must, according to the innermost need of my being, strive to unite." He sought out that which is common to all plant species. On his journey in Italy, this common archetype in all plant forms became increasingly clear to him: "The many plants that I was otherwise only used to seeing in tubs and pots, indeed for most of the year only behind glass windows, stand here happy and fresh in the open air, and by completely fulfilling their purpose, they become clearer to us. In the face of so many new and renewed formations, the old cricket came back to my mind, wondering if I could discover the original plant among this crowd. There must be one after all: how else would I recognize that this or that structure is a plant if they were not all formed according to one pattern?" Another time he expresses himself about this original plant: It "becomes the most wonderful creature from the world, which nature itself shall envy me. With this model and the key to it, one can then invent plants into infinity, which must be consistent, that is, which, even if they do not exist, could still exist, and are not picturesque or poetic shadows and appearances, but have an inner truth and necessity." Just as Kant exclaims in his "Natural History and Theory of Heaven": "Give me matter; I will build you a world out of it", because he recognizes the lawful connection of this world, so Goethe says here: with the help of the primordial plant one can invent plants capable of existence into infinity, because one possesses the law of their origin and becoming. What Kant wanted to apply only to inorganic nature, that its phenomena can be understood according to necessary laws, Goethe also extended to the world of organisms. In the letter in which he informs Herder of his discovery of the primordial plant, he adds: "The same law can be applied to all other living things." And Goethe did apply it. His diligent studies of the animal world led him in 1795 to "unabashedly assert that all perfect organic natures, among which we see fish, amphibians, birds, mammals and, at the top of the latter, man, are all formed according to one archetype, which only in its constant parts inclines more or less back and forth and still forms and transforms itself daily through reproduction". Goethe is therefore also in complete opposition to Kant in his view of nature. The latter called it a daring "adventure of reason" if it wanted to attempt to explain the origin of living things. He considered the human cognitive faculty to be unsuitable for such an explanation. "It is infinitely important to reason not to abandon the mechanism of nature in its creations and not to bypass it in its explanation, because without it no insight into the nature of things can be gained. If we concede at once that a supreme architect has directly created the forms of nature as they have always existed, or has predetermined those which are continuously formed in their course according to the same pattern, our knowledge of nature is not in the least furthered by this; because we do not know at all that being's mode of action and the ideas of it, which are supposed to contain the principles of the possibility of natural beings, and cannot explain nature from the same as from above." To such Kantian remarks, Goethe replies: "If in the moral realm, through faith in God, virtue and immortality, we are to elevate ourselves to an upper region and approach the first being, then it should probably be the same case in the intellectual realm that we make ourselves worthy of spiritual participation in its productions through the contemplation of an ever-creating nature. If I had first unconsciously and out of an inner urge restlessly pressed for that archetypal, typical thing, if I had even succeeded in constructing a natural representation, then nothing else could now prevent me from bravely passing the Aadventure of reason, as the old man from Königsberg himself calls it."

[ 27 ] Goethe had grasped an idea in the "Urpflanze", "with which one ... plants into infinity", which "must be consistent, that is, which, even if they do not exist, could exist, and are not painterly or poetic shadows and schemes, but have an inner truth and necessity". He is thus on the way to finding in the self-conscious ego not only the perceptible, the imagined, but the living idea. The self-conscious ego experiences in itself a realm that proves to belong to itself as well as to the outside world, because its formations testify to themselves as images of the creative powers. In this way, the self-conscious ego has found that which makes it appear as a real being. Goethe developed a conception through which the self-conscious ego can feel itself enlivened because it feels one with the creative beings of nature. The newer world views sought to master the riddle of the self-conscious ego; Goethe places the living idea in this ego, and with this life force that rules in it, this ego itself proves to be a living reality. The Greek idea is related to the image; it is viewed like the image. The idea of modern times must be related to life, to the living being itself; it is experienced. And Goethe knew that there is such an experience of the idea. He heard the breath of the living idea in the self-conscious ego.

[ 28 ] Of Kant's Critique of Judgment, Goethe says that he owes it "a most joyful epoch of life". "The great main ideas of the work were entirely analogous to my previous work, actions and thinking. The inner life of art as well as of nature, their mutual working from within, was clearly expressed in the book." Even this statement by Goethe cannot conceal his opposition to Kant. For the essay from which it is taken also states: "Passionately inspired, I went on my way all the more quickly because I myself did not know where it was leading, and for what and how I had appropriated it, I found little favor with the Kantians. For I expressed what was stirring in me, but not what I had read."

[ 29 ] A strictly unified world view is characteristic of Goethe; He wants to gain one point of view from which the whole universe reveals its lawfulness, "from the brick that falls from the roof to the luminous flash of inspiration that comes to you and which you communicate" because "all effects, of whatever kind they may be, which we notice in experience, are connected in the most constant way, merge into one another". "A tile detaches itself from the roof: we call this accidental in the common sense; it strikes the shoulders of a passer-by, but certainly mechanically; but not quite mechanically, it follows the laws of gravity, and so it acts physically. The torn vessels of life immediately give up their function; in an instant the juices act chemically, the elementary properties emerge. But the disturbed organic life resists just as quickly and seeks to restore itself; meanwhile the human whole is more or less unconscious and psychically shattered. The person who recognizes himself feels ethically deeply wounded; he laments his disturbed activity, whatever its nature, but reluctantly man surrenders to patience. Religiously, on the other hand, it becomes easy for him to ascribe this case to a higher destiny, to regard it as protection from greater evil, as an introduction to greater good. This is enough for the sufferer; but the convalescent rises genially, trusts God and himself and feels saved, seizes even the accidental, turns it to his advantage in order to begin an eternally fresh circle of life." This is how Goethe uses the example of a falling brick to explain the connection between all kinds of natural effects. It would be an explanation in his sense if one could also derive their strictly lawful connection from a root.

[ 30 ] Kant and Goethe stand like two spiritual antipodes at the most significant point in the development of the modern world view. And the way in which those who were interested in the highest questions approached them was fundamentally different. Kant built up his world view with all the means of a strict school philosophy; Goethe philosophized naively, abandoning himself to his healthy nature. This is why Fichte, as mentioned above, believed that he could only turn to Goethe "as the representative of the purest spirituality of feeling at the presently attained stage of humanity", whereas he was of the opinion of Kant that "no human intellect could penetrate further than the limit at which Kant, especially in his Critique of Judgment, stood". Anyone who penetrates Goethe's world view, given in a naïve guise, will, however, find in it a secure foundation that can be brought to clear ideas. Goethe himself, however, did not bring this foundation to consciousness. That is why his way of thinking only gradually found its way into the development of the world view; and at the beginning of the century it was Kant with whom the minds tried to come to terms.

[ 31 ] However great the effect that Kant had, it could not remain hidden from his contemporaries that a deeper need for knowledge could not be satisfied by him. Such a need for explanation insists on a unified view of the world, as was the case with Goethe. In Kant, the individual realms of existence stand side by side. For this reason, despite his unconditional admiration of Kant, Fichte could not hide the fact that "Kant merely hinted at the truth, but neither presented nor proved it". "This wonderful single man either has a divination of the truth without being aware of its reasons himself, or he did not esteem his age highly enough to communicate it to it, or he shied away from usurping in his lifetime the superhuman veneration that would sooner or later have to be accorded to him. No one has yet understood him, no one will who will not arrive at Kant's results on his own path, and only then will the world be astonished." "But I believe I know just as surely that Kant has conceived such a system; that everything he actually presents are fragments and results of this system, and that his assertions only have meaning and coherence under this condition." For if this were not the case, Fichte "would rather consider the Critique of Pure Reason to be the work of the strangest coincidence than that of a mind".

[ 32 ] Others also recognized the unsatisfactory nature of Kant's circles of thought. Lichtenberg, one of the most intellectual and at the same time most independent minds from the second half of the eighteenth century, who held Kant in high esteem, could not refrain from making weighty objections to his world view. On the one hand, he says: "What does it mean to think with Kant's mind? I believe it means to find out the relations of our being, be it what it may, to the things we call outside ourselves; that is, to determine the relations of the subjective to the objective. This, of course, has always been the aim of all thorough natural scientists, but the question is whether they have ever begun as truly philosophical as Mr. Kant. They have taken for objective what is and must be subjective." On the other hand, however, Lichtenberg remarks: "Should it then be so completely clear that our reason can know nothing at all of the supersensible? Should not man be able to weave his ideas of God as purposefully as the spider weaves its web to catch flies? Or in other words, shouldn't there be beings who admire us for our ideas of God and immortality as much as we admire the spider and the silkworm?" But one could make an even more weighty objection. If it is true that the laws of human reason refer only to the inner world of the mind, how do we come to speak of things outside ourselves at all? We would then have to spin ourselves completely into our inner world. Such an objection was raised by Gottlob Ernst Schulze in his anonymous essay "Aenesidemus", published in 1792. In it, he claims that all our knowledge is pure imagination and that we cannot go beyond our imaginary world in any way. This basically also refuted Kant's moral truths. For if we cannot even conceive of the possibility of going beyond the inner world, then no moral voice can guide us into a world that is impossible to conceive. Thus, Kant's view initially developed into a new doubt about all truth; criticism became skepticism. One of the most consistent followers of skepticism is Salomon Maimon, who, from 1790 onwards, wrote various works influenced by Kant and Schulze, in which he resolutely argued that the existence of external objects should not be spoken of at all because of the whole structure of our cognitive faculty. Another of Kant's students, Jacob Sigismund Beck, even went so far as to claim that Kant himself had in truth assumed no things apart from us, and that it was only based on a misunderstanding if such an idea was attributed to him.

[ 33 ] One thing is certain: Kant offered his contemporaries countless points of attack for interpretation and contradiction. It was precisely through his ambiguities and contradictions that he became the father of the classical German world views of Fichte, Schelling, Schopenhauer, Hegel, Herbart and Schleiermacher. His ambiguities became new questions for them. As much as he had tried to limit knowledge in order to make room for faith, the human spirit can only be satisfied in the truest sense of the word through knowledge, through cognition. And so it was that Kant's successors wanted to restore knowledge to its full rights; they wanted to use it to satisfy man's highest spiritual needs. Johann Gottlieb Fichte, who said: "The love of science, and especially of speculation, once it has taken hold of man, so captivates him that he has no other wish left than to occupy himself with it in peace." He was a perfect continuator of Kant in this direction. Fichte can be called an enthusiast of the world view. His enthusiasm must have had an enchanting effect on his contemporaries and his students. Let us listen to what one of the latter, Forberg, says about him: "His public lecture rushes along like a thunderstorm that discharges its fire in single blows; ... He lifts the soul." He does not just want to make good people, but great people. His "eye is punishing, his gait defiant, ... he wants to guide the spirit of the age through his philosophy. His imagination is not fertile, but energetic and powerful; his images are not charming, but bold and great. He penetrates into the innermost depths of the subject and operates in the realm of concepts with an impartiality that betrays the fact that he not only dwells in this invisible land, but rules over it." The most striking feature of Fichte's personality is the grand, serious style in his view of life. He applies the highest standards to everything. For example, he describes the profession of the writer: "The idea must speak for itself, not the writer. All arbitrariness of the latter, all his individuality, his own manner and art must be extinguished in his presentation, so that only the manner and art of his idea may live, the highest life which it can gain in this language and in this age. As he is free from the obligation of the oral teacher to submit to the receptivity of others, so he has no excuse for it. He has no set reader in view, but constructs his reader and gives him the law of how it should be. "The writer's work, however, is in itself a work for eternity. May future ages take a higher impetus in the science which he has laid down in his work; he has not only laid down the science, he has laid down the very definite and perfect character of an age in relation to science in his work, and this will retain its interest as long as there will be men in the world. Irrespective of changeability, his letter speaks in all ages to all men who are able to animate this letter, and inspires, elevates, ennobles until the end of days." Thus speaks a man who is aware of his vocation as the spiritual leader of his age and who was very serious when he said in the preface to his "Wissenschaftslehre": "Nothing lies in my person, but everything lies in the truth, for I am a priest of truth". From a man who lived in the realm of "truth" in this way, we understand that he did not merely want to guide others to understanding, but force them to do so. He was allowed to give one of his writings the title "Sonnenklarer Bericht an das größere Publikum über das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie. An attempt to force the reader to understand." Fichte is a personality who does not believe he needs reality and its facts in order to follow the path of life, but who keeps his eyes fixed on the world of ideas. He thinks little of those who do not understand such an ideal direction of the spirit. "While in the circle which ordinary experience has drawn around us, one thinks more generally and judges more correctly than perhaps ever before, the majority are completely deluded and blinded as soon as they should go even a little beyond it. If it is impossible to rekindle in them the once extinguished spark of the higher genius, they must remain quietly in that circle, and in so far as they are useful and indispensable in it, their value in and for it must be left undiminished. But if they therefore demand that everything should be brought down to them to which they cannot rise, if, for example, they demand that everything printed should be usable as a cook-book, or as a book of arithmetic, or as a set of official regulations, and decry everything that cannot be so used, they are themselves greatly mistaken. That ideals cannot be represented in the real world, the rest of us know perhaps as well as they do, perhaps better. We only maintain that reality must be judged by them and modified by those who feel the power to do so. Supposing they could not convince themselves of this either, they lose very little in the process, once they are what they are; and humanity loses nothing in the process. This merely makes it clear that they alone are not reckoned with in the plan for the ennoblement of mankind. The latter will undoubtedly continue on their way; may kind nature rule over them and give them rain and sunshine, good food and undisturbed circulation of the juices, and wise thoughts at the right time!" He prefaced the printing of the lectures with these words, in which he explained the "Destiny of the Scholar" to the students in Jenens. Views such as Fichte's grew out of a great spiritual energy, which gives certainty for the knowledge of the world and for life. He had ruthless words for all those who did not feel the strength for such certainty within themselves. When the philosopher Reinhold said that the inner voice of man could also err, Fichte replied: "You say that the philosopher should think that he can err as an individual, that as such he can and must learn from others. Do you know what mood you are describing: that of a person who has never been convinced of anything in his entire life?"

[ 34 ] This powerful personality, whose gaze was directed entirely inwards, was reluctant to seek the highest that man can achieve, a world view, anywhere other than within himself. "All culture should be the exercise of all forces towards the one purpose of complete freedom, that is, complete independence from everything that is not ourselves, our pure self (reason, moral law), for only this is ours. ..." This is Fichte's verdict in the "Contributions to the Correction of the Public's Judgments on the French Revolution", published in 1793. And the most valuable power in man, the power of cognition, should not be directed towards this one purpose of being completely independent of everything that is not ourselves? Could we ever achieve complete independence if we were dependent on any being in our view of the world? If it were determined by such a being outside us what nature is, what our soul is, what our duties are, and we then obtained knowledge behind from such a ready-made fact? If we are independent, then we must also be independent with regard to the knowledge of truth. If we receive something that has arisen without our intervention, then we are dependent on it. So we cannot receive the highest truth. We must create it; it must arise through us. Fichte can therefore only place at the top of the world view something that first attains its existence through us. When we say of any thing in the external world: It is, we do so because we perceive it. We know that we attribute existence to another being. What this other thing is does not depend on us. We can only recognize its nature if we direct our perceptive faculty towards it. We would never know what "red", "warm", "cold" is if we did not know it through perception. We can add nothing to these qualities of things, take nothing away from them. We say "They are".What they are: that is what they tell us. It is quite different with our own existence. Man does not say to himself: "It is", but: "I am". In doing so, however, he has not only said: that he is, but also: what he is, namely an "I". Only another being could say of me: "It is". Yes, it would have to say so. For even if this other being had created me, it could not say of my existence: I am. The statement: "I am" loses all meaning if the being that speaks of its existence does not do so itself. There is therefore nothing in the world that can address me as "I" other than myself. This recognition of myself as an "I" must therefore be my very own act. No being other than me can have any influence on it.

[ 35 ] Here Fichte found something where he saw himself completely independent of any foreign entity. A God could create me; but he would have to leave it up to me to recognize myself as an "I". I give my self-consciousness to myself. In it, therefore, I do not have a knowledge, a cognition that I have received, but one that I have made myself. Thus Fichte has created a fixed point for the world view, something where there is certainty. But what about the existence of other beings? I attribute an existence to them. But I do not have the same right to do so as I do for myself. They must become parts of my "I" if I am to attach an existence to them with the same right. And they become that by me perceiving them. Because as soon as that is the case, they are there for me. I can only say: my self feels "red", my self feels "warm". And as truly as I attribute an existence to myself, I can also attribute this to my feelings and my sensations. So if I understand myself correctly, I can only say: I am and I also attribute existence to an external world.

[ 36 ] In this way, for Fichte, the world lost its independent existence apart from the "I"; it only has an existence that is added to it by the I, an existence that is thus added to it. In his striving to give his own self the greatest possible independence, Fichte deprived the external world of all independence. Where such an independent external world is not thought to exist, it is also understandable that interest in knowledge, in recognizing this external world, ceases. Thus the interest in the actual knowledge itself is extinguished. For through such knowledge the ego basically experiences nothing but what it produces itself. In all knowledge, the human ego only holds monologues with itself, as it were. It does not go beyond itself. But the way in which it accomplishes the latter is through living action. When the ego acts, when it accomplishes something in the world: then it is no longer monologuing with itself alone. Then its actions flow out into the world. They attain an independent existence. I accomplish something; and when I have accomplished it, it continues to have an effect, even if I no longer participate in its effect. What I know has an existence only through me; what I do is part of a moral world order that is independent of me. But what does all the certainty that we draw from our own ego mean in relation to this supreme truth of a moral world order, which must be independent of us if existence is to have meaning? All knowledge is only something for one's own ego; this world order must be apart from the ego. It must be, even though we cannot know anything about it. We must therefore believe it. Thus Fichte also goes beyond knowledge to a belief. Like the dream in relation to reality, all knowledge is in relation to belief. The self, too, only has such a dream existence when it merely contemplates itself. It creates an image of itself, which need be nothing more than a floating image; only the action remains. Fichte describes this dream existence of the world with significant words in his "Determination of Man": "There is no permanence anywhere, neither outside me, nor in me, but only an incessant change. I know of no being anywhere, nor of my own. There is no being. I myself do not know at all, and am not. Images are: they are the only thing that is there, and they know of themselves in the manner of images: Images that float over; without there being anything that they float over, that are connected by images of images, images without anything depicted in them, without meaning and purpose. I myself am one of these images; indeed, I myself am not this, but only a confused image of images. All reality is transformed into a marvelous dream, without a life that is dreamed of and without a spirit that dreams; into a dream that hangs together in a dream of itself. The looking is the dream; the thinking the source of all being and all reality that I imagine, my being, my power, my purposes is the dream of that dream. How different the moral world order, the world of faith, appears to Fichte: "My will should work absolutely through itself, without any tool weakening its expression, in a sphere completely similar to itself, as reason on reason, as the spiritual on the spiritual; in a sphere to which, however, it does not give the law of life, of activity, of continuity, but which has it in itself; thus on self-acting reason. But self-acting reason is will. The law of the supersensible world would therefore be a will... That sublime will therefore does not go its own way separately from the rest of the world of reason. There is a spiritual bond between it and all finite rational beings, and it itself is this spiritual bond of the world of reason.... I cover my face before you and put my hand over my mouth. How you are to yourself and appear to yourself I can never understand, just as I can never become yourself. After a thousand times a thousand spirit lives I will understand you just as little as I do now in this hut of earth. What I comprehend becomes finite through my mere comprehension; and this can never be transformed into the infinite even through infinite increase and elevation. You are not different from the finite in degree, but in kind. Through this increase they make you only a greater man and always a greater one; but never the God, the Infinite, who is incapable of any measure."

[ 37 ] Because knowledge is a dream, the moral world order the only truly real thing for Fichte, he also places life, through which man places himself in the moral world context, above mere cognition, above the observation of things. "Nothing," he says, "has unconditional value and meaning as life; everything else, thinking, poetry and knowledge, has value only insofar as it relates in some way to the living, emanates from it and intends to run back into it."

[ 38 ] It is the basic ethical trait in Fichte's personality that has erased everything in his worldview or reduced its significance that does not amount to the moral destiny of man. He wanted to set up the greatest, the purest demands for life; and in doing so he did not want to be misled by any cognition that might discover contradictions with the natural laws of the world in these goals. Goethe said: "The doer is always without conscience; no one has conscience but the beholder." By this he meant that the observer assesses everything according to its true, real value and understands and accepts every thing in its place. The doer's main aim is to see his demands fulfilled; whether he does injustice to things or not is all the same to him. Fichte's main concern was to act; however, he did not want to be accused by contemplation of lack of conscience. That is why he denied the value of contemplation.

[ 39 ] Fichte constantly endeavored to intervene in immediate life. Where he believed that his words could become action in others, that is where he felt most satisfied. It was out of this urge that he wrote "Reclaiming freedom of thought from the princes of Europe who had hitherto suppressed it. Heliopolis, in the last year of the old darkness 1792"; "Contributions to the correction of the judgments of the public on the French Revolution 1793. " Out of this urge, he delivered his enchanting speeches "The main features of the present age, presented in lectures, held in Berlin in 1804-1805"; "The instruction to the blessed life or also the doctrine of religion, in lectures, held in Berlin in 1806" and finally his "Speeches to the German nation 1808").

[ 40 ] Unconditional devotion to the moral world order, acting from the deepest core of man's ethical nature: these are the demands that give life value and meaning. This view runs through all these speeches and writings as a basic motif. In the "Fundamental Features of the Present Age", he reproached this age in flaming words for its selfishness. Everyone goes only the way that his lower instincts dictate. But these instincts lead away from the great whole that encompasses the human community as moral harmony. Such an age must lead those who live in its spirit towards destruction. Fichte wanted to revive duty in the human mind.

[ 41 ] Fichte wanted to intervene in the life of his time with his ideas in such a formative way, because he thought these ideas were powerfully lived through by the awareness that man receives the highest content of his soul life from a world which he reaches when he confronts his "I" all alone, and in this confrontation feels himself in his true destiny. Out of this awareness, Fichte coined words such as: "I myself and my necessary purpose are the supersensible."

[ 42 ] For Fichte, experiencing oneself in the supersensible is an experience that man can have. If he does it, he experiences the "I" in himself. And only then does he become a philosopher. This experience cannot be "proven" to those who do not want to have it. How little Fichte considers such a "proof" to be possible is demonstrated by statements such as this: "One must be born a philosopher, be educated to it, and educate oneself to it; but one cannot be made one through any human art. Therefore this science also promises itself few proselytes among the men already made. ... "

[ 43 ] Fichte is concerned with finding a state of soul through which the human ego can experience itself. Knowledge of nature seems to him incapable of revealing anything about the nature of the ego. From the fifteenth to the eighteenth century, thinkers emerged for whom the question arose: What can be found in the image of nature in order to find an explanation of the human being within this image? Goethe did not feel this way about the question. He sensed a spiritual nature behind the outwardly revealed nature. In the human soul, experiences are possible for him through which this soul does not live in the externally manifest alone, but within the creative forces. Goethe sought the idea that the Greeks sought, but he did not seek it as a perceptible idea, but in a co-experience of the world processes, where these are no longer perceptible. He sought the life of nature in the soul. Fichte searched in the soul itself; but he did not search where nature lives in the soul, he searched directly where the soul feels its own life ignited, regardless of which other world processes and world beings this life is connected to. With Fichte, a worldview emerged that is completely absorbed in finding an inner life of the soul that relates to the thought life of the Greeks as this thought life relates to the pictorial imagination of prehistoric times. In Fichte's worldview, the thought becomes the ego experience, just as the image became the thought in the Greek thinkers. With Fichte, the worldview wants to experience self-consciousness; with Plato and Aristotle, it wanted to think the consciousness of the soul.


[ 44 ] Just as Kant dethroned knowledge in order to make room for faith, so Fichte declared cognition to be a mere appearance in order to have a clear path before him for living action, for moral deeds. Schiller also attempted something similar. Only in his case, beauty took the place of faith in Kant and action in Fichte. Schiller's importance for the development of the world view is usually underestimated. Just as Goethe had to complain that he was not accepted as a natural scientist because he was once used to being taken as a poet, so those who delve into Schiller's philosophical ideas must regret that he is so little appreciated by those who deal with worldview histories, because his field is confined to the realm of poetry.

[ 45 ] As a thoroughly independent thinker, Schiller confronts his inspiration Kant. The poet, who held up a mirror to the depravity of his time in The Robbers and Cabal and Love, certainly did not hold the majesty of moral faith to which Kant sought to elevate mankind in low esteem. But he said to himself: Should it be absolutely necessary that man can only rise to the heights of the categorical imperative by fighting against his inclinations, desires and instincts? Kant wanted to attribute to man's sensual nature only the inclination to the base, to the selfish, to the sensually pleasing; and only whoever rises above this sensual nature, whoever kills it and lets the purely spiritual voice of duty speak within him: he can be virtuous. Thus Kant lowered the natural man in order to raise the moral man all the higher. To Schiller, this seemed to be something unworthy of man. Should it not be possible to ennoble man's instincts in such a way that they do the dutiful, the moral, of their own accord? Then they would not need to be suppressed in order to have a moral effect. Schiller therefore contrasted Kant's strict demand for duty with his own view in the following epigram:

Conscience scruples.

I like to serve my friends, but unfortunately I do so with reluctance,
And so it often grieves me that I am not virtuous.

Decision.

There is no other advice, you must seek to despise them,
And with loathing then do as duty bids you.

[ 46 ] Schiller sought to resolve these "scruples of conscience" in his own way. Two instincts actually rule in man: the sensual instinct and the rational instinct. If man abandons himself to the sensual instinct, he is a plaything of his desires and passions, in short of his selfishness. If he gives himself over completely to the rational instinct, he is a slave to his strict commandments, his relentless logic, his categorical imperative. A man who wants to live only the sensual impulse must silence reason within himself; one who wants to serve only reason must kill sensuality. If the former hears reason, he submits to it only involuntarily; if the latter hears the voice of his desires, he feels it as a burden on his path of virtue. The physical and spiritual nature of man thus seem to live in a fatal dichotomy. Is there not a state in man in which both instincts, the sensual and the spiritual, are in harmony? Schiller answers the question with "yes". It is the state in which the beauty is created and enjoyed. Anyone who creates a work of art is following a free natural instinct. They do it out of inclination. But it is not physical passions that drive him; it is the imagination, the spirit. It is the same with those who indulge in the pleasure of a work of art. It satisfies his spirit at the same time as it acts on his sensuality. Man can pursue his desires without heeding the higher laws of the spirit; he can fulfill his duty without worrying about sensuality; a beautiful work of art affects his pleasure without arousing his desire; and it transports him into a spiritual world in which he dwells out of inclination. In this state, man is like a child who follows his inclination in his actions and does not ask whether it contradicts the laws of reason: "Through beauty, the sensual man ... to thinking; through beauty the spiritual man is led back to matter and returned to the world of the senses." (18th letter on the aesthetic education of man.) "The high equanimity and freedom of the spirit, combined with strength and vigor, is the mood in which a genuine work of art should release us, and there is no surer touchstone of true aesthetic goodness. If, after an enjoyment of this kind, we find ourselves favorably disposed to any particular mode of feeling or action, but awkward and discontented to another, this serves as an unmistakable proof that we have not experienced a purely aesthetic effect, whether it was due to the object or to our mode of feeling, or (as is almost always the case) to both at the same time." (Letter 22.) Because through beauty man is neither a slave to sensuality nor to reason, but through it both work together in his soul, Schiller compares the impulse to beauty to that of the child, who in his play does not subject his mind to the laws of reason, but uses it freely according to his inclination. This is why he calls this instinct for beauty the play instinct: "Man is only serious about the pleasant, the good, the perfect; but he plays with beauty. Of course, we should not remember here the games that are going on in real life and which are usually only directed towards very material objects; but in real life we would also search in vain for the beauty we are talking about here. The really existing beauty is worthy of the really existing play instinct; but through the ideal of beauty, which reason sets up, an ideal of the play instinct is also given up, which man should have in mind in all his games." (Letter 15.) In the fulfillment of this ideal play instinct, man finds the reality of freedom. He no longer obeys reason; and he no longer follows sensual inclination. He acts out of inclination as if he were acting out of reason. "Man should only play with beauty, and he should only play with beauty ... Because, to put it bluntly ... man only plays where he is human in the full meaning of the word, and he is only fully human where he plays. " Schiller could also have said: In play man is free; in the fulfillment of duty and in devotion to sensuality he is unfree. If man now also wants to be man in the full meaning of the word in his moral actions, that is, if he wants to be free, he must have the same relationship to his virtues as to beauty. He must ennoble his inclinations into virtues; and he must so imbue himself with his virtues that, according to his whole nature, he has no other impulse than to follow them. A man who has established this harmony between inclination and duty can at every moment count on the goodness of his actions as a matter of course.

[ 47 ] The social coexistence of people can also be viewed from this point of view. The person who follows his sensual drives is selfish. He would only ever pursue his own welfare if the state did not regulate coexistence through rational laws. The free man accomplishes of his own accord what the state must demand of the selfish man. In a community of free people there is no need for coercive laws. "In the midst of the terrible realm of forces and in the midst of the sacred realm of laws, the aesthetic instinct of education is unmistakably building a third, happy realm of play and appearance, in which it removes the shackles of all relationships from man and frees him from everything that is called compulsion, both physically and morally." (Letter 27.) "This realm extends upwards to where reason rules with unconditional necessity and all 'matter' ceases; it extends downwards to where the natural instinct rules with blind compulsion." Schiller thus sees a moral realm as an ideal in which the virtuous mind rules with the same ease and freedom as taste in the realm of beauty. He makes life in the realm of beauty the model of a perfect moral social order that liberates man in every direction. He concludes the beautiful treatise in which he presents this ideal of his with the question of whether such an order exists anywhere, and answers it thus: "According to need, (it) exists in every finely-tuned soul; in fact, one would probably like to find it only like the pure church and the pure republic, in a few select circles, where not the mindless imitation of foreign customs, but one's own beautiful nature guides conduct, where man walks through the most intricate relationships with bold simplicity and calm innocence, and has no need to offend another's freedom in order to assert his own, nor to throw away his dignity in order to show grace."

[ 48 ] In this virtue ennobled to beauty, Schiller found a mediation between Kant's and Goethe's worldviews. No matter how great the spell that Kant cast on Schiller when he himself defended the ideal of pure humanity against the truly prevailing moral order, Schiller became an admirer of Goethe's view of the world and life when he got to know him better, and his mind, always striving for the purest clarity of thought, would not let him rest until he had succeeded in penetrating Goethe's wisdom conceptually. The great satisfaction that Goethe drew from his views on beauty and art, also for his way of life, led Schiller more and more to the former's way of thinking. When he thanked Goethe for sending him "Wilhelm Meister", he did so with the words: "I cannot express to you how embarrassed I often feel when I look from a product of this kind into the philosophical being. There everything is so cheerful, so lively, so harmoniously resolved and so humanly true; here everything is so strict, so rigid and abstract, and so highly unnatural, because all nature is only synthesis and all philosophy antithesis. It is true that I may testify to having remained as true to nature in my speculations as is compatible with the concept of analysis; indeed, perhaps I have remained more true to it than our Kantians thought permissible and possible. But nevertheless I feel no less vividly the infinite distance between life and reasoning, and cannot refrain from interpreting in such a melancholy moment for a defect in my nature what in a cheerful hour I must regard merely as a natural characteristic of the thing. This much, however, is certain: the poet is the only true man, and the best philosopher is only a caricature compared to him." Schiller's judgment can only refer to Kant's philosophy, on which Schiller gained his experience. It distances man from nature in many respects. It has no faith in nature, but only accepts as valid truth that which is taken from man's own spiritual organization. As a result, all its judgments lack that fresh, substantive colorfulness that we gain through direct observation of natural processes and things themselves. She moves in bloodless, gray, cold abstractions. It gives up the warmth that we gain from direct contact with things and beings in exchange for the coldness of their abstract concepts. And in the moral sphere, too, Kant's worldview shows the same antagonism to nature. The purely rational concept of duty is its highest aspiration. What man loves, what he is inclined to: everything that is directly natural in the human being must be subordinated to this ideal of duty. Even in the region of beauty, Kant eradicates the part that man must have according to his original sensations and feelings. The beautiful should evoke a completely "disinterested" pleasure. Let us hear how devoted, how "interested" Schiller is in the work in which he admires the highest level of the artistic. He says of "Wilhelm Meister": "I can express the feeling that pervades and possesses me when reading this work, and indeed to an increasing degree the further I get into it, no better than through a sweet and intimate comfort, through a feeling of spiritual and physical health, and I would vouch for the fact that it must be the same for all readers as a whole. I explain this feeling of well-being by the calm clarity, smoothness and transparency that prevails throughout, which leaves not the slightest thing behind that leaves the mind unsatisfied and restless, and does not drive the movement of the same further than is necessary to kindle and maintain a happy life in man." Thus speaks not one who believes in disinterested pleasure, but one who considers the pleasure of beauty capable of such ennoblement that it is no degradation to give oneself completely to this pleasure. Our interest should not be extinguished when we come face to face with the work of art; rather, we should be able to show our interest in that which is an emanation of the spirit. And the "true" human being should also have this kind of interest in the beautiful in relation to moral concepts. In a letter to Goethe, Schiller writes: "It is really worth noting that slackness about aesthetic things is always connected with moral slackness, and that the pure, strict striving for the high beauty, with the highest liberality towards everything that is nature, will lead to rigorism in moral matters."

[ 49 ] Schiller felt the alienation from nature in the world view, in the entire contemporary culture within which he lived, so strongly that he made it the subject of a consideration in the essay "On Naive and Sentimental Poetry". He compares the view of life of his time with that of the Greeks and asks himself: "How is it that we, who are so infinitely surpassed by the ancients in everything that is nature, ... pay homage to nature to a higher degree, cling to it with intimacy and can embrace even the lifeless world with the warmest feeling?" And he answers this question: "This is because nature has disappeared from humanity and we only encounter it again in its truth outside of it in the inanimate world. It is not our greater naturalness but, on the contrary, the natural un-naturalness of our circumstances, conditions and customs that drives us to provide the awakening instinct for truth and simplicity, which, like the moral disposition from which it flows, lies incorruptible and ineffaceable in all human hearts, with a satisfaction in the physical world that cannot be hoped for in the moral world. That is why the feeling with which we cling to nature is so closely related to the feeling with which we lament the fled age of childhood and childlike innocence. Our childhood is the only unmutilated nature that we still find in cultivated humanity, so it is no wonder that every footstep of nature apart from us leads us back to our childhood." It was quite different for the Greeks. They lived a life within the natural. Everything they did came from their natural imagination, feelings and sensibilities. They were intimately connected with nature. Modern man feels a contrast to nature in his being. But since the urge for this primordial mother of existence cannot be eradicated, it will transform itself in the modern soul into a longing for nature, into a search for it. The Greek had nature; the modern seeks nature. "As long as man is still pure, not raw, nature, he acts as an undivided sensual unity and as a harmonizing whole. Senses and reason, receptive and self-acting faculties, have not yet separated in their business, much less are they in contradiction with each other. His sensations are not the formless play of chance, his thoughts not the insubstantial play of imagination; those arise from the law of necessity, these arise from reality. When man has entered the state of culture and art has laid its hand on him, that sensual harmony is abolished in him, and he can only express himself as moral unity, that is, as striving for unity. The agreement between his feeling and thinking, which in the first state was real, now exists merely ideally; it is no longer in him, but outside him, as a thought that is first to be realized, no longer as a fact of his life." The basic mood of the Greek mind was naïve, that of the modern is sentimental; the world view of the former could therefore be realistic. For he had not yet separated the spiritual from the natural; for him, nature still included the spirit. If he left himself to nature, he did so in the face of spirit-filled nature. Modernity is different. It has detached the spirit from nature and elevated it to the gray realm of abstraction. If it were to surrender to its nature, it would do so in the face of spirit-filled nature. Therefore, his highest striving must be directed towards the ideal; by striving for this, he will reconcile spirit and nature. In Goethe's way of thinking, Schiller found something akin to the Greek way. Goethe believed that he saw his ideas and thoughts with his eyes because he perceived reality as an undivided unity of spirit and nature. In Schiller's opinion, he had retained something to which the sentimental man only returns when he reaches the summit of his aspirations. And he climbs such a peak in the aesthetic state described by Schiller, in which sensuality and reason have found their harmony.

[ 50 ] The essence of the newer development of worldview is meaningfully characterized by the statement that Schiller made to Goethe in his letter of 23 August 1794: "If you had been born a Greek... and had you been surrounded from the cradle by an exquisite nature and an idealizing art, your path would have been infinitely shortened, perhaps made entirely superfluous. Already in your first view of things you would then have absorbed the form of the necessary, and with your first experiences the great style would have developed in you. Now ... since your Greek spirit was thrown into this Nordic creation, you had no choice but either to become a Nordic artist yourself or to replace what reality withholds from your imagination with the help of the power of thought, and thus to give birth to a Greece from within, as it were, and in a rational way." Schiller feels that these sentences reveal the course of the development of the life of the soul from Greek times to his own. The life of the soul revealed itself to the Greek in the life of thought; and he could accept this revelation, for thought was for him a perception, as colors or sounds are. This thought has faded for modern man; he must experience within the soul that which creatively weaves through the world; and in order that the imperceptible life of thought may nevertheless have vividness, it must be filled with imagination. Such an imagination that feels at one with the creative powers of nature.

[ 51 ] Because in modern man the soul consciousness has changed into self-consciousness, the question of worldview arises: How does self-consciousness experience itself alive in such a way that its experience knows itself in the creation of the living forces of the world? Schiller answered this question in his own way by claiming life in artistic feeling as his ideal. In this feeling, human self-consciousness feels its kinship with that which lies beyond the mere image of nature. In it, man feels grasped by the spirit, in that he surrenders himself to the world as nature and a being of the senses. Leibniz seeks to comprehend the human soul as a monad; Fichte does not start from a great idea through which it should become clear what the human soul is; he seeks an experience in which this soul grasps itself in its essence; Schiller asks: Is there an experience of the human soul in which it can feel how it is rooted in the spiritual-real? Goethe experiences ideas within himself that are also ideas of nature for him. In Goethe, Fichte and Schiller, the experienced idea, one could also say the ideal experience, wrestles its way into the soul; in Greek thought, this took place with the perceived idea, the ideal perception.

[ 52 ] The view of the world and of life that was naively present in Goethe, and for which Schiller strove in all detours of thought, does not have the need for that generally valid truth that sees its ideal in mathematics; it is satisfied by the other truth that arises for our spirit from direct intercourse with the real world. The insights that Goethe drew from the contemplation of works of art in Italy were certainly not of the same absolute certainty as the theorems of mathematics. But they were also less abstract. But Goethe stood before them with the feeling "There is necessity, there is God. A truth in the sense that it is something other than that which is also revealed in the perfect work of art did not exist for Goethe. What art does with its technical means: Sound, marble, color, rhythm, etc., that is embodied is taken from the same source of truth from which the philosopher also draws, who, however, does not have the directly vivid means of representation, but who has only the thought, the idea itself, at his disposal. "Poetry points to the mysteries of nature and seeks to solve them through the image. Philosophy points to the mysteries of reason and seeks to solve them through words," says Goethe. But reason and nature are ultimately an inseparable unity for him, based on the same truth. A striving for knowledge that lives in an abstract world, detached from things, is not considered by him to be the highest. "The highest thing would be to realize that everything factual is already theory." The blueness of the sky reveals to us the basic law of color phenomena. "Just don't look for anything behind the phenomena; they themselves are the lesson." In his Anthropology, the psychologist Heinroth described the thinking through which Goethe arrived at his insights into the natural formation of plants and animals as "representational thinking". By this he meant that this thinking was not separate from the objects; that the objects, the views, were intimately interpenetrated with the thinking, that Goethe's thinking was at the same time a viewing, his viewing at the same time a thinking. Schiller became a keen observer and depictor of this way of thinking. He writes about it in a letter to Goethe: "Your observant gaze, which rests so quietly and purely on things, never puts you in danger of going astray, into which both speculation and the arbitrary and merely self-obedient imagination so easily stray. In your correct intuition lies all and far more completely what analysis laboriously seeks, and it is only because it lies in you as a whole that your own wealth is hidden from you; for unfortunately we only know what we separate. Spirits of your kind therefore seldom know how far they have penetrated, and how little cause they have to borrow from philosophy, which can only learn from them. " For Goethe's and Schiller's view of the world, truth does not only exist within science, but also within art. Goethe's opinion is this: "I think science could be called the knowledge of the general, the deduced knowledge; art, on the other hand, would be science applied to action; science would be reason, and art its mechanism, which is why it could also be called practical science. And so, finally, science would be the theorem, art the problem." Goethe describes the interaction between scientific cognition and the artistic shaping of knowledge: "It is obvious that an ... artist must only become the greater and more decisive if, in addition to his talent, he is also an instructed botanist, if he recognizes from the root the influence of the various parts on the flourishing and growth of the plant, their purpose and reciprocal effects, if he understands and considers the successive development of the leaves, flowers, fertilization, fruit and the new germ. He will then not only show his taste by choosing from the appearances, but he will also astonish us at the same time by a correct representation of the characteristics." In this way, truth prevails in artistic creation, for according to this view, the style of art rests on "the deepest foundations of knowledge, on the essence of things, insofar as we are allowed to recognize it in visible and tangible forms". One consequence of this view of truth and its cognition is that the imagination was allowed its share in the creation of knowledge and the abstract mind was not seen as the only faculty of knowledge. The ideas that Goethe based his observations on plant and animal formation on were not gray, abstract thoughts, but rather sensory-supersensible images generated from the imagination. Only observation with imagination can really lead into the essence of things, not bloodless abstraction: this is Goethe's conviction. This is why he emphasizes that Galileo observed as a genius to whom "one case counts for a thousand" by "developing the doctrine of the pendulum and the fall of bodies from swinging church lamps". The imagination uses the one case to create a substantive image of the essential in the phenomena; the abstracting mind can only gain a general rule of their course from the combination, comparison and calculation of the phenomena. This belief of Goethe's in the cognitive capacity of the imagination, which rises to a co-experience of the creative forces of the world, rests on his entire conception of the world. Anyone who, like him, sees the workings of nature in everything, can also see nothing in the spiritual content of the human imagination but higher products of nature. Fantasy images are products of nature; and since they reproduce nature, they can only contain the truth, for otherwise nature would be lying to itself with these images that it creates of itself. Only people with imagination can reach the highest level of cognition. Goethe calls them the "comprehensive" and "contemplative" in contrast to the merely "inquisitive", who remain at a lower level of knowledge. "The inquisitive require a calm, disinterested gaze, a curious restlessness, a clear mind ...; they also only process what they find in a scientific sense." "The observers already behave productively, and knowledge, by increasing itself, demands, without realizing it, the observation and passes over to it; and as much as the knowers crucify and bless themselves before the imagination, they must, before they know it, call the productive imagination to their aid... The comprehensive, which in a prouder sense could be called the creative, behave productively in the highest sense; for by starting from ideas, they already express the unity of the whole, and it is to a certain extent afterwards the business of nature to fit itself into this idea." Anyone who believes in such a way of cognition cannot be helped by talking about the limitations of human cognition in the Kantian manner. For that which man needs as his truth, he experiences within himself. The core of nature lies within man. Goethe's and Schiller's view of the world does not demand of truth that it be a repetition of world phenomena in the imagination, that the latter, in the literal sense, agrees with something outside of man. That which appears in man is not present as such, as the ideal, as spiritual being, in any external world; but it is that which ultimately appears as the summit of all becoming. Therefore, for this world view, truth need not appear to all people in the same form. It can have an individual character in each individual. For those who seek truth in its correspondence with an exterior, there is only one form of it, and they will search with Kant for that "metaphysics" which alone "will be able to appear as science. Whoever sees in truth the highest fruit of all existence, that in which the "universe, if it could perceive itself as having reached its goal, would rejoice and admire the summit of its own becoming and being" (Goethe, in his essay on Winkelmann), can say with Goethe: "If I know my relationship to myself and to the outside world, then I call it truth. And so everyone can have their own truth, and yet it is always the same." The essence of being does not lie in what the outside world provides us with, but in what man produces within himself without it already being present in the outside world. Goethe therefore opposes those who want to penetrate the so-called "interior of nature through instruments and objective experiments, for "man in himself, insofar as he makes use of his healthy senses, is the greatest and most precise physical apparatus that can exist, and it is precisely the greatest misfortune of modern physics that experiments have been separated from man, as it were, and that one wants to recognize nature merely in what artificial instruments show, indeed, to limit and prove what it can achieve." But "man stands so high that the otherwise unrepresentable is represented in him. What is a string and all its mechanical divisions compared to the musician's ear? Yes, one could say, what are the elementary phenomena of nature itself compared to man, who must tame and modify them all in order to assimilate them to some extent."

[ 53 ] Goethe speaks to his view of the world neither of a mere conceptual cognition, nor of a belief, but of a seeing in the spirit. He writes to Jacobi: "You hold to faith in God; I to seeing." This seeing in the spirit, as it is meant here, enters into the development of the world-view as that power of the soul which corresponds to an age to which thought is no longer what it was to the Greek thinker; to which it rather reveals itself as a product of self-consciousness; but as such, which is won by the fact that this self-consciousness knows itself within the spiritually creative powers in nature. Goethe is the representative of an epoch of worldview that feels compelled to move from mere thinking to seeing. Schiller endeavors to justify this transition to Kant.


[ 54 ] The intimate alliance that Goethe, Schiller and their contemporaries forged between poetry and worldview has, at the beginning of our century, deprived the latter of the lifeless character that it must acquire if it moves solely in the region of the abstracting intellect. The result of this covenant was the belief that there is a personal, an individual element in the world view. It is possible for man to create his relationship to the world according to his own nature, and yet to immerse himself in reality, not in a merely fantastic world of schemes. His ideal need not be the Kantian, a once and for all completed theoretical view along the lines of mathematics. Only from the spiritual atmosphere of such a conviction that elevates human individuality can an idea like that of Jean Paul (1763-1825) be born: "The heart of genius, to which all other brilliance and auxiliary powers only serve, has and gives a genuine characteristic, namely a new view of the world and of life." How could it be the hallmark of the most highly developed human being, the genius, to create a new view of the world and of life if there were only one true, universally valid view of the world, if the world of imagination had only one form? Jean Paul is, in his own way, a defender of Goethe's view that man experiences the highest form of existence within himself. He writes to Jacobi: "We do not actually believe in divine freedom, God, virtue, but we really see them as already given or giving themselves, and this seeing is precisely a knowledge, and a higher one, whereas the knowledge of the intellect merely refers to a lower seeing. Reason could be called the consciousness of the sole positive, for all the positive of sensuality ultimately dissolves into that of spirituality, and the intellect eternally drives its being only with the relative, which in itself is nothing, therefore before God the more or less and all levels of comparison fall away." Jean Paul does not want to let anything rob him of the right to experience the truth within himself and to set all the powers of the soul, not just the logical mind, in motion. "The heart, the living root of man, should not be torn from my breast by transcendental philosophy (Jean Paul means the world view that follows Kant) and replaced by a pure instinct of selfhood; I will not allow myself to be freed from the dependence on love in order to be saved by pride alone." Thus he rejects Kant's unworldly moral order. "I maintain that, as there are four last things, so there are four first things: Beauty, truth, morality and blessedness, and that the synthesis of these is not only necessary, but also already given, but only (and therefore it is precisely one) in incomprehensible spiritual-organic unity, without which we can find no understanding and no transition at all in these four evangelists or parts of the world." In Kant and Fichte, the critique of the intellect, proceeding with the utmost logical rigor, had come so far as to reduce the independent significance of the real, the vital, to a mere appearance, to a dream image. This view was unbearable for imaginative people who enriched life with the figures of their imagination. These people sensed reality, it was present in their perception, in their souls; and they were to have its mere dreamlike nature proven to them. "The windows of philosophical auditoriums are too high to allow a view of the alleys of real life," says Jean Paul.

[ 55 ] Fichte strove for the purest, highest experienced truth. He renounced all knowledge that did not arise from within himself, because only from this can certainty arise. The counter-current to his world view is Romanticism. Fichte only accepts the truth, and the inner being of man only insofar as it reveals the truth; the Romantic world view only accepts the inner being and declares everything that springs from this inner being to be truly valuable. The ego should not be bound by anything external. Everything it creates has its justification.

[ 56 ] It can be said of Romanticism that it pursued Schiller's sentence: "Man only plays where he is man in the full meaning of the word, and he is only fully man where he plays" to its utmost consequences. She wants to turn the whole world into a realm of the artistic. The fully developed human being knows no other norm than the laws that he creates with his freely exercised imagination, just as the artist creates those that he imprints on his work. He rises above everything that determines him from the outside and lives entirely out of himself. The whole world is merely material for his aesthetic play. The seriousness of the everyday man is not rooted in truth. The cognizing soul cannot take things seriously in themselves, because they are not valuable to it in themselves. Rather, it is the soul itself that gives them value. The mood of the mind, which is aware of its sovereignty over things, is what the Romantics call the ironic. Karl Wilhelm Ferdinand Solger (1780-1819) gave the following explanation of Romantic irony: "The artist's mind must summarize all directions in an all-encompassing view, and we call this overarching, all-destroying view irony. "Friedrich Schlegel (1772-1829), one of the leaders of the Romantic school of thought, says of the ironic mood that it "overlooks everything and rises infinitely above everything conditional, even above some art, virtue or genius". Those who live in this mood feel bound by nothing; nothing determines the direction of their actions. He can "tune himself at will philosophically or philologically, critically or poetically, historically or rhetorically, anciently or modernly". The ironic spirit rises above a truth that wants to be shackled by logic; but it also rises above an eternal, moral world order. For nothing tells him what he should do but himself alone. The ironist should do what he likes, for his morality can only be an aesthetic one. The Romantics are the heirs of Fichte's idea of the uniqueness of the ego. However, they did not want to fill this ego with ideas of reason and moral faith as Fichte did, but relied above all on the freest power of the soul, the imagination, which is not bound by anything. For them, thought was completely absorbed by poetry. Novalis says: "It is quite bad that poetry has a special name and that poets constitute a special guild. It is nothing special at all. It is the peculiar behavior of the human spirit. Does not every human being strive and strive every minute?" The ego, occupied with itself alone, can arrive at the highest truth: "It seems to man as if he is engaged in a conversation and some unknown spiritual being causes him to develop the most evident thoughts in a wonderful way." Basically, the Romantics wanted nothing more than what Goethe and Schiller had also made their confession: a view of man that makes him appear as perfect and free as possible. Novalis experiences his poetry and reflections from a mood of the soul that relates to the image of the world like that of Fichte. But Fichte's spirit works in the sharp contours of pure concepts; Novalis' from the fullness of a mind that feels where others think, lives in love where others want to encompass the essence and processes of the world in ideas. The age seeks in its representatives the higher spiritual nature behind the outer world of the senses, that spiritual nature in which the self-conscious soul is rooted, which cannot be rooted in the outer reality of the senses. Novalis feels, experiences himself in the higher spiritual nature. What he expresses, he feels through his original genius like the revelations of this spiritual nature itself. He notes to himself:

"One man succeeded in lifting the veil of the goddess to Sais-
but what did he see? He saw the wonder of wonders himself."

Novalis gives himself as feeling the spiritual mystery behind the world of the senses and the human self-consciousness as the organ through which this mystery says: This is me, when he expresses his feeling thus: "The spirit world is indeed already open to us, it is always manifest. If we suddenly became as elastic as necessary, we would see ourselves in the midst of it."