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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Philosophy, Science, Aesthetics and Psychology 1884–1901
GA 30

Automated Translation

84. C. A. Friedrich - The Worldview of a Modern Christian

Leipzig 1897

There will always be people whose feelings, whose emotional life lags behind the knowledge that progressive science and experience impose on them. What has taken possession of the heart is not so easily refuted by rational insight. Everything that is said about the struggle between faith and knowledge can ultimately be traced back to the opposition that exists between the traditional powers that have taken root in the mind and the ideas and concepts to which reason cannot close itself off. Strong natures will not feel this struggle. They either remain faithful to the habitual ideas they have inherited from their fathers and reject all new insights, or they sail full steam ahead into the new and tear their hearts away from the traditional. Weak natures, on the other hand, waver uncertainly back and forth between the old and the new. They cannot let go of the old; they cannot reject the new. It is then they who make the reconciliation of faith and knowledge, of religion and cognition, the object of their contemplation. The Austrian archbishop who once said: "The Church knows no progress" was a strong nature. A strong nature is Ernst Haeckel, who simply puts the content of modern natural insight in the place of the old religion. A weak personality, on the other hand, is the author of the above-mentioned writing. He has the highest respect for modern knowledge. He wants this knowledge to be as fruitful as possible. But everything he says about modern views is influenced by Christian religious sentiments. He seeks to reconcile Christian feeling and modern thinking. For him, desire is the father of thought. He wants modern knowledge to be disseminated as widely as possible, and he also wants people to feel Christian. He provides the "proof" that the more modern man becomes, the more Christian he will become. For those who have already absorbed the modern insights into their feelings, into their hearts, Friedrich's "proofs" are not proofs at all. Nor does he need such evidence. For it is clear to him that it is possible to live perfectly well with the modern world view if only one has settled into it. He brings all warmth of feeling, all enthusiasm to the ideas of this world view, just as our ancestors did to Christian ideas. But the author of the book "Weltanschauung eines modernen Christen" has warmth of heart for the old ideas and coldness of mind for the modern views. He therefore tries in vain to extract the feelings that have arisen from Christian theology from the new insights. Due to the strict, sympathetic attitude that speaks from the book, it will be of interest to many who are inclined to deal with the questions that the author seeks to answer. However, many will find this new kind of pietism and sentimentalism boring. The psychologist will have to take the book into account. The author is to be seen as a type for a large number of people. They all strive for a reconciliation of two spiritual areas that cannot exist side by side in the long term, between which there can only be a truce, but no peace.

C. A. Friedrich - Die Weltanschauung Eines Modernen Christen

Leipzig 1897

Menschen, die mit ihren Empfindungen, mit ihrem Gemütsleben hinter den Erkenntnissen zurückbleiben, die ihnen die fortschreitende Wissenschaft und Erfahrung aufdrängen, wird es immer geben. Was sich des Herzens bemächtigt hat, das ist durch vernünftige Einsicht nicht so leicht zu widerlegen. Alles, was über den Kampf zwischen Glauben und Wissen gesagt wird, läßt sich zuletzt auf den Gegensatz zurückführen, der besteht zwischen den traditionellen Mächten, die sich im Gemüte eingenistet haben, und den Ideen und Begriffen, denen sich die Vernunft nicht verschließen kann. Starke Naturen werden diesen Kampf nicht empfinden. Sie bleiben entweder den gewohnheitsmäßigen Vorstellungen, die sie von den Vätern ererbt haben, treu und lehnen alle neuen Einsichten ab, oder sie segeln mit voller Kraft in das Neue hinein und reißen ihr Herz los von dem Hergebrachten.. Schwache Naturen dagegen schwanken zwischen Altem und Neuem unsicher hin und her. Von jenem können sie nicht lassen; dieses können sie nicht von sich weisen. Sie sind es dann, welche die Versöhnung von Glauben und Wissen, von Religion und Erkenntnis, zum Gegenstande ihrer Betrachtung machen. Eine starke Natur war der österreichische Erzbischof, der einst gesagt hat: «Die Kirche kennt keinen Fortschritt.» Eine starke Natur ist Ernst Haeckel, der einfach den Inhalt der modernen Natureinsicht an die Stelle der alten Religion setzt. Eine schwache Persönlichkeit dagegen ist der Verfasser der obengenannten Schrift. Er hat die höchste Achtung vor der modernen Erkenntnis. Er möchte, daß diese Erkenntnis so fruchtbar als möglich wirke. Aber alles, was er über die modernen Anschauungen sagt, ist von christlichreligiösen Empfindungen miteingegeben. Christliches Fühlen und modernes Denken sucht er miteinander zu versöhnen. Der Wunsch ist bei ihm der Vater des Gedankens. Er wünscht, daß dem modernen Wissen die weiteste Verbreitung werde, und er wünscht auch, daß die Menschen christlich fühlen, Seine Vorstellungen formen sich nach seinen Wünschen. Er liefert den «Beweis», daß der Mensch um so christlicher werden wird, je moderner er wird. Für denjenigen, der die modernen Einsichten bereits in sein Fühlen, in sein Herz aufgenommen hat, sind Friedrichs «Beweise» durchaus keine Beweise. Er braucht auch solche Beweise nicht. Denn ihm ist klar, daß sich mit der modernen Weltanschauung vollkommen leben läßt, wenn man sich nur in sie eingelebt hat. Alle Wärme der Empfindung, allen Enthusiasmus bringt er den Vorstellungen dieser Weltanschauung entgegen, wie sie unsere Vorfahren den christlichen Ideen entgegengebracht haben. Aber der Verfasser des Buches «Weltanschauung eines modernen Christen» hat für die alten Vorstellungen Wärme des Herzens, für die modernen Anschauungen Kälte des Verstandes. Vergebens sucht er aus den neuen Einsichten deshalb die Gefühle herauszuptessen, die sich aus der christlichen Theologie ergeben haben. Durch eine strenge, sympathische Gesinnung, die aus dem Buche spricht, wird es manchem interessant sein, der sich mit den Fragen zu beschäftigen geneigt ist, die der Verfasser zu beantworten sucht. Allerdings wird für viele diese neuere Art von Pietismus und Gefühlsduselei auch langweilig sein. Der Psychologe wird das Buch berücksichtigen müssen. Der Verfasser ist als Typus für eine große Anzahl von Menschen zu betrachten. Sie streben alle nach einer Aussöhnung zweier geistiger Gebiete, die nicht auf die Dauer nebeneinander bestehen können, zwischen denen es nur einen Waffenstillstand, aber keinen Friedensschluß geben kann.