Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31
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33. Monsignor Greuter
On June 22, Monsignor Greuter, indisputably the most important representative of clericalism in the Austrian House of Representatives, died in Innsbruck. He had been a member of our parliament since 1864, i.e. almost since its existence, and only in the last few years did he take a back seat - probably also due to his failing health; in the liberal periods of government, however, especially at the time of the first citizens' ministry, he was one of the foremost fighters in the parliamentary battles that were stirring up the spirits so much at the time. Greuter was a force to be reckoned with by the people's representatives and public opinion in Austria. He possessed a great deal of spirit, which he was able to bring to bear in an appropriate manner when he spoke in the name of the Jesuit principle against the ideas and trends of the time. He was most hostile to all that is called modern culture and modern science. He found the only salvation of mankind in the preservation of the Christian world order and in the restoration of what the last few years had broken away from it. At the same time, he had a keen eye for the weaknesses and excesses of the current school of thought; they were the source of his always witty attacks. And it must be said that he always retained the upper hand against every clumsy spokesman of liberalism. Only with the full inner power of the ideas of the present can one do anything against such fighters; after all, they have at their disposal the products of thousands of years of intellectual endeavor, as they were cultivated within the Church, and they use them very skillfully to portray modern thinking as the enemy of an undisturbed development of humanity. We are faced with an intellectual power with which we have long since come to terms theoretically, and which the educated have completely outgrown, but which we have to reckon with decisively in political life, because it is partly popular, while - there is no need to deceive ourselves - the current school of thought is even unpopular among the masses of the people. This is a circumstance that Greuter knew how to exploit. In any case, it is a typical phenomenon in this respect that Greuter's rooting work succeeded in persuading the women of his district to prevent the secular school inspectors from entering the school. People of his kind always find the right tone to fanatize the people, because they know how to use their intellectual resources in a clever way that flatters the unenlightened and seems beneficial to their lives. They know how to turn things around so that it seems as if the spiritual and physical well-being of the people depended on what they call the Christian world order; they know how to skillfully include in their calculations what appears to the lower classes of the people to be the most necessary: the immediate necessities of life. Hence the alliance of clericalism with socialism, which has recently resurfaced on the surface of Catholic aspirations.
Greuter was able to retire in recent years with a clear conscience, as he saw a star rise in the political sky that can be fully regarded as his spiritual legacy. Perhaps Greuter's nature would have been more difficult to integrate into the current circumstances of our parliamentary life than that of his successor, Prince Liechtenstein. The present situation demands of a clericalist, if not a different spirit, at least a different method of struggle. Greuter only appeared on the scene once in recent years; he attacked Minister Conrad because of the conditions at the University of Vienna. At that time we saw two things: firstly, how easily his words were translated into action: Conrad resigned soon afterwards, and secondly, how sharp the weapons are that Jesuitism is still able to wield against modern science. Greuter's attack on contemporary culture may well have made a far greater impression on the people than Sueß's excellent defense of it.
33. Monsignore Greuter
Am 22. Juni starb in Innsbruck Monsignore Greuter, unstreitig der bedeutendste Vertreter des Klerikalismus im Österreichischen Abgeordnetenhause. Seit dem Jahre 1864, also fast seit dem Bestande unseres Parlamentes, gehörte er demselben an, und nur in den letzten Jahren trat er — wohl auch infolge seiner angegriffenen Gesundheit — in den Hintergrund; in den liberalen Regierungsperioden dagegen, namentlich zur Zeit des ersten Bürgerministeriums, war er einer der vordersten Streiter in den damals die Geister so sehr aufwühlenden parlamentarischen Kämpfen. Greuter bildete eine Macht, mit der die Volksvertretung, mit der die öffentliche Meinung in Österreich rechnen mußte. Er verfügte über eine große Summe von Geist, den er in angemessener Weise ins Feld zu führen wußte, wenn er im Namen des jesuitischen Prinzips gegen die Ideen und Richtungen der Zeit sprach. Allem, was moderne Kultur und moderne Wissenschaft heißt, stand er in der denkbar feindlichsten Weise gegenüber. Das einzige Heil der Menschheit fand er in der Erhaltung der christlichen Weltordnung und in der Wiederherstellung dessen, was die letzten Jahre von ihr abgebrochen haben. Dabei hatte er einen feinen Blick für die Schwächen und Auswüchse der gegenwärtigen Geistesrichtung; sie waren es, wovon seine immer geistreichen Angriffe ausgingen. Und man muß sagen, daß er gegen jeden ungeschickten Wortführer des Liberalismus stets die Oberhand behielt. Nur mit der vollen inneren Kraft der Ideen der Gegenwart kann man gegen solche Streiter etwas ausrichten; es stehen ihnen ja doch die Erzeugnisse tausendjähriger Geistesbestrebungen, wie sie innerhalb der Kirche gepflegt wurden, zu Gebote, und sie benützen sie sehr geschickt, um das moderne Denken als den Feind einer ungestörten Entwicklung der Menschheit hinzustellen. Wir stehen da eben vor einer geistigen Macht, mit der wir zwar theoretisch längst fertig sind, über die die Gebildeten vollständig hinausgewachsen sind, mit der wir aber im politischen Leben entschieden rechnen müssen, weil sie zum Teile volkstümlich ist, während —- man braucht sich da ja keiner Täuschung hinzugeben — die Gedankenrichtung der Gegenwart in den Massen des Volkes sogar unpopulär ist. Das ist ein Umstand, den Greuter zu benützen wußte. Es ist in dieser Hinsicht jedenfalls eine typische Erscheinung, daß es Greuters Wühlarbeit gelang, die Weiber seines Bezirkes dazu zu vermögen, die weltlichen Schulinspektoren am Eintritt in die Schule zu verhindern. Leute seiner Art finden eben immer den rechten Ton, in dem man das Volk zu fanatisieren vermag, weil sie ihre geistigen Mittel in jener klugen Weise zu verwerten wissen, die dem Unaufgeklärten schmeichelt und ihm für sein Leben vorteilbringend erscheint. Sie wissen die Sache so zu drehen, daß es scheint, als wenn von dem, was sie christliche Weltordnung nennen, das geistige und leibliche Wohl des Volkes abhinge, sie wissen in geschickter Weise das in ihre Rechnung einzusetzen, was den unteren Volksschichten als das Notwendigste erscheint: die unmittelbaren Lebensbedürfnisse. Daher das Bündnis des Klerikalismus mit dem Sozialismus, das in neuester Zeit wieder an die Oberfläche der katholischen Bestrebungen tritt.
Greuter konnte sich in den letzten Jahren mit gutem Gewissen zurückziehen, denn er sah ja, wie ein Stern am politischen Himmel aufging, der in vollem Maße als sein geistiger Erbe angesehen werden kann. Vielleicht hätte sich die Natur Greuters doch schwerer in die gegenwärtigen Verhältnisse unseres parlamentarischen Lebens eingefügt als die seines Nachfolgers, des Prinzen. Liechtenstein. Die jetzige Lage fordert von einem Klerikalen, wenn auch nicht einen anderen Geist, so doch eine andere Kampfesmethode. Nur einmal trat Greuter in den letzten Jahren noch auf den Plan; er griff den Minister Conrad wegen der Zustände an der Wiener Universität an. Damals sahen wir ein Zweifaches: erstens, wie leicht sich seine Worte in Taten umsetzten: Conrad trat bald darnach zurück, und dann, wie scharf die Waffen sind, welche der Jesuitismus noch immer gegen die moderne Wissenschaft zu führen vermag. Im Volke mag wohl Greuters Angriff auf die gegenwärtige Kultur ungleich mehr Eindruck gemacht haben als Sueß’ treffliche Verteidigung derselben.