Die Mystik
GA 7
III. Der Kardinal Nicolaus von Kues
[ 1 ] Ein herrlich leuchtendes Gestirn am Himmel mittelalterlichen Geisteslebens ist Nicolaus Chrypffs aus Kues (bei Trier 1401-1464). Er steht auf der Höhe des Wissens seiner Zeit. In der Mathematik hat er Hervorragendes geleistet. In der Naturwissenschaft darf er als Vorläufer des Kopernikus bezeichnet werden, denn er stellte sich auf den Standpunkt, daß die Erde ein bewegter Himmelskörper ist gleich anderen. Er hat schon gebrochen mit einer Anschauung, auf die sich noch hundert Jahre später der große Astronom Tycho de Brahe stützte, als er der Lehre des Kopernikus den Satz entgegenschleuderte: «Die Erde ist eine grobe, schwere und zur Bewegung ungeschickte Masse; wie kann nun Kopernikus einen Stern daraus machen und ihn in den Lüften herumführen?» Nicolaus von Kues, der das Wissen seiner Zeit nicht nur umfaßte, sondern auch weiterführte, hatte auch in hohem Grade das Vermögen, dieses Wissen zum inneren Leben zu erwecken, so daß es nicht nur über die äußere Welt auf klärt, sondern auch dem Menschen dasjenige geistige Leben vermittelt, nach dem er sich, aus den tiefsten Gründen seiner Seele heraus, sehnen muß. Vergleicht man Nicolaus mit Geistern wie Eckhart oder Tauler, so erhält man ein bedeutsames Ergebnis. Nicolaus ist der wissenschaftliche Denker, der sich aus der Forschung über die Dinge der Welt auf die Stufe einer höheren Anschauung heben will; Eckhart und Tauler sind die gläubigen Bekenner, die aus dem Glaubensinhalt heraus das höhere Leben suchen. Zuletzt kommt Nicolaus zu demselben inneren Leben wie der Meister Eckhart; aber das des ersteren hat ein reiches Wissen zum Inhalt. Die volle Bedeutung des Unterschiedes wird klar, wenn man bedenkt, daß für denjenigen, der sich in den verschiedenen Wissenschaften umtut, die Gefahr nahe liegt, die Tragweite der Erkenntnisart zu verkennen, die über die einzelnen Wissensgebiete auf klärt. Ein solcher kann leicht zu dem Glauben verführt werden, daß es nur eine einzige Art der Erkenntnis gebe. Er wird dann diese Erkenntnis, die in Dingen der einzelnen Wissenschaften zum Ziele führt, entweder unter- oder überschätzen. In dem einen Falle wird er auch an die Gegenstände des höchsten Geisteslebens so herantreten, wie an eine physikalische Aufgabe, und sie mit Begriffen behandeln, mit denen er die Schwerkraft oder Elektrizität behandelt. Die Welt wird ihm, je nachdem et sich mehr oder weniger aufgeklärt glaubt, eine blind wirkende Maschine, oder ein Organismus, oder der zweckmäßige Bau eines persönlichen Gottes; vielleicht auch ein Gebilde, das von irgendeiner mehr oder weniger klar vorgestellten «Weltseele» regiert und durchdrungen ist. In dem anderen Falle merkt er, daß die Erkenntnis, von der er allein eine Erfahrung hat, nur für die Dinge der Sinnenwelt taugt; dann wird er ein Zweifler, der sich sagt: Wir können über die Dinge nichts wissen, die über die Sinneswelt hinausliegen. Unser Wissen hat eine Grenze. Wir können uns für die Bedürfnisse des höheren Lebens nur einem vom Wissen unberührten Glauben in die Arme werfen. Für einen gelehrten Theologen wie Nicolaus von Kues, der zugleich Naturforscher war, lag die zweite Gefahr besonders nahe. Er ging ja, seiner gelehrten Erziehung nach, aus der Scholastik hervor, der Vorstellungsart, welche innerhalb des wissenschaftlichen Lebens in der Kirche des Mittelalters die herrschende war, und die durch Thomas von Aquino (1225 bis 1274), dem «Fürsten der Scholastiker», zu ihrer höchsten Blüte gebracht worden war. Diese Vorstellungsart muß man zum Hintergrunde machen, wenn man die Persönlichkeit des Nicolaus von Kues malen will.
[ 2 ] Die Scholastik ist im höchsten Maße ein Ergebnis des menschlichen Scharfsinnes. Die logische Fähigkeit feierte in ihr die höchsten Triumphe. Wer darnach strebt, Begriffe in den schärfsten, reinlichsten Konturen auszuarbeiten, der sollte zu den Scholastikern in die Lehre gehen. Sie bieten die hohe Schule für die Technik des Denkens. Sie haben eine unvergleichliche Gewandtheit, sich im Felde des reinen Gedankens zu bewegen. Was sie auf diesem Felde zu leisten imstande waren, das wird leicht unterschätzt. Denn für die meisten Gebiete des Wissens ist es den Menschen nur schwer zugänglich. Die meisten erheben sich zu ihm nur deutlich auf dem Gebiete der Zähl- und Rechenkunst, und beim Nachdenken über den Zusammenhang geometrischer Gebilde. Wir können zählen, indem wir im Gedanken eine Einheit zu einer Zahl fügen, ohne daß wir uns sinnliche Vorstellungen zu Hilfe rufen. Wir rechnen auch, ohne solche Vorstellungen, nur im reinen Elemente des Denkens. Für die geometrischen Gebilde wissen wir, daß sie sich mit keiner sinnlichen Vorstellung vollkommen decken. Es gibt in der Wirklichkeit der Sinne keinen (ideellen) Kreis. Dennoch beschäftigt sich unser Denken mit diesem. Für die Dinge und Vorgänge, welche komplizierter sind als Zahlen- und Raumgebilde, ist es schwieriger, die ideellen Gegenstücke zu finden. Das hat dazu geführt, daß von manchen Seiten behauptet wird, in den einzelnen Erkenntnisgebieten sei nur so viel wirkliche Wissenschaft, als sich darin messen und zählen läßt. So ausgesprochen ist das unrichtig, wie ein Einseitiges unrichtig ist; aber es besticht viele, wie das eben oft nur Einseitigkeiten gelingt. Die Wahrheit darüber ist, daß die meisten Menschen nicht imstande sind, auch da noch das rein Gedankliche zu ergreifen, wo es sich nicht mehr um Meß- oder Zählbares handelt. Wer das aber nicht vermag für höhere Lebens- und Wissensgebiete, der gleicht in dieser Beziehung einem Kinde, das noch nicht gelernt hat, anders zu zählen, als indem es Erbse zu Erbse fügt. Der Denker, der gesagt hat, es sei so viel wirkliche Wissenschaft in einem Wissensgebiete, als darin Mathematik ist, hat die volle Wahrheit der Sache nicht überschaut. Man muß verlangen: es sollte alles andere, was sich nicht messen und zählen läßt, gerade so ideell behandelt werden, wie die Zahl- und Raumgebilde. Und diesem Verlangen trugen die Scholastiker in vollkommenster Weise Rechnung. Sie suchten überall den Gedankeninhalt der Dinge, wie ihn der Mathematiker auf dem Gebiete des Meß- und Zählbaren sucht.
[ 3 ] Trotz dieser vollendeten logischen Kunst brachten es die Scholastiker nur zu einem einseitigen und untergeordneten Begriff vom Erkennen. Dieser ist der, daß der Mensch beim Erkennen in sich ein Bild von dem erzeugt, was er erkennen soll. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß man bei einem solchen Begriffe vom Erkennen alle Wirklichkeit außer das Erkennen versetzen muß. Denn im Erkennen kann man dann kein Ding selbst, sondern nur ein Bild dieses Dinges ergreifen. Auch nicht sich selbst kann der Mensch in seiner Selbsterkenntnis ergreifen, sondern auch, was er von sich erkennt, ist nur ein Bild seines Selbst. Ganz aus dem Geiste der Scholastik heraus sagt ein genauer Kenner derselben (K. Werner in seinem Buche «Franz Suarez und die Scholastik der letzten Jahrhunderte», 2. Bd., S.122): «Der Mensch hat in der Zeit keine Anschauung von seinem Ich, dem verborgenen Grunde seines geistigen Wesens und Lebens; ... er wird ... nie dazu kommen, sich selbst anzuschauen; denn entweder wird er, auf immer Gott entfremdet, in sich nur einen bodenlosen finsteren Abgrund, eine endlose Leere finden, oder er wird, in Gott beseligt, den Blick nach innen wendend, eben nur Gott finden, dessen Gnadensonne in ihm leuchtet, dessen Bild in den geistigen Zügen seines Wesens sich abgestaltet.» Wer so über alles Erkennen denkt, der hat nur einen Begriff von dem Erkennen, das auf äußere Dinge anwendbar ist. Das Sinnliche an einem Ding bleibt uns immer äußerlich. Deshalb können wir von dem, was an der Welt sinnlich ist, nur Bilder in unsere Erkenntnis aufnehmen. Wenn wir eine Farbe oder einen Stein wahrnehmen, können wir nicht, um das Wesen der Farbe oder des Steines zu erkennen, selbst zur Farbe oder zum Stein werden. Ebensowenig können die Farbe oder der Stein sich in einen Teil unseres eigenen Wesens verwandeln! Es fragt sich aber, ob der Begriff einer solchen auf das Äußere an den Dingen gerichteten Erkenntnis ein erschöpfender ist? - Für die Scholastik fällt allerdings im wesentlichen alles menschliche Erkennen mit diesem Erkennen zusammen. Ein anderer vorzüglicher Kenner der Scholastik (Otto Willmann, in seiner «Geschichte des Idealismus», 2. Bd., 2. Aufl., S. 396) charakterisiert den für diese Denkrichtung in Betracht kommenden Erkenntnisbegriff in der folgenden Weise: «Unser Geist, im Erdenleben dem Körper gesellt, ist in erster Linie eingestellt auf die umgebende Körperwelt, aber hingeordnet auf das Geistige in dieser: die Wesenheiten, Naturen, Formen der Dinge, welche Daseinselemente ihm verwandt sind und ihm die Sprossen zum Aufsteigen zum Ãœbersinnlichen darbieten; das Feld unserer Erkenntnis ist also das Gebiet der Erfahrung, aber wir sollen, was sie bietet, verstehen lernen, bis zu seinem Sinne und Gedanken vordringen und uns damit die Gedankenwelt erschließen.» Zu einem anderen Begriffe vom Erkennen konnte der Scholastiker nicht gelangen. Daran hinderte ihn der dogmatische Lehrgehalt seiner Theologie. Hätte er den Blick seines geistigen Auges auf das geheftet, was er als bloßes Bild ansieht, dann hätte er gesehen, daß in diesem vermeintlichen Bilde sich der geistige Inhalt der Dinge selbst offenbart; dann hätte er gefunden, daß in seinem Innern sich der Gott nicht bloß abbildet, sondern daß er darin lebt, wesenhaft gegenwärtig ist. Er hätte bei dem Hineinblicken in sein Inneres nicht einen finstern Abgrund, eine endlose Leere erblickt, aber auch nicht bloß ein Bild Gottes; sondern er hätte gefühlt, daß ein Leben in ihm pulsiert, welches das göttliche Leben selbst ist; und daß sein eigenes Leben eben Gottes Leben ist. Das durfte der Scholastiker nicht zugeben. Der Gott durfte, seiner Meinung nach, nicht in ihn einziehen und aus ihm sprechen; er durfte nur als Bild in ihm sein. In Wirklichkeit mußte die Gottheit außer dem Selbst vorausgesetzt werden. Sie konnte sich also auch nicht im Innern durch das geistige Leben, sondern sie mußte sich von außen, durch übernatürliche Mitteilungen offenbaren. Was dabei angestrebt wird, ist dadurch gerade am allerwenigsten erreicht. Es soll von der Gottheit ein möglichst hoher Begriff erreicht werden. In Wirklichkeit wird die Gottheit erniedrigt zu einem Ding unter anderen Dingen; nur daß sich dem Menschen diese anderen Dinge auf natürlichem Wege offenbaren, durch Erfahrung; während die Gottheit sich ihm übernatürlich offenbaren soll. Es wird aber ein Unterschied zwischen der Erkenntnis des Göttlichen und des Geschöpflichen dadurch erreicht, daß beim Geschöpflichen das äußere Ding in der Erfahrung gegeben ist, daß man von ihm ein wissen hat. Bei dem Göttlichen ist der Gegenstand nicht in der Erfahrung gegeben; man kann ihn nur im Glauben erreichen. Die höchsten Dinge sind also für den Scholastiker keine Gegenstände des Wissens, sondern lediglich des Glaubens. Es ist das Verhältnis des Wissens zum Glauben allerdings, nach scholastischer Auffassung, nicht so vorzustellen, daß in einem gewissen Gebiete nur das Wissen, in einem andern nur der Glaube herrschte. Denn die «Erkenntnis des Seienden ist uns möglich, weil es selbst aus einem schöpferischen Erkennen stammt; die Dinge sind für den Geist, weil sie aus dem Geiste sind; sie haben uns etwas zu sagen, weil sie einen Sinn haben, den eine höhere Intelligenz in sie gelegt hat». (O. Willmann, «Geschichte des Idealismus», 2. Bd., S. 383.) Weil Gott die Welt nach Gedanken geschaffen hat, können wir, wenn wir die Gedanken der Welt erfassen, auch die Spuren des Göttlichen in der Welt durch wissenschaftliches Nachdenken erfassen. Was Gott, seinem Wesen nach, ist, können wir aber nur durch die Offenbarung erfassen, die er uns auf übernatürliche Weise gegeben hat, und an die wir glauben müssen. Was wir von den höchsten Dingen zu halten haben, darüber entscheidet keine menschliche Wissenschaft, sondern der Glaube; und «zum Glauben gehört alles, was in den Schriften des neuen und alten Bundes und in den göttlichen Ãœberlieferungen enthalten ist». (Joseph Kleutgen, «Die Theologie der Vorzeit», 1. Bd., S. 39) - Es kann hier nicht eine Aufgabe sein, das Verhältnis des Glaubensinhalts zum Wissensinhalt ausführlich darzustellen und zu begründen. In Wahrheit stammt aller Glaubensinhalt aus einer irgend einmal gemachten inneren menschlichen Erfahrung. Er wird dann, seinem äußerlichen Gehalte nach, aufbewahrt, ohne das Bewußtsein, wie er erworben ist. Es wird von ihm behauptet, er sei durch übernatürliche Offenbarung in die Welt gekommen. Der christliche Glaubensinhalt wurde von den Scholastikern als Ãœberlieferung einfach hingenommen. Die Wissenschaft, das innere Erleben durfte sich über ihn keine Rechte anmaßen. So wenig die Wissenschaft einen Baum schaffen kann, so wenig durfte die Scholastik einen Gottesbegriff schaffen; sie mußte den geoffenbarten als fertig hinnehmen, wie die Naturwissenschaft den Baum als fertig hinnimmt. Daß das Geistige selbst im Innern aufleuchtet und lebt, durfte der Scholastiker nimmermehr zugeben. Er begrenzte daher die Rechtskraft der Wissenschaft da, wo das Gebiet der äußeren Erfahrung aufhört. Die menschliche Erkenntnis durfte keinen Begriff der höheren Wesenheiten aus sich heraus erzeugen. Sie wollte einen geoffenbarten hinnehmen. Daß sie damit doch nur einen in Wahrheit auf einer früheren Stufe des menschlichen Geisteslebens erzeugten annahm und ihn als geoffenbart erklärte, das konnten die Scholastiker nicht zugeben. - Es waren daher aus der Scholastik im Laufe ihrer Entwicklung alle Ideen geschwunden, welche noch auf die Art und Weise hindeuteten, wie der Mensch auf natürlichem Wege die Begriffe des Göttlichen erzeugt hat. In den ersten Jahrhunderten der Entwicklung des Christentums, zur Zeit der Kirchenväter, sehen wir den Lehrinhalt der Theologie Stück für Stück durch Aufnahme innerer Erlebnisse entstehen. Bei Johannes Scotus Erigena, der im neunten Jahrhunderte auf der Höhe der christlichen theologischen Bildung stand, finden wir diesen Lehrinhalt noch ganz wie ein inneres Erlebnis behandelt. Bei den Scholastikern der folgenden Jahrhunderte verliert sich vollkommen dieser Charakter eines inneren Erlebnisses; der alte Lehrgehalt wird zum Inhalte einer äußeren, übernatürlichen Offenbarung umgedeutet. - Man kann deshalb die Tätigkeit der mystischen Theologen Eckhart, Tauler, Suso und ihrer Genossen auch so auffassen, daß man sagt: sie wurden durch den Lehrgehalt der Kirche, der in der Theologie enthalten, aber umgedeutet war, angeregt, einen ähnlichen Gehalt als inneres Erlebnis aus sich selbst wieder aufs neue zu gebären.
[ 4 ] Nicolaus von Kues begibt sich auf den Weg, von dem Wissen, das man in den einzelnen Wissenschaften erwirbt, selbst zu den inneren Erlebnissen aufzusteigen. Es ist kein Zweifel, daß die vorzügliche logische Technik, welche die Scholastiker ausgebildet haben, und für die Nicolaus erzogen war, ein treffliches Mittel bietet, zu inneren Erlebnissen zu kommen, wenn die Scholastiker selbst auch durch den positiven Glauben von diesem Wege zurückgehalten wurden. Vollkommen verstehen wird man Nicolaus aber nur, wenn man bedenkt, daß sein Beruf als Priester, der ihn bis zur Kardinalswürde emporhob, ihn zu einem völligen Bruch mit dem Kirchenglauben, der in der scholastischen Theologie seinen zeitgemäßen Ausdruck fand, nicht kommen ließ. Wir finden ihn auf einem Wege so weit, daß ihn jeder Schritt weiter auch aus der Kirche hätte hinausführen müssen. Wir verstehen den Kardinal deshalb am besten, wenn wir den Schritt, den er nicht mehr gemacht hat, auch noch vollziehen; und dann, rückwärts, das beleuchten, was er gewollt hat.
[ 5 ] Der bedeutsamste Begriff des Geisteslebens Nicolaus' ist derjenige der «gelehrten Unwissenheit». Er versteht darunter ein Erkennen, das gegenüber dem gewöhnlichen Wissen eine höhere Stufe darstellt. Wissen im untergeordneten Sinne ist Erfassen eines Gegenstandes durch den Geist. Das wichtigste Kennzeichen des Wissens ist, daß es Aufklärung gibt über etwas außer dem Geiste, daß es also auf etwas blickt, was es nicht selbst ist. Der Geist beschäftigt sich also im Wissen mit außerhalb seiner gedachten Dingen. Nun ist aber dasjenige, was der Geist in sich über die Dinge ausbildet, das Wesen der Dinge. Die Dinge sind Geist. Der Mensch sieht zunächst den Geist nur durch die sinnliche Hülle. Was außerhalb des Geistes bleibt, ist nur diese sinnliche Hülle; das Wesen der Dinge geht in den Geist ein. Blickt dann der Geist auf dieses Wesen, das Stoff von seinem Stoffe ist, dann kann er gar nicht mehr von Wissen reden, denn er blickt nicht auf ein Ding, das außerhalb seiner ist; er blickt auf ein Ding, das ein Teil von ihm ist; er blickt auf sich selbst. Er weiß nicht mehr; er schaut nur auf sich. Er hat es nicht mit einem «Wissen», sondern mit einem «Nicht-Wissen» zu tun. Er begreift nicht mehr etwas durch den Geist; er «schaut, ohne Begreifen» sein eigenes Leben an. Diese höchste Stufe des Erkennens ist im Verhältnis zu den niedrigen Stufen «Nicht-Wissen». - Es ist aber einleuchtend, daß das Wesen der Dinge nur durch diese Stufe der Erkenntnis vermittelt werden kann. Nicolaus von Kues spricht also mit seinem «gelehrten Nichtwissen» von nichts anderem als von dem als inneres Erlebnis wiedergeborenen Wissen. Er erzählt selbst, wie er zu diesem inneren Erlebnis gekommen ist. «Ich machte viele Versuche, die Gedanken über Gott und Welt, Christus und Kirche in einer Grundidee zu vereinigen, aber keiner von allen befriedigte mich, bis sich endlich bei der Rückkehr aus Griechenland zur See wie durch eine Erleuchtung von oben der Blick meines Geistes zu der Anschauung erhob, in welcher mir Gott als die höchste Einheit aller Gegensätze erschien.» Mehr oder weniger sind an dieser Erleuchtung die Einflüsse beteiligt, die von dem Studium seiner Vorgänger herrührten. Man erkennt in seiner Vorstellungsart eine eigenartige Erneuerung der Anschauungen, die uns in den Schriften eines gewissen Dionysius begegnen. Der schon genannte Scotus Erigena hat diese Schriften ins Lateinische übersetzt. Er nennt den Verfasser «den großen und göttlichen Offenbarer». Die in Rede stehenden Schriften werden zuerst in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts erwähnt. Man schrieb sie dem in der Apostelgeschichte erwähnten Areopagiten Dionysius zu, der von Paulus zum Christentum bekehrt worden ist. Wann diese Schriften wirklich abgefaßt worden sind, möge hier dahingestellt bleiben. Ihr Inhalt wirkte stark auf Nicolaus, wie er schon auf Johannes Scotus Erigena gewirkt hatte, und wie er auch vielfach anregend für die Denkart Eckharts und seiner Genossen gewesen sein muß. Das «gelehrte Nichtwissen» ist in einer gewissen Art in diesen Schriften vorgebildet. Es sei hier nur der Grundzug in der Vorstellungsart dieser Schriften aufgezeichnet. Der Mensch erkennt zunächst die Dinge der Sinneswelt. Er macht sich Gedanken über ihr Sein und Wirken. Der Urgrund aller Dinge muß höher liegen als diese Dinge selbst. Der Mensch kann daher diesen Urgrund nicht mit denselben Begriffen und Ideen erfassen wollen wie die Dinge. Sagt er daher von dem Urgrund (Gott) Eigenschaften aus, welche er an den niederen Dingen kennengelernt hat, so können solche Eigenschaften bloße Hilfsvorstellungen des schwachen Geistes sein, der den Urgrund zu sich herabsieht, um ihn vorstellen zu können. In Wahrheit wird daher nicht irgendeine Eigenschaft, welche niedere Dinge haben, von Gott behauptet werden dürfen. Es wird nicht einmal gesagt werden dürfen, daß Gott ist. Denn auch das «Sein» ist eine Vorstellung, die sich der Mensch an den niederen Dingen gebildet hat. Gott aber ist erhaben über «Sein» und «Nicht-Sein». Der Gott, dem wir Eigenschaften beilegen, ist also nicht der wahre. Wir kommen zu dem wahren Gotte, wenn wir über einen Gott mit solchen Eigenschaften einen «Ãœbergott» denken. Von diesem «Ãœberzogt» können wir nichts im gewöhnlichen Sinne wissen. Um zu ihm zu gelangen, muß das «Wissen» in das «Nicht-Wissen» einmünden. - Man sieht, einer solchen Anschauung liegt das Bewußtsein zugrunde, daß der Mensch aus dem heraus, was ihm seine Wissenschaften geliefert haben, selbst - auf rein natürlichem Wege - ein höheres Erkennen entwickeln kann, das nicht mehr bloßes Wissen ist. Die scholastische Anschauung erklärte das Wissen ohnmächtig zu einer solchen Entwicklung und ließ an dem Punkte, wo das Wissen aufhören soll, den auf äußerliche Offenbarung sich stützenden Glauben dem Wissen zu Hilfe kommen. - Nicolaus von Kues war also auf dem Wege, das aus dem Wissen heraus wieder zu entwickeln, wovon die Scholastiker erklärt hatten, daß es für das Erkennen unerreichbar sei.
[ 6 ] Vom Gesichtspunkte des Nicolaus von Kues aus kann man somit nicht davon sprechen, daß es nur eine Art des Erkennens gebe. Es legt sich das Erkennen vielmehr deutlich auseinander in ein solches, welches ein Wissen von äußeren Dingen vermittelt, und in ein solches, welches der Gegenstand, von dem man eine Erkenntnis erwirbt, selbst ist. Das erstere Erkennen herrscht in den Wissenschaften, die wir uns über die Dinge und Vorgänge der Sinneswelt erwerben; das zweite ist in uns, wenn wir in dem Erworbenen selbst leben. Die zweite Art des Erkennens entwickelt sich aus der ersten. Nun ist es aber doch dieselbe Welt, auf die sich beide Arten des Erkennens beziehen; und es ist derselbe Mensch, welcher sich in beiden betätigt. Die Frage muß entstehen, woher kommt es, daß ein und derselbe Mensch von ein und derselben Welt zweierlei Arten der Erkenntnis entwickelt? - Auf die Richtung, in welcher die Antwort auf diese Frage zu suchen ist, konnte bereits bei Tauler (vgl. S. 25) gedeutet werden. Hier bei Nicolaus von Kues läßt sich diese Antwort noch entschiedener formen. Der Mensch lebt zunächst als einzelnes (individuelles) Wesen unter anderen einzelnen Wesen. Zu den Wirkungen, welche die anderen Wesen aufeinander ausüben, kommt bei ihm noch das (niedere) Erkennen. Er erhält durch seine Sinne Eindrücke von den anderen Wesen und verarbeitet diese Eindrücke mit seinen geistigen Kräften. Er lenkt den geistigen Blick von den äußeren Dingen ab und sieht sich selbst, seine eigene Tätigkeit an. Daraus geht ihm die Selbsterkenntnis hervor. Solange er auf dieser Stufe der Selbsterkenntnis bleibt, schaut er sich noch nicht, im wahren Sinn des Wortes, selbst an. Er kann noch immer glauben, in ihm sei irgendeine verborgene Wesenheit tätig, deren Äußerungen, Wirkungen das nur seien, was ihm als seine Tätigkeit erscheint. Nun kann aber der Punkt kommen, wo dem Menschen durch eine unwiderlegliche innere Erfahrung klar wird, daß er in dem, was er in seinem Inneren wahrnimmt, erlebt, nicht die Äußerung, die Wirkung einer verborgenen Kraft oder Wesenheit, sondern diese Wesenheit selbst in ihrer ureigensten Gestalt hat. Er darf sich dann sagen, alle anderen Dinge finde ich in einer gewissen Weise fertig vor; und ich, der ich außer ihnen stehe, füge zu ihnen hinzu, was der Geist über sie zu sagen hat. Was ich so aber selbst zu den Dingen in mir hinzu schaffe, darin lebe ich selbst, das bin ich; das ist mein eigenes Wesen. Was aber spricht da auf dem Grunde meines Geistes? Es spricht das Wissen, das ich mir über die Dinge der Welt erworben habe. Aber in diesem Wissen spricht nicht mehr irgendeine Wirkung, eine Äußerung; es spricht etwas, was nichts zurückbehält von dem, was es in sich hat. Es spricht in diesem Wissen die Welt in aller ihrer Unmittelbarkeit. Dieses Wissen habe ich aber von den Dingen und von mir selbst, als einem Dinge unter Dingen, erworben. Aus meinem eigenen Wesen spreche ich selbst, und es sprechen die Dinge. Ich spreche also, in Wahrheit, gar nicht mehr bloß mein Wesen aus; ich spreche das Wesen der Dinge aus. Mein «Ich» ist die Form, das Organ, in dem sich die Dinge über sich selbst aussprechen. Ich habe die Erfahrung gewonnen, daß ich in mir meine eigene Wesenheit erlebe; und diese Erfahrung erweitert sich mir zu der anderen, daß sich in mir und durch mich die All-Wesenheit selbst ausspricht, oder, mit anderen Worten, erkennt. Ich kann mich nun nicht mehr als ein Ding unter Dingen fühlen; ich kann mich nur mehr als eine Form fühlen, in der das All -Wesen sich auslebt. - Es ist daher nur natürlich, daß ein und derselbe Mensch zwei Arten von Erkenntnis hat. Er ist, den sinnlichen Tatsachen nach, ein Ding unter Dingen, und, insofern er ein solches ist, erwirbt er sich ein Wissen von diesen Dingen; er kann aber in jedem Augenblicke die höhere Erfahrung machen, daß er die Form ist, in der sich das All-Wesen anschaut. Dann verwandelt er sich selbst, von einem Ding unter Dingen, zu einer Form des All-Wesens - und mit ihm verwandelt sich das Wissen von den Dingen zum Aussprechen des Wesens der Dinge. Diese Verwandlung kann aber tatsächlich nur durch den Menschen selbst vollzogen werden. Das, was in der höheren Erkenntnis vermittelt wird, ist noch nicht da, solange diese höhere Erkenntnis selbst noch nicht da ist. Erst im Schaffen dieser höheren Erkenntnis wird der Mensch wesenhaft; und erst durch des Menschen höhere Erkenntnis bringen auch die Dinge ihr Wesen zum tatsächlichen Dasein. Wenn also verlangt würde, der Mensch solle durch seine höhere Erkenntnis nichts zu den Sinnendingen hinzufügen, sondern nur aussprechen, was in diesen Dingen draußen schon liegt, so hieße das nichts anderes, als auf alle höhere Erkenntnis verzichten. - Aus der Tatsache, daß der Mensch, seinem sinnlichen Leben nach, ein Ding unter Dingen ist, und daß er zur höheren Erkenntnis nur gelangt, wenn er mit sich als Sinneswesen die Verwandlung zum höheren Wesen selbst vollzieht, folgt, daß er niemals die eine Erkenntnis durch die andere ersetzen kann. Sein geistiges Leben besteht vielmehr in einem fortwährenden Hin- und Herbewegen zwischen beiden Polen der Erkenntnis, zwischen dem Wissen und dem Schauen. Schließt er sich von dem Schauen ab, so verzichtet er auf das Wesen der Dinge; wollte er sich von dem sinnlichen Erkennen abschließen, so entzöge er sich die Dinge, deren Wesen er erkennen will. - Es sind dieselben Dinge, die sich dem niederen Erkennen und dem höheren Schauen offenbaren; nur das eine Mal ihrer äußeren Erscheinung nach; das andere Mal ihrer inneren Wesenheit nach. - Es liegt also nicht an den Dingen, daß sie auf einer gewissen Stufe, nur als äußere Dinge erscheinen; sondern es liegt daran, daß der Mensch sich zu der Stufe erst hinauf verwandeln muß, auf der die Dinge aufhören, äußere zu sein.
[ 7 ] Von diesen Betrachtungen aus erscheinen gewisse Anschauungen, welche die Naturwissenschaft im neunzehnten Jahrhundert ausgebildet hat, erst im rechten Lichte. Die Träger dieser Anschauungen sagen sich: Wir hören, sehen und tasten die Dinge der körperlichen Welt durch die Sinne. Das Auge z. B. vermittelt uns eine Lichterscheinung, eine Farbe. Wir sagen, ein Körper sende rotes Licht aus, wenn wir mit Hilfe unseres Auges die Empfindung «rot» haben. Aber das Auge bringt uns eine solche Empfindung auch in anderen Fällen. Wenn es gestoßen oder gedrückt wird, wenn ein elektrischer Funke durch den Kopf strömt, so hat das Auge eine Lichtempfindung. Es kann somit auch in den Fällen, in denen wir einen Körper in einer bestimmten Farbe leuchtend empfinden, in dem Körper etwas vorgehen, was gar keine Ähnlichkeit mit der Farbe hat. Was auch immer draußen im Raume vorgeht: wenn dieser Vorgang nur geeignet ist, auf das Auge einen Eindruck zu machen, so entsteht in mir eine Lichtempfindung. Was wir also empfinden, entsteht in uns, weil wir so oder so beschaffene Organe haben. Was draußen im Raume vorgeht, das bleibt außer uns ; wir kennen nur die Wirkungen, welche die äußeren Vorgänge in uns hervorbringen. Hermann Helmholtz (1821-1894) hat diesem Gedanken einen klar umrissenen Ausdruck gegeben. «Unsere Empfindungen sind eben Wirkungen, welche durch äußere Ursachen in unseren Organen hervorgebracht werden, und wie eine solche Wirkung sich äußert, hängt natürlich ganz wesentlich von der Art des Apparats ab, auf den gewirkt wird. Insofern die Qualität unserer Empfindung uns von der Eigentümlichkeit der äußeren Einwirkung, durch welche sie erregt ist, eine Nachricht gibt, kann sie als ein Zeichen derselben gelten, aber nicht als ein Abbild. Denn vom Bilde verlangt man irgendeine Art der Gleichheit mit dem abgebildeten Gegenstände, von einer Statue Gleichheit der Form, von einer Zeichnung Gleichheit der perspektivischen Projektion im Gesichtsfelde, von einem Gemälde auch noch Gleichheit der Farben. Ein Zeichen aber braucht gar keine Art der Ähnlichkeit mit dem zu haben, dessen Zeichen es ist. Die Beziehung zwischen beiden beschränkt sich darauf, daß das gleiche Objekt, unter gleichen Umständen zur Einwirkung kommend, das gleiche Zeichen hervorruft, und daß also ungleiche Zeichen immer ungleicher Einwirkung entsprechen ... Wenn Beeren einer gewissen Art beim Reifen zugleich rotes Pigment und Zucker ausbilden, so werden in unserer Empfindung bei Beeren dieser Form rote Farbe und süßer Geschmack sich immer zusammenfinden.» Vgl. Helmholtz, «Die Tatsachen in der Wahrnehmung», S.12 f.) Ich habe diese Vorstellungsart ausführlich charakterisiert in meiner «Philosophie der Freiheit» und in meinen «Rätseln der Philosophie». - Man gehe dem Gedankengange, den diese Anschauung zu dem ihrigen macht, nur einmal Schritt vor Schritt nach. Draußen im Raume wird ein Vorgang vorausgesetzt. Der übt eine Wirkung auf mein Sinnesorgan; mein Nervensystem leitet den gewordenen Eindruck zu meinem Gehirn. Da wird wieder ein Vorgang bewirkt. Ich empfinde nunmehr «rot». Nun wird gesagt: also ist die Empfindung des «Rot» nicht draußen; sie ist in mir. Alle unsere Empfindungen sind nur Zeichen von äußeren Vorgängen, über deren wirkliche Qualität wir nichts wissen. Wir leben und weben in unseren Empfindungen, und wissen nichts von deren Ursprung. Man kann im Sinne dieser Denkweise auch sagen: Hätten wir kein Auge, so wäre keine Farbe; nichts würde dann den uns unbekannten äußeren Vorgang in die Empfindung «rot» umsetzen. Dieser Gedankengang hat für viele etwas Bestrickendes. Er beruht aber doch nur auf einer völligen Verkennung der Tatsachen, über die man sich dabei Gedanken macht. (Wären viele Naturforscher und Philosophen der Gegenwart nicht bis zur Ungeheuerlichkeit durch diesen Gedankengang verblendet, so brauchte man weniger über ihn zu reden. Aber diese Verblendung hat in der Tat das Denken der Gegenwart in vieler Beziehung verdorben.) Da der Mensch ein Ding unter Dingen ist, so müssen die Dinge natürlich auf ihn einen Eindruck machen, wenn er von ihnen etwas erfahren soll. Ein Vorgang außer dem Menschen muß einen Vorgang im Menschen erregen, wenn im Blickfeld die Erscheinung «rot» auftreten soll. Es fragt sich nur, was ist draußen, was ist drinnen? Draußen ist ein in Raum und Zeit ablaufender Vorgang. Drinnen ist aber zweifellos ein ähnlicher Vorgang. Ein solcher ist im Auge und setzt sich ins Gehirn fort, wenn ich «rot» wahrnehme. Der Vorgang, der «drinnen» ist, den kann ich nicht, ohne weiteres, wahrnehmen; ebensowenig, wie ich die Wellenbewegung «draußen» unmittelbar wahrnehmen kann, welche die Physiker der Farbe «rot» entsprechend denken. Aber nur in diesem Sinne kann ich von einem «draußen» und «drinnen» sprechen. Nur auf der Stufe des sinnlichen Erkennens hat der Gegensatz von «draußen» und «drinnen» Geltung. Es führt mich dieses Erkennen dazu, «draußen» einen räumlich-zeitlichen Vorgang anzunehmen, wenn ich diesen auch nicht unmittelbar wahrnehme. Und weiter führt mich das gleiche Erkennen dazu, in mir einen solchen Vorgang anzunehmen, wenn ich auch diesen nicht unmittelbar wahrnehmen kann. Aber ich nehme ja auch im gewöhnlichen Leben räumlich-zeitliche Vorgänge an, die ich nicht unmittelbar wahrnehme. Ich höre z.B. in meinem Nebenzimmer Klavier spielen. Ich nehme deshalb an, daß ein räumliches Menschenwesen am Klavier sitzt und spielt. Und nicht anders ist mein Vorstellen, wenn ich von Vorgängen in mir und außer mir spreche. Ich setze voraus, daß diese Vorgänge analoge Eigenschaften haben, wie die Vorgänge, die in den Bereich meiner Sinne fallen, nur daß sie, wegen gewisser Ursachen, sich meiner unmittelbaren Wahrnehmung entziehen. Wollte ich diesen Vorgängen alle Eigenschaften absprechen, die mir meine Sinne im Bereich des Räumlichen und Zeitlichen zeigen, so dächte ich in Wahrheit so etwas wie das berühmte Messer ohne Griff, dem die Klinge fehlt. Ich kann also nur sagen, «draußen» spielen sich räumlich-zeitliche Vorgänge ab; sie bewirken «drinnen» räumlich-zeitliche Vorgänge. Beide sind notwendig, wenn in meinem Blickfeld «Rot» erscheinen soll. Dieses Rot, insofern es nicht räumlich-zeitlich ist, werde ich vergeblich suchen, gleichgültig, ob ich «draußen» oder «drinnen» suche. Die Naturforscher und Philosophen, die es «draußen» nicht finden können, sollten es auch nicht «drinnen» suchen wollen. Es ist in demselben Sinne nicht «drinnen», in dem es nicht «draußen» ist. Den gesamten Inhalt dessen, was uns die Sinnenwelt darbietet, für eine innere Empfindungswelt erklären, und zu ihr etwas «Äußeres» suchen, ist eine unmögliche Vorstellung. Wir dürfen also nicht davon sprechen, daß «rot», «süß», «heiß» usw. Zeichen seien, die als solche nur in uns erregt werden und denen «außen» etwas ganz: anderes entspricht. Denn, was wirklich in uns als Wirkung eines äußeren Vorganges erregt wird, das ist etwas ganz anderes als was in unserem Empfindungsfeld auftritt. Will man das, was in uns ist, Zeichen nennen, so kann man sagen: Diese Zeichen treten innerhalb unseres Organismus auf, um uns die Wahrnehmungen zu vermitteln, die als solche, in ihrer Unmittelbarkeit, weder innerhalb noch außerhalb unser sind, sondern die vielmehr zu der gemeinschaftlichen Welt gehören, von der meine «Außenwelt» und meine «Innenwelt» nur Teile sind. Um diese gemeinschaftliche Welt erfassen zu können, muß ich mich allerdings zu der höheren Stufe des Erkennens erheben, für die es ein «Innen» und «Außen» nicht mehr gibt. (Ich weiß ganz gut, daß Leute, welche auf das Evangelium pochen, daß «unsere ganze Erfahrungswelt» sich aus Empfindungen von unbekanntem Ursprunge aufbaut, hochmütig auf diese Ausführungen herabsehen werden, wie etwa Herr Dr. Erich Adikes in seiner Schrift: «Kant contra Haeckel» von oben herab sagt: «Vorerst philosophieren Leute wie Haeckel und Tausende seines Schlages noch munter darauf los, ohne sich um Erkenntnistheorie und kritische Selbstbesinnung zu bekümmern.» Solche Herren ahnen eben gar nicht, wie billig ihre Erkenntnistheorien sind. Sie vermuten den Mangel an kritischer Selbstbesinnung nur - bei andern. Es sei ihnen ihre «Weisheit» gegönnt.)
[ 8 ] Nicolaus von Kues hat gerade über den hier in Betracht kommenden Punkt treffende Gedanken. Sein klares Auseinanderhalten von niederem und höherem Erkennen läßt ihn auf der einen Seite zur vollen Einsicht in die Tatsache kommen, daß der Mensch als Sinneswesen in sich nur Vorgänge haben kann, welche als Wirkungen den entsprechenden äußeren Vorgängen unähnlich sein müssen; es bewahrt ihn aber andererseits vor der Verwechslung der inneren Vorgänge mit den Tatsachen, die in unserem Wahrnehmungsfelde auftauchen, und die, in ihrer Unmittelbarkeit, weder draußen, noch drinnen sind, sondern die über diesen Gegensatz erhaben sind. - An der rückhaltslosen Verfolgung des Weges, den ihm diese Einsicht gewiesen hat, wurde Nicolaus «durch das Priestergewand gehemmt». So sehen wir denn, wir er mit dem Vorschreiten vom «Wissen» zum «Nichtwissen» einen schönen Anfang macht. Zugleich aber auch müssen wir bemerken, daß er auf dem Felde des «Nicht-Wissens» doch nichts anderes zeigt als den theologischen Lehrgehalt, den uns auch die Scholastiker darbieten. Allerdings weiß er diesen theologischen Inhalt in geistvoller Form zu entwickeln. Ãœber Vorsehung, Christus, Weltschöpfung, Erlösung des Menschen, über das sittliche Leben stellt er Lehren dar, die durchaus im Sinne des dogmatischen Christentums gehalten sind. Seinem geistigen Ausgange hätte es entsprochen, zu sagen: Ich habe das Vertrauen in die Menschennatur, daß diese, nachdem sie sich in die Wissenschaften über die Dinge nach allen Seiten vertieft hat, aus sich selbst heraus dieses «Wissen» in ein «Nichtwissen» zu verwandeln vermag, daß also die höchste Erkenntnis Befriedigung bringt. Nicht die überlieferten Ideen von Seele, Unsterblichkeit, Erlösung, Gott, Schöpfung, Dreieinigkeit usw. hätte er dann angenommen, wie er es getan hat, sondern die selbstgefundenen hätte er vertreten. - Nicolaus war aber persönlich mit den Vorstellungen des Christentums so durchsetzt, daß er wohl glauben konnte, er erwecke ein eigenes «Nichtwissen»in sich, während er doch nur die überlieferten Anschauungen zum Vorschein brachte, in denen er erzogen war. - Er stand aber auch an einem verhängnisvollen Abgrund im menschlichen Geistesleben. Er war wissenschaftlicher Mensch. Die Wissenschaft entfernt den Menschen ja zunächst von der unschuldigen Eintracht, in der er mit der Welt steht, solange er sich einer rein naiven Lebenshaltung hingibt. Bei einer solchen Lebenshaltung fühlt der Mensch dumpf seinen Zusammenhang mit dem Weltganzen. Er ist ein Wesen wie die anderen, eingegliedert in den Strom der Naturwirkungen. Mit dem Wissen trennt er sich von diesem Ganzen ab. Er erschafft in sich eine geistige Welt. Mit dieser steht er einsam der Natur gegenüber. Er ist reicher geworden; aber der Reichtum ist eine Last, die er schwer trägt. Denn sie lastet zunächst auf ihm allein. Er muß, aus eigener Kraft, den Weg zurückfinden zur Natur. Er muß erkennen, daß er selbst seinen Reichtum nunmehr eingliedern muß in den Strom der Weltwirkungen, wie früher die Natur selbst seine Armut eingegliedert hat. Hier lauern alle schlimmen Dämonen auf den Menschen. Seine Kraft kann leicht erlahmen. Statt die Eingliederung selbst zu vollziehen, wird er bei solchem Erlahmen seine Zuflucht zu einer von außen kommenden Offenbarung nehmen, die ihn aus seiner Einsamkeit wieder erlöst, die das Wissen, das er als Last empfindet, wieder zurückführt in den Urschoß des Daseins, in die Gottheit. Er wird, wie Nicolaus von Kues, glauben, seinen eigenen Weg zu gehen; und er wird doch in Wirklichkeit nur den finden, den ihm seine geistige Entwicklung gezeigt hat. Es gibt nun drei Wege - im wesentlichen -, die man gehen kann, wenn man da ankommt, wo Nicolaus angekommen war: Der eine ist der positive Glaube, der von außen auf uns eindringt; der zweite ist die Verzweiflung; man steht einsam mit seiner Last und fühlt das ganze Dasein mit sich wanken; der dritte Weg ist die Entwicklung der tiefsten, eigenen Kräfte des Menschen. Vertrauen in die Welt muß der eine Führer auf diesem dritten Wege sein. Mut, diesem Vertrauen zu folgen, gleichviel, wohin es führt, muß der andere sein. 1Hier ist andeutungsweise in wenigen Worten auf den Weg zur Geist-Erkenntnis gewiesen, den ich in meinen späteren Schriften, besonders in »Wie erlang man Erkenntnisse der höheren Welten?», «Die Geheimwissenschaft im Umriß», «Von Seelenrätseln» gekennzeichnet habe.
III Cardinal Nicolaus of Cusa
[ 1 ] A glorious shining star in the sky of medieval intellectual life is Nicolaus Chrypffs from Kues (near Trier 1401-1464). He was at the height of knowledge of his time. He achieved outstanding results in mathematics. In natural science, he can be described as a forerunner of Copernicus, because he took the view that the earth is a moving celestial body like others. He had already broken with a view that the great astronomer Tycho de Brahe still relied on a hundred years later when he hurled the following sentence against Copernicus' doctrine: "The earth is a coarse, heavy mass that is awkward to move; how can Copernicus make a star out of it and guide it around in the skies?" Nicolaus of Cusa, who not only embraced the knowledge of his time but also advanced it, also had the great ability to awaken this knowledge to inner life, so that it not only enlightens man about the outer world but also imparts to him that spiritual life for which he must long from the deepest reasons of his soul. If we compare Nicolaus with spirits such as Eckhart or Tauler, we arrive at a significant result. Nicolaus is the scientific thinker who wants to raise himself from research into the things of the world to the level of a higher view; Eckhart and Tauler are the devout confessors who seek the higher life out of the content of faith. Finally, Nicolaus arrives at the same inner life as the master Eckhart; but that of the former has a rich knowledge as its content. The full significance of this difference becomes clear when one considers that for those who study the various sciences there is a danger of misjudging the scope of the kind of knowledge that enlightens the individual fields of knowledge. Such a person can easily be deceived into believing that there is only one kind of knowledge. He will then either underestimate or overestimate this knowledge, which leads to the goal in matters of the individual sciences. In the one case he will also approach the objects of the highest spiritual life as he would a physical task, and treat them with concepts with which he treats gravity or electricity. The world becomes to him, depending on whether he believes himself more or less enlightened, a blindly working machine, or an organism, or the purposeful construction of a personal God; perhaps also an entity that is governed and permeated by some more or less clearly imagined "world soul". In the other case he realizes that the knowledge of which alone he has an experience is only suitable for the things of the sense world; then he becomes a doubter who says to himself: We can know nothing about the things that lie beyond the sense world. Our knowledge has a limit. For the needs of the higher life, we can only throw ourselves into the arms of a faith untouched by knowledge. For a learned theologian like Nicolaus von Kues, who was also a natural scientist, the second danger was particularly obvious. According to his scholarly upbringing, he emerged from scholasticism, the mode of thought which was the dominant mode of scientific life in the Church of the Middle Ages and which had been brought to its highest flowering by Thomas Aquinas (1225 to 1274), the "prince of the scholastics". This way of thinking must be taken as the background if one wants to paint the personality of Nicolaus of Cusa.
[ 2 ] Scholasticism is to the highest degree a result of human ingenuity. The logical faculty celebrated its greatest triumphs. Anyone who strives to work out concepts in the sharpest, purest contours should be apprenticed to the scholastics. They offer the high school for the technique of thought. They have an incomparable skill in moving in the field of pure thought. What they were able to achieve in this field is easily underestimated. For in most areas of knowledge it is difficult for people to access. Most people only reach it clearly in the field of counting and arithmetic, and when thinking about the relationship between geometric shapes. We can count by adding a unit to a number in our thoughts without resorting to sensory concepts. We also calculate without such ideas, only in the pure elements of thought. In the case of geometrical formations we know that they do not correspond perfectly with any sensory conception. There is no (ideal) circle in the reality of the senses. Nevertheless, our thinking is concerned with it. For things and processes that are more complicated than numerical and spatial formations, it is more difficult to find their ideal counterparts. This has led to some people claiming that there is only as much real science in the individual fields of knowledge as can be measured and counted in them. This is as incorrect as a one-sided statement is incorrect; but it bribes many, as often only one-sidedness succeeds. The truth of the matter is that most people are unable to grasp the purely intellectual even where it is no longer a question of what can be measured or counted. But he who is not able to do so in the higher spheres of life and knowledge is in this respect like a child who has not yet learned to count other than by adding pea to pea. The thinker who has said that there is as much real science in a field of knowledge as there is mathematics in it has not grasped the full truth of the matter. One must demand that everything else that cannot be measured and counted should be treated just as idealistically as the numerical and spatial formations. And the scholastics met this demand in the most perfect way. They sought everywhere the thought content of things, as the mathematician seeks it in the field of the measurable and countable.
[ 3 ] Despite this consummate logical art, the scholastics only arrived at a one-sided and subordinate concept of cognition. This is that in cognizing, man creates an image in himself of what he is supposed to recognize. It is readily apparent that with such a concept of cognition all reality must be set aside from cognition. For in cognition one cannot then grasp a thing itself, but only an image of this thing. Nor can man grasp himself in his self-knowledge, but what he recognizes of himself is also only an image of himself. Entirely in the spirit of scholasticism, a precise connoisseur of the same (K. Werner in his book "Franz Suarez und die Scholastik der letzten Jahrhunderte", 2nd vol., p.122) says: "Man has in time no view of his ego, the hidden ground of his spiritual being and life; ... he will ... ... he will never come to look at himself; for either, alienated from God forever, he will find in himself only a bottomless dark abyss, an endless emptiness, or, blessed in God, turning his gaze inwards, he will find only God, whose sun of grace shines in him, whose image is formed in the spiritual features of his being." Anyone who thinks this way about all cognition only has a concept of the cognition that is applicable to external things. The sensual aspect of a thing always remains external to us. That is why we can only include images of what is sensual in the world in our cognition. When we perceive a color or a stone, we cannot become the color or the stone itself in order to recognize the essence of the color or the stone. Nor can the color or the stone transform into a part of our own being! The question is, however, whether the concept of such a cognition directed towards the exterior of things is an exhaustive one? - For scholasticism, however, essentially all human cognition coincides with this cognition. Another excellent expert on scholasticism (Otto Willmann, in his "Geschichte des Idealismus", 2nd vol. 2nd ed, S. 396) characterizes the concept of knowledge relevant to this school of thought in the following way: "Our spirit, associated with the body in earthly life, is primarily attuned to the surrounding physical world, but directed towards the spiritual in it: the essences, natures, forms of things, which elements of existence are related to it and offer it the rungs to ascend to the super-sensible; the field of our cognition is therefore the field of experience, but we are to learn to understand what it offers, to penetrate to its sense and thought, and thus open up the world of thought to ourselves. " The scholastics could not arrive at any other concept of knowledge. The dogmatic doctrinal content of his theology prevented him from doing so. If he had fixed the gaze of his spiritual eye on what he regarded as a mere image, then he would have seen that in this supposed image the spiritual content of things themselves is revealed; then he would have found that within himself God is not merely image, but that he lives in it, is essentially present. Looking into his inner being, he would not have seen a dark abyss, an endless emptiness, but also not merely an image of God; rather he would have felt that a life pulsates within him, which is the divine life itself; and that his own life is precisely God's life. The scholastic was not allowed to admit this. In his opinion, God was not allowed to enter into him and speak out of him; he was only allowed to be in him as an image. In reality, the deity had to be presupposed apart from the self. It could therefore not reveal itself internally through spiritual life, but had to reveal itself externally through supernatural communications. What is being striven for here is achieved in the least. The aim is to achieve the highest possible concept of the deity. In reality the Deity is degraded to a thing among other things; only that these other things reveal themselves to man naturally, through experience; while the Deity is to reveal itself to him supernaturally. But there is a difference between the knowledge of the divine and the creaturely in that with the creaturely the external thing is given in experience, that one has a knowledge of it. With the divine, the object is not given in experience; it can only be attained in faith. The highest things are therefore not objects of knowledge for the scholastics, but only of faith. However, according to the scholastic view, the relationship of knowledge to faith cannot be imagined in such a way that in a certain area only knowledge prevails, in another only faith. For the "knowledge of the existing is possible for us because it itself comes from a creative cognition; things are for the spirit because they are from the spirit; they have something to say to us because they have a meaning which a higher intelligence has placed in them". (O. Willmann, "Geschichte des Idealismus", 2nd vol., p. 383.) Because God created the world according to thoughts, if we grasp the thoughts of the world, we can also grasp the traces of the divine in the world through scientific reflection. But we can only grasp what God is according to his nature through the revelation he has given us in a supernatural way, and in which we must believe. What we are to think of the highest things is not decided by human science, but by faith; and "faith includes everything contained in the writings of the new and old covenants and in the divine traditions". (Joseph Kleutgen, "Die Theologie der Vorzeit", 1st vol., p. 39) - It cannot be a task here to describe and justify in detail the relationship of the content of faith to the content of knowledge. In truth, all content of faith originates from an inner human experience made at some point. It is then preserved according to its external content, without the awareness of how it was acquired. It is claimed to have come into the world through supernatural revelation. The content of the Christian faith was simply accepted by the scholastics as tradition. Science, inner experience, was not allowed to assume any rights over it. Just as science could not create a tree, so scholasticism was not allowed to create a concept of God; it had to accept the revealed as finished, just as natural science accepts the tree as finished. The scholastic could never admit that the spiritual itself lights up and lives within. He therefore limited the legal force of science where the field of external experience ends. Human knowledge was not allowed to generate a concept of the higher beings out of itself. It wanted to accept a revealed one. The scholastics could not admit that they were only accepting a concept that had in truth been generated at an earlier stage of human spiritual life and declaring it to be revealed. - Therefore, in the course of its development, all ideas that still pointed to the way in which man naturally generated the concepts of the divine had disappeared from scholasticism. In the first centuries of the development of Christianity, at the time of the Church Fathers, we see the doctrinal content of theology emerging bit by bit through the absorption of inner experiences. In Johannes Scotus Erigena, who stood at the height of Christian theological education in the ninth century, we still find this doctrinal content treated entirely as an inner experience. With the scholastics of the following centuries, this character of an inner experience is completely lost; the old doctrinal content is reinterpreted as the content of an external, supernatural revelation. - The activity of the mystical theologians Eckhart, Tauler, Suso and their comrades can therefore also be understood in such a way that one can say: they were inspired by the doctrinal content of the Church, which was contained in theology but reinterpreted, to give birth to a similar content as an inner experience from within themselves anew.
[ 4 ] Nicolaus of Cusa sets out on the path of ascending from the knowledge acquired in the individual sciences to inner experiences themselves. There is no doubt that the excellent logical technique which the Scholastics had developed, and for which Nicolaus was educated, offers an excellent means of arriving at inner experiences, even if the Scholastics themselves were held back from this path by positive faith. Nicolaus can only be fully understood, however, if one considers that his profession as a priest, which elevated him to the dignity of cardinal, did not allow him to make a complete break with the faith of the Church, which found its contemporary expression in scholastic theology. We find him on a path so far that every step further would have led him out of the Church. We therefore understand the cardinal best if we also take the step he no longer took; and then, looking backwards, illuminate what he wanted.
[ 5 ] The most significant concept of Nicolaus' intellectual life is that of "learned ignorance". He understands this to mean a cognition that represents a higher level than ordinary knowledge. Knowledge in the subordinate sense is grasping an object through the mind. The most important characteristic of knowledge is that it provides enlightenment about something outside the mind, i.e. that it looks at something that it is not itself. In knowledge, the spirit is thus concerned with things outside of its own conceptualization. But what the spirit forms in itself about things is the being of things. Things are spirit. Man initially sees the spirit only through the sensual shell. What remains outside the spirit is only this sensual shell; the essence of things enters into the spirit. If the spirit then looks at this being, which is the substance of its substance, then it can no longer speak of knowledge, for it does not look at a thing that is outside itself; it looks at a thing that is a part of itself; it looks at itself. He does not know more; he only looks at himself. He is not dealing with a "knowledge", but with a "not-knowing". He no longer comprehends something through the spirit; he "looks at his own life without understanding". This highest level of cognition is "not-knowing" in relation to the lower levels. - However, it is obvious that the being of things can only be conveyed through this level of cognition. Nicolaus of Cusa's "learned not-knowing" therefore refers to nothing other than knowledge reborn as an inner experience. He himself explains how he arrived at this inner experience. "I made many attempts to unite my thoughts about God and the world, Christ and the Church in one basic idea, but none of them satisfied me, until finally, on my return from Greece to the sea, the view of my mind rose as if by an enlightenment from above to the vision in which God appeared to me as the highest unity of all opposites." To a greater or lesser extent, this enlightenment was influenced by the studies of his predecessors. One recognizes in his way of thinking a peculiar renewal of the views that we encounter in the writings of a certain Dionysius. The aforementioned Scotus Erigena translated these writings into Latin. He calls the author "the great and divine revelator". The writings in question are first mentioned in the first half of the sixth century. They were attributed to the Areopagite Dionysius mentioned in the Acts of the Apostles, who was converted to Christianity by Paul. It remains to be seen when these writings were actually written. Their content had a strong effect on Nicolaus, as it had already had on Johannes Scotus Erigena, and as it must also have been stimulating in many ways for the way of thinking of Eckhart and his comrades. The "learned ignorance" is prefigured in a certain way in these writings. Only the basic feature of the conception of these writings is recorded here. Man first recognizes the things of the sensory world. He thinks about their being and working. The origin of all things must lie higher than these things themselves. Therefore, man cannot want to grasp this primordial ground with the same concepts and ideas as the things themselves. If, therefore, he says that the primordial cause (God) has qualities which he has come to know in the lower things, then such qualities can be mere auxiliary ideas of the weak spirit, which looks down on the primordial cause in order to be able to imagine it. In truth, therefore, no attribute which lower things possess may be claimed of God. It cannot even be said that God is. For "being" is also an idea that man has formed from the lower things. God, however, is exalted above "being" and "non-being". The God to whom we ascribe attributes is therefore not the true one. We arrive at the true God when we think of a God with such attributes as an "overgod". We cannot know anything about this "overgod" in the ordinary sense. In order to reach him, "knowledge" must lead to "non-knowledge". - One can see that such a view is based on the awareness that man can develop a higher cognition from what his sciences have provided him with - in a purely natural way - which is no longer mere knowledge. The scholastic view declared knowledge powerless to such a development and, at the point where knowledge should cease, allowed faith, which is based on external revelation, to come to the aid of knowledge. - Nicolaus of Cusa was thus on the way to developing that out of knowledge again, of which the scholastics had declared that it was unattainable for knowledge.
[ 6 ] From Nicolaus of Cusa's point of view, we cannot therefore say that there is only one way of knowing. Rather, cognition is clearly divided into that which conveys knowledge of external things and that which is the object itself from which one acquires knowledge. The former kind of cognition prevails in the sciences that we acquire about the things and processes of the sensory world; the latter is within us when we live in what we have acquired. The second kind of cognition develops from the first. Now, however, it is the same world to which both kinds of cognition refer; and it is the same human being who is active in both. The question must arise, whence is it that one and the same man develops two kinds of knowledge of one and the same world? - The direction in which the answer to this question is to be sought has already been indicated by Tauler (cf. p. 25). Here in Nicolaus of Cusa this answer can be formed even more decisively. Man first lives as a single (individual) being among other single beings. In addition to the effects that the other beings exert on each other, he also has (lower) cognition. He receives impressions of the other beings through his senses and processes these impressions with his spiritual powers. He diverts his spiritual gaze from external things and looks at himself, at his own activity. Self-knowledge emerges from this. As long as he remains at this stage of self-knowledge, he does not yet look at himself in the true sense of the word. He can still believe that some hidden entity is active in him, whose manifestations and effects are only what appear to him as his activity. Now, however, the point can come when man realizes through an irrefutable inner experience that what he perceives and experiences in his inner being is not the manifestation, the effect of a hidden power or entity, but this entity itself in its very own form. He may then say to himself, I find all other things finished in a certain way; and I, who stand apart from them, add to them what the spirit has to say about them. But what I myself thus add to the things within me, I myself live in, that is me; that is my own being. But what is it that speaks at the bottom of my spirit? It is the knowledge that I have acquired about the things of the world. But in this knowledge no longer speaks some effect, an expression; it speaks something that retains nothing of what it has in itself. In this knowledge, the world speaks in all its immediacy. But I have acquired this knowledge from things and from myself, as a thing among things. I myself speak from my own being, and things speak. So, in truth, I no longer merely express my essence; I express the essence of things. My "I" is the form, the organ in which things speak about themselves. I have gained the experience that I experience my own essence in myself; and this experience expands for me into the other experience that in me and through me the All-Being expresses itself, or, in other words, recognizes itself. I can no longer feel myself as a thing among things; I can only feel myself as a form in which the All-Being lives itself out. - It is therefore only natural that one and the same person should have two kinds of cognition. He is, according to sensory facts, a thing among things, and, in so far as he is such, he acquires a knowledge of these things; but he can at any moment have the higher experience that he is the form in which the All-Being beholds itself. Then he transforms himself, from a thing among things, into a form of the All-Being - and with him the knowledge of things is transformed into the expression of the essence of things. However, this transformation can actually only be accomplished by man himself. That which is conveyed in the higher knowledge is not yet there as long as this higher knowledge itself is not yet there. Only in the creation of this higher knowledge does man become essential; and only through man's higher knowledge do things also bring their essence to actual existence. If, therefore, it were demanded that man should add nothing to the sense things through his higher knowledge, but only express what already lies outside in these things, this would mean nothing other than renouncing all higher knowledge. - From the fact that man, according to his sensuous life, is a thing among things, and that he only attains to higher knowledge when he himself, as a sensuous being, accomplishes the transformation into a higher being, it follows that he can never replace the one knowledge with the other. Rather, his spiritual life consists in a continual moving back and forth between the two poles of knowledge, between knowing and seeing. If he closes himself off from seeing, he renounces the essence of things; if he wanted to close himself off from sensory cognition, he would deprive himself of the things whose essence he wants to recognize. - It is the same things that reveal themselves to the lower cognition and the higher vision; only one time according to their outer appearance; the other time according to their inner essence. - So it is not because of the things that they appear at a certain level, only as external things; but it is because man must first transform himself to the level at which the things cease to be external.
[ 7 ] On the basis of these considerations, certain views which natural science developed in the nineteenth century first appear in the right light. The bearers of these views say: We hear, see and feel the things of the physical world through the senses. The eye, for example, conveys to us an appearance of light, a color. We say that a body emits red light when we have the sensation of "red" with the help of our eyes. But the eye also gives us such a sensation in other cases. When it is pushed or pressed, when an electric spark flows through the head, the eye has a sensation of light. Thus, even in cases where we perceive a body as glowing in a certain color, something can be going on in the body that bears no resemblance to the color. Whatever is going on outside in space: if this process is only capable of making an impression on the eye, then a sensation of light arises in me. So what we feel arises within us because we have organs of one kind or another. What happens outside in space remains outside us; we only know the effects that the external processes produce in us. Hermann Helmholtz (1821-1894) gave this idea a clear expression. "Our sensations are precisely effects which are produced in our organs by external causes, and how such an effect manifests itself naturally depends quite essentially on the nature of the apparatus which is acted upon. In so far as the quality of our sensation informs us of the peculiarity of the external influence by which it is excited, it can be regarded as a sign of it, but not as an image. For from a picture we require some kind of likeness to the object represented, from a statue likeness of form, from a drawing likeness of perspective projection in the field of vision, from a painting also likeness of color. A sign, however, does not need to have any kind of similarity with the sign of which it is a sign. The relation between the two is limited to the fact that the same object, coming into action under the same circumstances, produces the same sign, and that therefore dissimilar signs always correspond to dissimilar action ... If berries of a certain kind form red pigment and sugar at the same time when ripening, then red color and sweet taste will always come together in our perception of berries of this form." Cf. Helmholtz, "Die Tatsachen in der Wahrnehmung", p.12 f.) I have characterized this type of conception in detail in my "Philosophy of Freedom" and in my "Riddles of Philosophy". - Just follow the train of thought that this view makes its own, step by step. Outside in space a process is presupposed. It exerts an effect on my sense organ; my nervous system conducts the impression to my brain. There again a process is brought about. I now perceive "red". Now it is said: therefore the sensation of "red" is not outside; it is inside me. All our sensations are only signs of external processes whose real quality we know nothing about. We live and weave in our sensations and know nothing of their origin. In the sense of this way of thinking, one could also say: If we had no eye, there would be no color; nothing would then convert the external process unknown to us into the sensation of "red". This train of thought is somewhat beguiling for many people. However, it is only based on a complete misunderstanding of the facts that are being considered. (If many contemporary natural scientists and philosophers were not blinded to the point of monstrosity by this train of thought, there would be less need to talk about it. But this blindness has indeed corrupted contemporary thinking in many respects). Since man is a thing among things, things must naturally make an impression on him if he is to learn anything from them. A process outside man must excite a process in man if the appearance "red" is to appear in the field of vision. The only question is, what is outside and what is inside? Outside is a process taking place in space and time. Inside, however, is undoubtedly a similar process. Such a process is in the eye and continues into the brain when I perceive "red". I cannot perceive the process that is "inside" without further ado; just as little as I can directly perceive the wave movement "outside", which physicists think corresponds to the color "red". But only in this sense can I speak of an "outside" and an "inside". Only at the level of sensory cognition is the contrast between "outside" and "inside" valid. This cognition leads me to assume that "outside" is a spatio-temporal process, even if I do not perceive it immediately. And furthermore, the same cognition leads me to assume such a process within me, even if I cannot perceive it directly. But I also assume spatio-temporal processes in ordinary life that I do not perceive directly. For example, I hear a piano playing in the room next door. I therefore assume that a spatial human being is sitting at the piano and playing. And my imagination is no different when I speak of processes inside me and outside me. I presuppose that these processes have analogous properties to the processes that fall within the realm of my senses, except that, because of certain causes, they elude my direct perception. If I wanted to deny these processes all the properties that my senses show me in the realm of the spatial and temporal, I would in truth be thinking something like the famous knife without a handle, which lacks a blade. So I can only say that "outside" spatial-temporal processes take place; "inside" they cause spatial-temporal processes. Both are necessary if "red" is to appear in my field of vision. I will search in vain for this red, insofar as it is not spatio-temporal, regardless of whether I search "outside" or "inside". The natural scientists and philosophers who cannot find it "outside" should not want to look for it "inside" either. It is not "inside" in the same sense that it is not "outside". To declare the entire content of what the sense world presents to us to be an inner world of sensations and to seek something "external" to it is an impossible idea. We must therefore not speak of "red", "sweet", "hot", etc. signs which as such are only aroused in us and to which "outside" something quite: different corresponds. For what is really aroused in us as the effect of an external process is something quite different from what occurs in our sensory field. If we want to call what is within us signs, we can say: these signs occur within our organism in order to convey to us the perceptions which as such, in their immediacy, are neither within nor outside us, but rather belong to the common world of which my "outer world" and my "inner world" are only parts. In order to be able to grasp this common world, however, I must rise to the higher level of cognition, for which there is no longer an "inside" and "outside". (I know quite well that people who insist on the gospel that "our whole world of experience" is built up from sensations of unknown origin will look down on these explanations with arrogance, as Dr. Erich Adikes, for example, says from on high in his essay "Kant contra Haeckel": "For the time being, people like Haeckel and thousands of his ilk are still blithely philosophizing away without bothering about epistemology and critical self-reflection." Such gentlemen have no idea how cheap their epistemologies are. They only suspect the lack of critical introspection - in others. Let them have their "wisdom".)
[ 8 ] Nicolaus von Kues has some apt thoughts on the point under consideration here. His clear distinction between lower and higher cognition allows him on the one hand to fully realize that man as a sensory being can only have processes within himself which as effects must be dissimilar to the corresponding external processes; on the other hand, it prevents him from confusing the inner processes with the facts that appear in our field of perception and which, in their immediacy, are neither outside nor inside, but which are above this contrast. - Nicolaus was "hindered by his priestly garb" in his unrestrained pursuit of the path that this insight showed him. So we see that he makes a good start by advancing from "knowing" to "not knowing". At the same time, however, we must also note that in the field of "not-knowing" he shows nothing other than the theological doctrinal content that the scholastics also present to us. However, he knows how to develop this theological content in a spiritual form. On providence, Christ, the creation of the world, the redemption of man and the moral life, he presents teachings that are entirely in the spirit of dogmatic Christianity. It would have been in keeping with his spiritual outlook to say: I have confidence in human nature that, after it has immersed itself in the sciences of things in all directions, it is capable of transforming this "knowledge" into "ignorance" of its own accord, that is, that the highest knowledge brings satisfaction. He would then not have accepted the traditional ideas of the soul, immortality, salvation, God, creation, the Trinity, etc., as he did, but would have advocated those he had found himself. - Nicolaus, however, was so personally imbued with the ideas of Christianity that he could well believe that he was awakening his own "ignorance" within himself, while in fact he was only bringing to light the traditional views in which he had been educated. - But he also stood at a fatal abyss in human spiritual life. He was a scientific man. Science initially distances man from the innocent harmony in which he stands with the world as long as he devotes himself to a purely naïve attitude to life. With such an attitude to life, man dully feels his connection with the world as a whole. He is a being like the others, integrated into the stream of natural effects. With knowledge, he separates himself from this whole. He creates a spiritual world within himself. With this he stands alone in the face of nature. He has become richer; but this wealth is a burden that he carries heavily. For at first it weighs on him alone. He must, by his own efforts, find his way back to nature. He must recognize that he himself must now integrate his wealth into the stream of the world's effects, just as nature itself previously integrated his poverty. This is where all the bad demons lurk for man. His strength can easily flag. Instead of carrying out the integration himself, he will take refuge in a revelation coming from outside, which redeems him from his loneliness, which leads the knowledge, which he feels as a burden, back into the primordial womb of existence, into the Godhead. Like Nicolaus of Cusa, he will believe that he is going his own way; and yet, in reality, he will only find the way that his spiritual development has shown him. There are now three paths - essentially - that one can take when one arrives where Nicolaus arrived: one is positive faith, which penetrates us from outside; the second is despair; one stands alone with one's burden and feels the whole of existence tottering with it; the third path is the development of man's deepest, own powers. Confidence in the world must be the one guide on this third path. Courage to follow this trust, no matter where it leads, must be the other. 1Here is indicated in a few words the path to the knowledge of the spirit, which I have characterized in my later writings, especially in "How does one attain knowledge of the higher worlds?", "The Secret Science in Outline", "Of Soul Puzzles".