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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Essays on Anthroposophy from the Journals “Lucifer” and “Lucifer-Gnosis” 1903-1908
GA 34

Automated Translation

61. Otto Pfleiderer: “The Development of Christianity”

A work entitled The Origin of Christianity, by the Berlin university professor D. Otto Pfleiderer, is causing quite a stir in a wide variety of circles (Munich, J. F. Lehmanns Verlag, 1905). Pfleiderer wants to strip the origin of Christianity of the miracle that “the second person of the Godhead descended from heaven to earth, became human in the womb of a Jewish virgin, resurrected bodily after dying on the cross, and ascended to heaven”. He believes that in doing so he is making Christianity accessible to historical explanation. “For to understand an historical phenomenon is to understand it in terms of its causal connection with the conditions of human life at a particular place and time. The entry of a superhuman being into the earthly world would be an absolute new beginning, which would have no causal connection with what had gone before, and thus could not be understood in terms of any analogy to other human experience; in short, it would defy all historical explanation.” It must be said that we can never apply the standard of what we understand at a particular point in time to everything in the world and describe as “superhuman” and “causeless” what cannot be measured by that standard. On the contrary, we must ourselves extend our standard in the face of certain phenomena. It is indeed comprehensible that someone should say: This I understand, therefore I hold it to be real; another I do not understand, therefore it is unreal to me. But this is no different from someone who understands nothing of the power of electricity and considers the telephone impossible. What Pfleiderer retains of Christianity after deducting what he considers “supernatural” is a mere rationalistic construct; within such a construct one can no longer speak of a “divinity of Christ”. But the task is precisely to understand what divinity is, what secrets are hidden behind the “virgin birth”, “resurrection” and so on.

This is where the theosophical point of view comes in; and all those who do not want to go along with it fall back on rationalizing Christianity, which is the same as de-Christianizing it. For those who penetrate into the deep secrets of Christian truths, “Pfleiderer's Christianity” is no longer Christianity, but a completely arbitrary construct created by modern thinking. And from this point of view, the explanation of the origin of this religion from the myths and mysteries of the preceding period becomes quite worthless. For only when one penetrates into the true life of the Adonis resurrection celebration, the initiation of the priests of the great mystery cult, and so on, and does not rationalistically reduce them to mere fantastic cultic actions, only then does one you penetrate into the prophetic significance of these ancient forerunners of Christianity and recognize how they have found their fulfillment in the great mystery of the crucified and risen Son of God. — Pfleiderer says: “Therefore, we would do well to become more and more familiar with the idea that the real object of our pious belief is not the past, but the eternal! 'What has never happened anywhere will never become obsolete.'” But this ‘eternal’ is interpreted by each according to his understanding. There is nothing to be said against this; and if someone wants to establish as religious content what ‘has never happened anywhere’, that is everyone's business. But Christianity can never be based on what never was, but on the “living Christ,” who worked in Palestine 1900 years ago and is proclaimed by the Gospels. Those who want to base it on something else can just as well call white black.

Of course, none of this is directed against Pfleiderer personally, who has done what he believes to be right in a perfectly scholarly manner, according to the precepts of his science. But it should be pointed out where this science must lead. And how a renewal of spiritual science in the theosophical sense is necessary. I know that it must seem an outrage when it is said that the official representative of theological-Christian science at a university teaches something unchristian. But the confusion is great today, and not to call such things by their right name would mean a breach of duty at the present time. In Pfleiderer's circles, however, a theosophical attempt to fathom Christian truths is considered complete dilettantism. It cannot be otherwise. Because all the preconditions are lacking to understand such an attempt. The theosophist understands Pfleiderer; but Pfleiderer will not want to understand the theosophist.

61. Otto Pfleiderer: «Die Entstehung des Christentums»

Gegenwärtig macht ein Werk «Die Entstehung des Christenzums» von dem Berliner Universitätsprofessor D. Otto Pfleiderer in den verschiedensten Kreisen sehr viel Aufsehen (München, J. F. Lehmanns Verlag, 1905). — Pfleiderer will die Entstehung des Christentums des Wunders entkleiden, daß «die zweite Person der Gottheit vom Himmel auf die Erde herabgestiegen, im Leibe einer jüdischen Jungfrau Mensch geworden, nach dem Tod am Kreuze wieder leibhaftig auferstanden und zum Himmel gefahren» sei. Er glaubt dadurch das Christentum einer geschichtlichen Erklärung zugänglich zu machen. «Denn eine Erscheinung geschichtlich verstehen heißt: sie aus ihrem ursächlichen Zusammenhang mit den Zuständen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit des menschlichen Lebens begreifen. Der Hereintritt eines übermenschlichen Wesens in die Erdenwelt wäre ein absoluter Neuanfang, der in gar keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Vorangehenden stände, also auch nach keiner Analogie der sonstigen menschlichen Erfahrung sich begreifen ließe, kurz aller geschichtlichen Erklärung sich entzöge.» — Dazu muß gesagt werden, daß wir niemals den Maßstab dessen, was wir zu einem bestimmten Zeitpunkte begreifen, an alles in der Welt legen und das als «übermenschlich» und «ursachlos» bezeichnen dürfen, was für diesen Maßstab nicht meßbar ist. Wir müssen vielmehr gewissen Erscheinungen gegenüber unseren Maßstab selbst erweitern. Es ist ja zu begreifen, daß jemand sagt: Dies verstehe ich, deshalb halte ich es für wirklich, ein anderes verstehe ich nicht, deshalb ist es für mich unwirklich. Das ist aber doch kein anderes Vorgehen, als wenn jemand, der nichts von Elektrizitätskraft versteht, das Telephon für unmöglich hält. Das, was Pfleiderer, nach Abzug dessen, was ihm «übernatürlich» dünkt, noch vom Christentum zurückbehält, ist ein bloß rationalistisches Gebilde; innerhalb eines solchen kann man dann nicht mehr von einer «Göttlichkeit Christi» reden. Die Aufgabe ist aber gerade, zu verstehen, was Göttlichkeit ist, welche Geheimnisse sich verbergen hinter der «jungfräulichen Geburt», «Auferstehung» und so weiter.

Hier setzt der theosophische Gesichtspunkt ein; und alle diejenigen, welche ihn nicht mitmachen wollen, verfallen in die Rationalisierung des Christentums, was einer Entchristlichung desselben vollkommen gleichkommt. Für denjenigen, der in die tiefen Geheimnisse der christlichen Wahrheiten eindringt, ist das «Christentum Pfleiderers» kein Christentum mehr, sondern ein durch das moderne Denken geschaffenes, ganz willkürliches Gebilde. Und gerade unter diesem Gesichtspunkte wird die Erklärung der Entstehung dieser Religion aus den Mythen und Mysterien der vorhergehenden Zeit heraus ganz wertlos. Denn nur dann, wenn man in das wahre Leben der Adonisauferstehungsfeier, der Mythrasweihe und so weiter eindringt, und sie nicht in rationalistischer Art in bloße phantastische Kulthandlungen verflüchtigt, dann dringt man in die prophetische Vorbedeutung dieser alten Vorläufer des Christentums ein und erkennt, wie sie in dem großen Mysterium von dem gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn ihre Erfüllung gefunden haben. — Pfleiderer sagt: «Daher werden wir gut daran tun, uns mit dem Gedanken immer mehr vertraut zu machen, daß der eigentliche Gegenstand unseres frommen Glaubens nicht das Vergangene, sondern das Ewige ist! ‹Was sich nie und nirgends hat begeben, das allein veraltet nie.›»— Aber dieses «Ewige» faßt eben jeder nach seinem Verständnisse auf. Dagegen ist nichts zu sagen; und wenn jemand als Religionsinhalt begründen will, was «sich nie und nirgends hat begeben», so steht das jedem frei. Aber das Christentum kann sich nie und nimmer auf das gründen, was niemals gewesen ist, sondern auf den «lebendigen Christus», der vor 1900 Jahren in Palästina gewirkt hat und durch die Evangelien verkündet wird. Wer es auf etwas anderes begründen will, der kann ebensogut Weiß Schwarz nennen.

Das alles sind natürlich nicht Ausfälle gegen die Persönlichkeit Pfleiderers, der nach dem Rezept seiner Wissenschaft in vollkommen gelehrter Art getan hat, was er für das Richtige halten muß. Aber es soll darauf hingewiesen werden, wohin diese Wissenschaft führen muß. Und wie eine Erneuerung der Geisteswissenschaft im theosophischen Sinne notwendig ist. Ich weiß, daß es als eine Ungeheuerlichkeit erscheinen muß, wenn gesagt wird, der offizielle Vertreter theologisch-christlicher Wissenschaft an einer Universität lehre etwas Unchristliches. Aber die Verwirrung ist heute groß, und derlei Dinge nicht beim rechten Wort nennen hieße gegenwärtig Pflichtverletzung. Allerdings hält man in den Kreisen Pfleiderers einen theosophischen Versuch, die christlichen Wahrheiten zu ergründen, für vollkommensten Dilettantis 21 mus. Das kann gar nicht anders sein. Denn um einen solchen Versuch zu begreifen, fehlen da alle Vorbedingungen. Der Theosoph versteht Pfleiderer; aber Pfleiderer wird den Theosophen nicht verstehen wollen.