Collected Essays on Cultural and Contemporary History 1887–1901
GA 31
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138. Contra “Lex Heinze”
It was an impressive rally of the Berlin art and literary world that we witnessed on March 4. Gustav Eberlein, Hermann Nissen and Hermann Sudermann strongly objected to the unheard-of bill, which, if it became reality and was applied in the spirit of its authors, would simply make any development of intellectual life in the modern sense impossible. The speakers found sharp, ironic, but entirely accurate words for what would become impossible. There is no doubt about it - once again, darkness stands against light, authority against freedom of thought, unreason against reason. German minds are not political raison d'être. Sudermann emphasized it sharply. For years they sat quietly in their studios, in their writing rooms, turned away from all political activity. Today, the representatives of medieval institutions have turned the most apolitical into lively political agitators. "Let us assume that the law has once been created," said Sudermann. "How would things turn out? Great dramatic galleries of ancestors would appear on the stage. How many princely houses there are in Germany! All their ancestors would pass by on the boards for our admiration. Our art would be shrouded in a fog of prejudice so that the truth would remain hidden. For those who make this law do not want the truth. They want their centuries-old prejudices."
This one protest is not enough. It must be repeated. For as true as it is that in the long run nonsense cannot drive out truth in the world, it is equally true that unreason can prevail for a long time. But we cannot tolerate that either. Life is too short. We have no time for the play of clumsy hands that want to veil the light from us.
138. Gegen Die «Lex Heinze»
Es war eine imposante Kundgebung der Berliner Kunstund Literaturwelt, die wir am 4. März erlebten. Gustav Eberlein, Hermann Nissen, Hermann Sudermann erhoben kräftig Einspruch gegen den unerhörten Gesetzentwurf, der, zur Wirklichkeit geworden und im Sinne ihrer Urheber gehandhabt, jede Entfaltung des Geisteslebens im modernen Sinne einfach unmöglich machen würde. Was alles unmöglich würde, dafür fanden die Sprecher scharfe, ironische, aber durchaus zutreffende Worte. Es ist ja kein Zweifel - wieder einmal stehen in widrigster Art: Finsternis gegen Licht, Autorität gegen Geistesfreiheit, Unvernunft gegen Vernunft. Die deutschen Geister sind keine politischen Raisonaire. Sudermann hat es scharf betont. Jahrelang saßen sie ruhig, allem politischen Getriebe abgewandt, in ihren Ateliers, in ihren Schreibstuben. Die Vertreter mittelalterlicher Institutionen haben heute die Unpolitischsten zu regsamen politischen Agitatoren gemacht. «Nehmen wir an, daß das Gesetz einmal geschaffen ist» sagte Sudermann. «Wie würden sich die Dinge ausnehmen? Große dramatische Ahnengalerien würden auf der Bühne erscheinen. Wie viele Fürstenhäuser gibt es in Deutschland! Alle ihre Ahnen würden auf den Brettern zu unserer Bewunderung vorüberziehen. In einen Nebel von Vorurteilen will man unsere Kunst einhüllen, damit die Wahrheit verborgen bleibe. Denn die, welche dieses Gesetz machen, wollen nicht die Wahrheit. Sie wollen ihre jahrhunderte alten Vorurteile.»
Es ist nicht genug mit diesem einen Proteste. Er muß sich wiederholen. Denn so wahr es ist, daß auf die Dauer der Unsinn nicht die Wahrheit auf der Welt vertreiben kann, so wahr ist es, daß die Unvernunft für lange Zeiten siegen kann. Aber auch das können wir nicht vertragen. Das Leben ist zu kurz. Wir haben keine Zeit für das Spiel täppischer Hände, die uns das Licht verhüllen wollen.