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The Rudolf Steiner Archive

a project of Steiner Online Library, a public charity

Collected Essays on Philosophy, Science, Aesthetics and Psychology 1884–1901
GA 30

Automated Translation

58. Franz Brentano - On the Future of Philosophy

With apologetic-critical consideration of Adolf Exner's inauguration speech "On Political Education" as Rector of the University of Vienna. Vienna 1893

Brentano emphasizes that he was one of the first to say: "The method of philosophy is no other than that of the natural sciences." In this pamphlet, he makes the fate of philosophy in the future dependent on the general recognition of this principle. We must recognize in this the signature of an unphilosophical way of thinking. The extension of the scientific approach to certain areas, such as psychology, can provide nothing more than an increase in the natural sciences, an expansion of the latter with new content, but never philosophy. Wundt's experimental psychology is a scientific, not a philosophical chapter. Philosophy cannot content itself with collecting and systematizing experiences; it must go one step deeper and ask: what does experience mean at all; what value does it have? Only through philosophical thinking can the truths of experience be put in the right light. Those who know how to look at something with the right concept will see it from a completely different side than those who simply let it affect them. But we can never experience concepts. They must be generated in thought. Haeckel would never have arrived at the basic ontogenetic law if he had not conceived it freely in thought (through intuition). It is quite futile to simply observe the facts. We must place them under certain aspects. Even mere experimentation is not enough. Without guiding ideas, it remains only an artificially produced object of observation. Even if we have produced the conditions of a phenomenon ourselves in the experiment and therefore know exactly the relationship between the condition and the conditional, we still learn nothing about the nature of this relationship.

In pure mathematics we have an example of how we can really come to recognize this essence. This is the case because here we are dealing with objects that we do not look at from the outside, but that we completely generate ourselves. In contrast to experiential knowledge, pure mathematics can be regarded as a realization of the essence of its objects. It can therefore rightly serve as a model for philosophy. The latter must only overcome the one-sidedness of mathematical judgment. This one-sidedness lies in the abstract character of mathematical truths. They are merely formal. They are based on mere concepts of proportion. If we are able to create entities ourselves which have a real content, then we obtain a science not merely of forms, as mathematics is, but of essences, as philosophy is supposed to be. The supreme entity of this kind is the "I". This: cannot be found through experience, but can only be generated through free intuition. Whoever is able to generate this intuition soon realizes that he has not carried out an act of his individual, random consciousness, but a cosmic process: he has overcome the opposition of subject and object; he has found the substantive world in himself, but also himself in the world. From then on, he no longer looks at things as an outsider, but as one who stands within them. At this moment, he has become a philosopher. Philosophy wants to experience things, not merely observe them like empirical science. This is a fundamental difference. Anyone who does not admit it and simply wants to apply the scientific method to philosophy has no concept of the latter. For me, the general acceptance of Brentano's theorem would be tantamount to the general decline of philosophy.

Franz Brentano - Über Die Zukunft Der Philosophie

Mit apologetisch-kritischer Berücksichtigung der Inaugurationsrede von Adolf Exner «Über politische Bildung» als Rektor der Wiener Universität. Wien 1893

Brentano legt Wert darauf, einer der ersten gewesen zu sein, der das Wort ausgesprochen hat: «Die Methode der Philosophie ist keine andere als die der Naturwissenschaften.» Von der allgemeinen Anerkennung dieses Prinzips macht er in vorliegender Broschüre das Schicksal der Philosophie in der Zukunft abhängig. Wir müssen darinnen die Signatur einer unphilosophischen Denkungsart erkennen. Die Ausdehnung der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise auf gewisse zum Beispiel psychologische Gebiete kann nichts liefern als einen Zuwachs der Naturwissenschaft, eine Erweiterung der letzteren um einen neuen Inhalt, niemals aber Philosophie. Wundts Experimentalpsychologie ist ein naturwissenschaftliches, kein philosophisches Kapitel. Die Philosophie kann sich nicht damit begnügen, Erfahrungen zu sammeln und zu systematisieren; sie muß um eine Stufe tiefer gehen und fragen: was bedeutet überhaupt die Erfahrung; welchen Wert hat sie? Durch das philosophische Denken können Erfahrungswahrheiten erst in das rechte Licht gerückt werden. Wer es versteht, mit dem richtigen Begriffe irgendeine Sache zu betrachten, dem zeigt sie sich von einer ganz anderen Seite als dem, der sie einfach auf sich wirken läßt. Begriffe aber können wir nie erfahren. Sie müssen im Denken erzeugt werden. Nie wäre Haeckel zum ontogenetischen Grundgesetze gelangt, wenn er es nicht frei im Denken (durch Intuition) konzipiert hätte. Es ist ganz vergebens, die Tatsachen einfach zu beobachten. Wir müssen sie unter gewisse Gesichtspunkte stellen. Auch das bloße Experiment reicht dazu nicht hin. Ohne leitende Ideen bleibt es nur ein künstlich hergestelltes Beobachtungsobjekt. Wenn wir beim Experiment auch die Bedingungen einer Erscheinung selbst hergestellt haben und daher genau den Zusammenhang zwischen Bedingung und Bedingtem kennen, so erfahren wir dadurch doch gar nichts über das Wesen dieses Zusarmmenhangs.

In der reinen Mathematik haben wir ein Beispiel, wie wir wirklich zur Erkenntnis dieses Wesens kommen können. Dies ist deshalb der Fall, weil wir hier mit Objekten zu tun haben, die wir nicht von außen anschauen, sondern die wir restlos selbst erzeugen. Die reine Mathematik kann im Gegensatz zu dem Eirfahrungswissen als eine Erkenntnis des Wesens ihrer Objekte gelten. Daher kann sie der Philosophie mit Recht als Vorbild dienen. Die letztere muß nur die Einseitigkeit des mathematischen Urteiles überwinden. Diese Einseitigkeit liegt in dem abstrakten Charakter der mathematischen Wahrheiten. Sie sind bloß formal. Sie bauen sich auf bloßen Verhältnisbegriffen auf. Sind wir imstande, Gebilde selbst zu erzeugen, die einen realen Inhalt haben, dann erhalten wir eine Wissenschaft nicht bloß von Formen, wie die Mathematik eine ist, sondern von Wesenheiten, wie es die Philosophie sein soll. Das oberste Gebilde dieser Art ist das «Ich». Dies: kann nicht durch Erfahrung gefunden, sondern nur durch freie Intuition erzeugt werden. Wer diese Intuition zu erzeugen vermag, der merkt alsbald, daß er damit nicht einen Akt seines einzelnen, zufälligen Bewußtseins vollzogen hat, sondern einen kosmischen Prozeß: er hat den Gegensatz von Subjekt und Objekt überwunden; er hat die inhaltliche Welt in sich, aber auch sich in der Welt gefunden. Von da ab betrachtet er nicht mehr die Dinge wie ein Außenstehender, sondern wie einer, der innerhalb derselben steht. In diesem Augenblicke ist er Philosoph geworden. Die Philosophie will die Dinge erleben, nicht wie die Erfahrungswissenschaft bloß betrachten. Dies ist ein prinzipieller Unterschied. Wer ihn nicht zugeben und die naturwissenschaftliche Methode einfach auf die Philosophie anwenden will, der hat keinen Begriff von der letzteren. Die allgemeine Anerkennung des Brentanoschen Satzes wäre für mich gleichbedeutend mit dem allgemeinen Verfall der Philosophie.