Collected Essays on Literature 1884-1902
GA 32
Automated Translation
34. Theosophists
A translation of the profound Indian poem "Bhagavad-Gita" by Franz Hartmann has recently been published. The poem reveals the deepest experiences that the chosen ones, the priestly natures of a sensible people, had in special states. As if in a dream, the solutions to those questions of life which, according to their disposition, they needed to answer, were revealed to these priestly natures. It was not through abstract thinking, which we Westerners have to rely on, but through mystical vision and intuition that these Oriental seekers of truth sought to achieve their goals. It would be in vain if we Westerners wanted to imitate them. Our nature is different from theirs; and therefore the way must be different by which we reach the summit of knowledge and the height of a free way of life. Theosophists do not think this way. They shrug their shoulders at the whole of European science; they smile at its intellectuality and rationality and worship the Oriental way of seeking truth as the only one. Oh, it is delightful to observe the superior expression when one enters into a conversation with a Theosophist about the value of occidental knowledge. "That is all external work"; the "rationalists only walk around a thing and look at its surface"; "we, on the other hand, live inside the thing; we even live inside God himself; we experience the Godhead within us". These are some of the phrases we hear. And you will hardly get away without being labeled a "limited intellectual" if you reveal in just a few words that you cannot think of the inferiority of Western science in the same way. But it is not a good idea to make such a confession so soon. Rather, I advise everyone who meets with a Theosophist to first of all place himself in complete faith and try to hear something of the revelations that such an enlightened person, full of oriental wisdom, experiences in "his inner being". For one hears nothing; nothing but phrases borrowed from Oriental writings, without a trace of content. The inner experiences are nothing but hypocrisy. It is cheap to take phrases from a literature that is, after all, profound and use them to declare the whole of Western cognitive work worthless. Theosophists have no idea of the depth, the inwardness of the science of the West, which supposedly belongs to the superficial mind, to external concepts. But the way in which they speak of the highest knowledge, which they do not have, the mystical way in which they present incomprehensible foreign wisdom, has a seductive effect on quite a few of their contemporaries. And the Theosophical Society is spread all over Europe, has its followers in all major cities; and the number of those who prefer to turn to the dark talk of experiencing the deity within rather than the clear, bright, conceptual knowledge of the Occident is not small. Theosophists benefit from the fact that they are able to maintain good relations with spiritualists and similar strange spirits. They also say of the spiritualists that they treat the phenomena of the spirit world externally, while they themselves only want to experience them inwardly, completely spiritually. But they do not refuse to go hand in hand with the spiritualists when it comes to combating the free science of modern times, which is based solely on reason and observation.
34. Theosophen
Vor kurzem ist eine Übersetzung des tiefsinnigen indischen Gedichtes «Bhagavad-Gita» von Franz Hartmann erschienen. Das Gedicht enthüllt die tiefsten Erlebnisse, die die Auserwählten, die Priesternaturen eines sinnigen Volkes in besonderen Zuständen hatten. Wie im Traume gingen diesen Priesternaturen die Lösungen derjenigen Lebensfragen auf, deren Beantwortung sie, ihrer Veranlagung nach, bedurften. Nicht durch abstraktes Denken, auf das wir Abendländer nun einmal angewiesen sind, sondern durch mystisches Schauen, durch Intuition suchten diese orientalischen Wahrheitssucher zu ihren Zielen zu gelangen. Es wäre vergebens, wenn wir Abendländer es ihnen nachmachen wollten. Unsere Natur ist von der ihrigen verschieden; und deshalb muss auch der Weg ein anderer sein, auf dem wir zum Gipfel der Erkenntnis und zur Höhe einer freien Lebensführung gelangen. Nicht so denken die Theosophen. Sie sehen mit Achselzucken auf die ganze europäische Wissenschaft; lächeln über deren Verstandes- und Vernunftmäßigkeit und verehren die morgenländische Art des Wahrheitssuchens als die einzige. O, es ist köstlich, die überlegen sein wollende Miene zu beobachten, wenn man mit einem Theosophen in ein Gespräch kommt über den Wert abendländischer Erkenntnisse. «Das ist alles Außenwerk»; die «Vernunftgelehrten gehen nur um eine Sache herum und beschauen ihre Oberfläche»; «wir hingegen leben in der Sache drinnen; wir leben sogar in Gott selbst drinnen; wir erleben die Gottheit in uns». So etwa sind die Redensarten, die man zu hören bekommt. Und man wird kaum davonkommen, ohne dass einem der Stempel eines «beschränkten Verstandesmenschen» aufgedrückt worden ist, wenn man nur mit wenigen Worten verrät, dass man von der Minderwertigkeit der abendländischen Wissenschaft doch nicht in gleicher Weise denken kann. Aber man tut nicht gut, ein solches Bekenntnis so bald abzulegen. Ich rate vielmehr jedem, der mit einem Theosophen zusammenkommt, sich zunächst vollständig gläubig zu stellen und zu versuchen, etwas von den Offenbarungen zu hören, die ein solcher von morgenländischer Weisheit vollzogener Erleuchteter in «seinem Inneren» erlebt. Man hört nämlich nichts; nichts als Redensarten, die den morgenländischen Schriften entlehnt sind, ohne eine Spur von Inhalt. Die inneren Erlebnisse sind nichts als Heuchelei. Es ist billig, Phrasen aus einer immerhin tiefsinnigen Literatur aufzunehmen und mit ihnen die ganze abendländische Erkenntnisarbeit wertlos zu erklären. Welche Tiefe, welche Innerlichkeit in der angeblich dem oberflächlichen Verstande, dem äußerlichen Begriffe angehörigen Wissenschaft des Abendlandes steckt, davon haben die Theosophen keine Ahnung. Aber die Art, wie sie von den höchsten Erkenntnissen sprechen, die sie nicht haben, die mystische Weise, in der sie unverstandene fremde Weisheit vorbringen, wirkt verführend auf nicht wenige Zeitgenossen. Und die Theosophische Gesellschaft ist über ganz Europa verbreitet, hat in allen größeren Städten ihre Anhänger; und die Zahl derer, die sich lieber dem dunklen Gerede vom Erleben der Gottheit im Innern zuwenden als der klaren, lichten, begrifflichen Erkenntnis des Abendlandes ist nicht gering. Dabei kommt den Theosophen zugute, dass sie in der Lage sind, gute Beziehungen zu den Spiritisten und ähnlichen sonderbaren Geistern zu halten. Sie sagen zwar auch von den Spiritisten, diese behandeln die Erscheinungen der Geisterwelt äußerlich; während sie selbst sie nur innerlich, ganz geistig erleben wollen. Aber sie lehnen es nicht ab, mit den Spiritisten Hand in Hand zu gehen, wenn es gilt, die freie, auf Vernunft und Beobachtung allein sich stützende freie Wissenschaft der Neuzeit zu bekämpfen.