Die Rätsel der Philosophie
GA 18
Die Weltanschauung der griechischen Denker
[ 1 ] In Pherekydes von Syros, der im sechsten vorchristlichen Jahrhundert lebte, erscheint innerhalb des griechischen Geisteslebens eine Persönlichkeit, an welcher man die Geburt dessen beobachten kann, was in den folgenden Ausführungen «Welt- und Lebensanschauungen» genannt wird. Was er über die Weltenfragen zu sagen hat, gleicht auf der einen Seite noch den mythischen und bildhaften Darstellungen einer Zeit, die vor dem Streben nach wissenschaftlicher Weltanschauung liegt; auf der anderen Seite ringt sich bei ihm das Vorstellen durch das Bild, durch den Mythus, zu einer Betrachtung durch, die durch Gedanken die Rätsel des Daseins und der Stellung des Menschen in der Welt durchdringen will. Er stellt noch die Erde vor unter dem Bilde einer geflügelten Eiche, welcher Zeus die Oberfläche von Land, Meer, Flüssen usw. wie ein Gewebe umlegt; er denkt sich die Welt durchwirkt von Geistwesen, von welchen die griechische Mythologie spricht. Doch spricht er auch von drei Ursprüngen der Welt: von Chronos, von Zeus und von Chthon.
[ 2 ] Es ist in der Geschichte der Philosophie viel darüber verhandelt worden, was unter diesen drei Ursprüngen des Pherekydes zu verstehen sei. Da sich die geschichtlichen Nachrichten über das, was er in seinem Werke «Heptamychos» habe darstellen wollen, widersprechen, so ist begreiflich, daß darüber auch gegenwärtig die Meinungen voneinander abweichen. Wer sich auf das geschichtlich über Pherekydes Überlieferte betrachtend einläßt, kann den Eindruck bekommen, daß allerdings an ihm der Anfang des philosophischen Nachdenkens beobachtet werden kann, daß aber diese Beobachtung schwierig ist, weil seine Worte in einem Sinne genommen werden müssen, welcher den Denkgewohnheiten der Gegenwart ferne liegt und der erst gesucht werden muß.
[ 3 ] Den Ausführungen dieses Buches, das ein Bild der Welt- und Lebensanschauungen des neunzehnten Jahrhunderts geben soll, wird bei seiner zweiten Ausgabe eine kurze Darstellung der vorangehenden Welt- und Lebensanschauungen vorgesetzt, insofern diese Weltanschauungen auf gedanklicher Erfassung der Welt beruhen. Es geschieht dies aus dem Gefühle heraus, daß die Ideen des vorigen Jahrhunderts in ihrer inneren Bedeutung sich besser enthüllen, wenn sie nicht nur für sich genommen werden, sondern wenn auf sie die Gedankenlichter der vorangehenden Zeiten fallen. Naturgemäß kann aber in einer solchen «Einleitung» nicht alles «Beweismaterial» verzeichnet werden, das der kurzen Skizze zur Unterlage dienen muß. (Wenn es dem Schreiber dieser Ausführungen einmal gegönnt sein wird, die Skizze zu einem selbständigen Buche zu machen, dann wird man ersehen, daß die entsprechende «Unterlage» durchaus vorhanden ist. Auch zweifelt der Verfasser nicht, daß andere, welche in dieser Skizze eine Anregung sehen wollen, in dem geschichtlich Überlieferten die «Beweise» finden werden.)
[ 4 ] Pherekydes kommt zu seinem Weltbilde auf andere Art, als man vor ihm zu einem solchen gekommen ist. Das Bedeutungsvolle bei ihm ist, daß er den Menschen als beseeltes Wesen anders empfindet, als dies vor ihm geschehen ist. Für das frühere Weltbild hat der Ausdruck «Seele» noch nicht den Sinn, welchen er für die späteren Lebensauffassungen erhalten hat. Auch bei Pherekydes ist die Idee der Seele noch nicht in der Art vorhanden wie bei den ihm folgenden Denkern. Er empfindet erst das Seelische des Menschen, wogegen die Späteren von ihm deutlich in Gedanken sprechen und es charakterisieren wollen. Die Menschen früher Zeiten trennen das eigene menschliche Seelen-Erleben noch nicht von dem Naturleben ab. Sie stellen sich nicht als ein besonderes Wesen neben die Natur hin; sie erleben sich in der Natur, wie sie in derselben Blitz und Donner, das Treiben der Wolken, den Gang der Sterne, das Wachsen der Pflanzen er leben. Was die Hand am eigenen Leibe bewegt, was den Fuß auf die Erde setzt und vorschreiten läßt, gehört für den vorgeschichtlichen Menschen einer Region von Weltenkräften an, die auch den Blitz und das Wolkentreiben, die alles äußere Geschehen bewirken. Was dieser Mensch empfindet, läßt sich etwa so aussprechen: Etwas läßt blitzen, donnern, regnen, bewegt meine Hand, läßt meinen Fuß vorwärtsschreiten, bewegt die Atemluft in mir, wendet meinen Kopf. Man muß, wenn man eine derartige Erkenntnis ausspricht, sich solcher Worte bedienen, welche auf den ersten Eindruck hin übertrieben scheinen können. Doch wird nur durch das scheinbar übertrieben klingende Wort die richtige Tatsache voll empfunden werden können. Ein Mensch, welcher ein Weltbild hat, wie es hier gemeint ist, empfindet in dem Regen, der zur Erde fällt, eine Kraft wirkend, die man gegenwärtig «geistig» nennen muß, und die gleichartig ist mit derjenigen, die er empfindet, wenn er sich zu dieser oder jener persönlichen Betätigung anschickt. Von Interesse kann es sein, diese Vorstellungsart bei Goethe, in dessen jüngeren Jahren, wiederzufinden, naturgemäß in jener Schattierung, welche sie bei einer Persönlichkeit des achtzehnten Jahrhunderts haben muß. Man kann in Goethes Aufsatz «Die Natur» lesen: «Sie (die Natur) hat mich hereingestellt, sie wird mich auch herausführen. Ich vertraue mich ihr. Sie mag mit mir schalten. Sie wird ihr Werk nicht hassen. Ich sprach nicht von ihr. Nein, was wahr ist und was falsch ist, alles hat sie gesprochen. Alles ist ihre Schuld, alles ihr Verdienst.»
[ 5 ] So, wie Goethe spricht, kann man nur sprechen, wenn man das eigene Wesen innerhalb des Naturganzen fühlt und man dieses Gefühl durch die denkende Betrachtung zum Aus drucke bringt. Wie er dachte, empfand der Mensch der Vorzeit, ohne daß sich sein Seelenerlebnis zum Gedanken bildete. Er erlebte noch nicht den Gedanken; dafür aber gestaltete sich in seiner Seele, anstatt des Gedankens, das Bild (Sinnbild). Die Beobachtung der Menschheitsentwickelung führt in eine Zeit zurück, in welcher die gedanklichen Erlebnisse noch nicht geboren waren, in welcher aber im Innern des Menschen das Bild (Sinnbild) auflebte, wie beim später lebenden Menschen der Gedanke auflebt, wenn er die Weltenvorgänge betrachtet. Das Gedankenleben entsteht für den Menschen in einer bestimmten Zeit; es bringt das vorherige Erleben der Welt in Bildern zum Erlöschen.
[ 6 ] Für die Denkgewohnheiten unserer Zeit erscheint es annehmbar, sich vorzustellen: in der Vorzeit haben die Menschen die Naturvorgänge, Wind und Wetter, das Keimen des Samens, den Gang der Sterne beobachtet und sich zu diesen Vorgängen geistige Wesenheiten, als die tätigen Bewirker, hinzuerdichtet; dagegen liegt es dem gegenwärtigen Bewußtsein ferne, anzuerkennen, daß der Mensch der Vorzeit die Bilder so erlebt hat, wie der spätere Mensch die Gedanken erlebte als seelische Wirklichkeit.
[ 7 ] Man wird allmählich erkennen, daß im Laufe der Menschheitsentwickelung eine Umwandlung der menschlichen Organisation stattgefunden hat. Es gab eine Zeit, in der die feinen Organe in der menschlichen Natur noch nicht ausgebildet waren, welche ermöglichen, ein inneres abgesondertes Gedankenleben zu entwickeln; in dieser Zeit hatte dafür der Mensch die Organe, die ihm sein Mit-Erleben mit der Welt in Bildern vorstellten.
[ 8 ] Wenn man dieses erkennen wird, wird ein neues Licht fallen auf die Bedeutung des Mythus einerseits und auch auf diejenige von Dichtung und Gedankenleben andererseits. Als das innerlich selbständige Gedanken-Erleben auftrat, brachte es das frühere Bild-Erleben zum Erlöschen. Es trat der Gedanke auf als das Werkzeug der Wahrheit. In ihm lebte aber nur ein Ast des alten Bild-Erlebens fort, das sich im Mythus seinen Ausdruck geschaffen hatte. In einem anderen Aste lebte das erloschene Bild-Erleben weiter, allerdings in abgeblaßter Gestalt, in den Schöpfungen der Phantasie, der Dichtung. Dichterische Phantasie und gedankliche Weltanschauung sind die beiden Kinder der einen Mutter, des alten Bild-Erlebens, das man nicht mit dem dichterischen Erleben verwechseln darf.
[ 9 ] Das Wesentliche, worauf es ankommt, ist die Umwandlung der feineren Organisation des Menschen. Diese führte das Gedankenleben herbei. In der Kunst, in der Dichtung wirkt naturgemäß nicht der Gedanke als solcher; es wirkt das Bild weiter. Aber es hat nunmehr ein anderes Verhältnis zur menschlichen Seele, als es es hatte in der Gestalt, in welcher es sich auch noch als Erkenntnisbild formte. Als Gedanke selbst tritt das seelische Erleben nur in der Weltanschauung auf; die anderen Zweige des menschlichen Lebens formen sich in anderer Art entsprechend, wenn im Erkenntnisgebiete der Gedanke herrschend wird.
[ 10 ] Mit dem dadurch charakterisierten Fortschritt der menschlichen Entwickelung hängt zusammen, daß sich der Mensch vom Auftreten des Gedanken-Erlebens an in ganz anderem Sinne als abgesondertes Wesen, als «Seele» fühlen mußte, als das früher der Fall war. Das «Bild» wurde so erlebt, daß man empfand: es ist in der Außenwelt als Wirklichkeit, und man erlebt diese Wirklichkeit mit, man ist mit ihr verbunden. Mit dem «Gedanken» wie auch mit dem dichterischen Bilde fühlt sich der Mensch von der Natur abgesondert; er fühlt sich im Gedanken-Erlebnis als etwas, was die Natur so nicht miterleben kann, wie er es erlebt. Es entsteht immer mehr die deutliche Empfindung des Gegensatzes von Natur und Seele.
[ 11 ] In den verschiedenen Kulturen der Völker hat sich der Übergang von dem alten Bild-Erleben zum Gedanken-Erleben zu verschiedenen Zeitpunkten vollzogen. In Griechenland kann man diesen Übergang belauschen, wenn man den Blick auf die Persönlichkeit des Pherekydes wirft. Er lebt in einer Vorstellungswelt, an welcher das Bild-Erleben und der Gedanke noch gleichen Anteil haben. Es können seine drei Grundideen, Zeus, Chronos, Chthon, nur so vorgestellt werden, daß die Seele, indem sie sie erlebt, sich zugleich dem Geschehen der Außenwelt angehörig fühlt. Man hat es mit drei erlebten Bildern zu tun und kommt diesen nur bei, wenn man sich nicht beirren läßt von allem, was die gegenwärtigen Denkgewohnheiten dabei vorstellen möchten.
[ 12 ] Chronos ist nicht die Zeit, wie man sie gegenwärtig vorstellt. Chronos ist ein Wesen, das man mit heutigem Sprachgebrauch «geistig» nennen kann, wenn man sich dabei bewußt ist, daß man den Sinn nicht erschöpft. Chronos lebt, und seine Tätigkeit ist das Verzehren, Verbrauchen des Lebens eines anderen Wesens, Chthon. In der Natur waltet Chronos, im Menschen waltet Chronos; in Natur und Mensch verbraucht Chronos Chthon. Es ist einerlei, ob man das Verzehren des Chthon durch Chronos innerlich erlebt oder äußerlich in den Naturvorgängen ansieht. Denn auf beiden Gebieten geschieht dasselbe. Verbunden mit diesen beiden Wesen ist Zeus, den man sich im Sinne des Pherekydes ebensowenig als Götterwesen im Sinne der gegenwärtigen Auffassung von Mythologie vorstellen darf, wie als bloßen «Raum» in heutiger Bedeutung, obwohl er das Wesen ist, welches das, was zwischen Chronos und Chthon vorgeht, zur räumlichen, ausgedehnten Gestaltung schafft.
[ 13 ] Das Zusammenwirken von Chronos, Chthon, Zeus im Sinne des Pherekydes wird unmittelbar im Bilde erlebt, wie die Vorstellung erlebt wird, daß man ißt; es wird aber auch in der Außenwelt erlebt, wie die Vorstellung der blauen oder roten Farbe erlebt wird. Dies Erleben kann man in folgender Art vorstellen. Man lenke den Blick auf das Feuer, welches die Dinge verzehrt. In der Tätigkeit des Feuers, der Wärme, lebt sich Chronos dar. Wer das Feuer in seiner Wirksamkeit anschaut und noch nicht den selbständigen Gedanken, sondern das Bild wirksam hat, der schaut Chronos. Er schaut mit der Feuerwirksamkeit nicht mit dem sinnlichen Feuer zugleich die «Zeit». Eine andere Vorstellung von der Zeit gibt es vor der Geburt des Gedankens noch nicht. Was man gegenwärtig «Zeit» nennt, ist erst eine im Zeitalter der gedanklichen Weltanschauung ausgebildete Idee. Lenkt man den Blick auf das Wasser, nicht wie es als Wasser ist, sondern wie es sich in Luft oder Dampf verwandelt, oder auf die sich auflösenden Wolken, so erlebt man im Bilde die Kraft des «Zeus», des räumlich wirksamen Verbreiterers; man könnte auch sagen: des sich «strahlig» Ausdehnenden. Und schaut man das Wasser, wie es zum Festen wird, oder das Feste, wie es sich in Flüssiges bildet, so schaut man Chthon. Chthon ist etwas, was dann später im Zeitalter der gedankenmäßigen Weltanschauungen zur «Materie», zum «Stoffe» geworden ist; Zeus ist zum «Äther» oder auch zum «Raum» geworden; Chronos zur «Zeit».
[ 14 ] Durch das Zusammenwirken dieser drei Urgründe stellt sich im Sinne des Pherekydes die Welt her. Es entstehen durch dieses Zusammenwirken auf der einen Seite die sinnlichen Stoffwelten: Feuer, Luft, Wasser, Erde; auf der anderen Seite eine Summe von unsichtbaren, übersinnlichen Geistwesen, welche die vier Stoffwelten beleben. Zeus, Chronos, Chthon sind Wesenheiten, denen gegenüber die Ausdrücke «Geist, Seele, Stoff» wohl gebraucht werden können, doch wird die Bedeutung damit nur annähernd bezeichnet. Erst durch die Verbindung dieser drei Urwesen entstehen die mehr stofflichen Weltenreiche, das des Feuers, der Luft, des Wassers, der Erde und die mehr seelischen und geistigen (übersinnlichen) Wesenheiten. Mit einem Ausdruck der späteren Weltanschauungen kann man Zeus als «Raum-Äther», Chronos als «Zeit-Schöpfer» und Chthon als «Stoff-Erbringer» die drei «Urmütter» der Welt nennen. Man sieht sie noch in Goethes «Faust» durchblicken, in der Szene des zweiten Teiles, wo Faust den Gang zu den «Müttern» antritt.
[ 15 ] So wie bei Pherekydes diese drei Urwesen auftreten, weisen sie zurück auf Vorstellungen bei Vorgängern dieser Persönlichkeit, auf die sogenannten Orphiker. Diese sind Bekenner einer Vorstellungsart, welche noch ganz in der alten Bildhaftigkeit lebt. Bei ihnen finden sich auch drei Urwesen, Zeus, Chronos und das Chaos. Neben diesen drei «Urmüttern» sind diejenigen des Pherekydes um einen Grad weniger bildhaft. Pherekydes versucht eben schon mehr durch das Gedankenleben zu ergreifen, was die Orphiker noch völlig im Bilde hielten. Deshalb erscheint er als die Persönlichkeit, bei welcher man von der «Geburt des Gedankenlebens» sprechen kann. Dies drückt sich weniger durch die gedankliche Fassung der orphischen Vorstellungen bei Pherekydes aus, als durch eine gewisse Grundstimmung seiner Seele, die sich dann in einer ähnlichen Art bei manchem philosophierenden Nachfolger des Pherekydes in Griechenland wiederfindet. Pherekydes sieht sich nämlich gezwungen, den Ursprung der Dinge in dem «Guten» (Arizon) zu sehen. Mit den «mythischen Götterwelten» der alten Zeit konnte er diesen Begriff nicht verbinden. Den Wesen dieser Welt kamen Seeleneigenschaften zu, die mit diesem Begriffe nicht verträglich waren. In seine drei «Urgründe» konnte Pherekydes nur den Begriff des «Guten», des Vollkommenen hineindenken.
[ 16 ] Damit hängt zusammen, daß mit der Geburt des Gedankenlebens eine Erschütterung des seelischen Empfindens verbunden war. Man soll dieses seelische Erlebnis da nicht übersehen, wo die gedankliche Weltanschauung ihren Anfang hat. Man hätte in diesem Anfang nicht einen Fortschritt empfinden können, wenn man mit dem Gedanken nicht etwas Vollkommeneres hätte zu erfassen geglaubt, als mit dem alten Bild-Erleben erreicht war. Es ist ganz selbstverständlich, daß innerhalb dieser Stufe der Weltanschauungsentwickelung die hier gemeinte Empfindung nicht klar ausgesprochen wurde. Empfunden aber wurde, was man jetzt rückblickend auf die alten griechischen Denker klar aussprechen darf. Man empfand: die von den unmittelbaren Vorfahren erlebten Bilder führten nicht zu den höchsten, den vollkommensten Urgründen. In diesen Bildern zeigten sich nur weniger vollkommene Urgründe. Der Gedanke müsse sich erheben zu den noch höheren Urgründen, von denen das in Bildern Geschaute nur die Geschöpfe sind.
[ 17 ] Durch den Fortschritt zum Gedankenleben zerfiel die Welt für das Vorstellen in eine mehr natürliche und eine mehr geistige Sphäre. In dieser geistigen Sphäre, die man jetzt erst empfand, mußte man das fühlen, was ehedem in Bildern erlebt worden war. Dazu kam jetzt noch die Vorstellung eines Höheren, was erhaben über dieser älteren geistigen Welt und über der Natur gedacht wird. Zu diesem Erhabenen wollte der Gedanke dringen. In der Region dieses Erhabenen sucht Pherekydes seine «drei Urmütter». Ein Blick auf die Welterscheinungen kann veranschaulichen, von welcher Art die Vorstellungen waren, die bei einer Persönlichkeit wie Pherekydes Platz griffen. In seiner Umwelt findet der Mensch eine allen Erscheinungen zugrunde liegende Harmonie, wie sie sich in den Bewegungen der Gestirne, in dem Gang der Jahreszeiten mit den Segnungen des Pflanzenwachstums usw. zum Ausdrucke bringt. In diesen segensvollen Lauf der Dinge greifen die hemmenden, zerstörenden Mächte ein, wie sie sich in den schädlichen Wetterwirkungen, in Erdbeben usw. ausdrücken. Wer den Blick auf alles dieses wendet, kann auf eine Zweiheit der waltenden Mächte geführt werden. Doch bedarf die menschliche Seele der Annahme einer zugrunde liegenden Einheit. Sie empfindet naturgemäß: der verheerende Hagel, das zerstörende Erdbeben, sie müssen schließlich aus derselben Quelle stammen wie die segenbringende Ordnung der Jahreszeiten. Der Mensch blickt auf diese Art durch Gutes und Schlechtes hindurch auf ein Urgutes. In dem Erdbeben waltet dieselbe gute Kraft wie in dem Frühlingssegen. In der austrocknenden verödenden Sonnenhitze ist dieselbe Wesenheit tätig, welche das Samenkorn zur Reife bringt. Also auch in den schädlichen Tatsachen sind die «guten Urmütter». Wenn der Mensch dieses fühlt, stellt sich ein gewaltiges Weltenrätsel vor seine Seele hin. Pherekydes blickt, um es sich zu lösen, zu seinem Ophioneus hin. Sich anlehnend an die alten Bildervorstellungen, erscheint ihm Ophioneus wie eine Art «Weltenschlange». In Wirklichkeit ist dies ein Geistwesen, welches wie alle anderen WeItwesen zu den Kindern von Chronos, Zeus und Chthon gehört, jedoch sich nach seiner Entstehung so gewandelt hat, daß seine Wirkungen sich gegen die Wirkungen der «guten Urmütter» richten. Damit aber zerfällt die Welt in eine Dreiheit. Das erste sind die «Urmütter», die als gut, als vollkommen dargestellt werden, das zweite sind die segensreichen Weltvorgänge, das dritte die zerstörenden oder nur unvollkommenen Weltvorgänge, welche sich als Ophioneus in die Segenswirkungen hineinwinden.
[ 18 ] Bei Pherekydes ist Ophioneus nicht etwa eine bloße symbolische Idee für die hemmenden, zerstörenden Weltenmächte. Pherekydes steht mit seinem Vorstellen an der Grenze zwischen Bild und Gedanken. Er denkt nicht etwa: es gibt verheerende Mächte, ich stelle sie mir unter dem Bilde des Ophioneus vor. Solch ein Gedankenprozeß ist bei ihm auch nicht als Phantasietätigkeit vorhanden. Er blickt auf die hemmenden Kräfte, und unmittelbar steht vor seiner Seele Ophioneus, wie die rote Farbe vor der Seele steht, wenn der Blick auf die Rose geworfen wird.
[ 19 ] Wer die Welt nur sieht, wie sie sich der Bildwahrnehmung darbietet, der unterscheidet zunächst im Gedanken nicht die Vorgänge der «guten Urmütter» und diejenigen des Ophioneus. An der Grenze zur gedanklichen Weltanschauung hin wird die Notwendigkeit dieser Unterscheidung empfunden. Denn mit diesem Fortschritte erst fühlt sich die Seele als ein abgesondertes, selbständiges Wesen. Sie fühlt, daß sie sich fragen muß: Woher stamme ich selbst? Und sie muß ihren Ursprung suchen in Weltentiefen, wo Chronos, Zeus und Chthon noch nicht ihren Widersacher neben sich hatten. Doch fühlt die Seele auch, daß sie von diesem ihrem Ursprunge zunächst nichts wissen kann. Denn sie sieht sich inmitten der Welt, in welcher die «guten Urmütter» mit Ophioneus zusammenwirken; sie fühlt sich in einer Welt, in der Vollkommenes und Unvollkommenes miteinander verbunden sind. Ophioneus ist in ihr eigenes Wesen mit hineinverschlungen.
[ 20 ] Man fühlt, was in den Seelen einzelner Persönlichkeiten im sechsten vorchristlichen Jahrhundert vorgegangen ist, wenn man die charakterisierten Empfindungen auf sich wirken läßt. Mit den alten mythischen Götterwesen fühlten sich solche Seelen in die unvollkommene Welt hinein verstrickt. Diese Götterwesen gehörten derselben unvollkommenen Welt an wie sie selber. Aus solcher Stimmung heraus entstand ein Geistesbund wie der von Pythagoras aus Samos zwischen den Jahren 540 und 500 v.Chr. in Kroton in Großgriechenland gegründete. Pythagoras wollte die sich zu ihm bekennenden Menschen zum Empfinden der «guten Urmütter» zurückführen, in denen der Ursprung ihrer Seelen vorgestellt werden sollte. In dieser Beziehung kann gesagt werden, daß er und seine Schüler «anderen» Göttern dienen wollten als das Volk. Und damit war gegeben, was als der Bruch erscheinen muß zwischen solchen Geistern wie Pythagoras und dem Volke. Dieses fühlte sich mit seinen Göttern wohl; er mußte diese Götter in das Reich des Unvollkommenen verweisen. Darin ist auch das «Geheimnis» zu suchen, von dem im Zusammenhang mit Pythagoras gesprochen wird, und das den nicht Eingeweihten nicht verraten werden durfte. Es bestand darinnen, daß sein Denken der Menschenseele einen anderen Ursprung zusprechen mußte als den Götterseelen der Volksreligion. Auf dieses «Geheimnis» sind zuletzt die zahlreichen Angriffe zurückzuführen, welche Pythagoras erfahren hat. Wie sollte er anderen als denen, welche er erst sorgfältig für solche Erkenntnis vorbereitete, klarmachen, daß sie «als Seelen» sich sogar in einem gewissen Sinne als höherstehend ansehen dürften als die Volksgötter stehen. Und wie sollte sich anders als in einem Bunde mit streng geregelter Lebensweise durchführen lassen, daß sich die Seelen ihres hohen Ursprungs bewußt wurden und doch sich verstrickt in die Unvollkommenheit fühlten. Durch letzteres Fühlen sollte ja das Streben erzeugt werden, das Leben so einzurichten, daß es durch Selbstvervollkommnung zu seinem Ursprunge zurückführte. Daß um solches Streben des Pythagoras sich Legenden und Mythen bilden mußten, ist verständlich. Und auch, daß über die wahre Bedeutung dieser Persönlichkeit so gut wie nichts geschichtlich überliefert ist. Wer jedoch die Legenden und sagenhaften Überlieferungen des Altertums über Pythagoras im Zusammenhange beobachtet, der wird aus ihnen das eben gegebene Bild doch erkennen.
[ 21 ] In dem Bilde des Pythagoras fühlt das gegenwärtige Denken auch noch störend die Idee der sogenannten «Seelenwanderung». Man empfindet es als kindlich, wenn Pythagoras sogar gesagt haben soll, er wisse, daß er in früheren Zeiten als anderes Menschenwesen bereits auf Erden war. Es darf erinnert werden daran, daß der große Vertreter der neueren Aufklärung, Lessing, in seiner «Erziehung des Menschengeschlechtes» aus einem ganz anderen Denken heraus, als das des Pythagoras war, diese Idee der wiederholten Erdenleben des Menschen erneuert hat. Lessing konnte sich den Fortschritt des Menschengeschlechtes nur so vorstellen, daß die menschlichen Seelen an dem Leben in den aufeinanderfolgenden Erdenzeiträumen wiederholt teilnehmen. Eine Seele bringt als Anlage usw. in das Leben eines späteren Zeitraumes mit, was ihr von dem Erleben in früheren Zeiträumen geblieben ist. Lessing findet es naturgemäß, daß die Seele schon oft im Erdenleibe da war und in Zukunft oft da sein werde und sich so von Leben zu Leben zu der ihr möglichen Vollkommenheit durchringt. Er macht darauf aufmerksam, daß diese Idee von den wiederholten Erdenleben nicht deshalb für unglaubwürdig angesehen werden müsse, weil sie in den ältesten Zeiten vorhanden war, «weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterei der Schule zerstreut und geschwächt hatte, sogleich darauf verfiel».
[ 22 ] Bei Pythagoras ist diese Idee vorhanden. Doch wäre es ein Irrtum, zu glauben, daß er sich ihr wie auch Pherekydes, der im Altertum als sein Lehrer genannt wird hingegeben habe, weil er etwa logisch schließend gedacht habe, daß der oben angedeutete Weg, welchen die Menschenseele zu ihrem Ursprunge durchzumachen habe, nur in wiederholten Erdenleben zu erreichen sei. Ein solch verstandesmäßiges Denken dem Pythagoras zuzumuten, hieße ihn verkennen. Es wird von seinen weiten Reisen erzählt. Davon, daß er mit Weisen zusammengetroffen sei, welche Überlieferungen ältester menschlicher Einsicht aufbewahrten. Wer beobachtet, was von ältesten menschlichen Vorstellungen überliefert ist, der kann zu der Anschauung kommen, daß die Ansicht von den wiederholten Erdenleben in den Urzeiten weite Verbreitung gehabt hat. An Ur-Lehren der Menschheit knüpfte Pythagoras an. Die mythischen Bilderlehren seiner Umgebung mußten ihm wie verfallene Anschauungen erscheinen, welche von älteren, besseren herkamen. Diese Bilderlehren mußten sich in seinem Zeitalter umwandeln in gedankenmäßige Weltanschauung. Doch erschien ihm diese gedankliche Weltanschauung nur als ein Teil des Seelenlebens. Dieser Teil mußte vertieft werden; dann führte er die Seele zu ihren Ursprüngen. Aber indem die Seele so vordringt, entdeckt sie in ihrem inneren Erleben die wiederholten Erdenleben wie eine seelische Wahrnehmung. Sie kommt nicht zu ihren Ursprüngen, wenn sie den Weg dazu nicht durch wiederholte Erdenleben hindurch findet. Wie ein Wanderer, der nach einem entfernten Orte gehend auf seinem Wege naturgemäß durch andere Orte hindurchkommt, so kommt die Seele, wenn sie zu den «Müttern» geht, durch ihre vorangehenden Leben hindurch, durch welche schreitend sie herabgestiegen ist von ihrem Sein im «Vollkommenen» zu ihrem gegenwärtigen Leben im «Unvollkommenen». Man kann, wenn man alles in Betracht Kommende berücksichtigt, gar nicht anders, als die Ansicht von den wiederholten Erdenleben dem Pythagoras in diesem Sinne, als seine innere Wahrnehmung, und nicht als begrifflich Erschlossenes, zuschreiben. Nun wird als besonders charakteristisch bei dem Bekennertum des Pythagoras von der Ansicht gesprochen, daß alle Dinge auf «den Zahlen» beruhen. Wenn dies angeführt wird, so muß berücksichtigt werden, daß sich das Pythagoreertum auch nach dem Tode des Pythagoras bis in spätere Zeiten fortgesetzt hat. Von späteren Pythagoreern werden genannt Philolaus, Archytas u. a. Von ihnen wußte man im Altertum insbesondere, daß sie die «Dinge als Zahlen angesehen haben». Doch darf, wenn dies auch geschichtlich nicht möglich scheint, diese Anschauung bis Pythagoras zurückverfolgt werden. Man wird nur die Voraussetzung machen dürfen, daß sie bei ihm tief und organisch in seiner ganzen Vorstellungsart begründet war, daß sie aber bei seinen Nachfolgern eine veräußerlichte Gestalt angenommen habe. Man denke sich Pythagoras im Geiste vor dem Entstehen der gedanklichen Weltanschauung stehend. Er sah, wie der Gedanke seinen Ursprung in der Seele nimmt, nachdem diese, von den «Urmüttern» ausgehend, durch aufeinanderfolgende Leben zu ihrer Unvollkommenheit herabgestiegen war. Indem er dieses empfand, konnte er nicht durch den bloßen Gedanken zu den Ursprüngen hinaufsteigen wollen. Er mußte die höchste Erkenntnis in einer Sphäre suchen, in welcher der Gedanke noch nichts zu tun hat. Da fand er denn ein übergedankliches Seelenleben. Wie die Seele in den Tönen der Musik Verhältniszahlen erlebt, so lebte sich Pythagoras in ein seelisches Zusammenleben mit der Welt hinein, das der Verstand in Zahlen aussprechen kann; doch sind die Zahlen für das Erlebte nichts anderes, als was die vom Physiker gefundenen Tonverhältniszahlen für das Erleben der Musik sind. An die Stelle der mythischen Götter hat für Pythagoras der Gedanke zu treten; doch durch entsprechende Vertiefung findet die Seele, die sich mit dem Gedanken von der Welt abgesondert hat, sich wieder in eins mit der Welt zusammen. Sie erlebt sich als nicht abgesondert von der Welt. Es ist das aber nicht in einer Region, in der das Welt-Miterleben zum mythischen Bilde wird, sondern in einer solchen, in der die Seele mit den unsichtbaren, sinnlich unwahrnehmbaren Weltenharmonien mitklingt und in sich das zum Bewußtsein bringt, was nicht sie, sondern die Weltenmächte wollen und in ihr Vorstellung werden lassen.
[ 23 ] An Pherekydes und Pythagoras enthüllt sich, wie die gedanklich erlebte Weltanschauung in der Menschenseele ihren Ursprung nimmt. Im Herausringen aus älteren Vorstellungarten kommen diese Persönlichkeiten zu innerem, selbständigem Erfassen der «Seele», zum Unterscheiden derselben von der äußeren «Natur». Was an diesen beiden Persönlichkeiten anschaulich ist, das Sich-Herausringen der Seele aus den alten Bildvorstellungen, das spielt sich mehr im Seelen-Untergrunde ab bei den anderen Denkern, mit denen gewöhnlich der Anfang gemacht wird in der Schilderung der griechischen Weltanschauungsentwickelung. Es werden zunächst gewöhnlich genannt Thales von Milet (624-546 v.Chr.), Anaximander (611-550 v.Chr.), Anaximenes (der zwischen 585 und 525 v.Chr. seine Blütezeit hatte) und Heraklit (etwa 540-480 v.Chr. zu Ephesus).
[ 24 ] Wer die vorangehenden Ausführungen anerkennt, wird eine Darstellung dieser Persönlichkeiten billigen können, welche von der in den geschichtlichen Schilderungen der Philosophie gebräuchlichen abweichen muß. Diesen Darstellungen liegt ja doch stets die unausgesprochene Voraussetzung zugrunde, daß diese Persönlichkeiten durch eine unvollkommene Naturbeobachtung zu den von ihnen überlieferten Behauptungen gekommen seien: Thales, daß im «Wasser», Anaximander in dem «Unbegrenzten», Anaximenes in der «Luft», Heraklit im «Feuer» das Grund- und Ursprungswesen aller Dinge zu suchen sei.
[ 25 ] Dabei wird nicht bedacht, daß diese Persönlichkeiten durchaus noch in dem Vorgange der Entstehung der gedanklichen Weltanschauung drinnen leben; daß sie zwar in höherem Grade als Pherekydes die Selbständigkeit der menschlichen Seele empfinden, doch aber noch die völlig strenge Absonderung des Seelenlebens von dem Naturwirken nicht vollzogen haben. Man wird sich zum Beispiel das Vorstellen des Thales ganz sicherlich irrtümlich zurechtlegen, wenn man denkt, daß er als Kaufmann, Mathematiker, Astronom über Naturvorgänge nachgedacht habe und dann in unvollkommener Art, aber doch so wie ein moderner Forscher seine Erkenntnisse in den Satz zusammengefaßt habe: «Alles stammt aus dem Wasser». Mathematiker, Astronom usw. sein, bedeutete in jener alten Zeit praktisch mit den entsprechenden Dingen zu tun haben, ganz nach Art des Handwerkers, der sich auf Kunstgriffe stützt, nicht auf ein gedanklich-wissenschaftliches Erkennen.
[ 26 ] Dagegen muß für einen Mann wie Thales vorausgesetzt werden, daß er die äußeren Naturprozesse noch ähnlich erlebte wie die inneren Seelenprozesse. Was sich ihm in den Vorgängen mit und an dem Wasser dem flüssigen, schlammartigen, erdig-bildsamen -, als Naturvorgänge darstellte, das war ihm gleich dem, was er seelisch-leiblich innerlich erlebte. In minderem Grade als die Menschen der Vorzeit erlebte er aber doch erlebte er so die Wasserwirkung in sich und in der Natur, und beide waren ihm eine Kraftäußerung. Man darf darauf hinweisen, daß noch eine spätere Zeit die äußeren Naturwirkungen in ihrer Verwandtschaft mit den innerlichen Vorgängen dachte, so daß von einer «Seele» im gegenwärtigen Sinne, die abgesondert vom Leibe vorhanden ist, nicht die Rede war. In der Ansicht von den Temperamenten ist dieser Gesichtspunkt noch in einem Nachklange festgehalten in die Zeiten der gedanklichen Weltanschauung hinein. Man nannte das melancholische Temperament das erdige, das phlegmatische das wässerige, das sanguinische luftartig, das cholerische feurig. Das sind nicht bloße Allegorien. Man empfand nicht ein völlig abgetrenntes Seelisches; man erlebte in sich ein Seelisch-Leibliches als Einheit, und in dieser Einheit den Strom der Kräfte, welche zum Beispiel durch eine phlegmatische Seele gehen, wie dieselben Kräfte außen in der Natur durch die Wasserwirkungen gehen. Und diese äußeren Wasserwirkungen schaute man als dasselbe, was man in der Seele erlebte, wenn man phlegmatisch gestimmt war. Die gegenwärtigen Denkgewohnheiten müssen den alten Vorstellungsarten sich anpassen, wenn sie in das Seelenleben früherer Zeiten eindringen wollen.
[ 27 ] Und so wird man in der Weltanschauung des Thales den Ausdruck finden dessen, was ihn sein dem phlegmatischen Temperament verwandtes Seelenleben innerlich erleben läßt. Er erlebte das, was ihm als das Weltgeheimnis vom Wasser erschien, in sich. Man verbindet mit dem Hinweis auf das phlegmatische Temperament eines Menschen eine schlimme Nebenbedeutung. So gerechtfertigt dies in vielen Fällen ist, so wahr ist auch, daß das phlegmatische Temperament, wenn es mit Energie des Vorstellens zusammen auftritt, durch seine Gelassenheit, Affektfreiheit, Leidenschaftlosigkeit den Menschen zum Weisen macht. Eine solche Sinnesart bei Thales hat wohl bewirkt, daß er von den Griechen als einer ihrer Weisen gefeiert worden ist.
[ 28 ] In anderer Art formte sich das Weltbild für Anaximenes, der die Stimmung des Sanguinischen in sich erlebte. Von ihm ist ein Ausspruch überliefert, der unmittelbar zeigt, wie er das innere Erleben mit dem Luftelement als Ausdruck des Weltgeheimnisses empfand: «Wie unsere Seele, die ein Hauch ist, uns zusammenhält, so umfangen Luft und Hauch das All.»
[ 29 ] HeraklitsWeltanschauung wird eine unbefangene Betrachtung ganz unmittelbar als Ausdruck seines cholerischen Innenlebens empfinden müssen. Ein Blick auf sein Leben wird gerade bei diesem Denker manches Licht bringen. Er gehörte einem der vornehmsten Geschlechter von Ephesus an. Er wurde ein heftiger Bekämpfer der demokratischen Partei. Er wurde dies, weil sich ihm gewisse Anschauungen ergaben, deren Wahrheit sich ihm im unmittelbaren inneren Erleben darstellte. Die Anschauungen seiner Umgebung, an den seinigen gemessen, schienen ihm ganz naturgemäß unmittelbar die Torheit dieser Umgebung zu beweisen. Er kam dadurch in so große Konflikte, daß er seine Vaterstadt verließ und ein einsames Leben bei dem Artemistempel führte. Man nehme dazu einige Sätze, die von ihm überliefert sind: «Gut wäre es, wenn alle Ephesier, die erwachsen sind, sich erhenkten und ihre Stadt den Unmündigen übergäben ...», oder das andere, wo er von den Menschen sagt: «Toren in ihrer Unverständigkeit gleichen, auch wenn sie das Wahre hören, den Tauben, von ihnen gilt: sie sind abwesend, wenn sie anwesend sind.» Ein inneres Erleben, das sich in solcher Cholerik ausspricht, findet sich verwandt dem verzehrenden Wirken des Feuers; es lebt nicht im bequemen ruhigen Sein; es fühlt sich eins mit dem «ewigen Werden». Stillstand erlebt solche Seelenart als Widersinn; «Alles fließt» ist daher der berühmte Satz des Heraklit. Es ist nur scheinbar, wenn irgendwo ein beharrendes Sein auftritt; man wird eine Heraklitische Empfindung wiedergeben, wenn man das Folgende sagt: Der Stein scheint ein abgeschlossenes, beharrendes Sein darzustellen; doch dies ist nur scheinbar: er ist im Innern wild bewegt, alle seine Teile wirken aufeinander. Es wird die Denkweise des Heraklit gewöhnlich mit dem Satze charakterisiert: man könne nicht zweimal in denselben Strom steigen; denn das zweitemal ist das Wasser ein anderes. Und ein Schüler Heraklits, Kratylus, steigerte den Ausspruch, indem er sagte: auch einmal könne man nicht in denselben Strom steigen. So ist es mit allen Dingen; während wir auf das scheinbar Beharrende hinblicken, ist es im allgemeinen Strome des Daseins schon ein anderes geworden.
[ 30 ] Man betrachtet eine Weltanschauung nicht in ihrer vollen Bedeutung, wenn man nur ihren Gedankeninhalt hinnimmt; ihr Wesentliches liegt in der Stimmung, welche sie der Seele mitteilt; in der Lebenskraft, die aus ihr erwächst. Man muß fühlen, wie sich Heraklit im Strome des Werdens mit der eigenen Seele drinnen empfindet, wie die Weltenseele bei ihm in der Menschenseele pulsiert und dieser ihr eigenes Leben mitteilt, wenn sich die Menschenseele in ihr lebend weiß. Solchem Mit-Erleben mit der Weltenseele entspringt bei Heraklit der Gedanke: Was lebt, hat durch den durchlaufenden Strom des Werdens den Tod in sich; aber der Tod hat wieder das Leben in sich. Leben und Tod ist in unserem Leben und Sterben. Alles hat alles andere in sich; nur so kann das ewige Werden alles durchströmen. «Das Meer ist das reinste und unreinste Wasser, den Fischen trinkbar und heilsam, den Menschen untrinkbar und verderblich.» «Dasselbe ist Leben und Tod, Wachen, Schlafen, Jung, Alt, dieses sich ändernd ist jenes, jenes wieder dies.» «Gutes und Böses sind eins.» «Der gerade Weg und der krumme ... sind eines nur.»
[ 31 ] Freier von dem Innenleben, mehr dem Elemente des Gedankens selbst hingegeben, erscheint Anaximander. Er sieht den Ursprung der Dinge in einer Art Weltenäther, einem unbestimmten, gestaltlosen Urwesen, das keine Grenzen hat. Man nehme den Zeus des Pherekydes, entkleide ihn alles dessen, was ihm noch von Bildhaftigkeit eigen ist, und man hat das Urwesen des Anaximander: den zum Gedanken gewordenen Zeus. In Anaximander tritt eine Persönlichkeit auf, in welcher aus der Seelenstimmung heraus, die in den vorgenannten Denkern noch ihre Temperamentsschattierung hat, das Gedankenleben geboren wird. Eine solche Persönlichkeit fühlt sich als Seele mit dem Gedankenleben vereint und dadurch nicht mit der Natur so verwachsen wie die Seele, welche den Gedanken noch nicht als selbständig erlebt. Sie fühlt sich mit einer Weltenordnung verbunden, welche über den Naturvorgängen liegt. Wenn Anaximander davon spricht, daß die Menschen als Fische zuerst im Feuchten gelebt haben und dann sich durch Landtierformen hindurchentwickelt haben, so bedeutet das für ihn, daß der Geistkeim, als welchen sich der Mensch durch den Gedanken erkennt, nur wie durch Vorstufen durch die anderen Formen hindurchgegangen ist, um sich zuletzt die Gestalt zu geben, welche ihm von vornherein angemessen ist.
[ 32 ] Auf die genannten Denker folgen für die geschichtliche Darstellung: Xenophanesvon Kolophon (geb. im 6. Jahrhundert v.Chr.); mit ihm seelisch verwandt, wenn auch jünger: Parmenides (geb. um 540 v.Chr.; als Lehrer in Athen lebend); Zenonvon Elea (dessen Blütezeit um 500 v.Chr. liegt); Melissos von Samos (der um 450 v.Chr. lebte).
[ 33 ] In diesen Denkern lebt das gedankliche Element bereits in solchem Grade, daß sie eine Weltanschauung fordern und einer solchen allein Wahrheit zuerkennen, in welcher das Gedankenleben voll befriedigt wird. Wie muß der Urgrund der Welt beschaffen sein, damit er innerhalb des Denkens voll aufgenommen werden kann? so fragen sie. Xenophanes findet, daß die Volksgötter vor dem Denken nicht bestehen können; also lehnt er sie ab. Sein Gott muß gedacht werden können. Was die Sinne wahrnehmen, ist veränderlich, ist mit Eigenschaften behaftet, welche dem Gedanken nicht entsprechen, der das Bleibende suchen muß. Daher ist Gott die im Gedanken zu erfassende, unwandelbare, ewige Einheit aller Dinge. Parmenides sieht in der äußeren Natur, welche die Sinne betrachten, das Unwahre, Täuschende; in der Einheit, dem Unvergänglichen, das der Gedanke ergreift, allein das Wahre. Zenonsucht mit dem Gedanken-Erleben in der Art sich auseinanderzusetzen, daß er auf die Widersprüche hinweist, welche sich einer Weltbetrachtung ergeben, die in dem Wandel der Dinge, in dem Werden, in dem vielen, welches die äußere Welt zeigt, eine Wahrheit sieht. Von den Widersprüchen, auf die er verweist, sei nur einer angeführt. Es könne, meint er, der schnellste Läufer (Achilles) die Schildkröte nicht erreichen; denn so langsam sie auch krieche, wenn Achilles den Ort erreicht habe, den sie noch eben inne hatte, so sei sie ja doch schon etwas weiter. Durch solche Widersprüche deutet Zenon an, wie ein Vorstellen, das sich an die Außenwelt halte, nicht mit sich zurecht komme; er deutet auf die Schwierigkeit hin, welcher der Gedanke begegnet, wenn er es versucht, die Wahrheit zu finden. Man wird die Bedeutung dieser Weltanschauung, die man die eleatische nennt (Parmenides und Zenon sind aus Elea), erkennen, wenn man den Blick darauf lenkt, daß ihre Träger mit der Ausbildung des Gedanken-Erlebens so weit fortgeschritten sind, daß sie dieses Erleben zu einer besonderen Kunst, zur sogenannten Dialektik gestaltet haben. In dieser «Gedanken-Kunst» lernt sich die Seele in ihrer Selbständigkeit und inneren Geschlossenheit erfühlen. Damit wird die Realität der Seele als das empfunden, was sie durch ihr eigenes Wesen ist, und als was sie sich dadurch fühlt, daß sie nicht mehr, wie in der Vorzeit, das allgemeine Welt-Erleben mitlebt, sondern in sich ein Leben das Gedanken-Erleben entfaltet, das in ihr wurzelt, und durch das sie sich eingepflanzt fühlen kann in einen rein geistigen Weltengrund. Zunächst kommt diese Empfindung noch nicht in einem deutlich ausgesprochenen Gedanken zum Ausdruck; man kann sie aber als Empfindung lebendig in diesem Zeitalter fühlen an der Schätzung, welche ihr zuteil wird. Nach einem «Gespräche» Platos wurde von Parmenides dem jungen Sokrates gesagt: er solle von Zenon die Gedankenkunst lernen, sonst müßte ihm die Wahrheit ferne bleiben. Man empfand diese «Gedankenkunst» als eine Notwendigkeit für die Menschenseele, die an die geistigen Urgründe des Daseins herantreten will.
[ 34 ] Wer in dem Fortschritt der menschlichen Entwickelung zur Stufe der Gedanken-Erlebnisse nicht sieht, wie mit dem Anfang dieses Lebens wirkliche Erlebnisse die Bild-Erlebnisse aufhörten, die vorher vorhanden waren, der wird die besondere Eigenart der Denkerpersönlichkeiten vom sechsten und den folgenden vorchristlichen Jahrhunderten in Griechenland in anderem Lichte sehen als in dem, in welchem sie in diesen Ausführungen dargestellt werden müssen. Der Gedanke zog etwas wie eine Mauer um die Menschenseele. Früher war sie, ihrem Empfinden nach, in den Naturerscheinungen drinnen; und was sie mit diesen Naturerscheinungen zusammen so erlebte, wie sie die Tätigkeit des eigenen Leibes erlebte, das stellte sich vor sie in Bild-Erscheinungen hin, welche in ihrer Lebendigkeit da waren; jetzt war das ganze Bildergemälde durch die Kraft des Gedankens ausgelöscht. Wo sich vorher die inhaltvollen Bilder breiteten, da spannte sich jetzt der Gedanke durch die Außenwelt. Und die Seele konnte sich in dem, was außen in Raum und Zeit sich breitet, nur fühlen, indem sie sich mit dem Gedanken verband. Man empfindet eine solche Seelenstimmung, wenn man auf Anaxagorasaus Klazomenä in Kleinasien (geb. um 500 v.Chr.) blickt. Er fühlt sich in seiner Seele mit dem Gedankenleben verbunden; dieses Gedankenleben umspannt, was im Raume und in der Zeit ausgedehnt ist. So ausgedehnt erscheint es als der Nus, der Weltenverstand. Dieser durchdringt als Wesenheit die ganze Natur. Die Natur aber stellt sich selbst nur als zusammengesetzt aus kleinen Urwesen dar. Die Naturvorgänge, welche durch das Zusammenwirken dieser Urwesen sich ergeben, sind das, was die Sinne wahrnehmen, nachdem das Bildergemälde aus der Natur gewichen ist. Homoiomerien werden diese Urwesen genannt. In sich erlebt die Menschenseele den Zusammenhang mit dem Weltverstand (dem Nus) im Gedanken innerhalb ihrer Mauer; durch die Fenster der Sinne blickt sie auf dasjenige, was der Weltverstand durch das Aufeinanderwirken der «Homoiomerien» entstehen läßt.
[ 35 ] In Empedokles (der um 490 v.Chr. in Agrigent geboren ist), lebte eine Persönlichkeit, in deren Seele die alte und die neue Vorstellungsart wie in einem heftigen Widerstreit aufeinanderstoßen. Er fühlt noch etwas von dem Verwobensein der Seele mit dem äußeren Dasein. Haß und Liebe, Antipathie und Sympathie leben in der Menschenseele; sie leben auch außerhalb der Mauer, welche die Menschenseele umschließt; das Leben der Seele setzt sich so außerhalb derselben gleichartig fort und erscheint in Kräften, welche die Elemente der äußeren Natur: Luft, Feuer, Wasser, Erde trennen und verbinden und so das bewirken, was die Sinne in der Außenwelt wahrnehmen.
[ 36 ] Empedokles steht gewissermaßen vor der den Sinnen entseelt erscheinenden Natur und entwickelt eine Seelenstimmung, welche sich gegen diese Entseelung auflehnt. Seine Seele kann nicht glauben, daß dies das wahre Wesen der Natur ist, was der Gedanke aus ihr machen will. Am wenigsten kann sie zugeben, daß sie zu dieser Natur in Wahrheit nur in einem solchen Verhältnisse stehe, wie es sich der gedanklichen Weltanschauung ergibt. Man muß sich vorstellen, was in einer Seele vorgeht, die in aller Schärfe solchen inneren Zwiespalt erlebt, an ihm leidet; dann wird man nachfühlen, wie in dieser Seele des Empedokles die alte Vorstellungsart als Kraft des Empfindens aufersteht, aber unwillig ist, sich dies zum vollen Bewußtsein zu bringen, und so in gedanken-bilderhafter Art ein Dasein sucht, in jener Art, von der Aussprüche des Empedokles ein Widerklang sind, die, aus dem hier Angedeuteten heraus verstanden, ihre Sonderbarkeit verlieren. Wird doch von ihm ein Spruch wie dieser angeführt: «Lebt wohl. Nicht mehr ein Sterblicher, sondern ein unsterblicher Gott wandle ich umher; ... und sobald ich in die blühenden Städte komme, werde ich von Männern und Frauen verehrt: sie schließen sich an mich an zu Tausenden, mit mir den Weg zu ihrem Heile suchend, da die einen Weissagungen, die anderen Heilsprüche für mannigfaltige Krankheiten von mir erwarten.» So betäubt sich die Seele, in welcher eine alte Vorstellungsart rumort, die sie ihr eigenes Dasein wie das eines verbannten Gottes empfinden läßt, der aus einem anderen Sein in die entseelte Welt der Sinne versetzt ist, und der deshalb die Erde als «ungewohnten Ort» empfindet, in den er wie zur Strafe geworfen ist. Man kann gewiß auch noch andere Empfindungen in der Seele des Empedokles finden; denn es leuchten aus seinen Aussprüchen Weisheitsblitze bedeutsam heraus; sein Gefühl gegenüber der «Geburt der gedanklichen Weltanschauung» ist durch solche Stimmungen gegeben.
[ 37 ] Anders als diese Persönlichkeit sahen diejenigen Denker, welche man die Atomisten nennt, auf das hin, was für die Seele des Menschen aus der Natur durch die Geburt des Gedankens geworden war. Man sieht den bedeutendsten unter ihnen in Demokrit (geb. um 460 v.Chr. in Abdera). Leukipp ist ihm eine Art Vorläufer.
[ 38 ] Bei Demokrit sind die Homoiomerien des Anaxagoras um einen bedeutenden Grad stofflicher geworden. Bei Anaxagoras kann man die Ur-Teil-Wesen noch mit lebendigen Keimen vergleichen; bei Demokrit werden sie zu toten, unteilbaren Stoffteilchen, welche durch ihre verschiedenen Kombinationen die Dinge der Außenwelt zusammensetzen. Sie bewegen sich voneinander, zueinander, durcheinander: so entstehen die Naturvorgänge. Der Weltverstand (Nus) des Anaxagoras, welcher wie ein geistiges (körperloses) Bewußtsein in zweckvoller Art die Weltenvorgänge aus dem Zusammenwirken der Homoiomerien hervorgehen läßt, wird bei Demokrit zur bewußtlosen Naturgesetzmäßigkeit (Ananke). Die Seele will nur gelten lassen, was sie als nächstliegendes Gedankenergebnis erfassen kann; die Natur ist völlig entseelt; der Gedanke verblaßt als Seelen-Erlebnis zum inneren Schattenbilde der entseelten Natur. Damit ist durch Demokrit das gedankliche Urbild aller mehr oder weniger materialistisch gefärbten Weltanschauungen der Folgezeit in die Erscheinung getreten.
[ 39 ] Die Atomen-Welt des Demokrit stellt eine Außenwelt, eine Natur dar, in welcher nichts von «Seele» lebt. Die Gedanken-Erlebnisse in der Seele, durch deren Geburt die Menschenseele auf sich selbst aufmerksam geworden ist: bei Demokrit sind sie bloße Schatten-Erlebnisse. Damit ist ein Teil des Schicksals der Gedanken-Erlebnisse gekennzeichnet. Sie bringen die Menschenseele zum Bewußtsein ihres eigenen Wesens, aber sie erfüllen sie zugleich mit Ungewißheit über sich selbst. Die Seele erlebt sich durch den Gedanken in sich selbst, aber sie kann sich zugleich losgerissen fühlen von der geistigen, von ihr unabhängigen Weltmacht, die ihr Sicherheit und inneren Halt gibt. So losgebunden in der Seele fühlten sich diejenigen Persönlichkeiten, welchen man innerhalb des griechischen Geisteslebens den Namen «Sophisten» gibt. Die bedeutendste in ihren Reihen ist Protagoras (von Abdera um 480-410 v.Chr.). Neben ihm kommen in Betracht: Gorgias, Kritias, Hippias, Trasymachus, Prodikus. Die Sophisten werden oftmals als Menschen hingestellt, die mit dem Denken ein oberflächliches Spiel getrieben haben. Viel hat zu dieser Meinung die Art beigetragen, wie sie der Lustspieldichter Aristophanes behandelt hat. Es kommt aber, neben vielem anderen, schon als äußerlicher Grund zu einer besseren Würdigung zum Beispiel in Betracht, daß selbst Sokrates, der sich in gewissen Grenzen als Schüler des Prodikus fühlte, diesen als einen Mann bezeichnet haben soll, der für die Veredelung der Sprache und des Denkens bei seinen Schülern gut gewirkt hat. Protagoras' Anschauung erscheint in dem berühmten Satze ausgesprochen: «Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, daß sie sind, der nicht seienden, daß sie nicht sind.» In der Gesinnung, welche diesem Satz zugrunde liegt, fühlt sich das Gedanken-Erlebnis souverän. Einen Zusammenhang mit einer objektiven Weltenmacht empfindet es nicht. Wenn Parmenides meint: Die Sinne geben dem Menschen eine Welt der Täuschung, man könnte noch weiter gehen und hinzufügen: Warum sollte das Denken, das man zwar erlebt, nicht auch täuschen? Doch Protagoras würde erwidern: Was kann es den Menschen bekümmern, ob die Welt außer ihm anders ist, als er sie wahrnimmt und denkt? Stellt er sie denn für jemand anderen als für sich vor? Mag sie für ein anderes Wesen sein wie immer, der Mensch braucht sich darüber keine Sorge zu machen. Seine Vorstellungen sollen doch nur ihm dienen; er soll mit ihrer Hilfe seinen Weg in der Welt finden. Er kann, wenn er sich völlig klar über sich wird, keine anderen Vorstellungen über die Welt haben wollen als solche, welche ihm dienen. Protagoras will auf das Denken bauen können; dazu stützt er es lediglich auf dessen eigene Machtvollkommenheit.
[ 40 ] Damit aber setzt sich Protagoras in gewisser Beziehung in Widerspruch mit dem Geiste, der in den Tiefen des Griechentums lebt. Dieser «Geist» ist deutlich vernehmbar innerhalb des griechischen Wesens. Er spricht bereits aus der Aufschrift des delphischen Tempels «Erkenne dich selbst». Diese alte Orakelweisheit spricht so, als ob sie die Aufforderung enthielte zu dem Weltanschauungsfortschritt, der sich aus dem Bildervorstellen zu dem gedanklichen Ergreifen der Weltgeheimnisse vollzieht. Es ist durch diese Aufforderung der Mensch hingewiesen auf die eigene Seele. Es wird ihm gesagt, daß er in ihr die Sprache vernehmen könne, durch welche die Welt ihr Wesen ausspricht. Aber es wird damit auch auf etwas verwiesen, was in seinem eigenen Erleben sich Ungewißheiten und Unsicherheiten erzeugt. Die Geister innerhalb Griechenlands sollten die Gefahren dieses sich auf sich selbst stützenden Seelenlebens besiegen. So sollten sie den Gedanken in der Seele zur Weltanschauung ausgestalten. Die Sophisten sind dabei in ein gefährliches Fahrwasser geraten. In ihnen stellt sich der Geist des Griechentums wie an einen Abgrund; er will sich die Kraft des Gleichgewichts durch seine eigene Macht geben. Man sollte, wie schon angedeutet worden ist, mehr auf den Ernst dieses Versuches und auf seine Kühnheit blicken, als ihn leichthin anklagen, wenn auch die Anklage für viele der Sophisten gewiß berechtigt ist. Doch stellt sich dieser Versuch naturgemäß in das griechische Leben an einem Wendepunkte hinein. Protagoras lebte um 480-410 v.Chr. Der Peloponnesische Krieg, der an dem Wendepunkte des griechischen Lebens steht, fand statt von 431-404 v.Chr. Vorher war in Griechenland der einzelne Mensch fest in die sozialen Zusammenhänge eingeschlossen; die Gemeinwesen und die Tradition gaben ihm den Maßstab für sein Handeln und Denken ab. Die einzelne Pensönlichkeit hatte nur als Glied des Ganzen Wert und Bedeutung. Unter solchen Verhältnissen konnte noch nicht die Frage gestellt werden: Was ist der einzelne Mensch wert? Die Sophistik stellt diese Frage, und sie macht damit den Schritt zu der griechischen Aufklärung hin. Es ist doch im Grunde die Frage: Wie richtet sich der Mensch sein Leben ein, nachdem er sich des erwachten Gedankenlebens bewußt geworden ist?
[ 41 ] Von Pherekydes (oder Thales) bis zu den Sophisten ist in Griechenland innerhalb der Weltanschauungsentwickelung das allmähliche Einleben des schon vor diesen Persönlichkeiten geborenen Gedankens zu beobachten. An ihnen zeigt sich, wie der Gedanke wirkt, wenn er in den Dienst der Weltanschauung gestellt wird. Doch ist diese Geburt in der ganzen Breite des griechischen Lebens zu bemerken. Die Weltanschauung ist nur ein Gebiet, auf dem sich eine allgemeine Lebenserscheinung in einem besonderen Falle auslebt. Man könnte eine ganz ähnliche Entwickelungsströmung auf den Gebieten der Kunst, der Dichtung, des öffentlichen Lebens, der verschiedenen Gebiete des Handwerks, des Verkehrs nachweisen. Diese Betrachtung würde überall zeigen, wie die menschliche Wirksamkeit eine andere wird unter dem Einflusse derjenigen Organisation des Menschen, die in die Weltanschauung den Gedanken einführt. Die Weltanschauung «entdeckt» nicht etwa den Gedanken, sie entsteht vielmehr dadurch, daß sie sich des geborenen Gedankenlebens zum Aufbau eines Weltbildes bedient, das vorher aus anderen Erlebnissen sich gebildet hat.
[ 42 ] Kann man von den Sophisten sagen, daß sie den Geist des Griechentums an eine gefährliche Klippe brachten, der sich in dem «Erkenne dich selbst» ausdrückt, so muß in Sokrates eine Persönlichkeit gesehen werden, welche diesen Geist mit einem hohen Grade von Vollkommenheit zum Ausdruck brachte. Sokrates ist in Athen um 470 geboren und wurde 399 v.Chr. zum Tode durch Gift verurteilt.
[ 43 ] Geschichtlich steht Sokrates durch zwei Überlieferungen vor dem Betrachter. Einmal in der Gestalt, die sein großer Schüler Plato (427-347 v.Chr.) gezeichnet hat. Plato stellt seine Weltanschauung in Gesprächsform dar. Und Sokrates tritt in diesen «Gesprächen» lehrend auf. Da erscheint dieser als «der Weise», der die Personen seiner Umgebung durch seine geistige Führung zu hohen Erkenntnisstufen geleitet. Ein zweites Bild hat Xenophon in seinen «Erinnerungen» an Sokrates gezeichnet. Zunächst erscheint es, als ob Plato das Wesen des Sokrates idealisiert, Xenophon mehr der unmittelbaren Wirklichkeit nachgezeichnet hätte. Eine mehr in die Sache eingehende Betrachtung könnte wohl finden, daß Plato sowohl wie Xenophon, ein jeder von Sokrates das Bild zeichnen, das sie nach ihrem besonderen Gesichtspunkte empfangen haben, und daß man daher ins Auge fassen darf, inwiefern die beiden sich ergänzen und gegenseitig beleuchten.
[ 44 ] Bedeutungsvoll muß zunächst erscheinen, daß des Sokrates Weltanschauung völlig als ein Ausdruck seiner Persönlichkeit, des Grundcharakters seines Seelenlebens auf die Nachwelt gekommen ist. Sowohl Plato wie Xenophon stellen Sokrates so dar, daß man den Eindruck hat: in ihm spricht überall seine persönliche Meinung; aber die Persönlichkeit trägt das Bewußtsein in sich: Wer seine persönliche Meinung aus den rechten Gründen der Seele herausspricht, der spricht etwas aus, was mehr ist als Menschenmeinung, was ein Ausdruck ist der Absichten der Weltordnung durch das menschliche Denken. Sokrates wird von denen, die ihn zu kennen glauben, so aufgenommen, daß er ein Beweis dafür ist: in der Menschenseele kommt denkend die Wahrheit zustande, wenn diese Menschenseele mit ihrem Grundwesen so verbunden ist, wie es bei Sokrates der Fall war. Indem Plato auf Sokrates blickt, trägt er nicht eine Lehre vor, die durch Nachdenken «festgestellt» wird, sondern er läßt einen im rechten Sinne entwickelten Menschen sprechen und beobachtet, was dieser als Wahrheit hervorbringt. So wird die Art, wie sich Plato zu Sokrates verhält, zu einem Ausdruck dafür, was der Mensch in seinem Verhältnis zur Welt ist. Nicht allein das ist bedeutsam, was Plato über Sokrates vorgebracht hat, sondern das, wie er in seinem schriftstellerischen Verhalten Sokrates in die Welt des griechischen Geisteslebens hineingestellt hat.
[ 45 ] Mit der Geburt des Gedankens war der Mensch auf seine «Seele» hingelenkt. Nun entsteht die Frage: Was sagt diese Seele, wenn sie sich zum Sprechen bringt und ausdrückt, was die Weltenkräfte in sie gelegt haben? Und durch die Art, wie Plato sich zu Sokrates stellt, ergibt sich die Antwort: In der Seele spricht die Vernunft der Welt dasjenige, was sie dem Menschen sagen will. Damit ist begründet das Vertrauen in die Offenbarungen der Menschenseele, insofern diese den Gedanken in sich entwickelt. Im Zeichen dieses Vertrauens erscheint die Gestalt des Sokrates.
[ 46 ] In alten Zeiten fragte der Grieche bei den Priesterstätten in wichtigen Lebensfragen an; er ließ sich «weissagen», was der Wille und die Meinung der geistigen Mächte ist. Solche Einrichtung steht im Einklange mit einem Seelen-Erleben in Bildern. Durch das Bild fühlt der Mensch sich dem Walten der weItregierenden Mächte verbunden. Die Weissagestätte ist dann die Einrichtung, durch welche ein besonders dazu geeigneter Mensch den Weg zu den geistigen Mächten besser findet als andere Menschen. So lange man sich mit seiner Seele nicht abgesondert von der Außenwelt fühlte, war die Empfindung naturgemäß, daß diese Außenwelt durch eine besondere Einrichtung mehr zum Ausdruck bringen konnte als in dem Alltags-Erleben. Das Bild sprach von außen; warum sollte die Außenwelt an besonderem Orte nicht besonders deutlich sprechen können? Der Gedanke spricht zum Innern der Seele. Damit ist diese Seele auf sich selbst gewiesen; mit einer anderen Seele kann sie sich nicht so verbunden wissen wie mit den Kundgebungen der priesterlichen Weissagestätte. Man mußte dem Gedanken die eigene Seele hingeben. Man fühlte von dem Gedanken, daß er Gemeingut der Menschen ist.
[ 47 ] In das Gedankenleben leuchtet die Weltvernunft hinein ohne besondere Einrichtungen. Sokrates empfand: In der denkenden Seele lebt die Kraft, welche an den «Weissagestätten» gesucht wurde. Er empfand das «Dämonium», die geistige Kraft, die die Seele führt, in sich. Der Gedanke hat die Seele zum Bewußtsein ihrer selbst gebracht. Mit seiner Vorstellung des in ihm sprechenden Dämoniums, das, ihn stets führend, sagte, was er zu tun habe, wollte Sokrates ausdrücken: Die Seele, die sich im Gedankenleben gefunden hat, darf sich fühlen, als ob sie in sich mit der Weltvernunft verkehrte. Es ist dies der Ausdruck der Wertschätzung dessen, was die Seele in dem Gedanken-Erleben hat.
[ 48 ] Unter dem Einflusse dieser Anschauung wird die «Tugend» in ein besonderes Licht gerückt. Wie Sokrates den Gedanken schätzt, so muß er voraussetzen, daß sich die wahre Tugend des Menschenlebens dem Gedankenleben offenbart. Die rechte Tugend muß in dem Gedankenleben gefunden werden, weil das Gedankenleben dem Menschen seinen Wert verleiht. «Die Tugend ist lehrbar», so wird des Sokrates Vorstellung zumeist ausgesprochen. Sie ist lehrbar, weil sie der besitzen muß, welcher das Gedankenleben wahrhaftig ergreift. Bedeutsam ist, was in dieser Beziehung Xenophon von Sokrates sagt. Sokrates belehrt einen Schüler über die Tugend. Es entwickelt sich das folgende Gespräch. Sokrates sagt: «Glaubst du nun, daß es eine Lehre und Wissenschaft der Gerechtigkeit gibt, ebenso wie eine Lehre der Grammatik?» Der Schüler: «Ja.» Sokrates: «Wen hältst du nun für fester in der Grammatik, den, welcher mit Absicht nicht richtig schreibt und liest, oder den, welcher unabsichtlich?» Schüler: «Den, sollte ich meinen, der es absichtlich tut, denn wenn er wollte, könnte er es auch richtig machen.» Sokrates: «Scheint dir nun nicht der, welcher absichtlich unrichtig schreibt, das Schreiben zu verstehen, der andere aber nicht?» Schüler: «Ohne Zweifel.» Sokrates: «Wer versteht sich nun aber besser auf das Gerechte, der absichtlich lügt oder betrügt, oder wer unabsichtlich? » (Xenophons Erinnerungen an Sokrates Memorabilia -, übersetzt von Güthling.) Es handelt sich für Sokrates darum, dem Schüler klarzumachen, daß es darauf ankomme, die richtigen Gedanken über die Tugend zu haben. Auch dasjenige, was Sokrates von der Tugend sagt, zielt also darauf hinaus, das Vertrauen zu der im Gedanken-Erlebnis sich erkennenden Seele zu begründen. Man muß auf den rechten Gedanken der Tugend mehr vertrauen als auf alle anderen Motive. Den Menschen macht die Tugend schätzenswert, wenn er sie in Gedanken erlebt.
[ 49 ] So kommt in Sokrates zum Ausdruck, wonach die vorsokratische Zeit strebte: Wertschätzung dessen, was der Menschenseele gegeben ist durch das erwachte Gedankenleben. Sokrates' Lehrmethode steht unter dem Einflusse dieser Vorstellung. Er tritt an den Menschen heran mit der Voraussetzung: in ihm ist das Gedankenleben; es braucht nur geweckt zu werden. Deshalb richtet er seine Fragen so ein, daß der Gefragte zum Erwecken seines Gedankenlebens veranlaßt wird. Darinnen liegt das Wesentliche der sokratischen Methode.
[ 50 ] Der 427 v.Chr. in Athen geborene Plato empfand als Schüler des Sokrates, daß ihm durch diesen das Vertrauen in das Gedankenleben sich befestigte. Das, was die ganze bisherige Entwickelung zur Erscheinung bringen wollte: in Plato erreicht es einen Höhepunkt. Es ist die Vorstellung, daß im Gedankenleben sich der Weltengeist offenbart. Von dieser Empfindung wird zunächst Platos ganzes Seelenleben überleuchtet. Alles, was der Mensch durch die Sinne oder auf sonst eine Art erkennt, ist nicht wertvoll, solange die Seele es nicht in das Licht des Gedankens gerückt hat. Philosophie wird für Plato die Wissenschaft von den Ideen als dem wahren Seienden. Und die Idee ist die Offenbarung des Weltengeistes durch die Gedanken-Offenbarung. Das Licht des Weltengeistes scheint in die Menschenseele, offenbart sich da als Ideen; und die Menschenseele vereinigt sich, indem sie die Idee ergreift, mit der Kraft des Weltgeistes. Die im Raum und in der Zeit ausgebreitete Welt ist wie die Meereswassermasse, in der sich die Sterne spiegeln; doch ist wirklich nur, was sich als Idee spiegelt. So verwandelt sich für Plato die ganze Welt in die aufeinander wirkenden Ideen. Deren Wirken in der Welt kommt zustande dadurch, daß die Ideen sich in der Hyle, der Urmaterie, spiegeln. Durch diese Spiegelung ersteht das, was als viele Einzeldinge und Einzelvorgänge der Mensch sieht. Aber man braucht das Erkennen nicht auf die Hyle, den Urstoff, auszudehnen, denn in ihm ist nicht die Wahrheit. Zu dieser kommt man erst, wenn man von dem Weltbilde alles abstreift, was nicht Idee ist.
[ 51 ] Die Menschenseele ist für Plato in der Idee lebend; aber dieses Leben ist so gestaltet, daß diese Seele nicht in allen ihren Außerungen eine Offenbarung ihres Lebens in den Ideen ist. Insofern die Seele in das Ideenleben eingetaucht ist, erscheint sie als die «vernünftige Seele» (gedankentragende Seele). Als solche erscheint sich die Seele, wenn sie im Gedankenwahrnehmen sich selber offenbar wird. In ihrem irdischen Dasein ist sie außerstande, sich nur so zu offenbaren. Sie muß sich auch so zum Ausdruck bringen, daß sie als «unvernünftige Seele» (nicht gedankentragende Seele) erscheint. Und als solche tritt sie wieder in zweifacher Art auf, als mutentwickelnde und als begierdevolle Seele. So scheint Plato in der Menschenseele drei Glieder oder Teile zu unterscheiden: die Vernunftseele, die mutartige Seele und die Begierdeseele. Man wird aber den Geist seiner Vorstellungsart besser treffen, wenn man dies in anderer Art ausdrückt: Die Seele ist ihrem Wesen nach ein Glied der Ideenwelt. Als solche ist sie Vernunftseele. Sie betätigt sich aber so, daß sie zu ihrem Leben in der Vernunft hinzufügt eine Betätigung durch das Mutartige und das Begierdehafte. In dieser dreifachen Außerungsart ist sie Erdenseele. Sie steigt als Vernunftseele durch die physische Geburt zum Erdendasein herab und geht mit dem Tode wieder in die Ideenwelt ein. Insofern sie Vernunftseele ist, ist sie unsterblich, denn sie lebt als solche das ewige Dasein der Ideenwelt mit.
[ 52 ] Diese Seelenlehre des Plato erscheint als eine bedeutsame Tatsache innerhalb des Zeitalters der Gedankenwahrnehmung. Der erwachte Gedanke wies den Menschen auf die Seele hin. Bei Plato entwickelt sich eine Anschauung über die Seele, die ganz Ergebnis der Gedankenwahrnehmung ist. Der Gedanke hat sich in Plato erkühnt, nicht nur auf die Seele hinzuweisen, sondern auszudrücken, was die Seele ist, sie gewissermaßen zu beschreiben. Und, was der Gedanke über die Seele zu sagen hat, gibt dieser die Kraft, sich im Ewigen zu wissen. Ja, es beleuchtet der Gedanke in der Seele sogar die Natur des Zeitlichen, indem er sein eigenes Wesen über dieses Zeitliche hinaus erweitert. Die Seele nimmt den Gedanken wahr. So wie sie im Erdenleben sich offenbart, ist die reine Gestalt des Gedankens in ihr nicht zu entwickeln. Woher kommt das Gedankenerleben, wenn es nicht im Erdenleben entwickelt werden kann? Es bildet eine Erinnerung an einen vorirdischen, rein geistigen Zustand. Der Gedanke hat die Seele so ergriffen, daß er sich mit ihrer irdischen Existenz nicht begnügt. Er ist der Seele geoffenbart in einer Vorexistenz (Präexistenz) in der Geisteswelt (Ideenwelt), und die Seele holt ihn während ihrer irdischen Existenz durch Erinnerung aus jenem Leben herauf, das sie im Geiste verbracht hat.
[ 53 ] Es ergibt sich aus dieser Seelenauffassung, was Plato über das sittliche Leben zu sagen hat. Die Seele ist sittlich, wenn sie das Leben so einrichtet, daß sie möglichst stark sich als Vernunftseele zum Ausdruck bringt. Die Weisheit ist die Tugend, welche aus der Vernunftseele stammt; sie veredelt das menschliche Leben; der Starkmut kommt der mutartigen, die Besonnenheit der begierdevollen Seele zu. Die beiden letzteren Tugenden entstehen, wenn die Vernunftseele über die anderen Seelenoffenbarungen zum Herrscher wird. Wenn alle drei Tugenden harmonisch im Menschen zusammenwirken, so entsteht das, was Plato die Gerechtigkeit die Richtung auf das Gute, Dikaiosyne nennt.
[ 54 ] Platos Schüler Aristoteles (geb. 384 v.Chr. in Stagira in Thrazien, gest. 321 v.Chr.) bezeichnet neben seinem Lehrer einen Höhepunkt des griechischen Denkens. Bei ihm ist das Einleben des Gedankens in die Weltanschauung bereits vollzogen und zur Ruhe gekommen. Der Gedanke tritt sein rechtmäßiges Besitztum an, um die Wesen und Vorgänge der Welt von sich aus zu begreifen. Plato wendet sein Vorstellen noch dazu an, den Gedanken in seine Herrschaft einzusetzen und ihn zur Ideenwelt zu führen. Bei Aristoteles ist diese Herrschaft selbstverständlich geworden. Es kommt ferner darauf an, sie über die Gebiete der Erkenntnis hin überall zu befestigen. Aristoteles versteht, den Gedanken als ein Werkzeug zu gebrauchen, das in das Wesen der Dinge eindringt. Für Plato handelt es sich darum, das Ding oder Wesen der Außenwelt zu überwinden; und wenn es überwunden ist, trägt die Seele die Idee in sich, von welcher das Außenwesen nur überschattet war, ihm aber fremd ist, und in einer geistigen Welt der Wahrheit über ihm schwebt. Aristoteles will in die Wesen und Vorgänge untertauchen, und was die Seele bei diesem Untertauchen findet, das ist ihm das Wesen des Dinges selbst. Die Seele fühlt, wie wenn sie dieses Wesen nur aus dem Dinge herausgehoben und für sich in die Gedankenform gebracht hätte, damit sie es wie ein Andenken an das Ding mit sich tragen könne. So sind für Aristoteles die Ideen in den Dingen und Vorgängen; sie sind die eine Seite der Dinge, diejenige, welche die Seele mit ihren Mitteln aus ihnen herausheben kann; die andere Seite, welche die Seele nicht aus den Dingen herausheben kann, durch welche diese ihr auf sich gebautes Leben haben, ist der Stoff, die Materie (Hyle).
[ 55 ] Wie bei Plato auf dessen ganze Weltanschauung von seiner Seelenanschauung aus Licht fällt, so ist dieses auch bei Aristoteles der Fall. Bei beiden Denkern liegt die Sache so, daß man das Grundwesen ihrer ganzen Weltanschau ung charakterisiert, wenn man dies für ihre Seelenanschauung vollbringt. Gewiß kämen für beide Denker viele Einzelheiten in Betracht, die in diesen Ausführungen keine Stelle finden können; doch gibt bei beiden die Seelenauffassung die Richtung, welche ihre Vorstellungsart genommen hat.
[ 56 ] Für Plato kommt in Betracht, was in der Seele lebt und als solches an der Geisteswelt Anteil hat; für Aristoteles ist wichtig, wie die Seele sich im Menschen für dessen eigene Erkenntnis darstellt. Wie in die anderen Dinge muß die Seele auch in sich selbst untertauchen, um in sich dasjenige zu finden, was ihr Wesen ausmacht. Die Idee, welche im Sinne des Aristoteles der Mensch in einem außerseelischen Dinge findet, ist zwar dieses Wesen des Dinges; aber die Seele hat dieses Wesen in die Ideenform gebrac ht, um es für sich zu haben. Ihre Wirklichkeit hat die Idee nicht in der erkennenden Seele, sondern in dem Außendinge mit dem Stoffe (der Hyle) zusammen. Taucht die Seele aber in sich selbst unter, so findet sie die Idee als solche in Wirklichkeit. Die Seele ist in diesem Sinne Idee, aber tätige Idee, wirksame Wesenheit. Und sie verhält sich auch im Leben des Menschen als solche wirksame Wesenheit. Sie erfaßt im Keimesleben des Menschen das Körperliche. Während bei einem außerseelischen Ding Idee und Stoff eine untrennbare Einheit bilden, ist dies bei der Menschenseele und ihrem Leibe nicht der Fall. Da erfaßt die selbständige Menschenseele das Leibliche, setzt die im Leibe schon tätige Idee außer Kraft, und setzt sich selbst an deren Stelle. In dem Leiblichen, mit dem sich die Menschenseele verbindet, lebt im Sinne des Aristoteles schon ein Seelisches. Denn er sieht auch in dem Pflanzenleibe und in dem Tierleibe ein untergeordnetes Seelisches wirksam. Ein Leib, welcher das Seelische der Pflanze und des Tieres in sich trägt, wird durch die Menschenseele gleichsam befruchtet, und so verbindet sich für den Erdenmenschen ein Leiblich-Seelisches mit einem Geistig-Seelischen. Dieses letztere hebt die selbständige Wirksamkeit des Leiblich-Seelischen während der Dauer des menschlichen Erdenlebens auf und wirkt selbst mit dem Leiblich-Seelischen als mit seinem Instrument. Dadurch entstehen fünf Seelenäußerungen, die bei Aristoteles wie fünf Seelenglieder erscheinen: die pflanzenhafte Seele (Threptikon), die empfindende Seele (Asthetikon), die begierdenentwickelnde Seele (Orektikon), die willenentfaltende Seele (Kinetikon) und die geistige Seele (Dianoetikon). Geistige Seele ist der Mensch durch das, was der geistigen Welt angehört und sich im Keimesleben mit dem Leiblich-Seelischen verbindet; die anderen Seelenglieder entstehen, indem sich die geistige Seele in dem Leiblichen entfaltet und durch dasselbe das Erdenleben führt. Mit dem Hinblicke auf eine geistige Seele ist für Aristoteles naturgemäß der auf eine Geisteswelt überhaupt gegeben. Das Weltbild des Aristoteles steht so vor dem betrachtenden Blicke, daß unten die Dinge und Vorgänge leben, Stoff und Idee darstellend; je höher man den Blick wende?, um so mehr schwindet, was stofflichen Charakter trägt; rein Geistiges dem Menschen sich als Idee darstellend erscheint, die Weltsphäre, in welcher das Göttliche als reine Geistigkeit, die alles bewegt, sein Wesen hat. Dieser Weltsphäre gehört die geistige Menschenseele an; sie ist als individuelles Wesen nicht, sondern nur als Teil des Weltengeistes vorhanden, bevor sie sich mit einem Leiblich-Seelischen verbindet. Durch diese Verbindung erwirbt sie sich ihr individuelles, vom Weltgeist abgesondertes Dasein und lebt nach der Trennung vom Leiblichen als geistiges Wesen weiter fort. So nimmt das individuelle Seelenwesen mit dem menschlichen Erdenleben seinen Anfang und lebt dann unsterblich weiter. Eine Vorexistenz der Seele vor dem Erdenleben nimmt Plato an, nicht aber Aristoteles. Dies ist ebenso naturgemäß für letzteren, welcher die Idee im Dinge bestehen läßt, wie das andere naturgemäß für jenen ist, der die Idee über dem Dinge schwebend vorstellt. Aristoteles findet die Idee in dem Dinge; und die Seele erlangt das, was sie in der Geisteswelt als Individualität sein soll, in dem Leibe.
[ 57 ] Aristoteles ist der Denker, welcher den Gedanken durch die Berührung mit dem Wesen der Welt sich zur Weltanschauung entfalten läßt. Das Zeitalter vor Aristoteles hat zu dem Erleben der Gedanken hingeführt; Aristoteles ergreift die Gedanken und wendet sie auf dasjenige an, was sich ihm in der Welt darbietet. Die selbstverständliche Art, in dem Gedanken zu leben, die ihm eigen ist, führt Aristoteles auch dazu, die Gesetze des Gedankenlebens selbst, die Logik, zu erforschen. Eine solche Wissenschaft konnte erst entstehen, nachdem der erwachte Gedanke zu einem reifen Leben gediehen und zu einem solch harmonischen Verhältnisse mit den Dingen der Außenwelt gekommen war, wie es bei Aristoteles zu treffen ist.
[ 58 ] Neben Aristoteles gestellt, sind die Denker, welche das griechische, ja das gesamte Altertum als seine Zeitgenossen und Nachfolger aufweist, Persönlichkeiten, die von viel geringerer Bedeutung erscheinen. Sie machen den Eindruck, als ob ihren Fähigkeiten etwas abgehe, um zu der Stufe der Einsicht sich zu erheben, auf welcher Aristoteles stand. Man hat das Gefühl, sie weichen von ihm ab, weil sie Ansichten aufstellen müssen über Dinge, die sie nicht so gut verstehen wie er. Man möchte ihre Ansichten aus ihrem Mangel herleiten, der sie verführte, Meinungen zu äußern, die im Grunde bei Aristoteles schon widerlegt sind.
[ 59 ] Solchen Eindruck kann man zunächst empfangen von den Stoikern und Epikureern. Zu den ersteren, die ihren Namen von der Säulenhalle, Stoa, in Athen hatten, in welcher sie lehrten, gehören Zenon von Kition (336-264 v.Chr.), Kleanthes (331-233), Chrysippus (280-208) und andere. Sie nehmen aus früheren Weltanschauungen, was ihnen in denselben vernünftig zu sein scheint; es kommt ihnen aber vor allem darauf an, durch die Weltbetrachtung zu erfahren, wie der Mensch in die Welt hineingestellt ist. Danach wollen sie bestimmen, wie das Leben einzurichten ist, damit es der Weltordnung entspricht, und damit der Mensch im Sinne dieser Weltordnung dasjenige auslebt, was seinem Wesen gemäß ist. Durch Begierden, Leidenschaften, Bedürfnisse betäubt in ihrem Sinne der Mensch sein naturgemäßes Wesen; durch Gleichmut, Bedürfnislosigkeit fühlt er am besten, was er sein soll und sein kann. Das Ideal des Menschen ist «der Weise», welcher die innere Entfaltung des Menschenwesens durch keine Untugend verdunkelt.
[ 60 ] Waren die Denker bis zu Aristoteles darauf bedacht, die Erkenntnis zu erlangen, welche dem Menschen erreichbar ist, nachdem er durch das Gedankenwahrnehmen zum vollen Bewußtsein seiner Seele gekommen war, so beginnt mit den Stoikern das Nachdenken darüber: Was soll der Mensch tun, um seine Menschenwesenheit am besten zum Ausdruck zu bringen?
[ 61 ] Epikur (geb. 342, gest. 271 v.Chr.) bildete in seiner Art die Elemente aus, welche in der Atomistik schon veranlagt waren. Und auf diesem Unterbau läßt er eine Lebensansicht sich erheben, welche als eine Antwort auf die Frage angesehen werden kann: Da die menschliche Seele sich wie die Blüte aus den Weltvorgängen heraushebt, wie soll sie leben, um ihr Sonderleben, ihre Selbständigkeit dem vernünftigen Denken gemäß zu gestalten? Epikur konnte nur in einer solchen Art diese Frage beantworten, welche das Seelenleben zwischen Geburt und Tod in Betracht zieht, denn bei voller Aufrichtigkeit kann sich aus der atomistischen Weltanschauung nichts anderes ergeben. Ein besonderes Lebensrätsel muß für eine solche Anschauung der Schmerz bilden. Denn der Schmerz ist eine derjenigen Tatsachen, welche die Seele aus dem Bewußtsein ihrer Einheit mit den Weltendingen heraustreiben. Man kann die Bewegung der Sterne, das Fallen des Regens im Sinne der Weltanschauung der Vorzeit so betrachten, wie die Bewegung der eigenen Hand, das heißt in beiden ein einheitliches Geistig-Seelisches erfühlen. Daß Vorgänge im Menschen Schmerzen bereiten können, solche außer ihm nicht, das treibt aber die Seele zur Anerkennung ihres besonderen Wesens. Eine Tugendlehre, welche wie die Epikurs danach strebt, im Einklange mit der Weltvernunft zu leben, kann begreiflicherweise ein solches Lebensideal besonders schätzen, welches zur Vermeidung des Schmerzes, der Unlust führt. So wird alles, was Unlust beseitigt, zum höchsten epikureischen Lebensgut.
[ 62 ] Diese Lebensauffassung fand im weiteren Altertume zahlreiche Anhänger, namentlich auch bei den nach Bildung strebenden Römern. Der römische Dichter T. Lucretius Carus (96-55 v.Chr.) hat ihr in seinem Cedicht «Über die Natur» einen formvollendeten Ausdruck gegeben.
[ 63 ] Das Gedankenwahrnehmen führt die menschlidie Seele zur Anerkennung ihrer selbst. Es kann aber auch eintreten, daß die Seele sich ohnmächtig fühlt, das Gedankenerleben so zu vertiefen, daß sie in ihm einen Zusaminenbang findet mit den Gründen der Welt. Dann fühlt sich die Seele losgerissen von dem Zusammenhang mit diesen Gründen durch das Denken; sie fühlt, daß in dem Denken ihr Wesen liegt; aber sie findet keinen Weg, um im Gedankenleben etwas anderes als nur ihre eigene Behauptung zu finden. Dann kann sie sich nur dem Verzicht auf jede wahre Erkenntnis ergeben. In solchem Falle waren Pyrrho (360-270 v.Chr.) und seine Anhänger, deren Bekenntnis man als Skeptizismus bezeichnet. Der Skeptizismus, die Weltanschauung des Zweifels, schreibt dem Gedankenerleben keine andere Fähigkeit zu, als menschliche Meinungen sich über die Welt zu machen; ob diese Meinungen für die Welt außerhalb des Menschen eine Bedeutung haben, darüber will er nichts entscheiden.
[ 64 ] Man kann in der Reihe der griechischen Denker ein in gewissem Sinne geschlossenes Bild erblicken. Zwar wird man sich gestehen müssen, daß ein solcher Zusammenschluß der Ansichten von Persönlichkeiten allzu leicht einen ganz äußeren Charakter tragen und in vieler Beziehung nur von untergeordneter Bedeutung sein kann. Denn das Wesentliche bleibt doch die Betrachtung der einzelnen Persönlichkeiten und das Gewinnen von Eindrücken darüber, wie sich in diesen einzelnen Persönlichkeiten das Allgemein-Menschliche in besonderen Fällen zur Offenbarung bringt. Doch sieht man in der griechischen Denkerreihe etwas wie das Geborenwerden, Sich-Entfalten und Leben des Gedankens, in den vorsokratischen Denkern eine Art Vorspiel; in Sokrates, Plato und Aristoteles die Höhe, und in der Folgezeit ein Herabsteigen des Gedankenlebens, eine Art Auflösung desselben.
[ 65 ] Wer diesem Verlauf betrachtend folgt, der kann zu der Frage kommen: Hat das Gedankenerleben wirklich die Kraft, der Seele alles das zu geben, worauf es sie geführt hat, indem es sie zum vollen Bewußtsein ihrer selbst gebracht hat? Das griechische Gedankenetleben hat für den unbefangenen Beobachter ein Element, das es «vollkommen» im besten Sinne erscheinen läßt. Es ist, als ob in den griechischen Denkern die Gedankenkraft alles herausgearbeitet hätte, was sie in sich selbst birgt. Wer anders urteilen will, wird bei genauem Zusehen bemerken, daß sein Urteilen irgendwo einen Irrtum birgt. Spätere Weltanschauungen haben durch andere Seelenkräfte anderes hervorgebracht; die späteren Gedanken als solche stellen sich stets so dar, daß sie in ihrem eigentlichen Gedankengehalte schon bei irgendeinem griechischen Denker vorhanden waren. Was gedacht werden kann, und wie man an dem Denken und der Erkenntnis zweifeln kann: alles das tritt in der griechischen Kultur auf. Und in der Gedankenoffenbarung erfaßt sich die Seele in ihrer Wesenheit.
[ 66 ] Doch hat das griechische Gedankenleben der Seele gezeigt, daß es die Kraft hat, ihr alles das zu geben, was es in ihr angeregt hat? Vor dieser Frage stand, wie einen Nachklang des griechischen Gedankenlebens bildend, die Weltanschauungsströmung, welche man den Neuplatonismus nennt. Ihr Hauptträger ist Plotin (205-270 n.Chr.). Ein Vorläufer kann schon Philo genannt werden, der im Beginne unserer Zeitrechnung in Alexandrien lebte. Denn Philo stützt sich nicht auf die schöpferische Kraft des Gedankens zum Aufbaue einer Weltanschauung. Er wendet vielmehr den Gedanken an, um die Offenbarung des Alten Testaments zu verstehen. Er legt, was in demselben als Tatsachen erzählt wird, gedanklich, allegorisch aus. Die Erzählungen des Alten Testamentes werden ihm zu Sinnbildern für Seelenvorgänge, denen er gedanklich nahezukommen sucht. Plotin sieht in dem Gedankenerleben der Seele nicht etwas, was die Seele in ihrem vollen Leben umfaßt. Hinter dem Gedankenleben muß ein anderes Seelenleben liegen. Über dieses Seelenleben breitet die Erfassung der Gedanken eher eine Decke, als daß sie dasselbe enthüllte. Die Seele muß das Gedankenwesen überwinden, es in sich austilgen, und kann nach dieser Austilgung in ein Erleben kommen, welches sie mit dem Urwesen der Welt verbindet. Der Gedanke bringt die Seele zu sich; sie muß nun in sich etwas erfassen, was sie aus dem Gebiete wieder herausführt, in das sie der Gedanke gebracht hat. Eine Erleuchtung, die in der Seele auftritt, nachdem diese das Gebiet verlassen hat, auf das sie der Gedanke gebracht hat, strebt Plotin an. So glaubt er sich zu einem Weltenwesen zu erheben, das nicht in das Gedankenleben eingeht; daher ist ihm die Weltvernunft, zu der sich Plato und Aristoteles erheben, nicht das letzte, zu dem die Seele kommt, sondern ein Geschöpf des Höheren, das jenseits alles Denkens liegt. Von diesem Übergedanklichen, das mit nichts verglichen werden kann, worüber Gedanken möglich sind, strömt alles Weltgeschehen aus. Der Gedanke, wie er sich dem griechischen Geistesleben offenbaren konnte, hat gewissermaßen bis zu Plotin hin seinen Umkreis gemacht und damit die Verhältnisse erschöpft, in welche sich der Mensch zu ihm bringen kann. Und Plotin sucht nach anderen Quellen als denjenigen, welche in der Gedankenoffenbarung liegen. Er schreitet aus dem sich fortentwickelnden Gedankenleben heraus und in das Gebiet der Mystik hinein. Ausführungen über die Entwickelung der eigentlichen Mystik sind hier nicht beabsichtigt, sondern nur solche, welche die Gedankenentwickelung darstellen, und dasjenige, was aus dieser selbst hervorgeht. Doch finden an verschiedenen Stellen der Geistesentwickelung der Menschheit Verbindungen der gedanklichen Weltanschauung mit der Mystik statt. Eine solche Verbindung ist bei Plotin vorhanden. In seinem Seelenleben ist nicht das bloße Denken maßgebend. Er hat eine seelische Erfahrung, welche inneres Erleben darstellt, ohne daß Gedanken in der Seele anwesend sind, mystisches Erleben. In diesem Erleben fühlt er seine Seele vereinigt mit dem Weltengrunde. Wie er aber dann den Zusammenhang der Welt mit diesem Weltengrunde darstellt, das ist in Gedanken auszudrücken. Aus dem Übergedanklichen strömten die Weltenwesen aus. Das Übergedankliche ist das Vollkommenste. Was daraus hervorgeht, ist weniger vollkommen. So geht es bis herab zu der sichtbaren Welt, dem Unvollkommensten. Innerhalb desselben findet sich der Mensch. Er soll durch die Vervollkommnung seiner Seele dasjenige abstreifen, was ihm die Welt geben kann, in der er sich zunächst befindet, und so einen Weg finden, der aus ihm ein Wesen macht, das dem vollkommenen Ursprunge angemessen ist.
[ 67 ] Plotin stellt sich dar als eine Persönlichkeit, welche sich in die Unmöglichkeit versetzt fühlt, das griechische Gedankenleben fortzusetzen. Er kann auf nichts kommen, was wie ein weiterer Sproß des Weltanschauungslebens aus dem Gedanken selbst folgt. Richtet man den Blick auf den Sinn der Weltanschauungsentwickelung, so ist man berechtigt zu sagen: Das Bildvorstellen ist zum Gedankenvorstellen geworden; in ähnlicher Art muß das Gedankenvorstellen sich weiter in etwas anderes verwandeln. Aber dazu ist zu Plotins Zeit die Weltanschauungsentwickelung noch nicht reif. Deshalb verläßt Plotin den Gedanken und sucht außerhalb des Gedankenerlebens. Doch gestalten sich die griechischen Gedanken, befruchtet durch seine mystischen Erlebnisse, zu den Entwickelungsideen aus, welche das Weltgeschehen vorstellen als Hervorgehen einer Stufenfolge von in absteigender Ordnung unvollkommenen Wesen aus einem höchsten vollkommenen. In Plotins Denken wirken die griechischen Gedanken fort; doch sie wachsen nicht wie ein Organismus weiter, sondern werden von dem mystischen Erleben aufgenommen und gestalten sich nicht zu dem um, was sie selbst aus sich. In einer ähnlichen Art, wie durch Plotin und seine Nachfolger das griechische Denken in seiner mehr platonischen Färbung unter dem Einfluß eines außergedanklichen Elementes fortgesetzt wird, geschieht es mit diesem Denken in seiner pythagoreischen Nuance durch Nigidius Figulus, Apollonius von Tyana, Moderatus von Gades und anderen.
The worldview of the Greek thinkers
[ 1 ] In Pherekydes of Syros, who lived in the sixth century before Christ, a personality appears within Greek intellectual life in whom one can observe the birth of what will be called "world and life views" in the following remarks. On the one hand, what he has to say about the questions of the world still resembles the mythical and pictorial representations of a time before the striving for a scientific world view; on the other hand, imagination through the image, through the myth, struggles through to a contemplation that wants to penetrate the riddles of existence and the position of man in the world through thoughts. He still presents the earth under the image of a winged oak, on which Zeus drapes the surface of land, sea, rivers etc. like a fabric; he imagines the world to be interwoven with spiritual beings, of which Greek mythology speaks. But he also speaks of three origins of the world: of Chronos, of Zeus and of Chthon.
[ 2 ] There has been much discussion in the history of philosophy about what is to be understood by these three origins of Pherekydes. Since the historical accounts of what he wanted to portray in his work "Heptamychos" contradict each other, it is understandable that opinions differ on this subject even today. Anyone who looks at what has been historically handed down about Pherekydes can get the impression that the beginning of philosophical reflection can be observed in him, but that this observation is difficult because his words must be taken in a sense that is far removed from the thinking habits of the present and which must first be sought.
[ 3 ] The second edition of this book, which is intended to give a picture of the world- and life-views of the nineteenth century, is preceded by a brief description of the preceding world- and life-views, insofar as these world-views are based on a conceptual understanding of the world. This is done out of the feeling that the ideas of the previous century reveal themselves better in their inner meaning when they are not only taken for themselves, but when the thought-lights of the preceding times fall on them. Naturally, however, not all the "evidence" that must serve as a basis for this brief sketch can be recorded in such an "introduction". (If the writer of these remarks is ever permitted to turn the sketch into a book in its own right, then it will become apparent that the corresponding "evidence" is indeed available. Nor does the author doubt that others who want to see a suggestion in this sketch will find the "evidence" in the historical record.)
[ 4 ] Pherekydes arrives at his view of the world in a different way than one had arrived at it before him. What is significant about him is that he perceives man as an animated being in a different way than was the case before him. For the earlier world view, the term "soul" did not yet have the meaning that it acquired for the later views of life. Pherekydes also did not yet have the same idea of the soul as the thinkers who followed him. He first perceives the soul of man, whereas the later thinkers speak of it clearly in thought and want to characterize it. The people of early times did not yet separate their own human soul experience from natural life. They do not place themselves next to nature as a special being; they experience themselves in nature, as they experience thunder and lightning, the drifting of the clouds, the movement of the stars, the growth of plants. What moves the hand on one's own body, what sets the foot on the earth and makes it advance, belongs for prehistoric man to a region of world forces which also cause the lightning and the driving of the clouds, which cause all external events. What this person feels can be expressed in something like this: Something makes lightning flash, thunder, rain, moves my hand, makes my foot advance, moves the air I breathe, turns my head. When one expresses such a realization, one must use such words, which may seem exaggerated at first glance. But only through the seemingly exaggerated-sounding word can the correct fact be fully perceived. A man who has a conception of the world such as is meant here, feels in the rain which falls to the earth a power at work which must at present be called "spiritual," and which is similar to that which he feels when he sets out on this or that personal activity. It may be of interest to find this mode of conception again in Goethe, in his younger years, naturally in that shade which it must have in a personality of the eighteenth century. One can read in Goethe's essay "Nature": "She (Nature) has brought me in, she will also lead me out. I trust myself to her. She may change with me. She will not hate her work. I did not speak of her. No, what is true and what is false, she has spoken everything. All is her fault, all her merit."
[ 5 ] One can only speak as Goethe speaks if one feels one's own being within the whole of nature and expresses this feeling through thoughtful contemplation. Prehistoric man felt as he thought, without his soul experience forming itself into thought. He did not yet experience the thought; but instead of the thought, the image (symbol) was formed in his soul. The observation of the development of mankind leads back to a time in which the mental experiences were not yet born, but in which the image (symbol) came to life within the human being, just as the thought comes to life in the later living human being when he observes the processes of the world. The life of thought arises for man at a certain time; it brings the previous experience of the world in images to extinction.
[ 6 ] For the habits of thought of our time, it seems acceptable to imagine: in prehistoric times men observed the processes of nature, wind and weather, the germination of the seed, the course of the stars, and added to these processes spiritual entities, as the active agents; whereas it is far from the present consciousness to recognize that the man of prehistoric times experienced the images in the same way as the later man experienced the thoughts as mental reality.
[ 7 ] One will gradually recognize that in the course of human development a transformation of human organization has taken place. There was a time when the subtle organs were not yet developed in human nature which make it possible to develop an inner, separate thought life; at that time man had the organs which presented him with his co-experience with the world in images.
[ 8 ] When this is recognized, a new light will fall on the meaning of myth on the one hand and also on that of poetry and thought life on the other. When the inwardly independent thought-experience appeared, it extinguished the earlier image-experience. Thought emerged as the instrument of truth. In it, however, only one branch of the old image-experience lived on, which had created its expression in myth. In another branch the extinguished image-experience lived on, albeit in a pale form, in the creations of fantasy, of poetry. Poetic imagination and intellectual worldview are the two children of the one mother, the old pictorial experience, which must not be confused with the poetic experience.
[ 9 ] The essential thing that matters is the transformation of the finer organization of the human being. This was brought about by the life of thought. In art, in poetry, it is naturally not the thought as such that works; the image continues to work. But it now has a different relationship to the human soul than it had in the form in which it was still formed as a cognitive image. As thought itself, the experience of the soul only appears in the world view; the other branches of human life form themselves in a different way accordingly when thought becomes dominant in the field of cognition.
[ 10 ] The progress of human development thus characterized is connected with the fact that from the appearance of thought-experience man had to feel himself in a quite different sense as a separate being, as a "soul", than was formerly the case. The "image" was experienced in such a way that one felt: it is in the outer world as reality, and one experiences this reality with it, one is connected with it. With the "thought" as well as with the poetic image, man feels separated from nature; he feels himself in the thought-experience as something that nature cannot experience in the way he experiences it. The clear perception of the contrast between nature and soul becomes more and more apparent.
[ 11 ] In the various cultures of the peoples, the transition from the old image-experience to the thought-experience has taken place at different times. In Greece, this transition can be observed by looking at the personality of Pherekydes. He lives in a world of imagination in which image-experience and thought still have an equal share. His three basic ideas, Zeus, Chronos, Chthon, can only be imagined in such a way that the soul, in experiencing them, simultaneously feels that it belongs to the events of the outside world. We are dealing with three experienced images and can only come to terms with them if we do not allow ourselves to be distracted by anything that our current habits of thought would like to imagine.
[ 12 ] Chronos is not time as we currently imagine it. Chronos is a being that can be called "spiritual" in today's parlance, if one is aware that one is not exhausting the meaning. Chronos lives, and his activity is the consumption, the consumption of the life of another being, Chthon. In nature Chronos rules, in man Chronos rules; in nature and man Chronos consumes Chthon. It makes no difference whether one experiences the consumption of chthon by Chronos inwardly or sees it outwardly in the processes of nature. For the same thing happens in both areas. Connected with these two beings is Zeus, who in the sense of Pherekydes may no more be imagined as a divine being in the sense of the current conception of mythology than as mere "space" in today's sense, although he is the being who creates what takes place between Chronos and Chthon into a spatial, extended form.
[ 13 ] The interaction of Chronos, Chthon, Zeus in the sense of Pherekydes is experienced directly in the image, as the idea of eating is experienced; but it is also experienced in the outside world, as the idea of the blue or red color is experienced. This experience can be imagined in the following way. Let us look at the fire that consumes things. Chronos lives in the activity of fire, of warmth. Whoever looks at the fire in its activity and does not yet have the independent thought, but the image, looks at Chronos. He sees "time" with the effectiveness of fire, not with the sensual fire. There is no other concept of time before the birth of thought. What we currently call "time" is an idea that was only formed in the age of the intellectual world view. If you look at water, not as it is as water, but as it transforms into air or steam, or at the dissolving clouds, you experience in the image the power of "Zeus", the spatially effective expander; you could also say: the "radiant" expander. And if you look at water as it becomes solid, or solid as it forms into liquid, you see chthon. Chthon is something that later became "matter", "substance" in the age of intellectual worldviews; Zeus became "ether" or "space"; Chronos became "time".
[ 14 ] Through the interaction of these three primordial causes, the world is created in the sense of Pherekydes. Through this interaction, the sensual material worlds are created on the one hand: Fire, Air, Water, Earth; on the other, a sum of invisible, supersensible spiritual beings that animate the four material worlds. Zeus, Chronos, Chthon are beings to whom the expressions "spirit, soul, matter" can be applied, but their meaning is only approximate. It is only through the combination of these three primordial beings that the more material realms of fire, air, water and earth and the more spiritual and mental (supersensible) beings come into being. Using an expression from later world views, Zeus can be called the "space-ether", Chronos the "time-creator" and Chthon the "substance-provider", the three "primordial mothers" of the world. They can still be seen in Goethe's "Faust", in the scene of the second part where Faust makes his way to the "mothers".
[ 15 ] Just as these three primal beings appear in Pherekydes, they point back to the ideas of predecessors of this personality, to the so-called Orphics. These are confessors of a type of imagination that still lives entirely in the old pictorial nature. They also have three primordial beings, Zeus, Chronos and Chaos. Alongside these three "primordial mothers", those of Pherekydes are one degree less figurative. Pherekydes tries to grasp more through the life of thought what the Orphics still held completely in the image. This is why he appears as the personality in whom one can speak of the "birth of the life of thought". This is expressed not so much by Pherekydes' conceptual formulation of the Orphic ideas as by a certain basic mood of his soul, which can be found in a similar way in many of Pherekydes' philosophizing successors in Greece. Pherekydes feels compelled to see the origin of things in the "good" (Arizon). He could not associate this concept with the "mythical worlds of the gods" of ancient times. The beings of this world had soul characteristics that were not compatible with this concept. Pherekydes could only conceive of the concept of the "good", of perfection, in his three "primordial reasons".
[ 16 ] This has to do with the fact that the birth of the life of thought was associated with a shattering of mental perception. One should not overlook this mental experience where the mental world view has its beginning. One could not have felt any progress in this beginning if one had not believed to grasp something more perfect with the thought than was achieved with the old picture-experience. It is quite natural that within this stage of the development of the world-view the sensation meant here was not clearly expressed. What was felt, however, was what can now be clearly expressed, looking back to the ancient Greek thinkers. It was felt that the images experienced by the immediate ancestors did not lead to the highest, the most perfect primal grounds. These images only revealed less perfect primal causes. Thought must rise to the still higher primal causes, of which the things seen in images are only the creatures.
[ 17 ] Through the progress to the life of thought, the world fell apart for the imagination into a more natural and a more spiritual sphere. In this spiritual sphere, which was only now perceived, one had to feel what had formerly been experienced in images. To this was now added the idea of something higher, which is thought to be sublime above this older spiritual world and above nature. The thought wanted to penetrate to this sublime. In the region of this sublime, Pherekydes searches for his "three primeval mothers". A glance at the phenomena of the world can illustrate the nature of the ideas that took hold in a personality like Pherekydes. In his environment, man finds a harmony underlying all phenomena, as expressed in the movements of the stars, in the course of the seasons with the blessings of plant growth, etc. The inhibiting, destructive forces interfere with this blessed course of things, as they express themselves in the harmful effects of the weather, in earthquakes, etc. Whoever looks at all this can be led to a duality of the ruling powers. But the human soul requires the assumption of an underlying unity. It feels naturally: the devastating hail, the destructive earthquake, they must ultimately come from the same source as the blessed order of the seasons. In this way, man looks through good and bad to a primal good. The same good force is at work in the earthquake as in the blessing of spring. In the drying, desolating heat of the sun the same entity is at work that brings the seed to maturity. So the "good original mothers" are also in the harmful facts. When man feels this, a tremendous riddle of the world presents itself to his soul. Pherekydes looks to his Ophioneus to solve it. Drawing on ancient imagery, Ophioneus appears to him as a kind of "world serpent". In reality, this is a spirit being which, like all other world beings, belongs to the children of Chronos, Zeus and Chthon, but which has changed after its creation in such a way that its effects are directed against the effects of the "good original mothers". Thus, however, the world disintegrates into a trinity. The first are the "primeval mothers", who are portrayed as good, as perfect, the second are the beneficial world processes, the third are the destructive or only imperfect world processes, which wind themselves into the beneficial effects as Ophioneus.
[ 18 ] In Pherekydes, Ophioneus is not merely a symbolic idea for the inhibiting, destructive powers of the world. With his imagination, Pherekydes stands on the border between image and thought. He does not think: there are devastating powers, I imagine them under the image of Ophioneus. Nor is such a thought process present in him as an imaginative activity. He looks at the inhibiting forces, and Ophioneus immediately stands before his soul, just as the red color stands before the soul when the gaze is cast upon the rose.
[ 19 ] Whoever sees the world only as it presents itself to image perception does not initially distinguish in thought between the processes of the "good primordial mothers" and those of Ophioneus. The necessity of this distinction is felt on the border to the intellectual world view. For it is only with this progress that the soul feels itself to be a separate, independent being. It feels that it must ask itself: Where do I myself come from? And it must seek its origin in the depths of the world, where Chronos, Zeus and Chthon did not yet have their adversary beside them. But the soul also feels that at first it can know nothing of its origin. For it sees itself in the midst of the world in which the "good primeval mothers" work together with Ophioneus; it feels itself in a world in which the perfect and the imperfect are bound together. Ophioneus is intertwined with her own being.
[ 20 ] You can feel what was going on in the souls of individual personalities in the sixth century before Christ if you let the characterized feelings have an effect on you. Such souls felt entangled in the imperfect world with the old mythical gods. These divine beings belonged to the same imperfect world as they themselves. Such a mood gave rise to a spiritual association such as the one founded by Pythagoras from Samos between 540 and 500 BC in Kroton in Greater Greece. Pythagoras wanted to lead the people who professed faith in him back to the feeling of the "good primeval mothers", in whom the origin of their souls was to be presented. In this respect, it can be said that he and his disciples wanted to serve "other" gods than the people. And thus there was what must appear to be the break between such spirits as Pythagoras and the people. The people felt comfortable with their gods; he had to relegate these gods to the realm of the imperfect. This is also the "secret" which is spoken of in connection with Pythagoras and which could not be revealed to those who were not initiated. It consisted in the fact that his thinking had to attribute a different origin to the human soul than to the souls of the gods of popular religion. The numerous attacks that Pythagoras experienced can ultimately be traced back to this "secret". How was he to make it clear to others than those whom he had first carefully prepared for such knowledge that "as souls" they could even in a certain sense regard themselves as superior to the popular gods? And how else than in a covenant with a strictly regulated way of life could it be achieved that the souls became aware of their high origin and yet felt entangled in imperfection. The latter feeling was to generate the striving to organize life in such a way that it would lead back to its origin through self-perfection. It is understandable that legends and myths had to form around Pythagoras' aspirations. It is also understandable that almost nothing is known about the true significance of this personality. However, anyone who observes the legends and legendary traditions of antiquity about Pythagoras in context will recognize the picture just given from them.
[ 21 ] In the image of Pythagoras, contemporary thought still feels the disturbing idea of the so-called "transmigration of souls". It seems childish when Pythagoras is even said to have said that he knew that he had already been on earth as another human being in earlier times. It may be recalled that the great representative of the more recent Enlightenment, Lessing, in his "Education of the Human Race", renewed this idea of man's repeated lives on earth from a completely different way of thinking than that of Pythagoras. Lessing could only imagine the progress of the human race in such a way that human souls participate repeatedly in life in successive periods on earth. A soul brings with it into the life of a later period what it has retained from its experience in earlier periods. Lessing finds it natural that the soul has often been there in its earthly life and will often be there in the future, thus working its way from life to life to the perfection possible for it. He points out that this idea of repeated earthly lives should not be considered implausible because it was present in the earliest times, "because the human mind, before the sophistry of the school had dispersed and weakened it, immediately fell for it".
[ 22 ] This idea is present in Pythagoras. But it would be a mistake to believe that he, like Pherekydes, who is mentioned in antiquity as his teacher, devoted himself to it because he thought logically that the path indicated above, which the human soul has to go through to its origin, can only be reached in repeated earthly lives. To attribute such intellectual thinking to Pythagoras would be to misjudge him. We are told of his long journeys. It is said that he met with sages who preserved traditions of the oldest human insight. Whoever observes what has been handed down from the oldest human ideas can come to the conclusion that the view of repeated earthly lives was widespread in primeval times. Pythagoras drew on the primal teachings of mankind. The mythical teachings of his surroundings must have seemed to him like decayed views which came from older, better ones. In his age these pictorial doctrines had to be transformed into an intellectual view of the world. But this intellectual world-view appeared to him to be only a part of the life of the soul. This part had to be deepened; then it led the soul to its origins. But by penetrating in this way, the soul discovers in its inner experience the repeated earth lives as a soul perception. It does not reach its origins if it does not find the way to them through repeated earthly lives. Just as a wanderer who goes to a distant place naturally passes through other places on his way, so the soul, when it goes to the "mothers", passes through its previous lives, through which it has descended from its existence in the "perfect" to its present life in the "imperfect". If one takes everything into consideration, one cannot but attribute the view of repeated earth lives to Pythagoras in this sense, as his inner perception, and not as something conceptually understood. Now the view that all things are based on "the numbers" is spoken of as particularly characteristic of Pythagoras' belief. When this is mentioned, it must be taken into account that Pythagoreanism continued into later times, even after Pythagoras' death. Of later Pythagoreans, Philolaus, Archytas and others are mentioned. In ancient times it was known of them in particular that they "regarded things as numbers". However, even if this does not seem historically possible, this view can be traced back to Pythagoras. One may only make the assumption that it was deeply and organically rooted in his whole way of thinking, but that it took on an externalized form with his successors. Imagine Pythagoras standing in his mind before the emergence of the intellectual world view. He saw how thought takes its origin in the soul after it, starting from the "primordial mothers", had descended through successive lives to its imperfection. Sensing this, he could not wish to ascend to the origins through mere thought. He had to seek the highest knowledge in a sphere in which thought had nothing to do. There he found a super-thought life of the soul. Just as the soul experiences ratios in the tones of music, so Pythagoras lived into a spiritual coexistence with the world, which the mind can express in numbers; but the numbers for the experience are nothing other than what the tone ratios found by the physicist are for the experience of music. For Pythagoras, thought has to take the place of the mythical gods; but through corresponding deepening, the soul, which has separated itself from the world with thought, finds itself again in one with the world. It experiences itself as not separated from the world. However, this is not in a region in which the experience of the world becomes a mythical image, but in such a region in which the soul resonates with the invisible, sensually imperceptible world harmonies and brings to consciousness within itself that which it does not want, but which the powers of the world want and allow to become imagined in it.
[ 23 ] Pherekydes and Pythagoras reveal how the worldview experienced in thought originates in the human soul. In wrestling out of older types of conception, these personalities come to an inner, independent grasp of the "soul", to distinguish it from external "nature". What is illustrated in these two personalities, the wrestling of the soul out of the old pictorial conceptions, takes place more in the soul-underground with the other thinkers, with whom the beginning is usually made in the description of the development of the Greek world-view. They are usually mentioned first Thales of Miletus (624-546 BC), Anaximander (611-550 BC), Anaximenes (who had his heyday between 585 and 525 BC) and Heraclitus (around 540-480 BC at Ephesus).
[ 24 ] Whoever acknowledges the preceding remarks will be able to approve of a depiction of these personalities that must differ from the one commonly used in historical descriptions of philosophy. These descriptions are always based on the unspoken premise that these personalities arrived at the assertions they handed down through an imperfect observation of nature: Thales that the fundamental and original nature of all things is to be sought in "water", Anaximander in the "unlimited", Anaximenes in "air", Heraclitus in "fire".
[ 25 ] This does not take into account that these personalities are still living in the process of the emergence of the intellectual world view; that although they feel the independence of the human soul to a higher degree than Pherekydes, they have not yet completed the completely strict separation of the life of the soul from the workings of nature. For example, one will certainly misconceive Thales if one thinks that he, as a merchant, mathematician, astronomer, thought about natural processes and then, in an imperfect way, but still like a modern scientist, summarized his findings in the sentence: "Everything comes from water". In those ancient times, being a mathematician, astronomer, etc. meant practically dealing with the relevant things, in the manner of a craftsman who relied on tricks, not on intellectual and scientific knowledge.
[ 26 ] In contrast, for a man like Thales it must be assumed that he experienced the external processes of nature in a similar way to the internal processes of the soul. What presented itself to him as natural processes in the processes with and in the water - the liquid, mud-like, earthy-image-like - was the same to him as what he experienced inwardly in his soul and body. To a lesser degree than the people of prehistoric times, however, he experienced the effect of water in himself and in nature, and both were an expression of power to him. It may be pointed out that a later period still thought of the external effects of nature in their relation to the internal processes, so that there was no question of a "soul" in the present sense, existing separately from the body. In the view of the temperaments this point of view is still retained in an echo into the times of the intellectual world view. The melancholic temperament was called earthy, the phlegmatic watery, the sanguine airy, the choleric fiery. These are not mere allegories. One did not feel a completely separate soul; one experienced within oneself a soul-body as a unity, and in this unity the stream of forces which, for example, pass through a phlegmatic soul, just as the same forces pass outside in nature through the effects of water. And these external water effects were seen as the same as what one experienced in the soul when one was in a phlegmatic mood. Current habits of thought must adapt to the old ways of thinking if they want to penetrate the soul life of earlier times.
[ 27 ] And so one will find in the world view of Thales the expression of what his soul life, which is related to the phlegmatic temperament, allows him to experience inwardly. He experienced within himself what appeared to him as the world mystery of water. The reference to a person's phlegmatic temperament is associated with a bad connotation. As justified as this is in many cases, it is also true that the phlegmatic temperament, when it occurs together with the energy of imagination, makes a person a wise man through his calmness, freedom from emotion and lack of passion. Such a disposition in Thales probably caused him to be celebrated by the Greeks as one of their sages.
[ 28 ] The world view was formed in a different way for Anaximenes, who experienced the sanguine mood within himself. One of his sayings has come down to us that directly shows how he perceived his inner experience with the air element as an expression of the mystery of the world: "Just as our soul, which is a breath, holds us together, so air and breath embrace the universe."
[ 29 ] Heraklit's world view must be perceived by an unbiased observer as an immediate expression of his choleric inner life. A look at his life will shed some light on this thinker in particular. He belonged to one of the noblest families of Ephesus. He became a fierce opponent of the democratic party. He did so because certain views came to him, the truth of which presented itself to him in his immediate inner experience. The views of those around him, measured against his own, seemed to him, quite naturally, to directly prove the folly of this environment. He was so conflicted by this that he left his home town and led a solitary life at the Temple of Artemis. Here are a few sentences that have come down to us from him: "It would be good if all the Ephesians who are adults would arise and hand over their city to the minors ...", or the other where he says of the people: "Fools in their lack of understanding, even when they hear the truth, are like the deaf; of them it is true: they are absent when they are present." An inner experience that expresses itself in such choleric behavior is related to the consuming work of the fire; it does not live in comfortable, calm existence; it feels at one with the "eternal becoming". Such a soul experiences stagnation as absurdity; "everything flows" is therefore the famous sentence of Heraclitus. It is only apparent when a persistent being appears somewhere; one will reproduce a Heraclitean feeling if one says the following: The stone seems to represent a closed, persistent being; but this is only apparent: it is wildly moving inside, all its parts act on each other. Heraclitus' way of thinking is usually characterized by the sentence: one cannot step into the same stream twice, for the second time the water is different. And a disciple of Heraclitus, Cratylus, enhanced the saying by saying that you cannot step into the same stream even once. So it is with all things; while we are looking at what seems to persist, it has already become something else in the general stream of existence.
[ 30 ] One does not consider a world-view in its full significance if one accepts only its thought content; its essence lies in the mood which it communicates to the soul; in the vitality which arises from it. One must feel how Heraclitus feels himself in the stream of becoming with his own soul, how the world-soul pulsates with him in the human soul and communicates its own life to it when the human soul knows itself to be alive in it. Heraclitus' thought arises from this co-experience with the world soul: What lives has death in it through the continuous stream of becoming; but death has life in it again. Life and death are in our living and dying. Everything has everything else in itself; only in this way can eternal becoming flow through everything. "The sea is the purest and most impure water, drinkable and wholesome to fish, undrinkable and corrupting to man." "The same is life and death, waking, sleeping, young, old, this changing is that, that again this." "Good and evil are one." "The straight path and the crooked ... are but one."
[ 31 ] Anaximander appears freer from the inner life, more devoted to the element of thought itself. He sees the origin of things in a kind of world ether, an indeterminate, shapeless primordial being that has no boundaries. Take the Zeus of Pherekydes, strip him of everything that is still inherent in his imagery, and you have the primordial being of Anaximander: Zeus who has become thought. In Anaximander a personality appears in which the life of thought is born out of the mood of the soul, which still has its temperamental shades in the aforementioned thinkers. Such a personality feels united as a soul with the life of thought and thus not as fused with nature as the soul which does not yet experience thought as independent. It feels connected with a world order that lies above the processes of nature. When Anaximander speaks of the fact that humans first lived as fish in the wet and then developed through land animal forms, this means for him that the spirit germ, as which man recognizes himself through thought, has only passed through the other forms as through preliminary stages in order to finally give itself the form that is appropriate to it from the outset.
[ 32 ] Following the thinkers mentioned for the historical account are: Xenophanes of Colophon (born in the 6th century BC. ); mentally related to him, albeit younger: Parmenides (born around 540 BC; lived as a teacher in Athens); Zenon of Elea (whose heyday was around 500 BC); Melissos of Samos (who lived around 450 BC).
[ 33 ] In these thinkers the intellectual element already lives to such a degree that they demand a world view and recognize truth in such a world view alone, in which the life of thought is fully satisfied. How must the primordial ground of the world be constituted so that it can be fully received within thought? they ask. Xenophanes finds that the popular gods cannot exist before thought; he therefore rejects them. His god must be able to be thought. What the senses perceive is changeable, is afflicted with qualities that do not correspond to thought, which must seek the permanent. Therefore, God is the unchanging, eternal unity of all things that can be grasped in thought. Parmenides sees in external nature, which the senses observe, the untrue, the deceptive; in the unity, the imperishable, which thought grasps, only the true. Zenon seeks to deal with the experience of thought in such a way that he points out the contradictions that arise from a view of the world that sees a truth in the change of things, in the becoming, in the many things that the external world shows. Of the contradictions to which he refers, only one should be mentioned. He says that the fastest runner (Achilles) cannot reach the tortoise; for however slowly it crawls, by the time Achilles has reached the place it had just occupied, it is already a little further on. By such contradictions Zeno indicates how an imagination that clings to the outside world cannot come to terms with itself; he points to the difficulty that thought encounters when it tries to find the truth. One will recognize the significance of this world view, which is called the Eleatic (Parmenides and Zeno are from Elea), if one focuses on the fact that its bearers are so far advanced in the development of the experience of thought that they have shaped this experience into a special art, the so-called dialectic. In this "art of thought" the soul learns to feel itself in its independence and inner unity. Thus the reality of the soul is felt as what it is through its own being, and as what it feels itself to be through the fact that it no longer, as in prehistoric times, lives the general world-experience, but unfolds in itself a life of thought-experience which is rooted in it, and through which it can feel itself implanted in a purely spiritual world-ground. At first this feeling does not yet find expression in a clearly expressed thought, but it can be felt as a living feeling in this age by the esteem in which it is held. According to one of Plato's "Conversations", Parmenides told the young Socrates that he should learn the art of thought from Zeno, otherwise the truth would remain distant from him. This "art of thought" was perceived as a necessity for the human soul that wants to approach the spiritual foundations of existence.
[ 34 ] Whoever does not see in the progress of human development to the stage of thought-experiences how, with the beginning of this life, real experiences ceased to be the image-experiences that were present before, will see the special character of the thinker personalities of the sixth and the following pre-Christian centuries in Greece in a different light than that in which they must be presented in these explanations. Thought drew something like a wall around the human soul. Formerly it was, according to its feeling, within the phenomena of nature; and what it experienced together with these natural phenomena, as it experienced the activity of its own body, presented itself before it in pictorial phenomena, which were there in their vitality; now the whole picture-painting was obliterated by the power of thought. Where before the images full of content spread out, now the thought stretched through the outer world. And the soul could only feel itself in that which spread outside in space and time by connecting with the thought. One senses such a mood of the soul when one looks at Anaxagoras from Klazomenä in Asia Minor (born around 500 BC). He feels connected in his soul with the life of thought; this life of thought encompasses what is extended in space and time. Thus extended, it appears as the Nus, the world mind. This pervades the whole of nature as an entity. Nature, however, presents itself only as composed of small primordial beings. The natural processes that result from the interaction of these primordial beings are what the senses perceive after the picture painting has disappeared from nature. These primordial beings are called homoiomeries. Within itself, the human soul experiences the connection with the world-mind (the nus) in the thought within its wall; through the windows of the senses it looks at that which the world-mind creates through the interaction of the "homoiomeries".
[ 35 ] In Empedocles (who was born in Agrigento around 490 BC) lived a personality in whose soul the old and the new modes of conception clashed as if in violent conflict. He still felt something of the interweaving of the soul with external existence. Hatred and love, antipathy and sympathy live in the human soul; they also live outside the wall that encloses the human soul; the life of the soul thus continues in the same way outside it and appears in forces that separate and connect the elements of external nature: air, fire, water, earth, and thus bring about what the senses perceive in the external world.
[ 36 ] Empedocles stands, as it were, before nature, which appears to the senses to be disembodied, and develops a mood of soul that rebels against this disembodiment. His soul cannot believe that this is the true essence of nature, what thought wants to make of it. Least of all can it admit that it is in truth only in such a relation to this nature as results from the mental world-view. One must imagine what goes on in a soul that experiences such an inner conflict in all its acuteness, that suffers from it; then one will feel how in this soul of Empedocles the old mode of conception arises as the power of feeling, but is unwilling to bring this to full consciousness, and so seeks an existence in a thought-image-like manner, in that way of which Empedocles' sayings are an echo, which, understood from what is indicated here, lose their peculiarity. After all, he quotes a saying like this: "Farewell. No longer a mortal, but an immortal god I walk about; ... and as soon as I come into the flourishing cities, I am worshipped by men and women: they join me by the thousands, seeking with me the way to their salvation, since some expect prophecies, others healing spells for manifold diseases from me." Thus the soul, in which an old way of imagining is rumbling, numbs itself, which makes it feel its own existence like that of an exiled god who has been transferred from another being into the desecrated world of the senses, and who therefore perceives the earth as an "unfamiliar place" into which he is thrown as if in punishment. One can certainly find other sensations in the soul of Empedocles; for flashes of wisdom shine forth meaningfully from his sayings; his feeling towards the "birth of the intellectual world view" is given by such moods.
[ 37 ] Other than this personality, those thinkers who are called atomists looked at what had become for the soul of man from nature through the birth of thought. The most important of them was Democritus (born around 460 BC in Abdera). Leukipp is a kind of precursor to him.
[ 38 ] In Democritus, the homoiomeries of Anaxagoras have become much more material. In Anaxagoras, the primal-part beings can still be compared to living germs; in Democritus they become dead, indivisible particles of matter, which through their various combinations compose the things of the outside world. They move away from each other, towards each other, through each other: this is how the processes of nature arise. The world-mind (Nus) of Anaxagoras, which, like a spiritual (disembodied) consciousness, allows the world processes to emerge in a purposeful way from the interaction of the homoiomeries, becomes with Democritus an unconscious natural lawfulness (Ananke). The soul only wants to accept what it can grasp as the closest result of thought; nature is completely de-souled; thought as soul-experience fades into the inner shadow-image of de-souled nature. Thus through Democritus, the intellectual archetype of all more or less materialistically colored worldviews of the following period appeared.
[ 39 ] The atomic world of Democritus represents an external world, a nature in which nothing of "soul" lives. The thought-experiences in the soul, through whose birth the human soul has become aware of itself: in Democritus they are mere shadow-experiences. This characterizes part of the destiny of thought-experiences. They make the human soul conscious of its own being, but at the same time they fill it with uncertainty about itself. The soul experiences itself in itself through the thought, but at the same time it can feel torn away from the spiritual, independent world power that gives it security and inner support. Those personalities to whom the name "sophists" is given within Greek intellectual life felt themselves to be so unbound in the soul. The most important in their ranks is Protagoras (from Abdera around 480-410 BC). In addition to him, the following can also be considered: Gorgias, Critias, Hippias, Trasymachus, Prodicus. The sophists are often portrayed as people who played a superficial game with thinking. The way they were treated by the playwright Aristophanes contributed much to this opinion. However, among many other things, the fact that even Socrates, who felt himself to a certain extent to be a pupil of Prodicus, is said to have described him as a man who had worked well for the ennoblement of language and thought among his pupils is an external reason for a better appreciation. Protagoras' view is expressed in the famous sentence: "Man is the measure of all things, of those that are that they are, of those that are not that they are not." In the attitude that underlies this sentence, the thought-experience feels sovereign. It does not feel a connection with an objective world power. When Parmenides says: The senses give man a world of illusion, one could go further and add: Why should thinking, which one does experience, not also deceive? But Protagoras would reply: What can it matter to man whether the world outside him is different than he perceives and thinks? Does he imagine it for someone other than himself? May it be for another being as always, man need not worry about it. His ideas should only serve him; he should find his way in the world with their help. When he becomes completely clear about himself, he cannot want to have any other ideas about the world than those that serve him. Protagoras wants to be able to rely on thinking; to do so, he simply relies on its own power.
[ 40 ] But in doing so Protagoras puts himself in some way at odds with the spirit that lives in the depths of Greek thought. This "spirit" is clearly audible within the Greek essence. It already speaks from the inscription of the Delphic temple "Know thyself". This ancient oracular wisdom speaks as if it contained the invitation to progress in worldview, which takes place from imagining images to mentally grasping the secrets of the world. Through this invitation man is pointed to his own soul. He is told that he can hear in it the language through which the world expresses its essence. But it also refers to something that creates uncertainties and insecurities in his own experience. The spirits within Greece were to conquer the dangers of this life of the soul, which relied on itself. In this way they were to shape the thought in the soul into a world view. In doing so, the Sophists got into dangerous waters. In them, the spirit of Greekness stands as if on a precipice; it wants to give itself the power of equilibrium through its own power. As has already been indicated, one should look more at the seriousness of this attempt and its boldness than lightly accuse it, even if the accusation is certainly justified for many of the sophists. But this attempt naturally comes at a turning point in Greek life. Protagoras lived around 480-410 B.C. The Peloponnesian War, which stands at the turning point of Greek life, took place from 431-404 B.C. Before that, the individual in Greece was firmly embedded in the social context; the community and tradition provided him with the standard for his actions and thoughts. The individual personality only had value and significance as a member of the whole. Under such conditions, the question could not yet be asked: What is the individual person worth? Sophistry poses this question, thus taking a step towards the Greek Enlightenment. It is basically the question: How does man organize his life after he has become aware of the awakened life of thought?
[ 41 ] From Pherekydes (or Thales) to the Sophists, the gradual incorporation of the thought born before these personalities can be observed within the development of the world view in Greece. They show how thought works when it is placed at the service of the world view. But this birth can be observed in the whole breadth of Greek life. The world view is only one area in which a general phenomenon of life is lived out in a particular case. A quite similar current of development could be traced in the fields of art, poetry, public life, the various branches of trade and commerce. This observation would show everywhere how human activity becomes different under the influence of that organization of man which introduces thought into the world-view. The worldview does not "discover" the thought, it arises rather through the fact that it uses the born life of thought to build up a worldview that has previously been formed from other experiences.
[ 42 ] If it can be said of the Sophists that they brought the spirit of Greekness to a dangerous cliff, which expresses itself in "Know thyself", then Socrates must be seen as a personality who expressed this spirit with a high degree of perfection. Socrates was born in Athens around 470 and was sentenced to death by poison in 399 BC.
[ 43 ] Socrates is historically presented to the viewer in two forms. Firstly, in the figure drawn by his great student Plato (427-347 BC). Plato presents his world view in the form of a conversation. And Socrates appears in these "conversations" as a teacher. He appears as "the wise man" who guides those around him to high levels of knowledge through his spiritual guidance. Xenophon painted a second picture of Socrates in his "Memoirs". At first, it seems as if Plato idealized the nature of Socrates, while Xenophon traced more of the immediate reality. A more detailed consideration of the matter might well find that Plato and Xenophon each draw the picture of Socrates that they have received according to their particular point of view, and that one may therefore consider the extent to which the two complement and illuminate each other.
[ 44 ] First of all, it must appear significant that Socrates' world view has come down to posterity entirely as an expression of his personality, of the basic character of his mental life. Both Plato and Xenophon portray Socrates in such a way that one has the impression that his personal opinion speaks everywhere in him; but the personality carries within it the awareness that he who expresses his personal opinion from the right reasons of the soul, expresses something which is more than human opinion, which is an expression of the intentions of the world order through human thought. Socrates is received by those who think they know him in such a way that he is proof of the fact that truth comes about in the human soul through thinking when this human soul is connected with its basic being in the way that Socrates was. By looking at Socrates, Plato does not present a doctrine that is "established" through reflection, but rather allows a human being developed in the right sense to speak and observes what he produces as truth. Thus the way in which Plato relates to Socrates becomes an expression of what man is in his relationship to the world. It is not only what Plato said about Socrates that is significant, but how he placed Socrates in the world of Greek intellectual life in his literary behavior.
[ 45 ] With the birth of thought, man was directed towards his "soul". Now the question arises: What does this soul say when it makes itself speak and expresses what the forces of the world have placed in it? And the way in which Plato relates to Socrates provides the answer: in the soul, reason speaks to the world what it wants to say to man. This justifies the trust in the revelations of the human soul, insofar as it develops the thought within itself. The figure of Socrates appears under the sign of this trust.
[ 46 ] In ancient times, the Greek consulted the priests in important matters of life; he had the will and opinion of the spiritual powers "prophesied" to him. Such an institution is in harmony with a soul experience in images. Through the image, the human being feels connected to the rule of the powers that govern. The place of divination is then the facility through which a particularly suitable person finds the way to the spiritual powers better than other people. As long as one's soul did not feel isolated from the outside world, the feeling was natural that this outside world could express itself more through a special facility than in everyday experience. The picture spoke from outside; why should the outside world not be able to speak particularly clearly in a special place? The thought speaks to the inside of the soul. Thus this soul is pointed to itself; it cannot know itself as connected with another soul as with the manifestations of the priestly place of prophecy. One had to surrender one's own soul to the thought. One felt from the thought that it is the common property of men.
[ 47 ] World reason shines into the life of thought without special facilities. Socrates felt: In the thinking soul lives the power which was sought in the "places of prophecy". He felt the "demonium", the spiritual power that guides the soul, within himself. Thought made the soul conscious of itself. With his idea of the demonium speaking within him, which, always guiding him, told him what he had to do, Socrates wanted to express: The soul that has found itself in the life of thought may feel as if it consorted within itself with world reason. This is the expression of the appreciation of what the soul has in the experience of thought.
[ 48 ] Under the influence of this view, "virtue" is placed in a special light. Just as Socrates values thought, so he must presuppose that the true virtue of human life reveals itself to the life of thought. The right virtue must be found in the life of thought, because the life of thought gives man his value. "Virtue is teachable" is how Socrates' idea is usually expressed. It is teachable because it must be possessed by those who truly grasp the life of thought. What Xenophon says of Socrates in this respect is significant. Socrates teaches a pupil about virtue. The following conversation develops. Socrates says: "Do you now believe that there is a doctrine and science of justice, as well as a doctrine of grammar?" The pupil: "Yes." Socrates: "So who do you think is more proficient in grammar, the one who deliberately fails to write and read correctly or the one who does so unintentionally?" Student: "The one who does it on purpose, I should think, because if he wanted to, he could do it right." Socrates: "Doesn't it seem to you that the one who deliberately writes incorrectly understands writing and the other does not?" Disciple: "Without doubt." Socrates: "But who knows better what is right, the one who deliberately lies or deceives, or the one who does not? " (Xenophon's Memorabilia of Socrates -, translated by Güthling.) For Socrates it is a matter of making it clear to the pupil that it is important to have the right thoughts about virtue. What Socrates says about virtue is also aimed at establishing trust in the soul that recognizes itself in the experience of thought. One must trust in the right thought of virtue more than in all other motives. Virtue makes man worthy of appreciation when he experiences it in thought.
[ 49 ] Thus Socrates expresses what the pre-Socratic age strove for: appreciation of what is given to the human soul through the awakened life of thought. Socrates' teaching method is influenced by this idea. He approaches man with the assumption that the life of thought is in him; it only needs to be awakened. That is why he directs his questions in such a way that the person being asked is prompted to awaken his thought life. Therein lies the essence of the Socratic method.
[ 50 ] Born in Athens in 427 B.C., Plato, as a student of Socrates, felt that through him his confidence in the life of thought was strengthened. That which the entire development up to that point wanted to bring to manifestation: in Plato it reaches a climax. It is the idea that the spirit of the world reveals itself in the life of thought. At first, Plato's whole soul life is illuminated by this perception. Everything that man recognizes through the senses or in any other way is of no value as long as the soul has not brought it into the light of thought. For Plato, philosophy is the science of ideas as the true being. And the idea is the revelation of the spirit of the world through the revelation of thought. The light of the world spirit shines into the human soul, revealing itself there as ideas; and the human soul, by grasping the idea, unites itself with the power of the world spirit. The world spread out in space and time is like the mass of ocean water in which the stars are reflected; but only that which is reflected as an idea is real. Thus, for Plato, the whole world is transformed into Ideas interacting with each other. Their work in the world is brought about by the fact that the Ideas are reflected in the hyle, the primordial matter. This reflection gives rise to what man sees as many individual things and individual processes. But there is no need to extend cognition to the hyle, the primordial matter, for the truth is not in it. One only arrives at this when one strips away from the world picture everything that is not an idea.
[ 51 ] For Plato, the human soul is alive in the Idea; but this life is shaped in such a way that this soul is not in all its manifestations a revelation of its life in the Ideas. Insofar as the soul is immersed in the life of ideas, it appears as the "rational soul" (thought-bearing soul). The soul appears as such when it reveals itself in the perception of thought. In its earthly existence it is incapable of revealing itself in this way alone. It must also express itself in such a way that it appears as an "unreasoning soul" (not thought-bearing soul). And as such it appears again in two ways, as a soul developing courage and as a soul full of desire. Thus Plato seems to distinguish three members or parts in the human soul: the rational soul, the courageous soul and the desirous soul. However, the spirit of his conception will be better understood if this is expressed in a different way: the soul is by nature a member of the world of ideas. As such it is the soul of reason. But it is active in such a way that it adds to its life in reason an activity through the courageous and the desirous. In this threefold mode of manifestation it is the earth-soul. As the soul of reason it descends to earthly existence through physical birth and re-enters the world of ideas at death. In so far as it is the soul of reason, it is immortal, for as such it lives the eternal existence of the world of ideas.
[ 52 ] This doctrine of the soul of Plato appears as a significant fact within the age of thought perception. The awakened thought pointed man to the soul. Plato develops a view of the soul that is entirely the result of thought perception. In Plato, thought endeavored not only to point to the soul, but to express what the soul is, to describe it, so to speak. And what thought has to say about the soul gives it the power to know itself in the eternal. Indeed, the thought in the soul even illuminates the nature of the temporal by extending its own being beyond this temporal. The soul perceives the thought. As it reveals itself in earthly life, the pure form of thought cannot be developed in it. Where does the experience of thought come from if it cannot be developed in earthly life? It forms a remembrance of a pre-earthly, purely spiritual state. Thought has seized the soul in such a way that it is not content with its earthly existence. It is revealed to the soul in a pre-existence in the spiritual world (world of ideas), and the soul brings it up during its earthly existence through memory from the life it spent in the spirit.
[ 53 ] This conception of the soul gives rise to what Plato has to say about the moral life. The soul is moral when it arranges its life in such a way that it expresses itself as strongly as possible as a rational soul. Wisdom is the virtue that comes from the rational soul; it ennobles human life; courage comes from the courageous soul, prudence from the desirous soul. The latter two virtues arise when the rational soul becomes the ruler over the other revelations of the soul. When all three virtues work together harmoniously in man, what Plato calls righteousness, the direction towards the good, dikaiosyne, arises.
[ 54 ] Plato's pupil Aristotle (born 384 BC in Stagira in Thrace, died 321 BC) represents a high point of Greek thought alongside his teacher. With him, the integration of thought into the world view was already complete and had come to rest. Thought assumes its rightful possession in order to understand the nature and processes of the world by itself. Plato still uses his imagination to place thought in its dominion and to lead it to the world of ideas. With Aristotle, this dominion has become self-evident. It is also important to consolidate it everywhere in the realm of knowledge. Aristotle understands the use of thought as a tool that penetrates into the essence of things. For Plato, it is a matter of overcoming the thing or essence of the external world; and when it is overcome, the soul carries within itself the idea by which the external being was only overshadowed, but is alien to it, and hovers above it in a spiritual world of truth. Aristotle wants to immerse himself in the beings and processes, and what the soul finds in this immersion is for him the essence of the thing itself. The soul feels as if it had only lifted this essence out of the thing and brought it into thought form for itself so that it could carry it with it like a souvenir of the thing. Thus, for Aristotle, the ideas are in the things and processes; they are one side of the things, the one that the soul can lift out of them by its own means; the other side, which the soul cannot lift out of the things, through which these have their life built upon themselves, is the substance, the matter (hyle).
[ 55 ] Just as Plato's entire view of the world is illuminated by his view of the soul, this is also the case with Aristotle. With both thinkers, the situation is such that one characterizes the basic nature of their entire worldview when one does this for their view of the soul. Certainly, many details would come into consideration for both thinkers that cannot find a place in these explanations; but in both cases the conception of the soul gives the direction that their way of thinking has taken.
[ 56 ] For Plato, what comes into consideration is what lives in the soul and as such has a share in the spiritual world; for Aristotle, what is important is how the soul presents itself in man for his own cognition. As in other things, the soul must also immerse itself in itself in order to find in itself that which constitutes its essence. The idea, which, in Aristotle's sense, man finds in an extra-soul thing, is indeed this essence of the thing; but the soul has brought this essence into the form of ideas in order to have it for itself. The idea does not have its reality in the cognizing soul, but in the external thing together with the substance (the hyle). However, if the soul immerses itself in itself, it finds the idea as such in reality. In this sense, the soul is an idea, but an active idea, an effective entity. And it also behaves as such an active entity in the life of the human being. It grasps the physical in the germinal life of the human being. While idea and substance form an inseparable unity in an extra-soul thing, this is not the case with the human soul and its body. There the independent human soul grasps the corporeal, overrides the idea already active in the body, and puts itself in its place. In Aristotle's sense, a soul already lives in the corporeal, with which the human soul unites. For he also sees a subordinate soul active in the plant body and in the animal body. A body that carries the soul of the plant and the animal is fertilized, as it were, by the human soul, and so for the earthly human being a physical-soul is combined with a spiritual-soul. The latter abolishes the independent activity of the bodily-spiritual during the duration of human life on earth and itself works with the bodily-spiritual as its instrument. This gives rise to five expressions of the soul, which Aristotle presents as five soul members: the plant-like soul (threptikon), the sentient soul (asthetikon), the desire-developing soul (orektikon), the will-developing soul (kinetikon) and the spiritual soul (dianoetikon). The human being is a spiritual soul through that which belongs to the spiritual world and connects with the physical-soul in the germinal life; the other soul members arise when the spiritual soul unfolds in the physical and leads earthly life through it. For Aristotle, the view of a spiritual soul naturally implies the view of a spiritual world in general. Aristotle's view of the world stands before the observing gaze in such a way that things and processes live below, representing matter and idea; the higher one turns one's gaze, the more that which has a material character disappears; the purely spiritual appears to man as an idea, the world sphere in which the divine has its being as pure spirituality that moves everything. The spiritual human soul belongs to this world sphere; it does not exist as an individual being but only as part of the world spirit before it connects with a physical soul. Through this connection it acquires its individual existence, separated from the world spirit, and continues to live as a spiritual being after separation from the physical. Thus the individual soul being begins with human life on earth and then lives on immortally. Plato assumes a pre-existence of the soul before life on earth, but not Aristotle. This is just as natural for the latter, who allows the idea to exist in the thing, as the other is natural for the one who imagines the idea floating above the thing. Aristotle finds the idea in the thing; and the soul attains what it is supposed to be in the spiritual world as an individuality in the body.
[ 57 ] Aristotle is the thinker who allows thought to develop into a world view through contact with the essence of the world. The age before Aristotle led to the experience of thought; Aristotle grasps thought and applies it to that which presents itself to him in the world. The natural way of living in thought, which is peculiar to him, also leads Aristotle to investigate the laws of the life of thought itself, the logic. Such a science could only emerge after the awakened thought had grown to a mature life and had come to such a harmonious relationship with the things of the outside world as can be found in Aristotle.
[ 58 ] Placed alongside Aristotle, the thinkers whom the Greek, indeed the whole of antiquity, presents as his contemporaries and successors are personalities who appear to be of much lesser importance. They give the impression that something is lacking in their abilities to rise to the level of insight on which Aristotle stood. One has the feeling that they deviate from him because they have to form opinions about things they do not understand as well as he does. One would like to derive their views from their deficiency, which tempted them to express opinions that have basically already been refuted by Aristotle.
[ 59 ] Such an impression can first be received from the Stoics and Epicureans. The former, who took their name from the Hall of Columns, Stoa, in Athens, in which they taught, include Zenon of Cition (336-264 BC), Kleanthes (331-233), Chrysippus (280-208) and others. They take from earlier world views what seems to them to be reasonable in them; but their main concern is to find out how man is placed in the world by looking at it. Then they want to determine how life is to be arranged so that it corresponds to the world order and so that man lives out what is in accordance with his nature in the sense of this world order. Through desires, passions and needs, man, in their view, anaesthetizes his natural being; through equanimity and lack of need, he feels best what he should and can be. The ideal of man is "the wise man", who does not obscure the inner development of the human being through any vices.
[ 60 ] While the thinkers up to Aristotle were concerned with attaining the knowledge that is attainable to man after he had come to full awareness of his soul through the perception of thought, the Stoics began to reflect on this: What should man do to best express his human nature?
[ 61 ] Epicurus (born 342, died 271 BC) developed in his way the elements that were already present in atomism. And it is on this foundation that he raises a view of life that can be seen as an answer to the question: Since the human soul stands out like a flower from the processes of the world, how should it live in order to shape its special life, its independence, in accordance with rational thinking? Epicurus could only answer this question in a way that takes into account the life of the soul between birth and death, because with complete sincerity nothing else can result from the atomistic world view. Pain must form a special riddle of life for such a view. For pain is one of those facts which drive the soul out of the consciousness of its unity with the things of the world. One can regard the movement of the stars, the falling of the rain in the sense of the world-view of prehistoric times in the same way as the movement of one's own hand, that is, one can sense a unified spiritual-soul in both. The fact that processes in man can cause pain, but not those outside him, drives the soul to recognize its special nature. A doctrine of virtue which, like that of Epicurus, strives to live in harmony with world reason, can understandably value such an ideal of life which leads to the avoidance of pain, of unpleasure. Thus, everything that eliminates unpleasantness becomes the highest Epicurean good of life.
[ 62 ] This view of life found many followers in later antiquity, especially among the Romans who were striving for education. The Roman poet T. Lucretius Carus (96-55 BC) gave it perfect expression in his poem "On Nature".
[ 63 ] The perception of thought leads the human soul to recognize itself. However, it can also happen that the soul feels powerless to deepen the experience of thought in such a way that it finds in it a connection with the reasons of the world. Then the soul feels itself torn away from the connection with these reasons through thinking; it feels that its essence lies in thinking; but it finds no way to find in the life of thought anything other than its own assertion. Then it can only surrender to the renunciation of all true knowledge. In such a case were Pyrrho (360-270 BC) and his followers, whose creed is known as scepticism. Skepticism, the worldview of doubt, ascribes no other ability to the experience of thought than to form human opinions about the world; it does not want to decide whether these opinions have any meaning for the world outside of man.
[ 64 ] In a certain sense, one can see a closed picture in the series of Greek thinkers. Admittedly, one will have to admit that such a combination of the views of personalities can all too easily have a completely external character and in many respects be of only secondary importance. For the essential thing remains the observation of the individual personalities and the gaining of impressions as to how in these individual personalities the general humanity is revealed in particular cases. But in the Greek line of thinkers one sees something like the birth, unfolding and life of thought, in the pre-Socratic thinkers a kind of prelude; in Socrates, Plato and Aristotle the height, and in the following period a descent of the life of thought, a kind of dissolution of the same.
[ 65 ] Whoever follows this course can come to the question: Does the experience of thought really have the power to give the soul all that it has led it to by bringing it to full awareness of itself? For the unbiased observer, the Greek life of thought has an element that makes it appear "perfect" in the best sense of the word. It is as if in the Greek thinkers the power of thought had worked out everything that it contains within itself. Anyone who wants to judge otherwise will realize on closer inspection that his judgment contains an error somewhere. Later views of the world have produced other things through other powers of the soul; the later thoughts as such always present themselves in such a way that they were already present in their actual thought content with some Greek thinker. What can be thought, and how one can doubt thought and knowledge: all this appears in Greek culture. And in the revelation of thought, the soul grasps itself in its essence.
[ 66 ] But has the Greek life of thought shown the soul that it has the power to give it everything that it has stimulated in it? Before this question stood, as if forming an echo of the Greek life of thought, the world view current which is called Neuplatonism. Its main proponent is Plotinus (205-270 AD). A forerunner can already be named Philo, who lived in Alexandria at the beginning of our era. Philo did not rely on the creative power of thought to build up a world view. Rather, he uses thought to understand the revelation of the Old Testament. He interprets what is narrated in it as facts in an allegorical way. The stories of the Old Testament become symbols for the processes of the soul, which he tries to approach mentally. Plotinus does not see the soul's experience of thought as something that encompasses the soul in its full life. Behind the life of thought there must be another life of the soul. Over this soul-life the apprehension of thought spreads a blanket rather than revealing it. The soul must overcome the thought being, eradicate it within itself, and after this eradication can come into an experience which connects it with the primordial being of the world. Thought brings the soul to itself; it must now grasp something in itself which leads it out of the area again into which thought has brought it. Plotinus strives for an enlightenment that occurs in the soul after it has left the realm to which thought has brought it. Thus he believes himself to be elevated to a world being that does not enter into the life of thought; therefore, world reason, to which Plato and Aristotle elevate themselves, is not the last to which the soul comes, but a creature of the higher that lies beyond all thought. All world events emanate from this supra-thought, which cannot be compared to anything that can be thought about. Thought, as it was able to reveal itself to Greek intellectual life, has, so to speak, made its circumference up to Plotinus and thus exhausted the relations in which man can bring himself to it. And Plotinus searches for sources other than those which lie in the revelation of thought. He steps out of the evolving life of thought and into the realm of mysticism. Explanations about the development of actual mysticism are not intended here, but only those which represent the development of thought and that which emerges from this itself. However, at various points in the spiritual development of mankind there are connections between the intellectual world view and mysticism. Such a connection is present in Plotinus. In his soul life, mere thinking is not decisive. He has a soul experience which represents inner experience without thoughts being present in the soul, mystical experience. In this experience he feels his soul united with the foundation of the world. But how he then represents the connection of the world with this world reason is to be expressed in thoughts. The world beings emanate from the super-thought. The superconceptual is the most perfect. What emerges from it is less perfect. So it goes down to the visible world, the most imperfect. Man is found within it. Through the perfection of his soul, he should strip away that which the world in which he initially finds himself can give him and thus find a path that makes of him a being that is appropriate to the perfect origin.
[ 67 ] Plotin presents himself as a personality who feels it impossible to continue the Greek life of thought. He cannot come up with anything that follows from the thought itself like a further offshoot of the worldview life. If we look at the meaning of the development of the world-view, we are justified in saying that the image-conception has become the thought-conception; in a similar way the thought-conception must continue to transform itself into something else. But in Plotinus' time the development of the world view was not yet ready for this. Therefore Plotinus leaves thought and searches outside the experience of thought. However, the Greek thoughts, fertilized by his mystical experiences, develop into the ideas of evolution, which imagine world events as the emergence of a sequence of stages of imperfect beings in descending order from a supreme perfect one. The Greek thoughts continue to have an effect in Plotinus' thinking; however, they do not continue to grow like an organism, but are absorbed by the mystical experience and do not transform themselves into what they themselves are. In a similar way as Greek thought in its more Platonic coloring is continued through Plotinus and his successors under the influence of an extra-thought element, it happens with this thought in its Pythagorean nuance through Nigidius Figulus, Apollonius of Tyana, Moderatus of Gades and others.