Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31
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55. Zola's Oath and the Truth about Dreyfus
The monumental speech that Emile Zola read out before the French court does not only belong to the history of litigation; it belongs to literature. It will take pride of place in all of Zola's works, for it gives us a deep insight into the soul of the great writer, the brave, admirable fighter for truth and justice. The conclusion of this speech strikes me as heroic. Such a solemn oath by all that is sacred to him was made by a man in whom the will to truth is present in the highest perfection.
All those who see clearly in the Dreyfus affair, whose instincts are not misled by petty chauvinism or ill-advised state wisdom, must also feel within themselves the feelings that urged Zola to take this oath.
And after the speech that Zola's great lawyer delivered with so much fervor and so much superiority, it is not difficult to see clearly. Only incurable blindness to justice and humanity can still doubt Dreyfus' innocence. One need only have sound, untainted common sense to see the truth here.
For those who want to see, I don't need to write these lines. But there is a way to force even those who want to close their eyes to the truth to see. Zola said: the authoritative personalities know the truth. Yes, they know it. And I simply want to tell you here what the truth is. I will tell you how a person in an important position, who must know this truth and who is in no way a party to the matter, spoke out.
It was in 1894 that France sought an alliance with Russia. At that time, the Russian government received from the French all the information about the French army that Dreyfus was said to have betrayed. In Russia, the French government's information was met with some suspicion. They were looking for a second source to gain an insight into the military situation in France. And now the French leaders made use of Esterhazy. The information the Russians needed was handed over to him. He passed them on to Russia. There they wanted to have the official information confirmed by a traitor. The letters in which he did this were signed: Captain Dreyfus. There are said to be around twenty letters. Dreyfus was chosen because his handwriting was similar to that of Esterhazy. In order to make the matter completely plausible, the Russians had to be provided with apparent proof that a traitor had really sent them the important messages. Esterhazy had been assured that his role would never be mentioned. In order to give his statements the necessary emphasis, the outrage over the betrayal had to be made public: and for this purpose Alfred Dreyfus was sacrificed. Russia's faith in France was bought with his life.
55. Zolas Schwur Und Die Wahrheit Über Dreyfus
Die monumentale Rede, welche Emile Zola vor dem franz6sischen Gerichtshofe verlesen hat, gehört nicht nur der Geschichte des Prozeßwesens; sie gehört der Literatur an. In Zolas gesamten Werken wird sie einen Ehrenplatz einnehmen, denn sie läßt uns tiefe Blicke in die Seele des großen Schriftstellers, des tapferen, bewundernswerten Kämpfers für Wahrheit und Rechtlichkeit tun. Heldenhaft erscheint mir der Schluß dieser Rede. Einen solch feierlichen Schwur bei allem, was ihm heilig ist, hat ein Mann getan, in dem der Wille zur Wahrheit in höchster Vollendung vorhanden ist.
Alle, die in der Dreyfusangelegenheit klar sehen, deren Instinkte nicht durch kleinlichen Chauvinismus oder übel angebrachte Staatsweisheit irregeführt sind, müssen die Empfindungen, die Zola zu diesem Schwur drängten, auch in sich verspüren.
Und nach der Rede, die Zolas großer Anwalt mit so viel Glut und so viel Überlegenheit gehalten hat, ist es nicht schwer, klar zu sehen. Nur unheilbare Blindheit für Recht und Menschlichkeit kann noch an Dreyfus’ Unschuld zweifeln. Man braucht bloß gesunden, unverdorbenen Menschenverstand zu haben, um hier die Wahrheit zu sehen.
Für diejenigen, die sehen wollen, brauche ich diese Zeilen nicht zu schreiben. Aber es gibt in dieser Sache ein Mittel, auch diejenigen zum Sehen zu zwingen, die sich der Wahrheit verschließen wollen. Zola hat gesagt: die maßgebenden Persönlichkeiten wissen die Wahrheit. Jawohl, sie kennen sie. Und ich will hier schlicht erzählen, was die Wahrheit ist. Wie sich eine auf wichtigsten Posten stehende Persönlichkeit, welche diese Wahrheit kennen muß, und die in keiner Weise in der Sache Partei ist, ausgesprochen hat, will ich erzählen.
Es war im Jahre 1894, da suchte Frankreich ein Bündnis mit Rußland. Die russische Regierung erhielt damals von der französischen alle die Angaben über das französische Heer ausgeliefert, die Dreyfus verraten haben soll. In Rußland kam man den Angaben der französischen Regierung mit einigem Mißtrauen entgegen. Man suchte nach einer zweiten Quelle, um sich Einblick in die militärischen Verhältnisse Frankreichs zu verschaffen. Und nun bedienten sich die französischen Staatslenker Esterhazys. Ihm wurden die den Russen nötigen Angaben ausgeliefert. Er lieferte sie an Rußland weiter. Dort wollte man durch einen Verräter die offiziellen Angaben bestätigt haben. Die Briefe, in denen er dies tat, wurden unterzeichnet: Kapitän Dreyfus. Es soll sich um etwa zwanzig Briefe handeln. Auf Dreyfus verfiel man, weil dessen Handschrift derjenigen Esterhazys ähnlich ist. Um die Sache völlig einleuchtend zu machen, mußte den Russen der Scheinbeweis geliefert werden, daß ihnen wirklich ein Verräter die wichtigen Mitteilungen gemacht hat. Esterhazy hatte man zugesichert, daß von seiner Rolle niemals gesprochen werden soll. Um seinen Angaben den notwendigen Nachdruck zu geben, mußte man die Entrüstung über den Verrat öffentlich kundgeben: und zu diesem Zwecke opferte man Alfred Dreyfus. Mit seinem Leben wurde Rußlands Glaube an Frankreich erkauft.