Collected Essays on Drama 1889–1900
GA 29
Automated Translation
Magazin für Literatur 1897, Volume 66, 38
52. ‘The Bill”
A morality play in four acts by Maurice Donnay. German by Anne St. Cerè
Performance at the Neues Theater, Berlin
The new drama by Maurice Donnay "La Douloureuse", with which director Lautenburg opened the season of the Neues Theater, brought together the dizzying hustle and bustle of disgusting moneymaking with the tenderest stirrings of the loving heart in a rather unharmonious way. Donnay is a witty playwright with a fine artistic touch. Unfortunately, he only lacks the ability to devise an exciting plot. People who are only satisfied when as much as possible happens on stage do not get their money's worth with him. The development of the events is slow, the plot flows sluggishly forward.
The sculptor Philippe loves Helene, the wife of the swindler Ardan. Ardan shoots himself at the end of the first act, and Helene's hand is free for her lover. The two could enjoy their fiery love in the most beautiful way if Helene's friend did not stand in the way. She loves the sculptor no less ardently than Helene. He is a weakling and cannot resist the courtship of the rutting woman. She betrays her friend. She reveals to the ardent suitor that Helene's child is illegitimate. Philippe is furious and devastated by this news; Helene is furious and devastated by the fact that Philippe loves his girlfriend. An exciting scene between the two shows the bitterness that two passionate and loving souls can cause each other. A "reckoning" takes place between the two, just as a reckoning took place earlier between the swindler Ardan and "earthly justice". In the end, Philippe and Helena's hearts find each other again. He has forgotten and forgiven her in his loneliness, she in her lively social life. Basically, it is not people but puppets who are involved in this plot. But characterization and action are replaced by the spirit that prevails in the speeches of these people. One listens intently to the intimate things being said and forgets that there is no action because of all the talking. A soft, mature, sweet beauty flows from these speeches. One was always annoyed that an audience with little understanding received this fine, unspeakably beautiful speech with yawns, laughter and hissing. However, the performance was little suited to bring out the wonderful subtleties of the drama. Mr. Jarno played a rotten sweetie instead of the nervous, decadent weakling Philippe; Mrs. Reisenhofer's passion, for all its liveliness, was too coarse to reflect the sensitive love of Helene, which is of such intimate truth that a warm breath must go over one's whole body when it is well portrayed.
«DIE ABRECHNUNG»
Ein Sittenbild in vier Akten von Maurice Donnay. Deutsch von Anne St. Cerè
Aufführung im Neuen Theater, Berlin
Ein recht wenig harmonisches Zusammenklingen des schwindelhaften Treibens ekelerregender Geldmacherei mit den zartesten Regungen des liebenden Herzens brachte das neue Drama von Maurice Donnay «La Douloureuse», mit dem Direktor Lautenburg die Saison des Neuen Theaters eröffnet hat. Ein geistreicher Dramatiker mit feinem künstlerischem Takte ist Donnay. Ihm fehlt leider nur die Fähigkeit, eine spannende Handlung zu ersinnen. Die Leute, die nur zufrieden sind, wenn auf der Bühne möglichst viel geschieht, kommen bei ihm nicht auf ihre Rechnung. Zäh ist die Entwickelung der Vorgänge, träge fließt die Handlung vorwärts.
Der Bildhauer Philippe liebt Helene, die Frau des Schwindlers Ardan. Dieser Ardan erschießt sich am Ende des ersten Aktes, und Helenens Hand wird für ihren Geliebten frei. In schönster Weise könnten die beiden ihr feuriges Liebesglück genießen, wenn sich nicht Helenens Freundin hindernd in den Weg stellte. Diese liebt den Bildhauer nicht minder glühend wie Helene. Er ist ein Schwächling und kann den Werbungen des brünstigen Weibes nicht widerstehen. Dieses übt Verrat an der Freundin. Es verrät dem Heißverlangten, daß Helenens Kind unehelich ist. Philippe rast und ist zerschmettert über diese Mitteilung; Helene rast und ist zerschmettert darüber, daß Philippe die Freundin liebt. Eine aufregende Szene zwischen beiden zeigt die Bitternisse, die sich zwei leidenschaftliche und liebende Seelen bereiten können. Eine «Abrechnung» zwischen beiden finder statt, wie früher eine Abrechnung zwischen dem Schwindler Ardan und der «irdischen Gerechtigkeit» stattgefunden hat. Zuletzt finden sich Philippes und Helenens Herzen doch wieder. Er hat in der Einsamkeit, sie in rauschendem Gesellschaftsleben vergessen und verziehen. Im Grunde sind es nicht Menschen, sondern Puppen, welche in diese Handlung verwickelt sind. Aber Charakteristik und Handlung werden ersetzt durch den Geist, der in den Reden dieser Menschen herrscht. Man hört den intimen Dingen, die da gesprochen werden, gespannt zu und vergißt, daß vor lauter Reden nicht gehandelt wird. Eine weiche, reife, süße Schönheit strömt aus diesen Reden. Man ärgerte sich immer wieder, daß ein wenig verständiges Publikum dieses feine, unsäglich schöne Reden mit Gähnen, Lachen, Zischen aufnahm. Allerdings war die Darstellung wenig geeignet, die wunderbaren Feinheiten des Dramas zur Anschauung zu bringen. Herr Jarno spielte statt des nervösen, dekadenten Schwächlings Philippe einen angefaulten Süßling; die Leidenschaft der Frau Reisenhofer war bei aller Lebendigkeit zu derb, um die sensitive Liebe der Helene wiederzugeben, die von so intimer Wahrheit ist, daß einem ein warmer Hauch über den ganzen Leib gehen muß, wenn sie gut dargestellt wird.